Titel: | Bericht, den die HH. Boutron, Desmarets, Lecanu, Serullas und Guibourt der Société de Pharmacie zu Paris über die Abhandlungen erstatteten, welche in Folge ihrer Preisaufgabe, betreffend die Theorie der sauren Gährung, eingeschikt wurden. |
Fundstelle: | Band 45, Jahrgang 1832, Nr. CIX., S. 433 |
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CIX.
Bericht, den die HH. Boutron, Desmarets, Lecanu, Serullas und Guibourt der Société de
Pharmacie zu Paris uͤber die Abhandlungen erstatteten, welche in
Folge ihrer Preisaufgabe, betreffend die Theorie der sauren
Gaͤhrung, eingeschikt wurden.
Aus dem Journal de Pharmacie. Jul. 1832, S.
564.
Bericht uͤber die Theorie der sauren
Gaͤhrung.
Erster Theil.Gegenstand der Preisaufgabe und Pruͤfung der
empfangenen Abhandlungen.
Die Société de Pharmacie beabsichtigt durch
ihre Preisaufgaben gewoͤhnlich Thatsachen aufzuklaͤren, welche
fuͤr die Theorie der Chemie von Wichtigkeit sind oder nuͤzliche
Anwendungen in den Gewerben darbieten koͤnnen; bisweilen war sie auch so
gluͤklich eine in beiderlei Hinsicht gleich vortheilhafte Loͤsung zu
erhalten: aus gleichen Ruͤksichten schrieb sie im Anfange des Jahres 1826
einen Preis auf die Beschreibung und Erklaͤrung der Erscheinungen, welche die
Essiggaͤhrung begleiten, aus. Die Fragen waren im ProgrammMan findet das vollstaͤndige Programm im Polytechn. Journal Bd. XX. A.
d. R. folgender Maßen gestellt:
1) Welche Haupterscheinungen finden bei der Verwandlung der organischen Substanzen in
Essigsaure waͤhrend des Actes der Gaͤhrung Statt?
2) Entsteht immer Weingeist, ehe sich Essigsaͤure bildet, so wie sich Zuker
vor dem Weingeist bei der geistigen Gaͤhrung bildet?
3) Welche Substanzen koͤnnen als Ferment bei der Essiggaͤhrung dienen,
und welche wesentliche Eigenschaften besizen diese verschiedenen Fermente?
4) Welchen Einfluß hat die Luft bei der sauren Gaͤhrung? Ist sie
unumgaͤnglich noͤthig? Wie wirkt sie in diesem Falle? Spielt sie
dieselbe Rolle wie bei der geistigen Gaͤhrung, und wird sie, nachdem sie
absorbirt ist, ein Bestandtheil der Saͤure oder bildet sie andere
Producte?
5) Man stelle eine Theorie der sauren Gaͤhrung auf, die mit allen beobachteten
Thatsachen uͤbereinstimmt.
Am ersten April 1827, dem fuͤr den Concurs festgesezten Zeitpunkte, waren zwei
Abhandlungen eingegangen; da die eine davon aber nur theoretische Betrachtungen ohne
alle Belege dafuͤr und die andere mehr eine gute Zusammenstellung des Bekannten als
neue Thatsachen enthielt, so glaubte die Commission ihnen den Preis nicht zuerkennen
zu duͤrfen; die vorhergehenden Fragen, welche sich auf alle Falle der
Essigbildung durch freiwillige Veraͤnderung der organischen Substanzen
ausdehnten, wurden nun, um den Concurrenten die Erreichung ihres Zweks zu
erleichtern, bloß auf die saure Gaͤhrung der weinigen Fluͤssigkeiten
beschrankt; die Concurrenten sollten naͤmlich ermitteln, welchen Einfluß jede
der Substanzen, woraus diese Arten von Fluͤssigkeiten bestehen, auf die saure
Gaͤhrung ausuͤbt und in wie weit die atmosphaͤrische Luft dazu
beitragen kann, (Journal de Pharmacie, Bd. XIII. S. 360.
Polytechnisches Journal Bd. XXV. S.
259.)
Es gingen nun zwei neue Abhandlungen bei der Gesellschaft ein, die aber nicht
befriedigend waren, so daß man die Preisfrage neuerdings ausschrieb. Hierauf erhielt
die Gesellschaft nur eine einzige Abhandlung, die aber nicht gekroͤnt wurde;
nach diesen drei fruchtlosen Versuchen glaubte man die Frage auch nicht mehr auf die
saure Gaͤhrung der weinigen Fluͤssigkeiten im Allgemeinen ausdehnen zu
duͤrfen und beschrankte sie auf die bloße Umwandlung des Weingeists in
Essigsaͤure. Die Concurrenten hatten also nach dem lezten Programm folgende
Aufgabe zu loͤsen:
1) Man soll genau die Bedingungen angeben, welche die Verwandlung des Weingeists in
Essigsaure veranlassen;
2) man soll die Erscheinungen angeben, welche diese Verwandlung begleiten und alle
Producte die daraus hervorgehen.
Der Termin des Concurses, welcher Anfangs auf den 1. Jun. 1831 festgesezt war, wurde
durch Beschluß der Gesellschaft auf den 1. October desselben Jahres
verlaͤngert. Es gingen vier Abhandlungen ein, die bei ihrer Uebergabe an den
Generalsecretaͤr mit 1, 2, 4 und 5 bezeichnet wurden. Die hier fehlende
Nummer 3 wurde einer Abhandlung gegeben, welche sich auf die Pflanzenalkalien bezog,
woruͤber die Gesellschaft ebenfalls einen Preis ausgeschrieben hatte.
AbhandlungN. 1.
Diese Abhandlung erhielt man den 5. Mai; sie ist in lateinischer Sprache geschrieben
und hat folgenden Titel: Dissertation chemica de
conditionibus sub quibus alcohol in acidum aceticum transit: de phaenomenis quae
immutationem sequuntur et productis ex eadem emanantibus.
Der Verfasser dieser Dissertation, die sehr kurz ist, behauptet auf die allgemein
bekannten Thatsachen hin, daß die wesentlichen Bedingungen der Umaͤnderung
einer weinigen Fluͤssigkeit in Essigsaͤure, der Sauerstoff der Luft, der
Waͤrmestoff und die Verduͤnnung mit Wasser sind. Nach ihm sind die
Fermente, welche die meisten Chemiker als unumgaͤnglich noͤthige
Agentien zur Einleitung und Fortpflanzung der sauren Gaͤhrung betrachten,
ganz und gar uͤberfluͤssig und er fuͤhrt als Grund
dafuͤr an, daß alle Untersuchungen, welche man bisher unternahm, um die Natur
dieser Koͤrper kennen zu lernen, nur unsichere Resultate lieferten, und daß
man vergebens versuchen wuͤrde die Wirkung von Koͤrpern zu
erklaͤren, deren Natur unbekannt ist. Ohne das Falsche dieser Folgerungen
hervorheben zu wollen, begnuͤgen wir uns zu bemerken, daß sich die Behauptung
des Verfassers auf keinen Beweis stuͤzt. Seine Abhandlung enthaͤlt
uͤbrigens keine neue Thatsache und schließt mit einer zu
unvollstaͤndigen Auseinandersezung der Erscheinungen bei der
Essigbildung.
AbhandlungN. 2.
Diese Abhandlung fuͤhrt die Ueberschrift nil tam
difficile est quin quaerendo investigari possit. Man erhielt sie den 29.
Sept. 1831, und zwar bald darauf, aber doch schon nach Ablauf des fuͤr den
Concurs festgesezten Tages, eine zweite Abhandlung desselben Verfassers uͤber die Fermente und Gaͤhrungen. Der
Verfasser dieser beiden Abhandlungen kam auf einen Schluß, welcher mit den
gewoͤhnlichen Ansichten uͤber die saure Gaͤhrung in Widerspruch
steht und den er eben deßwegen lange Zeit nicht annehmen wollte, aber doch zulezt
zugeben mußte, weil ihn eine große Reihe von Versuchen immer wieder auf dasselbe
Resultat fuͤhrte. Seine Folgerung besteht darin, daß bei der sauren
Gaͤhrung der Weingeist zur Bildung der Essigsaͤure ganz und gar nichts
beitragt. Ein solches Resultat wuͤrde, wenn es gegruͤndet
waͤre, fuͤr unfern Industriezweig sehr wichtig seyn und wir haben es
auch mit der groͤßten Sorgfalt gepruͤft, weil bis jezt noch durch
keinen genauen Versuch dargethan wurde, wie viel Alkohol bei der Essigbildung
verschwindet; man findet jedoch in den Annales de Chimie
Bd. X. S. 217 folgende Bemerkung:
„Seit langer Zeit gewinnt Hr. Lowitz Weingeist
aus Essig auf eine wohlfeilere Art als aus Wein. Aus 100 Pfund von dem Phlegma,
welches bei der Destillation des durch Gefrieren concentrirten Essigs
zuruͤkbleibt, erhielt er 50 Pfund Weingeist, den er durch
Schwefelsaͤure in Aether verwandelte.“
Der Verfasser der Abhandlung N. 2 scheint diese Thatsache
nicht gekannt zu haben; folgende Bemerkungen fuͤhrten ihn aber nothwendiger
Weise auf denselben Schluß.
1) Man gab auf die Autoritaͤt von Heber in Berlin
an (Ann. de Chim. Bd. XXX. S. 214), daß ein Gemisch von
72 Theilen Wasser und 4
Theilen rectificirtem Kornbranntwein, wenn es zwei Monate lang einer geeigneten
Temperatur ausgesezt wird, sich gaͤnzlich in Essig verwandelt. Der Verfasser
brachte also Weingeist von allen Graden in Gloken uͤber Queksilber mit seinem
dreifachen Volumen Sauerstoffgas in Beruͤhrung; alle diese Gemische wurden
einen Monat lang einer Temperatur von 35° C. und ein Jahr lang den
Veraͤnderungen der Witterung ausgesezt. In keinem Falle wurde aber Sauerstoff
absorbirt und der Weingeist blieb rein.
2) Der Verfasser sezte Weingeist von 12 Grad, der mit Kohlensaͤure
gesaͤttigt war, einen Monat lang einer Temperatur von 35° C. aus; der
Weingeist erlitt aber eben so wenig eine Veraͤnderung, wie in dem
vorhergehenden Falle. Dasselbe Resultat erhielt er mit Weingeist, worin Weinsteinsaͤure, Aepfelsaͤure oder
Kleesaͤure aufgeloͤst war.
3) Bekanntlich verwandeln sich viele Pflanzensubstanzen (Gummi, Zuker, Starkmehl) in
Beruͤhrung mit den meisten stikstoffhaltigen naͤheren Bestandtheilen
des Pflanzenreichs und unter dem Einfluͤsse der Luft und einer geeigneten
Temperatur, in Essig: der Verfasser brachte also Weingeist von verschiedenen Graden
in Beruͤhrung mit Thierleim, Faserstoff, Eiweißstoff, Kaͤsestoff,
Kleber (Pflanzenleim), Hefe, Gliadin (Eiweiß und Kleber), und mit denselben
Koͤrpern auch im Zustande der Faͤulniß; in keinem Falle wurde aber der
Weingeist in Essigsaure verwandelt.
4) Die Essigmutter (eine schleimige Substanz, die sich in
den Faͤssern absezt, worin man den Wein in Essig verwandelt) wird als ein
sehr wirksames Ferment betrachtet; gut ausgewaschen ist diese Substanz aber
geruchlos und geschmaklos und veraͤndert den mit sehr vielem Wasser
verduͤnnten Weingeist durchaus nicht. An und fuͤr sich kann sie bei
der sauren Gaͤhrung des Weins keinen groͤßeren Einfluß haben; wenn man
sie mit Erfolg anwendet, um diese Operation zu beschleunigen, so verdankt sie also
diese Eigenschaft einzig dem Umstande, daß sie in ihren Poren eine
betraͤchtliche Menge Essig enthaͤlt.
