Titel: | Bericht des Hrn. Robiquet über eine von Hrn. Th. Clark in Glasgow vorgeschlagene Bereitungsart der Blausäure. |
Fundstelle: | Band 43, Jahrgang 1832, Nr. XI., S. 50 |
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XI.
Bericht des Hrn. Robiquet uͤber eine von Hrn. Th. Clark in Glasgow
vorgeschlagene Bereitungsart der Blausaͤure.
Aus dem Journal de Pharmacie. Novbr. 1831, S.
653.
Robiquet, Bericht uͤber die Bereitungsart der
Blausaͤure.
Hr. Clark glaubt daß die bisher zur Bereitung dieser
Saͤure angewandten Verfahrungsarten fuͤr die Apotheker zu complicirt
sind und schlaͤgt dafuͤr ein anderes vor. Er nimmt
naͤmlich:
Weinsteinsaͤure
1 Quentchen.
Cyankalium
32 Gran.
Destillirtes Wasser
1 Unze.
Die Saͤure wird im Wasser aufgeloͤst und die Aufloͤsung in eine
Glasflasche gegossen, hierauf das Cyankalium zugesezt und die Flasche verkorkt,
geschuͤttelt und sodann in kaltes Wasser getaucht, damit sich die Mischung
nicht erhizt; nun laͤßt er sie zwoͤlf Stunden lang ruhig stehen, damit
sich der gebildete Weinstein absezen kann; die uͤberstehende
Fluͤssigkeit wird sodann von ihm abgegossen und an einem dunklen Orte
aufbewahrt.
Nach Hrn. Clark erhaͤlt man bei der Reaction dieser
Substanzen:
Weinstein
1 Quentchen
19 Gran
wovon man 5 Gr. abziehenmuß, welche in dem
Wasseraufgeloͤst bleiben
Blausaͤure
13 Gran.
Leztere ist in einer Unze Wasser aufgeloͤst und daher von gleicher
Staͤrke wie die von Vauquelin eingefuͤhrte
Blausaͤure zum medicinischen Gebrauch.
Es ist allerdings nichts leichter als ein Gemisch in bestimmten Verhaͤltnissen
zu machen; ist es aber wahr, daß man bei obigem Verfahren, wie Hr. Clark behauptet, immer ein gleichartiges und mit der nach anderen Methoden
bereiteten Blausaͤure vergleichbares Arzneimittel erhaͤlt? Hr. Clark sezt dem Cyankalium genau so viel
Weinsteinsaͤure zu, als noͤthig ist, um mit dem Kali
zweifach-weinsteinsaures Kali zu bilden; bekanntlich sind aber die
Zersezungen, welche in der Kaͤlte vorgenommen werden, niemals
vollstaͤndig; es ist dazu mit aͤußerst wenigen Ausnahmen ein
Ueberschuß des faͤllenden Koͤrpers noͤthig, wenn der
Niederschlag nicht vollkommen unaufloͤslich ist. Hoͤchst
wahrscheinlich bleibt also ein Theil des Cyankaliums in der Fluͤssigkeit
unzersezt, daher leztere nebst dem Weinstein, den sie aufloͤsen kann, auch
noch Weinsteinsaͤure erhalten wird. Außer der Blausaͤure werden also
noch drei Koͤrper darin enthalten seyn, wodurch ihre Eigenschaften nothwendig
abgeaͤndert werden muͤssen. Abgesehen hievon, kann die
Blausaͤure des Hrn. Clark schon deßwegen nicht
rein seyn, weil er zur Bereitung derselben kein reines Cyankalium anwendet; er
zersezt naͤmlich um dasselbe zu erhalten, Eisencyankalium durch die Hize,
nimmt den Ruͤkstand in Wasser auf, filtrirt, dampft ab, laͤßt die
Fluͤssigkeit gut krystallisiren, troknet das erhaltene Salz bei gelinder
Waͤrme und bewahrt es in verschlossenen Flaschen auf; wer weiß nun aber
nicht, daß das Cyankalium in Beruͤhrung mit Wasser sich sehr schnell
veraͤndert und zum Theil in einfach-kohlensaures Kali verwandelt? Das
Cyanuͤr des Hrn. Clark wird also mit mehr oder
weniger kohlensaurem Alkali gemengt seyn, so daß die anzuwendende Dosis nicht genau
bestimmt werden kann. Aus allen diesen Gruͤnden glaube ich, daß die Methode
des Hrn. Clark den gewoͤhnlichen Verfahrungsweisen
nicht vorzuziehen ist.
