Titel: | Ueber den Krapp oder die Färberröthe, Rubia tinctorum L. Von Hrn. Tollard. |
Fundstelle: | Band 27, Jahrgang 1828, Nr. LIII., S. 196 |
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LIII.
Ueber den Krapp oder die
Faͤrberroͤthe, Rubia tinctorum L. Von Hrn.
Tollard.
Mitgetheilt von Hrn. Julia de Fontenelle im Recueil industriel, Nov.
1827.
Tollard, uͤber den Krapp oder dir
Faͤrberroͤthe.
Diese Pflanze kam aus dem noͤrdlichen Asien, und wurde
in den Umgebungen von Paris einheimisch.Dieß ist hoͤchst unrichtig. Clusius fand
diese Pflanze schon vor 300 Jahren bei Theben in Oesterreich, dicht an der
Grenze Ungerns. In Asien gibt es andere und bessere Arten von Krapp (Rubia),
weßwegen auch unser tuͤrkisch Roth nie dem
echten orientalischen gleich kommen kann,
indem wir nicht dasselbe Faͤrbematerial besizen. Ueber die Krapparten
sehe man Linnaei
Syst. Veg., ed. Roͤmer et Schultes V. III. et Mantiss. III. A. d. U. Von ihr hat die große natuͤrliche Pflanzen-Familie der Rubiaceen ihren Namen, und sie gehoͤrt im Linne'schen Systeme in die IV. Classe 1. Ordnung
(Tetrandrie, Monogynie). Sie treibt krautartige, aͤstige, oft 8 Decimeter
lange Staͤngel, deren (vier) Kanten mit hakenfoͤrmigen Stacheln besezt
sind. Ihre Blaͤtter sind lanzettenfoͤrmig, gleichfalls mit solchen
gekruͤmmten Stacheln besezt, und stehen in Querlen zu 6 bis 8. Die Blumen
stehen in den Blattwinkeln auf aͤstigen Blumenstielen, und sind gelblich. Der
Griffel ist zweispaltig. Die Frucht besteht aus 2 schwarzen Beeren, deren jede einen
Samen enthaͤlt. Die Wurzel ist etwas knollig, ausdauernd, und zuweilen 6
Decimeter (2 Fuß) lang.
Bau.
Man baut den Krapp im mittaͤgigen Frankreich, in Italien, in der Levante
„(schwerlich den unsrigen)“, in England, Holland, Flandern,
in der Normandie etc. „(haͤufig und gut in Schlesien)“;
uͤberall bringt er reichlichen Ertrag. Aus diesen verschiedenen
Laͤndern lassen die Faͤrber zu Paris den Krapp kommen, dessen sie zum
Faͤrben beduͤrfen. Schon Colbert ließ Krapp
in der Naͤhe von Paris bauen, und dieser Krapp war eben so gut, als jener aus
dem Auslande, und gab eine eben so schoͤn rothe und haltbare Farbe. Man
sollte glauben, daß dieser Erfolg die Landleute zur Cultur desselben haͤtte
aufmuntern muͤssen; allein man ahmt das Gute nicht so leicht nach, und heute
zu Tage ist der Krappbau in der Gegend von Paris etwas ganz unbekanntes, obschon
diese Pflanze daselbst sehr gut gedeiht.Krappbau in der Naͤhe einer großen Hauptstadt wird nie gedeihen.
Die Landwirthe in den naͤchsten Umgebungen von Paris
verstehen ihr Interesse besser, als der Hr. Verfasser. – Bei uns in
Bayern koͤnnten die sandigen Gruͤnde im Rezatkreise, die so
viele Aehnlichkeit mit den hollaͤndischen und schlesischen haben, wo
der beste Krapp gebaut wird, Krapp genug fuͤr Bayern, Sachsen und die
Schweiz liefern. A. d. U.
Es ist bekannt, sowohl
durch Analyse als durch Erfahrung, 1) daß dreijaͤhrige Wurzeln (große wie
kleine), die aus demselben Samen, wenn auch in verschiedenen Laͤndern und
unter verschiedenen Temperaturen gebaut wurden, dieselbe Menge Faͤrbestoffes
liefern. Die groͤßere oder geringere Dike der Wurzel ruͤhrt von der
groͤßeren oder geringeren Guͤte des Bodens, vom Wasser, von der Luft,
von verschiedenem Verfahren bei der Cultur her. 2) Holland, England, Flandern etc.
liefern sehr guten Krapp, obschon es daselbst nicht so warm ist, wie um Paris. 3)
Der Krapp ist seit undenklichen Zeiten an den Heken, Buͤschen und auf den
Feldern um Paris einheimisch geworden, und waͤchst dort wild, ohne daß der
Frost der strengsten Winter ihm zu schaden vermag. 4) Der Boden in der Umgebung von
Paris ist einer der besten in ganz Frankreich zum KrappbauGanz unrichtig. Der beste Boden ist das Departement du Pas de Calais, und
alle sandigen sogenannten Landes an der
Kuͤste. A. d. U.; die Natur braucht nur einige Nachhuͤlfe von der Hand des Menschen.