5) Der Verfasser stellte folgende zwei Versuche an: einerseits vermischte er 40
Maßtheile Zukeraufloͤsung mit Bierhefe und andererseits versezte er ein
aͤhnliches Gemisch mit 40 Maßtheilen Weingeist von 12 Grad. Die beiden
Gemische wurden, nachdem sie die geistige Gaͤhrung durchgemacht hatten, bei
einer Temperatur von 35° C. mit Sauerstoffgas in Beruͤhrung gebracht.
Nach Verlauf einer gewissen Zeit wurden die Fluͤssigkeiten untersucht; 10
Maßtheile der ersteren und 20 Maßtheile der lezteren erforderten zur Neutralisation
eine gleiche Menge kohlensaures Alkali.
Nachdem der Verfasser durch diese Versuche gefunden hatte, daß der Weingeist bei der
sauren Gaͤhrung unwirksam ist, wollte er sich davon noch vollends,
uͤberzeugen, indem er den Alkoholgehalt des Weins vor und nach seiner
Verwandlung in Essig bestimmte. Zu diesem Behuf destillirte er ein Liter rothen Wein
von Avallon und erhielt eine geistige Fluͤssigkeit, die 0,093 Liter absoluten
Alkohols entsprach. Andererseits brachte er ein Liter desselben Weins mit einem
Liter Sauerstoffgas unter eine Gloke und sezte sie einer Temperatur von 30°
aus. Nach Verlauf eines Monats war der vierte Theil des Gases absorbirt und die
Fluͤssigkeit in einen guten Essig verwandelt. Sie wurde mit kohlensaurem Kalk
gesaͤttigt und dann destillirt, wodurch man 0,092 Liter absoluten Alkohol
erhielt.
Dieser Versuch lieferte bei oͤfterer Wiederholung immer eine gleiche Menge
Alkohol vor und nach der Essigbildung. Wenn man bisher glaubte, daß der Alkohol bei
der Essigbildung verschwindet, so ruͤhrt dieß nach dem Verfasser daher, daß
man in offenen Gefaͤßen operirte, und daß die alkoholreichsten Weine die
besten Essige geben, schreibt er dem Umstande zu, daß sie weniger Wasser enthalten,
und daß der im Essig zuruͤkbleibende Alkohol ihm mehr Trieb verschafft und
ihn haltbarer macht.
Nachdem nun der Verfasser aus seinen Versuchen geschlossen hatte, daß der Weingeist
zur Essigbildung ganz und gar nichts beitraͤgt, wollte er auch ausmitteln,
welchen Antheil die Luft an dieser Erscheinung nehmen kann.
Er sezte weißen Wein von Avallon, der an und fuͤr sich mit Kohlensaͤure
gesaͤttigt ist, sechs Stunden lang der Luft aus, indem er darin einige
Rebenblaͤtter weichen ließ. Nachdem das uͤberschuͤssige Gas
entwichen war, wurde ein Viertelliter von diesem Wein mit einem halben Liter
Sauerstoffes in eine Gloke gebracht und einen Monat lang stehen gelassen, ohne daß
sich das Gasvolumen merklich aͤnderte. Dieses Gas enthielt nach der
angestellten Untersuchung 5/12, Kohlensaͤure und 7/12 Sauerstoff.
Als man denselben Versuch mit Weinen wiederholte, die nicht mit Kohlensaͤure
gesaͤttigt sind, zeigte sich immer eine Absorption, welche sich durch die
Aufloͤslichkeit des Gases in der Fluͤssigkeit erklaͤren
laͤßt.
Ungeachtet dieser lezteren Thatsache, die auch bei dem Versuche N. 6 beobachtet wurde, folgert der Verfasser nichts
desto weniger, daß bei der Essigbildung der Sauerstoff der Luft kein Bestandtheil
der Essigsaͤure wird, weil er durch ein gleiches Volumen Kohlensaͤure
ersezt wird. Dieses Resultat gibt schon Hr. von Saussure
in seinen
Recherches sur la végétation an und der
Verfasser findet, daß es sehr fuͤr seine vorhergehende Behauptung spricht,
daß naͤmlich der Alkohol zur Bildung der Essigsaͤure nichts
beitraͤgt. Es ist in der That unmoͤglich die Verwandlung des Alkohols
in Essigsaͤure durch den Sauerstoff der Luft mit der Annahme zu vereinigen,
daß ein gleiches Volumen Kohlensaͤure entsteht; es bleibt alsdann eine
ungeheure Menge Wasserstoff, deren Verwendung man nicht angeben kann. Wenn aber die
Bildung der Kohlensaͤure, wie Alles anzudeuten scheint, zufaͤllig und
von derjenigen der Essigsaͤure unabhaͤngig ist; wenn andererseits die
Absorption von Sauerstoff aus der Luft und die Verschwindung des Weingeists in der
That gleichzeitige Wirkungen der Essigbildung sind, alsdann laͤßt sich
leichter die Verwandlung des einen Productes in das andere erklaͤren, denn
man braucht nur (wie der Verfasser in einem anderen Theile seiner Abhandlung selbst
zugibt) ein Volumen Sauerstoff einem Volumen Alkoholdampf zuzusezen, um die Elemente
der Essigsaͤure und des Wassers zu haben. Als der Verfasser aus seinen
Versuchen gefolgert hatte, daß der Alkohol in den weinigen Fluͤssigkeiten zu
ihrer Verwandlung in Essig nichts beitraͤgt, entging ihm nicht, daß man ihm
die Umaͤnderung des Weingeists in Essigsaure durch mehrere unorganische
sauerstoffhaltige Substanzen einwenden wuͤrde; er untersuchte nun ob sich
wirklich Essigsaure in diesem Falle bildet.
Zuerst wollte er Doebereiner's Versuche uͤber die
Verbrennung des Alkohols durch Platinschwamm und Platinkohle wiederholen. Als diese
Substanzen mit Alkohol getraͤnkt, in Sauerstoffgas gebracht wurden,
verursachten sie eine Absorption und das Platin erhielt einen Geruch, der aus dem
der Essigsaure und des Essigaͤthers gemischt war. Bei einem anderen Versuche
wurde keine Essigsaure gebildet, aber Sauerstoff absorbirt und der Alkoholgeruch
verschwand; an Statt des Essiggeruchs stellte sich ein eigenthuͤmlicher
erstikender, dem der ranzigen Fette aͤhnlicher Geruch ein.
Das nach Zeise durch Erhizen von einem Theil Chlorplatin
in 12 Theilen rectificirten Alkohols bereitete Platinschwarz ist sehr wirksam,
bildet aber auch Kohlensaͤure. Das nach Liebig's
Verfahren bereitete ist auch sehr geeignet, um die Vereinigung des Sauerstoffs mit
den Elementen des Alkohols zu beguͤnstigen; der Verfasser konnte aber nicht
mit Sicherheit bestimmen, ob sich in diesem Falle Essigsaͤure oder
Ameisensaͤure bildet. Man sollte jedoch glauben, daß es vielmehr erstere
Saͤure ist, weil ein Volumen Alkoholdampf nur ein Volumen Sauerstoff braucht,
um Essigsaure zu erzeugen, waͤhrend davon zwei erforderlich sind, wenn die
Saͤure Ameisensaͤure werden soll; und weil bei einem uͤber
Queksilber angestellten Versuche erstere Quantitaͤt Sauerstoff absorbirt worden zu seyn
schien (der Verfasser haͤlt aber diesen Versuch fuͤr nicht ganz
verlaͤßlich).
Laͤßt man Alkohol in Daͤmpfen uͤber heißes Queksilberoxyd
streichen, so verwandelt er sich nicht in Saͤure; locht man ihn hingegen mit
verduͤnnter Schwefelsaure und Mangansuperoxyd, so saͤuert er sich und
die gebildete Saͤure ist Ameisensaͤure. Obgleich nun die
vorhergehenden Versuche der Bildung von Essigsaure guͤnstiger zu seyn
scheinen, so schließt der Verfasser doch aus dieser lezteren Thatsache, daß sich
Ameisensaͤure und nicht Essigsaͤure bildet, wenn Sauerstoff im Momente
seines Freiwerdens mit den Elementen des Alkohols in Beruͤhrung kommt. Er
glaubt, daß dasselbe bei dem Platinschwamm der Fall seyn muß; er konnte nicht
ausmitteln, ob sich bei der Einwirkung der Salpetersaͤure auf den Alkohol,
Essigsaͤure oder Ameisensaͤure bildet, und eben so wenig, in welche
Saͤure der Alkohol durch die Chlorsaͤure verwandelt wird. Daß er durch
leztere allerdings in Essigsaͤure umgeaͤndert wird, zeigte aber Hr.
Serullas, indem er dazu das verschiedene Verhalten
des Queksilberoxyds zur Essigsaͤure und zur Ameisensaͤure
benuzte.Polytechnisches Journal Bd. XL. S.
234. A. d. R.
Der Verfasser der Abhandlung N. 2 schikte, wie wir schon
bemerkt haben, noch eine zweite Schrift ein, die aber der Commission erst einige
Tage nach dem fuͤr den Concurs festgesezten Zeitpunkt zukam. Leztere Arbeit
enthaͤlt sehr mannigfaltige Versuche uͤber die Verwandlung des
Starkmehls in Zuker, uͤber die Wirkung der Fermente auf den Zuker und
uͤber andere Erscheinungen derselben Art. Obgleich mehrere von den Resultaten
schon sehr bekannt sind, andere leicht auf eine andere Weise erklaͤrt werden
koͤnnen, als es der Verfasser thut und Taddei's
Gliadin sehr ungeeignet immer Pflanzenleim genannt wird, so glaubt die Commission
doch, daß diese Arbeit Materialien enthaͤlt, die zur Loͤsung von noch
sehr dunklen Fragen in Betreff der gegenseitigen Einwirkung der organischen
Koͤrper nuͤzlich. seyn koͤnnen.
Am Schluß dieser Abhandlung wird Dingler's Verfahren Essig
zu fabriciren in Kuͤrze angegeben;Polytechnisches Journal Bd. XXXIX. S.
317. A. d. R. dasselbe findet man jezt in mehreren technischen Zeitschriften; es besteht
darin, daß man in einer geheizten Stube Faͤsser aufstellt, welche mit
Buchenholzspaͤnen angefuͤllt sind, die in Wasser ausgekocht, dann
getroknet und mit Essig getraͤnkt wurden; in diesen Faͤssern
laͤßt man dann ein Gemisch von sehr verduͤnntem Branntwein mit
gegohrenem Gerstenwasser, welches leztere Ferment (!) genannt wird (un mélange d'eau acoolisé et
d'eau d'orge germé, circuliren. Nachdem die
Manipulation zwei Tage lang fortgesezt und die Beruͤhrung der
Fluͤssigkeit mit der Luft oͤfters erneuert wurde, findet man sie in
guten Essig verwandelt und der Weingeist hat sich, wie angegeben wird,
gesaͤuert; der Verfasser der Abhandlung N. 2
besteht aber auf seiner Ansicht und behauptet) daß kein Weingeist bei dieser
Operation verschwindet, ausgenommen was durch Verdunstung davon verloren geht.
(!!)In den franzoͤsischen Zeitschriften, welche unsere Abhandlung
mittheilten, ist der Ausdruk Maische durch ferment uͤbersezt worden, waͤhrend
wir doch deutlich genug bemerkt hatten, daß nicht die weinige
Fluͤssigkeit, die wir Maische nennen, sondern die mit
Essigsaͤure getraͤnkten Buchenholzspane, das Ferment bei dem
beschriebenen Verfahren der Schnellfabrikation des Essigs bilden. Die
Maische wird dem mit Wasser verduͤnnten Branntwein bloß deßwegen
zugesezt, damit man ein wohlfeileres und dem gewoͤhnlichen
Bier- oder Weinessig im Geschmak naͤher kommendes Product
erhaͤlt. Man kann nach demselben Verfahren, wie wir auch in unserer
Abhandlung angegeben haben, Essig ohne allen Zusaz von Maische bereiten und
Hr. Dr. Wagenmann hat seitdem auch die Menge
Essigsaͤure bestimmt, welche eine gegebene Quantitaͤt Alkohol
in diesem Falle liefert. Nach den bekannten Mischungsgewichten des Alkohols
und kohlensauren Kalis muͤßten naͤmlich 46 Pfund absoluten
Alkohols, wenn sie sich durch Aufnahme von Sauerstoff in Essigsaͤure
umaͤndern, so viel Saͤure liefern, als zur Saͤttigung
von 69 Pfund kohlensauren Kalis erforderlich ist; mithin muͤßten 800
Berliner Quart Branntwein von 50 Procent (Tralles), welche 792 Pfund
absoluten Alkohols gleich sind, 7622 Quart eines Essigs liefern, von dem
jede Unze 30 Gran kohlensaures Kali saͤttigte. In der That aber
gewann er auf seinen Essigbildern 6666 Quart zu 32 Gran
Saͤttigungscapacitaͤt, was uͤber 7100 Quart zu 20 Gran
gleich ist. Rechnet man hiebei, daß der Essig niemals ganz weingeistfrei ist
und seyn darf, so reducirt sich der Verlust auf ein Minimum. (Polytechn.