Man koͤnnte glauben, daß ich hiemit das Interesse der Fabrikanten in Schuz
nehme, welchen Hr. Clark den Verkauf der
Blausaͤure entziehen wollte; man wird sich aber leicht von dem Gegentheil
uͤberzeugen, wenn man bedenkt, daß nicht die Bereitung dieser Saͤure,
sondern im Gegentheil diejenige des Cyankaliums Schwierigkeiten darbietet, indem
leztere viel Zeit erfordert; der Apotheker, welcher die Blausaͤure nach
dieser neuen Methode bereitet, wird also das Cyankalium kaufen, was fuͤr den
Fabrikanten wieder auf dasselbe hinauskommt.
Seitdem man weiß, daß das Cyaneisenkalium sich in der Hize in Cyankalium
umaͤndert, bediene ich mich dieses lezteren Productes zur Bereitung der
Blausaͤure, was vielen meiner Herren Collegen bekannt ist; um aber von der
Reinheit und Staͤrke meiner Blausaͤure versichert zu seyn, suche ich
das Cyankalium von der Kohle und dem Eisen, die ihm beigemengt sind, nicht im Voraus
zu trennen. Ich bewahre es in dem Zustande, wie ich es durch Erhizen erhalte, auf
und loͤse es
erst in dem Augenblike, wo ich es anwenden will, in Wasser auf. Die concentrirte
Aufloͤsung filtrire ich, gieße sie in eine kleine Retorte, seze die
erforderliche Menge Schwefelsaͤure zu und erhize sehr gelinde, indem ich die
Vorsicht gebrauche, den Blausaͤuredampf uͤber Chlorcalcium streichen
zu lassen. Ich erhalte also diese Saͤure wie bei dem Verfahren des Hrn. Gay-Lussac im wasserfreien Zustande und
verduͤnne sie dann nach Umstaͤnden mit drei oder fuͤnf Theilen
Wasser. Bei diesem Verfahren kann also die Veraͤnderung, welche das
Cyankalium erlitten haben mag, keinen Einfluß auf die Blausaͤure haben.
Ich habe zuerst das Cyankalium in Gebrauch gebracht und es den Apothekern zur
Bereitung der Blausaͤure in sogenanntem kohligen
Zustande geliefert, d.h. so wie es aus den Retorten kommt, weil dieß das einzige
Mittel ist, es rein zu erhalten, und in solchem Zustande rieth ich es zur Bereitung
der Blausaͤure anzuwenden; man wollte es aber weiß haben, um es nicht
filtriren zu muͤssen; um es so rein zu erhalten, erhizte ich es, bis es
vollkommen in Fluß kam und erhielt es eine Zeit lang darin; ein Theil des
Cyankaliums schwamm dann uͤber dem Eisen und der Kohle, welche den unteren
Theil der Retorte einnahmen. Nach dem Erkalten trennte ich diese Schichte
sorgfaͤltig los; dieses Cyanuͤr aber, welches allein wahrhaft rein ist
und daher ausschließlich in der Arzneikunde an Statt der Blausaͤure angewandt
werden sollte, kam nothwendiger Weise sehr hoch zu stehen und man bekam bald im
Handel weißes und dabei wohlfeiles Cyanuͤr. Um diesen beiden Bedingungen
Genuͤge zu leisten und doch ein moͤglichst reines Product zu erhalten,
loͤse ich das kohlige Cyankalium in einer sehr geringen Menge Wasser auf,
wobei eine betraͤchtliche Kaͤlte entsteht. Ich filtrire, dampfe die
Fluͤssigkeit sogleich und schnell in einer Platinschale ab und erhize die
eingetroknete Masse bis zum Schmelzen.
Hr. Tilloy behauptete, daß man das Cyankalium bloß in
Wasser aufzuloͤsen braucht, damit es sich vollkommen zersezt; hierin hat er
sich aber geirrt, denn die Zersezung findet sehr langsam und nur bis zu einem
gewissen Punkte Statt. Ich habe sehr verduͤnnte Aufloͤsungen von
diesem Cyanuͤr mehrere Monate lang aufbewahrt, ohne daß es sich
vollstaͤndig zersezte.