5) Die Versuche haben erwiesen, daß diese Pflanze um Paris gut gedeiht.
Ein etwas feuchter oder waͤsserungsfaͤhiger Kiessand-Boden, der
tief reicht, erzeugt die groͤßten Wurzeln. Wenn Reste organischer
Koͤrper in einem solchen Boden sich finden, so geht die Vegetation nur noch
desto kraͤftiger von Statten. Wenn er zu wenig von denselben haͤtte,
verbessert man ihn mit Kuhduͤnger, oder nach Arthur Young und dem sel. Prof. Thoun, besser noch mit Gassenkoth aus den Staͤdten.
Man harkt oder bricht den Boden mit dem Cultivator, und saͤet im Februar,
Maͤrz, April, Mai „(!)“ sehr duͤnn aus: 10
Kilogramm (20 Pf. 12 Loth) auf ein halbes Hektar (1 Arpent, 1 Morgen Landes). Man
egt die Samen ein, zerkleint die Schollen und gaͤtet das Unkraut. Frische
Samen aus dem suͤdlichen Frankreich verdienen den Vorzug; sie gehen im ersten
Jahre auf. Wenn sie nicht frisch sind, wuͤrden sie erst im 2. oder 3. Jahre
aufgehen, außer man haͤtte sie in Erde eingestreut bekommen. Man kann auch
die Samen ausstreuen, so wie die Natur selbst sie um Paris erzeugt: sie bringen zwar
in den ersten Jahren keine großen Wurzeln, in der Folge tragen aber die von diesem
Anbaue gezogenen Pflanzen staͤrkere und groͤbere Wurzeln, als die aus
fremden Laͤndern.
Wenn das Krappfeld anfaͤngt Kraft zu gewinnen, beharkt man dasselbe, und zieht
die kleinen Pflanzen, wo sie zu dicht stehen, aus, um sie dorthin zu versezen, wo
sie noch nicht dicht genug stehen. Die Pflanzen muͤssen in jeder Richtung 2
Dec. (7 Zoll) weit von einander stehen, wenn der Boden ihrem Wachsthume sehr
guͤnstig ist. Man faͤhrt mit dem Beharken fort, bis 6 Wochen vor
Ausnahme der Wurzeln.
Im zweiten Jahre traͤgt man, wenn man will, ein halbes Decimeter (1 Zoll 10
Lin.) gute Erde auf das ganze Krappfeld auf, wodurch die Wurzeln laͤnger und
diker werden. Es mag aber uͤbrigens Erde aufgetragen werden oder nicht, so
bearbeitet man das Feld zum zweiten Mahle mit einer kleinen Harke (binette) und haͤufelt die Krappstoͤke
etwas auf.
Auf diese Weise „(?)“ baut man den Krapp im Norden, und eben
dieses Verfahren ist auch um Paris bereits gelungen.
Im mittaͤgigen Frankreich und zu Smyrna theilt man das Feld in Beete von 1
Metr. 4 Decim. (4 Fuß) und 2 Meter (6 Fuß) und sticht diese bis auf 5 Decimeter (18
Zoll) Tiefe um. Man duͤngt gut. Die kleinsten Beete traͤgt man 2
Decimeter (7 Zoll) tief ab, und wirft die Erde auf die uͤbrigen. Dann wirft
man den Samen auf diejenigen Beete, die man abgetragen hat, und bedekt sie mit etwas
Erde. In den beiden ersten Fruͤhlingen wirft man die uͤbrige Erde auf
das Krappfeld, und druͤkt sie etwas an die Pflanzen an; dadurch werden die
Wurzeln etwas diker, und man besorgt sie, wie oben angegeben wurde. Man bearbeitet
das Feld zum zweiten Mahle, reinigt es und vertilgt die Schmarozer-Pflanzen.
Man kann auch durch Augen aus den Mutterpflanzen den Krapp vermehren, und legt diese
4 Decimeter (14 Zoll) weit in jeder Richtung von einander: das Verfahren, den Krapp
aus Samen zu ziehen, verdient aber den Vorzug.Wir erinnern uns nicht bald etwas Schlechteres uͤber den Krappbau
gelesen zu haben, und wir haben dieses ganze Tractaͤtlein nur
deßwegen uͤbersezt. um zu zeigen, daß die heutigen Franzosen die
guten alten Lehren ihres Duhamel vergessen, und
nichts Neues und Besseres gelernt haben. Wir Deutsche haben von Vater Reichardt, und von dem sel. Vater Beckmann in seiner Landwirthsch., seiner phys.
oͤk. Biblioth., seinen Beitraͤgen zur Geschichte d. Erf., auch
von Boͤhmer, techn. Gesch. d. Pflanzen,
und den vielen von diesen Ehrenmaͤnnern empfohlenen Schriftstellern
uͤber Krappbau Besseres gelernt; wir scheinen es aber auch vergessen
zu haben; denn der Krappbau in Deutschland reicht nicht fuͤr den
Bedarf unserer wenigen Fabriken hin, und wir stehen noch dort, wo wir vor 50
Jahren standen. A. d. U.