Journal Bd. LXV. S. 118.) A. d.
R.
Endlich haͤlt er es fuͤr sehr wahrscheinlich, daß die geistige
Gaͤhrung nur die Fortsezung der zukerigen Waͤhrung ist, und daß
dieselben Agentien, welche das Staͤrkmehl in Zuker verwandeln, auch den Zuker
in Weingeist umaͤndern. Es gibt nach ihm keine besonderen Essigfermente; das
heißt, dieselben stikstoffhaltigen Substanzen, welche den Zuker in Weingeist
verwandeln, dienen auch um ihn in Essigsaͤure umzuaͤndern; aber die
Essiggaͤhrung ist keine Folge der geistigen. Es sind dieses zwei von einander
unabhaͤngige, aber rivalisirende Wirkungen, welche bisweilen gleichzeitig
Statt finden, immer aber eine auf Kosten der anderen. Wenn die Wirkung der
stikstoffhaltigen Substanzen auf den Zuker langsam,
maͤßig, unvollstaͤndig ist und außer Beruͤhrung mit
der Luft Statt findet, so verwandelt sich der Zuker in Weingeist; es entsteht keine
Essigsaͤure und der Weingeist kann auch in der Folge keine solche bilden. Ist
hingegen die Wirkung lebhaft, rasch, und findet sie in
Beruͤhrung mit der Luft und bei einer erhoͤhten Temperatur Statt, so
verwandelt sich der Zuker in Essigsaͤure. Wenn bisweilen die
Fluͤssigkeiten, nachdem sie die geistige Nahrung durchgemacht haben, in die
saure uͤbergehen, so ist die Ursache davon diese, daß die Hefe, indem sie sich
unter dem Einfluß der Luft und einer hoͤheren Temperatur
vollstaͤndiger zersezt, auf die zukerigen Stoffe wirkt, welche die erste
(geistige) Gaͤhrung verschont hatte; der Weingeist spielt aber dabei nach dem
Verfasser keine Rolle.
Diese gewagte, mit der Annahme aller Chemiker in Widerspruch stehende Ansicht,
herrscht allenthalben in der Abhandlung N. 2 vor; sie
scheint aus allen darin angefuͤhrten Versuchen hervorzugehen und findet sich
wieder in allen Folgerungen. Aus dem zweiten Theile dieses Berichts, worin wir
unsere eigenen Versuche mittheilen und die Schluͤsse, welche wir daraus
zogen, angeben, wird man ersehen, wie weit unsere Resultate mit denen des Verfassers
uͤbereinstimmen oder davon abweichen. Fuͤr jezt wollen wir unsere
Kritik der Abhandlung N. 2 mit der Bemerkung schließen,
daß waͤhrend nach dem Verfasser ein langsamer Fortschritt der Gaͤhrung
der Weingeistbildung, und ein rascher Gang derselben der Essigbildung
guͤnstig seyn soll, vielmehr gerade das Gegentheil meistentheils Statt
findet, und daß eine sehr lebhafte und stuͤrmische Gaͤhrung in der
That oft nur Weingeist bildet. Es bestimmt vielmehr der Ausschluß oder Zutritt der
Luft die Gaͤhrung zu einer geistigen oder sauren; oft bleibt sogar ungeachtet
der scheinbaren Beruͤhrung der Fluͤssigkeit mit der Luft, die
Gaͤhrung eine geistige, wenn sie lebhaft und stuͤrmisch ist, weil dann
die Luft durch die gebildete Kohlensaͤure aus der Fluͤssigkeit verjagt
wird: waͤhrend sie bei einem langsamen Gang immer eine saure wird, so wenig
Zutritt die Luft auch haben mag, sey es nun daß in diesem Falle der Weingeist sich
allmaͤhlich in Essigsaͤure verwandelt, oder daß sich eine
verschiedenartige Reaction einstellt.
AbhandlungN. 4.
Der Verfasser dieser Abhandlung schikt einige allgemeine Betrachtungen uͤber
die verschiedenen Gaͤhrungen voran und bemerkt dann, daß er ungeachtet der
Vereinfachung des lezten Programms und der Beschraͤnkung desselben auf die
Verwandlung des Weingeists in Essigsaͤure, vollstaͤndiger in die
Ansichten der Gesellschaft einzugehen glaube, wenn er sich mit den fuͤnf
Fragen des Programms von 1826 beschaͤftige; er findet aber, daß die Anordnung
dieser Fragen nicht rationell ist und beschaͤftigt sich zuerst mit der
vierten. Wir sind weit entfernt dieses Unheil zu verdammen, halten es aber
fuͤr unnuͤz hier das alte Programm der Gesellschaft zu vertheidigen
und beschraͤnken uns darauf, dem Verfasser auf dem von ihm selbst
gewaͤhlten Felde zu folgen.
Vierte Frage.Welchen Einfluß
hat die Luft bei der sauren Gaͤhrung etc.
Die Erfahrung aller Zeiten hat gelehrt, daß wenn Wein in einem Fasse, welches damit
nicht ganz angefuͤllt ist, sauer wird, darin ein leerer Raum entsteht, und
daß die Luft, wenn man in demselben eine Oeffnung macht, mit Zischen eintritt. Man
weiß uͤberdieß durch die Beobachtungen der Essigfabrikanten, daß die
Erneuerung der Luft zur Verwandlung des Weins in Essig unumgaͤnglich
noͤthig ist; man hat sich auch uͤberzeugt, daß die in den
Faͤssern zuruͤkbleibende Luft brennende Koͤrper
erloͤscht und es scheint daher genuͤgend erwiesen, nicht nur daß die
Gegenwart von Luft zur Saͤuerung des Weins unentbehrlich ist, sondern auch
daß ihr Sauerstoff absorbirt wird und verschwindet.
Indessen glaubt Hr. von Saussure, daß der Sauerstoff
wirklich nicht absorbirt, sondern durch ein gleiches Volumen Kohlensaͤure
ersezt wird; und er erklaͤrt die Absorption, welche man gewoͤhnlich
beobachtet, durch die Aufloͤsung der Kohlensaͤure in der weinigen
Fluͤssigkeit. Nach Hrn. Berzelius laͤßt
sich, wenn man von der bekannten Zusammensezung des Alkohols und der Essigsaure
ausgeht, unmoͤglich annehmen, daß der Sauerstoff dem Alkohol, wenn er ihn in
Essigsaure umaͤndert, Kohlenstoff entzieht, und dieser Chemiker schreibt die
Kohlensaͤure, welche Saussure erhielt, theils
einer Fortsezung der geistigen Gaͤhrung eines Theiles unzersezten Zukers,
theils einer anfangenden Zerstoͤrung (Entmischung) der Essigsaͤure zu.
Uebrigens nimmt Hr. Berzelius an, daß der Alkohol
fuͤr sich allein nicht in Essigsaͤure uͤbergeht, so
verduͤnnt er auch seyn mag; daß vielmehr zu dieser Umaͤnderung
desselben die Gegenwart eines Ferments noͤthig ist; daß die
Essigsaͤure selbst als Ferment dienen oder den Weingeist zur Verwandlung in
Essigsaͤure disponiren kann; und daß die schleimige Substanz, welche man
Essigmutter nennt, an und fuͤr sich den Weingeist nicht in Essig
umaͤndern kann und nur durch die Essigsaure wirkt, die sie
enthaͤlt.
Obgleich uͤbrigens der Alkohol die Substanz ist, welche hauptsaͤchlich
als Material zur Essiggaͤhrung dient, so gesteht doch Berzelius zu, daß mehrere andere Substanzen ohne vorherige geistige
Gaͤhrung in Essigsaͤure uͤbergehen koͤnnen; dahin
gehoͤrt das Gummi und sogar der Zuker, welcher leztere sich unter dem Einfluß
gewisser stikstoffhaltiger Koͤrper geradezu in Essigsaͤure verwandeln
kann. Alle diese Daten, die wir aus Berzelius Lehrbuch
der ChemieDeutsche Uebersezung von Woͤhler (Dresden,
in der Arnoldischen Buchhandlung) Bd. III. S. 1063. A. d. R. entnehmen, koͤnnen als der Hauptinhalt der Abhandlung N. 4
betrachtet werden.
Der Verfasser glaubte dessen ungeachtet noch Versuche zur Unterstuͤzung der
vorhergehenden Resultate anstellen zu muͤssen. Alkohol von 0,930 Dichtigkeit
wurde in einer mit geblasenen Glaskugeln gefuͤllten Roͤhre bei einer
Temperatur von 30° C. waͤhrend fuͤnfzehn Tagen
bestaͤndig geschuͤttelt; er veraͤnderte seine Natur nicht und
die Luft erlitt auch keine Veraͤnderung.
Fuͤllt man aber die Roͤhre mit Hobelspaͤnen von Buchenholz und
beginnt den Versuch neuerdings, so bildet sich Essigsaͤure; das Volumen der
Luft vermindert sich und man muß solche von Zeit zu Zeit durch Oeffnung des Hahns
einlassen. Wenn man diese Luft nach einigen Tagen analysirt, so findet man darin nur
Spuren von Kohlensaͤure und 0,18 0,12 oder noch weniger Sauerstoff.
Drittens, wenn man den ersten Versuch mit den Glaskugeln wieder vornimmt und dem
Alkohol nur eine sehr geringe Menge Essigsaͤure zusezt, so verwandelt er sich
in weniger als fuͤnfzehn Tagen gaͤnzlich in diese Saͤure,
vorausgesezt daß man die Oberflaͤchen oft genug erneuert.
Der Verfasser schließt hieraus, daß der Alkohol allein sich nicht in
Essigsaͤure verwandelt;
Daß, damit diese Umaͤnderung Statt finde, durchaus eine organische Substanz
vorhanden seyn muß, deren Rolle zu seyn scheint, daß sie eine geringe Menge
Essigsaͤure bildet; denn leztere ist nach ihm hinreichend damit die
Saͤuerung des Alkohols in Beruͤhrung mit der Luft
fortfaͤhrt.
Nachdem nun der Verfasser den Einfluß der Luft auf die Umaͤnderung des
Weingeists in Essigsaͤure nachgewiesen hat, fraͤgt er ob der
Sauerstoff auch bei andern Koͤrpern, wenn sie Essigsaͤure bilden,
dieselbe Rolle spielt. Er hat in dieser Hinsicht folgende Thatsachen beobachtet:
1) Vollkommen reines Gummi, in Wasser aufgeloͤst, und einer Temperatur von 25
oder 30 Grad ausgesezt, wird nicht sauer.
2) Wenn das Gummi ein wenig Schleim oder Zuker enthaͤlt, oder wenn man es mit
Kleber oder Hefe vermengt hat, so wird es bald sauer. Diese Wirkung findet ohne Beruͤhrung mit der Luft nicht Statt; bei
Gegenwart dieser lezteren aber wird der Sauerstoff ohne merkliche Bildung von
Kohlensaͤure absorbirt und es entsteht in dem Verhaͤltniß mehr
Essigsaͤure, als mehr Sauerstoff verschlukt wurde.
3) Die Milch, eine andere der Saͤuerung faͤhige Substanz, zeigt ein
ganz verschiedenes Verhalten, denn sie saͤuert sich sowohl außer als in Beruͤhrung mit der
Luft. Scheele hat in dieser Hinsicht einen Versuch
angestellt, welcher ohne Zweifel in seinen Abhandlungen unrichtig erzaͤhlt
ist, denn er liefert das angegebene Resultat unter ganz anderen Umstaͤnden
als den angegebenen. Scheele sagt naͤmlich, daß
wenn man eine Flasche mit ganz frischer Milch fuͤllt, sie dann in einem mit
Milch angefuͤllten Gefaͤße umkehrt und einer Temperatur aussezt,
welche etwas hoͤher als die gewoͤhnliche Waͤrme im Sommer ist,
nach vier und zwanzig Stunden die Milch nicht nur geronnen seyn, sondern auch in der
Flasche tiefer stehen wird, und daß zwei Tage spaͤter das mephitische Gas,
welches sich aus der Milch entwikelte, den groͤßten Theil derselben aus der
Flasche getrieben haben wird.
Wir haben diesen Versuch zwei Mal wiederholt, ohne das angegebene Resultat zu
erhalten. Die aͤußere Milch war sehr sauer und enthielt einen
voluminoͤsen, aber ganz abgesonderten Klumpen; die innere Milch bildete eine
einzige zitternde Masse und roͤthete das Lakmus, obgleich sie weniger sauer
war als die aͤußere; es hatte sich keine Gasblase entwikelt. Das Resultat
dieser beiden Versuche war, daß durch die ununterbrochene Verbindung zwischen der
aͤußeren und inneren Fluͤssigkeit, leztere sich auf dieselbe Art
saͤuerte, wie es in Beruͤhrung mit der Luft der Fall ist, obgleich
nicht in demselben Grade.
Wenn man aber, wie es der Verfasser der Abhandlung N. 4
gethan hat und wir selbst auch experimentirten,Wir kitteten an den Hals einer sehr starken glaͤsernen Flasche, die
einen Liter faßte, einen kupfernen Hahn und brachten in die Flasche 0,77
Lit. Milch, die in unserer Gegenwart gemolken war und gegen die allgemein
angenommene Meinung nicht im Geringsten sauer reagirte. An dem kupfernen
Hahn brachten wir eine bleierne Roͤhre an, welche mit einer Luftpumpe
communicirte, und pumpten dann die Luft aus, so daß die Milch einige Zeit
lang kochte. Als wir uͤberzeugt waren, daß kein Lufttheilchen mehr
darin enthalten seyn konnte, verschlossen wir die Flasche, kehrten sie in
einem mit Wasser angefuͤllten Gefaͤße um und brachten sie in
eine Stube, die auf 30 bis 45 Grad Cels. geheizt war Neben sie stellten wir
die Flasche mit Milch, welche, wie oben bemerkt wurde, in einem offenen,
Milch enthaltenden Gefaͤße, umgestuͤrzt war. Nach
dreitaͤgigem Verweilen in der geheizten Stube fanden wir die Milch in
der mit dem Hahn versehenen Flasche geronnen, und den Kaͤsestoff wie
einen Schaum auf der Oberflaͤche vereinigt. Da zwei Tage
spaͤter keine Veraͤnderung vorgegangen zu seyn schien und die
Flasche erkaltet war, so oͤffnete man den Hahn unter Wasser und
augenbliklich wurde ein Theil der Milch durch die Ausdehnung des darin
comprimirten Gases ausgetrieben. Dieses Gas nahm ohne dasjenige, welches in
der Milch aufgeloͤst blieb, 0,31 Liter ein. Die Milch war sehr
verschieden von derjenigen, welche sich an der Luft gesaͤuert hatte.
Leztere schmekte bloß ein wenig saͤuerlich; ihr Kaͤsestoff
hatte einen angenehmen Geschmak und als man sie mit Wasser am
ruͤhrte, sezte sie nach und nach einen vortrefflichen Rahm ab. Die im
luftleeren Raume sauer gewordene Milch besaß hingegen einen fast
unertraͤglichen Buttergeruch, roͤthete stark das Lakmus, und
schmekte herbe und unangenehm. Bei dieser großen Verschiedenheit in den
Resultaten duͤrfte man sich nicht wundern, wenn auch die in den
beiden Faͤllen erzeugte Saͤure nicht von derselben Art
waͤre. A. d. O. die Milch im leeren Raume bei einer Temperatur von 25 bis 40° C.
erhizt, so wird sie sehr sauer; der Kaͤsestoff ist hart, kluͤmperig
und gut abgesondert; es entwikelt sich dabei eine Quantitaͤt Gas, welche 4/10
vom Volumen der Milch betraͤgt. Bildet sich nun in beiden Fallen dieselbe
Saͤure? Ist sie Essigsaure oder Milchsaͤure? Dieses hat der Verfasser
der Abhandlung nicht ausgemittelt und uns erlaubte es die Zeit nicht.
Der Verfasser stellte noch andere Versuche an, welche zu einer Erklaͤrung der
merkwuͤrdigen Erscheinung, daß sich die Milch im luftleeren Raume
saͤuert, fuͤhren koͤnnen; er fand, daß der in Wasser zertheilte
Kaͤsestoff und die Molke, welche von ihm abgesondert wurde, sich
beilaͤufig eben so stark saͤuern, wie die ganze Milch, wenn sie mit
der Luft in Beruͤhrung sind, indem sie Sauerstoff verschluken ohne merklich
Kohlensaͤure zu entbinden, waͤhrend sie hingegen im luftleeren Raume
sich nur schwach saͤuern. Scheint daraus nicht hervorzugehen, daß das
Sauerwerden der Milch im luftleeren Raume von der Wechselwirkung dieser beiden
Bestandtheile oder genauer der kaͤsigen Substanz und des Milchzukers
herruͤhrt?
4) Nach Fourcroy und Vauquelin
verwandelt das Wasser, worin Kleber gegohren hat, den Zuker in Essigsaͤure,
ohne Gaͤhrung, ohne Bildung von Weingeist und ohne Zutritt der Luft. Nach dem
Verfasser sind diese Resultate genau; der Zuker verschwindet großen Theils; die
Fluͤssigkeit nimmt einen faulen Geruch an; sie ist sehr sauer; die Alkalien
entwikeln daraus Ammoniak; das Product der Destillation ist auch sauer und liefert
mit Kali gesaͤttigt ein Salz, welches die Eigenschaften des durch eine
organische Substanz verunreinigten essigsauren Kalis besizt.
5) Muskelfleisch und Thierleim geben dieselben Resultate, wenn sie in zukerhaltigem
Wasser faulen, wie dieses aus den Versuchen von Leuchs
hervorgeht. Bekanntlich uͤbt auch das aus dem Erdaͤpfelsaft durch
Essigsaͤure abgeschiedene Pflanzeneiweiß eine aͤhnliche Wirkung aus
etc.
Am Schlusse dieses Abschnitts stellt der Verfasser die darin angefuͤhrten
Thatsachen zusammen; die wichtigsten davon sind immer folgende:
1) Daß die Essigsaͤure das Product der Einwirkung des Sauerstoffs auf die
Elemente des Alkohols ist;
2) daß die geistigen Fluͤssigkeiten im luftleeren Raume keine Essigsaure
liefern;
3) daß der Sauerstoff der Luft, indem er auf die Bestandteile des Alkohols wirkt,
keine Kohlensaͤure erzeugt;
4) daß die zukerhaltigen Fluͤssigkeiten Weingeist erzeugen, ehe sie
Essigsaͤure liefern, wenigstens außer Beruͤhrung mit der Luft (denn
in Beruͤhrung
mit derselben scheinen sie Essigsaͤure zu gleicher Zeit mit dem Weingeist
bilden zu koͤnnen); oder doch in dem Fall, wenn sie kein Pflanzeneiweiß oder
keine verfaulte thierische Substanz enthalten (denn alsdann liefern sie selbst bei
abgeschlossener Luft an Statt des Weingeists Essigsaure);
5) daß das Gummi, in Beruͤhrung mit Kleber oder Hefe Essigsaͤure
erzeugt, ohne Weingeist zu bilden, indem es den Sauerstoff der Luft verschlukt;
6) daß die Infusionen von verschiedenen Pflanzensubstanzen, z.B. Wasser worin
Gersten- oder Weizenmehl eingeweicht war, den Sauerstoff der Luft verschluken
und ohne Weingeist zu erzeugen, Essigsaͤure oder Milchsaͤure
liefern.
Zweite Frage. Bildet sich vor
der Essigsaͤure immer Weingeist etc.?
Diese Frage ist offenbar durch die Folgerungen des vorhergehenden Paragraphs
beantwortet; der Verfasser ist also genoͤthigt uns hier zu wiederholen, was
er schon gesagt hat; wir erlauben uns aber zu bemerken, daß man in diesem Paragraph
wieder denselben Mangel an Methode und einige Widerspruͤche findet, welche
Zweifel uͤber die Resultate erregen koͤnnen. Da die Frage einfach so
gestellt ist: bildet sich vor der Essigsaͤure immer
Weingeist? und durch die fuͤnfte und sechste Folgerung des
vorhergehenden Paragraphs verneinend beantwortet zu seyn scheint, so sieht man nicht
ein, warum der Verfasser jezt noch untersuchen zu muͤssen glaubt, ob bei der Saͤuerung der Pflanzensubstanzen, welche
Essigsaͤure oder Milchsaͤure erzeugen, sich zu gleicher Zeit
Weingeist bildet.
Der Verfasser hat uns in demselben Paragraph gesagt, daß Gummi, mit Schleim, Kleber oder Hefe vermengt, in Beruͤhrung mit
der Luft, deren Sauerstoff es absorbirt, sauer wird, daß aber
diese Wirkung nicht ohne Beruͤhrung mit der Luft Statt findet; und
in der Antwort auf die zweite Frage finden wir, daß das Gummi, mit Hefe, Kleber oder
Leinsamenschleim behandelt, wie andere Substanzen ohne
Beruͤhrung mit der Luft gesaͤuert wurde. Da wir nicht
entscheiden koͤnnen, welche Uebersezung die richtige ist, so
beschraͤnken wir uns auf die Angabe der neuen Thatsachen, die dieser
Paragraph enthaͤlt.
Der Verfasser brachte eine große Anzahl von Substanzen ganz unter denselben
Umstaͤnden bei einer Temperatur von 20 bis 25 Grad außer Beruͤhrung mit der Luft; nachdem die Saͤuerung Statt
gefunden hatte, pruͤfte er die Fluͤssigkeit auf einen Weingeistgehalt.
Bei vielen Versuchen lieferte sie ihm keine Spur davon; es ist jedoch zu bemerken, daß fast in allen diesen Faͤllen die erhaltene
Saͤure die Eigenschaften der Milchsaͤure besaß. Folgende
Fluͤssigkeiten lieferten Milchsaͤure:
Gummi, mit Hefe, Kleber oder Leinsamenschleim behandelt; Mehl von Weizen, Erbsen,
Bohnen, Gerste; Infusionen von Malven, Hohlunder, Eibisch- und
Suͤßholzwurzeln; der Saft von Erdaͤpfeln, Zwiebeln, gelben
Ruͤben, Kohl, Stekruͤben.
Die anderen Substanzen, naͤmlich:
Das Staͤrkmehl mit Kleber gelocht, der Bastardzuker, die Melasse, der Honig,
der Zuker mit Kleber, der Thierleim, das Gummi, der Leinsamenschleim, die Hefe, die
Trauben, die Feigen, und der Saft von Zwiebeln, gelben Ruͤben,
Stekruͤben, Kohl, lieferten durch die geistige Gaͤhrung Weingeist,
welcher sich in Essigsaͤure, nie aber in Milchsaͤure
umaͤnderte.
Diese Resultate scheinen uns wichtig und die richtige Folgerung daraus ist ohne
Zweifel diese, daß so oft in einer sich saͤuernden Fluͤssigkeit kein
Weingeist erzeugt wird, die gebildete Saͤure die Eigenschaften der
Milchsaͤure besizt; der Verfasser aber schließt daraus im Gegentheil, daß sich Essigsaͤure ohne vorlaͤufige Erzeugung
von Weingeist bilden kann. Unserer Meinung nach spricht fuͤr diese
Behauptung bloß der Versuch von Fourcroy und Vauquelin, demzufolge Zuker, in
Wasser aufgeloͤst, welches eine stikstoffhaltige verfaulte Substanz
enthaͤlt, sich unmittelbar in Essigsaͤure verwandelt, ohne vorher
Weingeist zu erzeugen, und ohne daß die Luft Zutritt hat; indessen
laͤßt sich hiebei bemerken, daß gerade dieses eine der Verfahrungsarten ist,
deren sich Hr. Colin bediente, um den Zuker in Weingeist
umzuaͤndern, (Annales de Chimie et de Physique
Bd. XXVIII. S. 141. Polytechn. Journal Bd. XVIII.