Ernte und Troknen.
Der Herbst des dritten Jahres ist die Epoche, wo die Wurzeln alle moͤgliche
Dike und Laͤnge erreicht haben. Sie riechen, wenn man sie auszieht, etwas
nach Suͤßholz, sind mehr oder weniger lang, aussen gelb und innenwendig roth,
etwas elastisch, und geben, wenn man sie dreht, einen Saft von sich. Wenn man sie
fruͤher auszoͤge, wuͤrden sie noch nicht die gehoͤrigen Eigenschaften
erhalten, und spaͤter wuͤrden sie dieselben verloren haben.
Man faßt die Wurzeln von unten, indem man vorher mit der Haue eine Furche zieht; oder
man bedient sich des englischen vierraͤderigen Pfluges, der die Erde 5
Decimeter (18 Zoll) tief hebt.
Man waͤscht die Wurzeln schnell in mehreren Wassern, und reibt sie mit Besen,
um Alles, was daran klebt, und die tobten Fasern davon zu sondern. Ich sage schnell, weil der Faͤrbestoff im Wasser
aufloͤsbar ist, und man durch schnelles Waschen weniger davon verliert, als
wenn man die Wurzeln laͤngere Zeit uͤber im Wasser haͤlt.
Man bringt hierauf die gewaschenen Wurzeln auf Huͤrden aus Weiden, ohne sie
auf einander zu haͤufen, an einen luftigen Ort, kehrt sie alle Tage um, und
laͤßt sie so lang, bis sie, wenn sie gedreht werden, keinen Saft mehr fahren
lassen. Dieses Troknen kann mehrere Tage, nach Verschiedenheit der Temperatur mehr
oder weniger lang dauern: wenn es kuͤhl ist, wohl 20 Tage. Man doͤrrt
sie endlich in einem Ofen, der bis auf 30 oder 40° Reaumur geheizt ist, oder
in einer eigenen Darrstube, oder in einem Ofen, aus welchem man das Brod
herausgenommen hat, oder waͤhrend des Bakens uͤber dem Bakofen. Man
laͤßt den Ofen offen, damit das Vegetations-Wasser zugleich mit dem
sich mit demselben verbindenden Waͤrmestoff davon kann. Man kann auch die
Wurzeln in die warme Sonne legen, und sie oͤfters umkehren, damit sie immer
eine neue Oberflaͤche der Sonne darbiethen und schneller troknen. Abends
bringt man die Wurzeln auf den Ofen und am anderen Morgen wieder an die Sonne
u.s.f., bis sie ihre Elasticitaͤt verloren haben, und durch die
Annaͤherung ihrer Fasern fest genug geworden sind, um wie Glas zu brechen und
zu klingen.
Nun kommen sie auf die Tenne, und werden darauf sanft mit einem Dreschflegel
geklopft, wodurch die Oberhaut sich einiger Maßen loͤst. Man schwingt den
gedroschenen Krapp, und bringt ihn auf die Muͤhle.Man sieht, daß der Verfasser nicht einmahl zu wissen scheint, wieviel an der
Einrichtung einer guten Krappdarre und Krappmuͤhle gelegen ist, sonst
wuͤrde er laͤnger bei diesem wichtigen Gegenstande verweilt
haben, und nicht so schnell zu den „Eigenschaften“ des Krappes uͤbergegangen
seyn, die er auf eine wo moͤglich noch erbaͤrmlichere Weise
anfuͤhrt. Wir glauben auf die Nothwendigkeit einer guten Krappdarre
und Krappmuͤhle um so mehr aufmerksam machen zu muͤssen, als
Krappbau ohne diese eben so wenig gedeihen
kann, wie Seidenzucht ohne Seidenspinn-Muͤhlen. Zu diesen
Muͤhlen gehoͤren aber Capitalien, die nicht jeder hat, der sie
hierauf zu benuͤzen wuͤßte, und die nicht jeder dazu hergibt,
der sie hat, aber zu diesem Zweke nicht zu benuͤzen weiß.
Moͤchten unsere fleißigen und betriebsamen Landleute des Rezatkreises
ihre Aufmerksamkeit dem Krappbaue schenken: die Nuͤrnberger werden
fuͤr Muͤhlen sorgen, und sie Darren bauen lehren. A. d. U. Was bei dem Schwingen wegfaͤllt, wird weggeworfen: es zieht Feuchtigkeit an, und
wird an der Luft weich: man sollte es alsogleich puͤlvern.Eine vollstaͤndige Zusammenstellung uͤber den Krappbau in allen
den Laͤndern, wo dessen Cultur betrieben wird, so wie die besten
Verfahrungsweisen, dieselben zu troknen, zu mahlen und den gemahlenen Krapp
als Handelsgut zuzubereiten, findet man in Bancroft's englischem
Faͤrbebuche, deutliche Ausgabe von Dingler
und Kurrer, Nuͤrnberg bei L. Schrag 1818, Bd. II.A. d. R.