S. 239 und Bd. XIX. S. 283.)
Erste Frage. Welches sind die
wesentlichen, die Essigbildung begleitenden Erscheinungen.
Dieser Paragraph enthaͤlt nichts, was nicht schon bekannt oder in den
vorhergehenden vorgekommen ist; auch haͤtten wir nichts daraus mitzutheilen,
wenn wir darin nicht einen, neuen Versuch uͤber die Verwandlung des
Weingeists in Essigsaͤure durch die Buchenholzspane finden wuͤrden,
dessen Resultate so positiver Art sind, daß wir sie mittheilen muͤssen.
Der Verfasser fuͤllte eine große (glaͤserne) Flasche mit Glaskugeln und
Buchenholzspaͤnen. Diese Flasche sezte er durch eine Roͤhre mit einer
anderen aͤhnlichen unten tubulirten Flasche in Verbindung. Eine derselben fuͤllte er
dann zur Haͤlfte mit Weingeist von 118 Grad und nachdem der Apparat gut
verschlossen und einer Temperatur von 35 bis 38° C. ausgesezt worden war,
kehrte er ihn so oft als moͤglich um. Es bildete sich bald ein luftleerer
Raum in demselben; er ließ dann Luft hinein, wodurch neuerdings ein leerer Raum
entstand, worauf wieder Luft zugelassen wurde und so fort, mehrere Male. Als man die
Luft untersuchte, nachdem ihr Volumen nicht mehr abnahm, fand man darin nur Spuren
von Kohlensaͤure und ihr Sauerstoffgehalt war auf 12 oder 10 Procent
reducirt. Alsdann wurde die Luft gaͤnzlich erneuert, worauf sich dieselben
Erscheinungen wieder einstellten so lange noch Weingeist vorhanden war. Die
Essigbildung schritt desto schneller vorwaͤrts, mit je groͤßeren
Massen man operirte; nach hinreichender Zeit war der Weingeist
verschwunden und in Essigsaͤure umgeaͤndert.
Dritte Frage. Welche
Substanzen koͤnnen als Fermente fuͤr die Essigbildung dienen
etc.?
Der Verfasser sagt uns hier wieder, daß reiner Weingeist, er mag noch so sehr
verduͤnnt seyn, sich durch die Beruͤhrung mit der Luft nicht in
Essigsaure umaͤndert; daß aber die geringste Menge einer organischen Substanz
hinreicht, um ihn zu dieser Reaction geeignet zu machen; endlich daß die organische
Substanz wahrscheinlich auf die, Art wirkt, daß sie ein wenig Essigsaure bildet,
welche dann die Saͤuerung des Weingeists veranlaͤßt.
Der Verfasser untersucht sodann die Wirkung der Fermente auf den Weingeist und auf
verschiedene saͤuerbare Substanzen; aber bei der Pruͤfung der Arbeiten
seiner Vorgaͤnger begeht er zum zweiten Mal den Fehler, daß er bemerkt, es
gehe besonders aus den Versuchen von Cadet hervor, daß
schwacher Weingeist durch den Einfluß des Schleims, der Hefe, des Kleisters oder
Extractivstoffs leicht in Essig verwandelt werden kann.
Cadet-Gassicourt sagt im Gegentheil in seiner
vortrefflichen Abhandlung uͤber die Essiggaͤhrung (Annales de Chimie Bd. LXII. S. 25), daß er vergebens
versuchte weingeisthaltiges Wasser durch Zusaz von Hefe in Waͤhrung zu
bringen, in welchem Verhaͤltniß er auch das Ferment und den Weingeist
anwenden mochte; daß aber die Gaͤhrung sich einstellt, wenn man diesem
Gemenge Extractivstoff, Schleim oder gekochtes Staͤrkmehl zusezt,
vorausgesezt daß der Weingeist nicht vorwaltet. Hiernach koͤnnte man
vermuthen, daß die Gaͤhrung hauptsaͤchlich zwischen der Hefe und dem
Extract, dem Schleim oder Staͤrkmehl Statt findet, und daß der Weingeist sich
ihnen
hoͤchstens als Huͤlfsmittel beigesellt oder sie sogar verhindert, wenn
er in zu großer Menge vorhanden ist.
Der Verfasser der Abhandlung hat seinerseits eine große Anzahl von Versuchen
uͤber Essigbildung angestellt, bei denen er aber nur ein einziges Resultat
angibt, naͤmlich die Menge des Sauerstoffs, welcher in der Luft uͤber
der Fluͤssigkeit zuruͤkblieb. Aus diesem isolirten Resultat
koͤnnen wir jedoch wenig entnehmen und nichts beweist uns, daß alle Versuche
Essigsaure lieferten. Im Gegentheil glauben wir, daß zum Beispiel das Gemenge von
Weingeist mit Hefe keine solche geben konnte, und daß der Sauerstoffverlust der Luft
eher von der Zersezung der Hefe, als von derjenigen des Weingeists herruͤhrt.
In diesem Paragraph sind auch noch die Versuche von Leuchs uͤber die geistige Gaͤhrung und die Essigbildung
verschiedener Gemenge von Zuker und Hefe mit Gummi oder Milchzuker
aufgefuͤhrt, aus welchen hervorzugehen scheint, daß diese beiden lezteren
Substanzen alsdann faͤhig werden die beiden vorher angegebenen
Veraͤnderungen zu erleiden; endlich ist auch noch eine Notiz uͤber die
Hefe beigefuͤgt, worin er die Meinung von Berzelius theilt, daß diese Substanz nur durch ihren
Essigsaͤuregehalt und im Verhaͤltniß desselben wirksam ist; zulezt
wird Dingler's Verfahren Essig zu fabriciren
auseinandergesezt.
Fuͤnfte Frage. Man soll
eine allgemeine Theorie der sauren Gaͤhrung aufstellen etc.
Da so mannigfaltige Substanzen Essig bilden koͤnnen, so kann man, sagt der
Verfasser, unmoͤglich eine Theorie aufstellen, die auf alle Faͤlle
paßt und er beschraͤnkte sich daher auch darauf, die Verwandlung des Alkohols
in Essigsaure zu erklaͤren. Er stellte in dieser Absicht mehrere Versuche an
und glaubte seinen Zwek beinahe erreicht zu haben, als ein trauriger Vorfall seine
Arbeiten unterbrach und ihn noͤthigte einen anderen Weg einzuschlagen.
Der Verfasser wollte hiezu eine Beobachtung von Serullas
uͤber die Wirkung der Chlorsaͤure auf den Alkohol benuzen und sich
zuerst uͤberzeugen, ob der Alkohol durch diese Substanz gaͤnzlich in
Essigsaͤure umgeaͤndert wird; er ließ daher den Alkohol in geringer
Menge nach und nach in sein sieben- bis achtfaches Gewicht Chlorsaͤure
fallen. Der Versuch wurde in einer langen Glasroͤhre mit 15 Grammen
Chlorsaͤure und 2 Grammen Alkohol angestellt; kaum war aber die
Haͤlfte des Alkohols der Saͤure zugesezt, so fand eine heftige
Detonation Statt, die Roͤhre wurde in tausend Stuͤkchen zerbrochen und
der Experimentator schwer an den Haͤnden, und im Gesicht verwundet. Er sah
sich nun genoͤthigt seine Versuche einige Zeit lang zu unterbrechen und mußte
sich darauf beschraͤnken, die Menge Essigsaͤure zu bestimmen, die sich
bildet, wenn man den Alkohol durch Dazwischenkunft einer geringen Menge derselben
Saͤure sich saͤuern laͤßt, welche man sodann von derjenigen,
die sich bilden koͤnnte, abzieht. Dieser Versuch wurde aber nicht beendigt
und wir zweifeln sehr, ob er jemals das gewuͤnschte Resultat haͤtte
geben koͤnnen. Zulezt konnte der Verfasser also nur die atomistische
Berechnung, welche Berzelius uͤber die Verwandlung
des Alkohols in Essigsaͤure mittheilt, abschreiben. Der Alkohol ist gleich
OC² H⁶ Essigsaͤure = O³ C⁴ H⁶ wenn ein
Atom Alkohol durch Oxydation auf Kosten der Luft allen Wasserstoff verliert und man
den Nest OC² einem Atom unveraͤnderten Alkohols zusezt, so
erhaͤlt man O² C⁴ H⁶, eine Verbindung die nur noch ein Atom Sauerstoff braucht, um in
Essigsaͤure umgeaͤndert zu werden. 2 Atome Alkohol und 4 Atome
Sauerstoff geben also ein Atom Essigsaͤure und 3 Atome Wasser und der ganze
Proceß reducirt sich auf eine Oxydation.
Schluß der AbhandlungN. 4.
Der Verfasser glaubt keinen falschen Gang befolgt zu haben, indem er das alte
Programm dem neuen vorzog, welches leztere besonders die wichtige Frage
unberuͤksichtigt ließ, ob der Alkohol zur Bildung der Essigsaͤure
unumgaͤnglich noͤthig ist. Er bemerkt uͤbrigens, daß die Frage
schon fruͤher geloͤst war, und daß man nur die von seinen Vorgehern
angegebenen Thatsachen zu pruͤfen hatte (worauf sich der Verfasser in der
That auch beinahe beschrankte). Er glaubt, daß man den Franzosen mit Grund den
Vorwurf macht, daß sie mit den Arbeiten der Auslaͤnder nicht gehoͤrig
vertraut sind und erinnert uns bei dieser Gelegenheit an folgende Stelle, welche Berzelius in Bezug auf die Preisaufgabe uͤber die
rauchende Schwefelsaͤure niederschrieb.
„Spaͤter zeigte Doebereiner, daß die
rauchende Saͤure mit den Basen dieselbe Quantitaͤt Salz bildet,
welche sie nach der Berechnung liefern muͤßte, wenn man sie als
wasserfrei betrachtet. Zehn Jahre darauf, als die Frage vollkommen
geloͤst war, waͤhlte sie die Société de Pharmacie zum Gegenstande einer Preisaufgabe,
deren Resultat eine Arbeit von Bussy war, die in der
That sehr gut ist, wodurch wir aber im Grunde nichts erfuhren, was wir nicht
schon wußten.“
Man wird uns erlauben die Société de
Pharmacie bei dieser Sache zu vertheidigen. Vor Allem wollen wir dem
Verfasser der Abhandlung N. 4 erwiedern, daß die
allgemeine Frage uͤber die Essigbildung vor der Ausschreibung der Preisaufgabe nicht
geloͤst war und es auch gegenwaͤrtig noch nicht ist, ungeachtet der
großen Fortschritte; die sie gemacht hat; in Betreff der Schwefelsaure
muͤssen wir aber bemerken, daß wenn ein Chemiker wie Berzelius sich speciell damit beschaͤftigt hat zu beweisen, daß die
Schwefelsaͤure nicht ohne Wasser bestehen kann (Annales de Chimie Bd. LXXXI. S. 283), und sein Ansehen in Frankreich so
groß ist, daß es daselbst die spaͤteren Resultate von Vogel zu Bayreuth und
die vielleicht weniger bekannten von Doebereiner aufwog,
die Société de Pharmacie wohl glauben
konnte, daß die Sache noch nicht ganz abgemacht ist. Wenn sie uͤbrigens darin
sich irrte, so schikte es sich gewiß nicht fuͤr Hrn. Berzelius, ihr dieß vorzuwerfen.Die Société de Pharmacie irrt sich
sehr, wenn sie sich durch das beißende Compliment, das sie hier Berzelius macht, aus der Sache gezogen zu haben
glaubt. Es bleibt ewig wahr, daß sie die vortreffliche Arbeit uͤber
die Wasserfreie Schwefelsaure von Vogel in
Bayreuth und die spaͤteren Versuche von Doebereiner nicht kannte, als sie ihre Preisfrage uͤber die
Schwefelsaͤure ausschrieb. Da nur sehr wenige von den
franzoͤsischen Gelehrten die deutsche Sprache verstehen, so wissen
sie in der Regel von allen deutschen Abhandlungen, die nicht das
Gluͤk haben in die franzoͤsische Sprache uͤbertragen zu
werden, wenn sie ihnen nicht in englischen oder italiaͤnischen
Uebersezungen zu Gesicht kommen, rein nichts. Es scheint uͤbrigens,
daß der Verfasser der Abhandlung N. 4 die
Absicht hatte, die Société de
Pharmacie zur strengsten Kritik seiner Arbeit zu veranlassen, denn
sonst wuͤrde man keinen Grund einsehen, warum er eine Gelegenheit,
die Eitelkeit der Franzosen aus das Empfindlichste zu beleidigen, gleichsam
mit Haaren herbeizieht. A. d. R.
AbhandlungN. 5.
Der Verfasser dieser Abhandlung fuͤllte, um zu erfahren was bei der
Umaͤnderung des Weins in Essig vorgeht, ein Faß ohne Dekel, das einen
Hectoliter faßte, mit Weintrestern an und goß dann sieben Achtel seines Hohlraumes
Traubenmost hinein, wovon er jeden Morgen ein halbes Liter abzog und wieder
uͤber die Trestern zuruͤkgoß. Nachdem die geistige Gaͤhrung
beendigt war, blieb die Masse sechs Tage lang in Stagnation, worauf sie sich
neuerdings sehr schnell erhizte; das Begießen der Trestern wurde nun taͤglich
drei Mal mit einer groͤßeren Menge Fluͤssigkeit vorgenommen; acht Tage
darauf enthielt die abgezogene Fluͤssigkeit noch, keine Spur Saͤure,
waͤhrend der oberste Theil in Essig verwandelt war. Seitdem hat der Verfasser
dieselbe Thatsache noch oͤfters, nicht nur bei seinen Versuchen, sondern auch
bei Faͤssern die ein ganzes Fuder Wein enthielten und worin derselbe in
Saͤure uͤberging, beobachtet. Er fand immer, daß die Saͤuerung
auf der Oberflaͤche anfing und allmaͤhlich bis auf den Boden hinab
sich fortpflanzte; so zwar, daß oft Wein, von welchem man wegen des starken
Essiggeruches, den er vom Spund aus verbreitete, glaubte, daß er ganz sauer
geworden sey, sich beinahe bis ans Ende als gut erwies, als man ihn von Unten
abzog.
In Betreff des ersten Versuches muͤssen wir noch bemerken, daß, nachdem die
Saͤuerung vollstaͤndig war, die Trestern erkalteten; ehe sie aber ganz
erkaltet waren, zog man den Essig ab und ersezte ihn durch Wein; alsdann erhizten
sich die Trestern neuerdings u.s.w. Dieses Verfahren lieferte, als es drei Monate
lang fortgesezt wurde, 450 Liter sehr guten Essig und der Verfasser glaubt, daß er
auf diese Art mit der Essigbereitung ein ganzes Jahr lang haͤtte fortfahren
koͤnnen, denn bei der lezten Operation erfolgte die Saͤuerung noch
schneller als bei der anderen.
Die bei diesem Versuche beobachteten Erscheinungen zeigen eine so auffallende
Aehnlichkeit, einerseits mit der Erhizung einer großen Anzahl von Substanzen, die in
Masse vereinigt, den Sauerstoff der Luft in ihrem Inneren verdichten, und
andererseits mit der schichtenweisen Oxydation mehrerer Metallaufloͤsungen,
daß man darin einen Beweis sehen muß, daß sich der Wein durch Aufnahme des
Sauerstoffs der Luft in Essig umaͤndert; diesen Schluß hat uͤbrigens
der Verfasser noch durch andere vergleichende Versuche unterstuͤzt, die in
geschlossenen und offenen Flaschen angestellt wurden.
Der Verfasser wollte nun auch ausmitteln, welche Bestandtheile des Weins zur
Essigbildung beitragen, beschraͤnkte sich aber auf einige Versuche mit
Alkohol, den er in verduͤnntem Zustande unter Gloken, die mit Sauerstoff,
atmosphaͤrischer Luft, Stikstoff und Wasserstoff gefuͤllt waren, mit
Hefe, Kleber und Ochsenmuskeln fuͤnf und vierzig Tage lang bei einer
Temperatur von 25 Grad in Beruͤhrung ließ. Unter dem Stikgas und
Wasserstoffgas fand in keinem Falle eine Wirkung Statt; bei den beiden anderen
Gasarten war das Resultat einen Monat lang oder bis der Alkohol fast ganz verdampft
war, ebenfalls Null. Erst dann fand eine Absorption Statt, besonders bei dem
Sauerstoffgas, die Muskel ging in Faͤulniß uͤber, der Kleber und die
Hefe aber fingen an sich ein wenig zu saͤuern. Da diese Versuche der Ansicht,
daß es der Alkohol ist, welcher die Essigsaͤure bildet, nicht sehr
guͤnstig sind, so nahm sie der Verfasser neuerdings vor, indem er auf der
Oberflaͤche des Alkohols, welcher 16 Grad hatte und bei der Destillation des
Weins zulezt gesammelt worden war, die oben erwaͤhnten Fermente in
befeuchtetem Zustande erhielt. Es fand dann bei der Luft und dem Sauerstoff eine
viel auffallendere Wirkung Statt und die Absorption und Bildung von
Essigsaͤure schritten immer fort.
Auf diese Versuche folgen andere, welche zum Zwek hatten, einige Resultate von Cadet zu berichtigen und ein Verfahren auszumitteln, um Essig mit geleimter
Gerste, Honig und angesaͤuertem Teige im Großen zu bereiten.
Hierauf stellt der Verfasser allgemeine Betrachtungen uͤber die Essigbildung
an; er nimmt an, daß in allen Faͤllen der Weingeist das Material zur
Essigbildung liefert und glaubt, daß das Gummi und der Schleim immer die zukerige
und geistige Gaͤhrung durchmachen, ehe sie Essigsaͤure erzeugen, daß
sie aber so wenig Zuker und Weingeist auf Einmal bilden, daß wir diese Producte
durch unsere analytischen Methoden nicht wahrnehmen koͤnnen. Er gesteht
uͤbrigens zu, daß diese Art von Essigbildung von der Essigbildung des Weins
wesentlich verschieden ist: leztere findet schichtenweise und von Oben nach Unten
Statt, erstere aber gleichmaͤßig in der ganzen Masse der
Fluͤssigkeit.
Nun folgen praktische Beobachtungen uͤber Essigbereitung aus Wein und der
Verfasser theilt uns in dieser Hinsicht ein Resultat mit, welches zwar schon lauge
bekannt ist, aber wohl eine Bestaͤtigung verdiente. Wenn er naͤmlich
dem Wein oder Essig, ehe er ihn in seine mit Trestern angefuͤllten
Faͤsser brachte, eine gewisse Menge Alkohol (z.B. 1 1/2 Liter Branntwein auf
6 Liter Wein oder Essig) zusezte, so bekam sein Product mehr als die doppelte
Staͤrke des Essigs von Orleans.
Am Ende seiner Abhandlung stellt der Verfasser eine Berechnung auf, von der er
glaubt, daß sie die Theorie der Umaͤnderung des Weingeists in
Essigsaͤure durch Absorption von Sauerstoff zu bekraͤftigen geeignet
sey; bei einigem Nachdenken wird er aber finden, daß seine Zahlen nicht richtig sind
und sie ohne Zweifel bei dem Abdruk seiner Abhandlung streichen.
Zweiter Theil. Versuche,
welche die Commission anstellte und Resultat der Preisaufgabe.
Die Essigbildung der organischen Substanzen umfaßt eine so große Anzahl
verschiedenartiger Erscheinungen, daß es nicht moͤglich scheint sie auf eine
einzige fuͤr alle guͤltige Weise zu erklaͤren. Wenn wir uns
fuͤr den Augenblik auch nur mit der Essigbildung des Alkohols befassen, so
bietet doch diese Frage schon so viele Schwierigkeiten dar, daß wir sie nicht ganz
loͤsen koͤnnen. Wir werden also nicht auf die merkwuͤrdigen und
bis jezt noch nicht erklaͤrten Thatsachen hinsichtlich der Saͤuerung
der Milch zuruͤkkommen, und eben so wenig auf die unmittelbare Essigbildung
der gummigen und staͤrkmehlhaltigen Substanzen, weil es nach den bekannten
Thatsachen scheint, daß sie eine von der Essigsaͤure verschiedene
Saͤure erzeugen, wenn sie nicht zuvor die Zukerbildung und geistige Gaͤhrung
durchgemacht haben; wir halten uns in den Graͤnzen des lezten Programms und
wollen nun nach einander die verschiedenen Umstaͤnde untersuchen, welche den
Alkohol zur Umaͤnderung in Essigsaͤure bestimmen koͤnnen oder
nicht.
Erste Thatsache. Directe
Essigbildung des Weingeists.
Obgleich einige das Gegentheil behaupten, so stimmen doch fast alle Chemiker darin
uͤberein, daß reiner oder mit Wasser verduͤnnter Weingeist durch
Beruͤhrung mit der Luft sich nicht saͤuert. Diese Thatsache geht auch
aus den Versuchen hervor, welche die Verfasser der Abhandlungen N. 2 und 4 anstellten, und wir haben sie unter folgenden
Umstaͤnden bestaͤttigt gefunden.
Wir brachten in ein verschlossenes glaͤsernes Gefaͤß, welches 12 Liter
faßte, 8 Pfund gestoßenes Glas und 4 Unzen Alkohol von 91 Centesimalgraden. Das
Gefaͤß blieb 43 Tage lang einer Temperatur von 8 bis 15 Grad ausgesezt; man
schuͤttelte es oft und da uͤbrigens die Menge des Alkohols nicht mehr
betrug, als noͤthig war, um die Oberflaͤchen des Glases zu befeuchten,
so war er die ganze Zeit uͤber in einer duͤnnen Schichte mit der Luft
in Beruͤhrung. Nach Verlauf dieser Zeit war die Luft nicht veraͤndert
und im Weingeist konnte durch Lakmustinktur nicht die geringste Spur von
Saͤure entdekt werden. Man kann also in Uebereinstimmung mit allen Thatsachen
annehmen, daß reiner oder mit Wasser verduͤnnter Weingeist durch die bloße
Beruͤhrung mit Sauerstoff oder Luft sich nicht saͤuert.
Zweite Thatsache. Kann die
Essigsaure den Weingeist zur Verwandlung in Essigsaure disponiren?
Die Erfahrung lehrt, daß Gefaͤße, welche Essig enthielten oder schon zur
Fabrikation von Essig gebraucht wurden, viel tauglicher als andere sind, um die
weinigen Fluͤssigkeiten zur Essigbildung zu disponiren. Einige Chemiker,
darunter Berzelius, schlossen daraus, daß die
Essigsaͤure selbst ein Ferment fuͤr die saure Gaͤhrung ist und
der Verfasser der Abhandlung N. 2 folgerte aus einem
seiner Versuche, daß eine sehr geringe Menge Essigsaͤure nebst dem Zutritt
der Luft hinreichend ist, um den Weingeist gaͤnzlich in Essigsaͤure zu
verwandeln.
Mit diesem Schluß steht jedoch die Thatsache in Widerspruch, daß Essigsaͤure,
dem Wein zugesezt, ihn nicht zur Essigbildung veranlaßt (Colin, ann. chim. phys., Bd. XXVIII. S. 131.
Polytechnisches Journal Bd. XVIII. S. 239
und Bd. XIX. S. 283). Wir fanden auch durch zwei
directe Versuche, daß die Essigsaͤure den Weingeist nicht in die saure
Gaͤhrung uͤberfuͤhrt.
In dasselbe glaͤserne Gefaͤß, welches 12 Liter faßte und wovon oben die
Rede war, brachten wir 8 Pfund groͤblich zerstoßenes Glas, 110 Gramme
Weingeist von 91 Centesimalgraden und 10 Gramme Essigsaͤure, die 9,2 Gramme
troknes kohlensaures Kali Neutralismen. Der Versuch wurde den 31. December begonnen
und bei einer Temperatur von 7 bis 15 Grad fortgesezt; den 15. Januar trieb man eine
Portion Luft aus dem Gefaͤße, indem man eine Flasche mit 90 Grammen Wasser in
dasselbe entleerte. Die ausgetriebene Luft enthielt den Sauerstoff und Stikstoff in
den gewoͤhnlichen Verhaͤltnissen und war bloß durch Weingeistdampf
ausgedehnt. Das Gefaͤß wurde nun wieder genau verschlossen und 12 Tage lang
(bis zum 27. Januar) einer Temperatur von 30 Grad ausgesezt; nach dieser Zeit
enthielt die Luft keine Kohlensaͤure und der Phosphor zeigte darin genau 21
Procent Sauerstoff an. Die Fluͤssigkeit wurde von dem gestoßenen Glase
abgegossen und lezteres sorgfaͤltig ausgewaschen, bis es nicht mehr im
Geringsten sauer reagirte. Als man nun die gesammte Fluͤssigkeit mit 9,2 Gr.
troknem kohlensaurem Kali versezte, reagirte sie schwach alkalisch, ohne Zweifel
weil eine geringe Menge Essigsaͤure verloren ging. Sie wurde nun das erste
Mal uͤber freiem Feuer destillirt und das Destillat im Wassern bade
rectificirt, wodurch man 150 Gramme Weingeist von 60 Centesimalgraden erhielt, was
99 Grammen Weingeist von 91 Grad entspricht. Diesem Resultat zu Folge gingen 11
Gramme Weingeist verloren, was wir uns nicht anders erklaͤren koͤnnen,
als daß sie in dem Ruͤkstand der beiden Destillationen blieben; denn so viel
ist gewiß, daß keine Spur Weingeist in Essigsaͤure verwandelt wurde.
Anderer Versuch. Wir brachten in eine Flasche, die 10
Liter faßte und unten mit einem Hahn versehen war, 20 Pfund Glasstuͤke; auf
die Flasche kitteten wir einen Trichter mit einem luftdicht schließenden Hahn und
gossen dann ein Gemisch von 656 Grammen schwachen Weingeists und 10 Grammen
Essigsaͤure hinein. Diese Fluͤssigkeit zeigte 17 Grad an Cartiers
Araͤometer (bei 12° C.). Lezteres Instrument darf hier
natuͤrlich nur als ein schwimmender Koͤrper betrachtet werden, welcher
an der Stelle, wo er in die Fluͤssigkeit taucht, mit einem Striche bezeichnet
ist; diese Stelle muß je nach der Dichtigkeit der Fluͤssigkeit eine
verschiedene seyn; die Dichtigkeit derselben wird aber veraͤndert, wenn der
Weingeist ganz oder theilweise in Essigsaͤure verwandelt ist.
Der Apparat wurde nun acht Tage lang auf einer Temperatur von 25 bis 40° C.
erhalten; die Fluͤssigkeit fiel tropfenweise aus dem Trichter auf die
Glasstuͤke, wurde dann durch den unteren Hahn abgezogen und wieder in den
Trichter zuruͤkgegossen. Nach Verlauf der acht Tage und nachdem sich die
Fluͤssigkeit auf 12° C. abgekuͤhlt hatte, zeigte sie genau 17
Grad Cartier. Wir neutralisirten uͤberdieß 333 Gramme oder die Haͤlfte
des Ganzen mit kohlensaurem Kali, wozu etwas weniger als 4,2 Gramme hinreichten (das
heißt, als man diese Quantitaͤt des Salzes in Wasser aufloͤste und der
Fluͤssigkeit zusezte, war der Saͤttigungspunkt uͤberschritten).
Nun haͤtten die 5 Gramme Essigsaͤure, welche sich in den 333 Grammen
Fluͤssigkeit vorgefunden haben sollten, 4,6 Gr. erfordert; der Unterschied
ruͤhrt ohne Zweifel daher, daß man das Glas vor dem Versuche mit Alkohol von
17 Grad ausgewaschen hatte, wovon eine geringe Menge seine Oberflaͤche
befeuchtete und den Essigsaͤuregehalt ein wenig verminderte.
Wir haben also erwiesen, daß die Essigsaure keineswegs den Weingeist zur Essigbildung
disponiren kann. Daß die Essigmutter und Faͤsser, welche schon zur
Essigfabrikation gebraucht wurden, die Eigenschaft haben, die saure Gaͤhrung
des Weins zu beschleunigen, muß nun ohne Zweifel irgend einem anderen Umstande als
ihrem Essigsauregehalt zugeschrieben werden.
Dritte Thatsache. Reichen die
Buchenholzspane zur Umaͤnderung des Weingeists in Essigsaure hin?
Nach den Versuchen des Verfassers der Abhandlung N. 4
scheint dieß der Fall zu seyn; wir konnten aber bei keinem unserer Versuche dasselbe
Resultat erhalten.
Erster Versuch. Den 15. Februar brachten wir in ein
glaͤsernes Gefaͤß, welches 4 Pinten faßte, 2 Unzen
Buchenholzspaͤne und 16 Unzen Weingeist von ungefaͤhr 15 Grad. Das
Gefaͤß wurde bloß mit einem Korkstoͤpsel verschlossen, in ein Zimmer
gebracht, das auf 25 bis 45 Grad geheizt war, und oft umgeschuͤttelt. Des
anderen Tages zeigte die Fluͤssigkeit, nachdem man sie auf 15° hatte
erkalten lassen, genau 15 Grad Cartier. Nachdem sie noch sechs Tage in der geheizten
Stube gelassen und sehr oft umgeschuͤttelt worden war, zeigte sich ihre
Dichtigkeit nicht veraͤndert und sie reagirte auch nicht sauer. Nachdem man
sie bis zum 11. Maͤrz stehen gelassen hatte, waren die Resultate noch
dieselben.
Zweiter Versuch. Den 2. Maͤrz brachten wir in eine
Flasche, die 4 Liter faßte, 4 Unzen Buchenholzspaͤne, sezten diese Flasche in
einer geheizten Stube einer Temperatur von 40 Grad aus und ließen tropfenweise auf
die Spaͤne 16 Unzen Weingeist von 17 Grad fallen. Der Weingeist wurde oft
am Boden der Flasche abgezogen, und wieder in den oberen Trichter gegossen. Den 11.
Maͤrz hatte die Fluͤssigkeit ihre Dichtigkeit noch nicht
veraͤndert und reagirte nicht im Geringsten sauer.
Dritter Versuch. Den 15. Februar kochten wir
Buchenholzspaͤne zwei Stunden lang in Wasser aus, fuͤllten mit diesen
Spaͤnen, nachdem sie gut abgetropft waren, eine Flasche, die 6 Liter faßte
und gossen 2 Liter Weingeist von 15 Grad hinein, um das Wasser, womit sie noch
getraͤnkt waren, zu beseitigen. Diese Fluͤssigkeit wurde abgezogen und
wir ersezten sie dann durch 500 Gramme Alkohol von 15° und 20 Gr. Essigsaure.
Diese Flasche wurde wie die vorhergehenden in eine geheizte Stube gestellt und
waͤhrend eines Tages oͤfters umgeschuͤttelt. Am anderen Tage
wurde die Fluͤssigkeit untersucht; sie hatte durch ihre Vermischung mit dem
Wasser, welches noch in den Hobelspaͤnen war, an Dichtigkeit zugenommen und
zeigte bei einer Temperatur von 14° C. am Araͤometer 14 1/4 Grad.
Nachdem sie noch acht Tage in der geheizten Stube gestanden hatte und oft
umgeschuͤttelt worden war, zeigte sich ihre Dichtigkeit unveraͤndert.
Am 11. Maͤrz wurde sie wieder untersucht, aber das Resultat war dasselbe; zum
Ueberfluß neutralisirte man noch den vierten Theil der ganzen Fluͤssigkeit
oder 130 Gramme mit kohlensaurem Kali; es waren dazu 2,78 Grm. troknes Salz
erforderlich. Wenn sich der Saͤuregehalt der Fluͤssigkeit durch ihre
Vermischung mit dem Wasser in den Spaͤnen nicht vermindert haͤtte, so
waͤren 4,60 Grm. Kalisalz noͤthig gewesen. Daß uͤbrigens der
verminderte Saͤuregehalt einzig und allein der angegebenen Beimischung
zuzuschreiben ist, beweist der Umstand, daß die neutralisirte Fluͤssigkeit
rein nach Alkohol und nicht im Geringsten nach Essigaͤther roch.
Wir glauben aus diesen Versuchen schließen zu duͤrfen, daß die
Buchenholzspaͤne fuͤr sich allein die Umaͤnderung des
Weingeists in Essigsaure nicht veranlassen koͤnnen und daß sie selbst, wenn
der Weingeist mir Essigsaure vermischt ist, diese Eigenschaft nicht besizen.
Vierte Thatsache. Kann die
Bierhefe den Weingeist disponiren, sich in Essigsaͤure
umzuaͤndern?
Cadet nahm auf seine eigenen Versuche hin an, daß die
Vierhefe nicht die Eigenschaft hat, den Alkohol zu saͤuern und doch
laͤßt ihn der Verfasser der Abhandlung N. 4 das
Gegentheil behaupten; er selbst versichert Cadet's
Behauptung dahin berichtigt zu haben, daß schwacher Weingeist durch die Bierhefe in
Essigsaͤure verwandelt wich. Unsere Versuche gaben folgende Resultate:
1) Den 15. Februar brachten wir in eine Flasche, die 4 Liter faßte und mit einem
Korkstoͤpsel unvollkommen verschlossen war, 12 Unzen Weingeist von 15 Grad, 1
Unze Hefe und 2 Unzen Wasser.
Anmerkung. Das Wasser und die Hefe ließ man vorher
achtzehn Stunden lang in der geheizten Stube, um sie zu einer (wenn auch noch so
schwachen) Veraͤnderung (Entmischung) zu disponiren. Das ganze Gemenge zeigte
bei einer Temperatur von 13° C. an Cartier's
Araͤometer etwas uͤber 13 Grad. Lakmuspapier wurde davon nicht
geroͤthet. Man stellte nun die Flasche in eine auf 40° geheizte Stube
und schuͤttelte sie sehr oft, bis zum 21. Februar; die Fluͤssigkeit
zeigte alsdann genau denselben Grad und roͤthete das Lakmus nicht. Auch nach
laͤngerer Zeit hatte sich keine Essigsaure gebildet.
2) Den 18. Februar brachten wir bei einer Temperatur von 12° in ein
glaͤsernes Gefaͤß, das 4 Liter faßte und mit ausgekochten und
getrokneten Buchenholzspaͤnen gefuͤllt war:
Weingeist von 13 1/2 Grade
1 Liter.
Hefe
2 Unzen.
Nach gehoͤriger Vermengung zeigte die Fluͤssigkeit nur 12 1/2 Grad am
Araͤometer und roͤthete die Lakmustinktur nicht. Das Gefaͤß
wurde sodann bis zum 22. Februar in die geheizte Stube gestellt; die
Fluͤssigkeit veraͤnderte aber ihre Dichtigkeit nicht und wurde
durch- aus nicht sauer. Den 11. Maͤrz, nachdem sie achtzehn Tage auf
den Buchenholzspaͤnen verweilt hatte, zeigte sie eine geringere Dichtigkeit,
naͤmlich 13 Grad am Araͤometer; sie war nun aber groͤßten
Theils geklaͤrt, indem sich die Hefe auf den Spaͤnen festgesezt hatte.
Sie roͤthete jezt das Lakmus ein wenig, schmekte aber durchaus nicht sauer.
Diese schwache Saͤuerung scheint durch die Einwirkung der Hefe auf irgend
einen aus dem Holz ausgezogenen Stoff verursacht worden zu seyn.
3) Der erste Versuch wurde mit Eiweiß (das schon ein wenig veraͤndert war), an
Statt mit Hefe wiederholt, gab aber das naͤmliche negative Resultat.
Wir schließen hieraus in Uebereinstimmung mit den Versuchen Cadet's und des Verfassers der Abhandlung N.
2, daß weder die Hefe, noch der thierische Eiweißstoff die Eigenschaft haben, den
Weingeist in Essigsaͤure umzuaͤndern.
Fuͤnfte Thatsache. Verwandelt sich der Alkohol, welcher einer saͤuerbaren
Fluͤssigkeit zugesezt wird, oder in ihr enthalten ist, in
Essigsaͤure?
Alle vorher angegebenen Thatsachen, nebst denjenigen, welche in der Abhandlung N. 2 mitgetheilt sind, scheinen uns zu dem Schluß zu berechtigen, daß
keine organische Substanz, fuͤr sich allein angewandt, das Vermoͤgen
besizt, den Weingeist in Essigsaure umzuaͤndern. Wir koͤnnen
beifuͤgen, daß ohne Zweifel dasselbe der Fall seyn wird, wenn man diese
Agentien zu zweien anwendet, vorausgesezt daß sie in ihrer Vermengung nicht selbst
in die geistige oder saure Gaͤhrung uͤbergehen koͤnnen. Kurz,
man wird aller Wahrscheinlichkeit nach nur dann Essigsaure erhalten, wenn man mit
dem Weingeist Substanzen in Beruͤhrung bringt, die solche ohne ihn erzeugt
haͤtten. Man kann nun natuͤrlich fragen, ob der Weingeist in diesem
Falle uͤberfluͤssig ist, oder ob er, durch die ihn umgebende chemische
Einwirkung mitgerissen, seinerseits zur Bildung der Essigsaure beitragt; mit dieser
Aufgabe wollen wir uns nun beschaͤftigen.
Wir glauben gern, daß man uns auch hier sagen kann, die Frage sey schon
geloͤst und kein Chemiker zweifle daran, daß sich unter aͤhnlichen
Umstaͤnden der Weingeist in Essigsaure verwandle; die Wissenschaft wird aber
dadurch, daß man ohne Pruͤfung die Ansichten Anderer annimmt, nicht weiter
gebracht, und der Verfasser der Abhandlung N. 2, welcher
die Essigbildung des Weingeists in allen Fallen laͤugnete und uns dadurch
zwang, die Frage mit mehr Sorgfalt zu untersuchen, hat vielleicht der Wissenschaft
einen groͤßeren Dienst geleistet, als mancher andere, der ganz den
Behauptungen seiner Vorgaͤnger getraut haͤtte.
Uebrigens sind bei weitem nicht alle Chemiker hinsichtlich der Nuͤzlichkeit
des Weingeists bei der Essigfabrikation einerlei Meinung; außer dem schon
angegebenen Resultat von Lowitz sind auch Cadet's Versuche der Umaͤnderung des Weingeists in
Essigsaͤure durchaus nicht guͤnstig. So gab ein Gemenge von 10 Theilen
Zuker, 70 Wasser und 1/2 Theil Hefe, einen Essig, wovon 4 Unzen 6 Gramme
kohlensaures Kali saͤttigten und durch Abdampfen noch 3 1/2 Quentchen Syrup
lieferten; ein aͤhnliches Gemenge, worin die Haͤlfte des Zukers durch
Weingeist ersezt war, lieferte einen weingeisthaltigen Essig, wovon 4 Unzen nur noch
1 Quentchen Syrup lieferten und nur 4 Gramme kohlensaures Kali saͤttigten.
Ein Gemenge von 15 Theilen Zuker, 70 Wasser und 2/3 eines Theiles Ferment, gab einen
sehr zukerhaltigen Essig, wovon 4 Unzen 8 Gramme kohlensaures Kali neutralisirten;
ein anderes Gemenge, welches 10 Theile Zuker und 5 Theile Weingeist enthielt, gab
ein Product, das weder Zuker noch Essig enthielt und bei der Destillation so
ziemlich die ganze Quantitaͤt des zugesezten Weingeists lieferte.
Aus diesen und vielen anderen aͤhnlichen Versuchen schloß Cadet, daß der Weingeist sich sehr unvollstaͤndig
in Essig verwandelt und wir muͤssen gestehen, daß diese Folgerung nebst den
negativen Resultaten in
der Abhandlung N. 2, uns einige Zeit lang glauben ließ,
der Weingeist andere sich wenigstens bei der Fabrikation des kuͤnstlichen
Essigs, nicht in Essigsaure um; denn die Fabrikanten wenden immer unter der
Benennung Ferment (ferment)
ein Gemenge an, welches an und fuͤr sich schon eine große Menge Essigsaure
bilden kann: andererseits konnten wir aber mit dieser Thatsache die Essigbildung der
geistigen gegohrenen Fluͤssigkeiten (und es unterliegt keinem Zweifel, daß
sich in diesen der Weingeist in Essigsaure umaͤndert) nicht wohl in
Uebereinstimmung bringen, so daß wir zulezt es mit Fabroni fuͤr wahrscheinlich hielten, daß der Alkohol in diesen
Fluͤssigkeiten in einem anderen Zustande enthalten ist, als im destillirten
Alkohol, und daß er in diesem Zustande sich leichter in Essigsaͤure
verwandeln kann.
Wir wurden aber durch Hrn. Mitscherlich, der sich gerade
in Paris befand, auf andere Ansichten gebracht; dieser sagte uns naͤmlich,
daß man in vielen Staͤdten Deutschlands den Essig nur auf die Art bereitet,
daß man ein Gemisch, welches aus einem Theil Weingeist von 54 Centesimalgraden, 9
Theilen Wasser und irgend einem Ferment (z. V. Erdaͤpfelextract) besteht,
langsam aus einem Behaͤlter vermittelst eines Hanfseiles in verschlossene
Faͤsser fließen laͤßt; die Menge des Ferments ist dabei so gering, daß
sie bei weitem nicht der gebildeten Essigsaure entspricht. Die Faͤsser sind
mit Roͤhren versehen, durch welche man in ihnen einen ununterbrochenen
Luftstrom unterhaͤlt, wodurch die Absorption des Sauerstoffs so beschleunigt
wird, daß die Temperatur schnell von 10 auf 30 Grad steigt; man unterhalt sie aber
auf ungefaͤhr 20 Grad (indem man einen Theil der Roͤhren, die die Luft
zufuͤhren, verschließt), weil dann die Operation am besten gelingt. Dieser
Proceß kann also als eine wahre Verbrennung betrachtet werden.Eine mit allen neueren Erfahrungen uͤbereinstimmende Theorie dieser
Schnell-Essigfabrikation hat Hr. Dr.
Wagenmann aufgestellt. Wir verweisen auf seine interessante
Abhandlung, die auch im polytechn. Journal Bd. XLV. S. 118 mitgetheilt ist. A. d. R.
Da wir nach dem Vorhergehenden das angegebene Verhaͤltniß des Weingeists
fuͤr das zwekmaͤßigste hielten, so wollten wir uns vorerst
uͤberzeugen, ob sich seine Quantitaͤt nach der Verduͤnnung mit
Wasser durch Destillation bestimmen laͤßt: wir vermischten also 100 Gramme
Weingeist von 54 Centesimalgraden (20 Grad Cartier) mir 900 Grammen Wasser; das
Gemisch zeigte 5°,4. Ein Liter dieser Fluͤssigkeit wurde bis auf ein
Drittel destillirt; das Product zeigte 16,2, was 5,4 per Liter entspricht; es fand
folglich bei der Destillation kein Verlust Statt.
Erster Versuch, mit Zuker. – Wir nahmen eine
Flasche, die 12 Pinten faßte und mit drei Tubulaturen versehen war, einer oben,
einer unten und einer an der Seite, im Drittel der Hoͤhe. Diese
fuͤllten wir mit Buchenholzspaͤnen und gossen folgendes Gemenge
daruͤber:
Zuker
7 Unzen.
Heft
2 –
Wasser
61 –
––––––––
70 –
Den 11. Maͤrz wurde die Flasche in eine Stube gebracht, welche auf 20 bis
35° geheizt war; die Luft konnte durch einen Einschnitt in dem
Korkstoͤpsel der Seitentubulatur leicht in die Flasche gelangen; das
Gefaͤß wurde ferner geschuͤttelt und die Luft taͤglich ein Mal
erneuert. Dieser Versuch wurde bis zum 27. Maͤrz fortgesezt, zu welcher Zeit
die Erscheinung der Cholera bei uns alle bisherigen Arbeiten unterbrach. Die Flasche
blieb uͤbrigens bis zum 2. April der angegebenen Temperatur ausgesezt, und
wurde dann bis zum 22. stehen gelassen. Alsdann hatte die filtrirte
Fluͤssigkeit dasselbe specifische Gewicht wie destillirtes Wasser, schmekte
nur schwach nach Essig, hinterließ beim Abdampfen nur 0,0096 Ruͤkstand und
erforderte nur 0,0057 kohlensaures Kali zur Neutralisation; bei diesem
werkwuͤrdigen Versuche verschwand fast Alles, der Zuker, der Weingeist und
die Essigsaͤure.Da die Buchenholzspane die Eigenschaft haben, eine sehr betraͤchtliche
Menge Essigsaure zu absorbiren und zu binden (was wir in unserer Abhandlung
im polytechn. Journal Bd. XXXIX. S.
517. ausdruͤklich bemerkt haben), so scheint uns dieses
Resultat gerade nicht sehr auffallend zu seyn. A. d. R.
Zweiter Versuch, mit Zuker und Weingeist. – Dieser
Versuch wurde unter denselben Umstaͤnden wie der vorige angestellt und
lieferte eben so unerwartete Resultate. Das Gemenge enthielt:
Zuker
7 Unzen.
Weingeist von 54 Grad
7 –
Hefe
2 –
Wasser
54 –
–––––––––
70 –
Den 22. Maͤrz hinterließ die filtrirte Fluͤssigkeit bei dem Verdampfen
nur 0,0072 festes Extract und erforderte nur 0,00166 kohlensaures Kali zur
Saͤttigung, enthielt aber 10,66 Weingeist, also beinahe genau zwei Mal so
viel, als wir ihr zugesezt hatten. Aus diesen beiden Versuchen, welche mit denen von
Cadet viele Aehnlichkeit haben, kann man bloß die
Folgerung ziehen, daß die Essigbildung des Zukers zu wandelbare Erscheinungen
darbietet, als daß sich daraus schließen ließe, welchen Antheil der zugesezte
Weingeist an den Resultaten hat.
Dritter Versuch, Weingeist und Erdaͤpfelsaft.
– Den 5. Maͤrz brachten wir in eine sehr große, mit
Buchenholzspaͤnen gefuͤllte Woulfsche Flasche folgendes Gemenge:
Ausgepreßten Erdaͤpfelsaft
200 Gramme.
Weingeist von 54 Grad
200
–
Hefe
16
–
Wasser
1584 –
––––––––
2000 –
Zwei obere Tubulaturen waren nur mit durchbohrten Korkstoͤpseln verschlossen
und durch die dritte ging ein Trichter, der mit einem Hahn versehen war, aus welchem
die Fluͤssigkeit allmaͤhlich auf die Hobelspaͤne fiel; nach
mehreren Tagen gossen wir aber bloß durch die obere Tubulatur eine Pinte
Fluͤssigkeit hinein und zogen sie taͤglich ein Mal unten ab. Dieser
Versuch wurde bei der mittleren Temperatur der Luft begonnen; das Gemenge schien
sich weder zu erhizen noch zu saͤuern. Als es dann einer Waͤrme von 35
bis 40 Grad ausgesezt wurde, bemerkten wir erst den vierten Tag in den
Hobelspaͤnen einen sehr auffallenden Geruch nach Essigaͤther,
waͤhrend die abgezogene Fluͤssigkeit Anzeigen von Faͤulniß
darbot. Diese verschwand aber wieder in dem Maße, als die Essigbildung fortschritt;
uͤbrigens wurde die Operation den 27. Maͤrz unterbrochen und erst den
22. April beendigt. Zu dieser Zeit roch die Fluͤssigkeit wie
aͤtherhaltiger Essig und schmekte deutlich sauer; sie saͤttigte 0,0222
kohlensaures Kali und ihr Alkoholgehalt entsprach nur einem Drittelsgrad. Nach dem
zu ihrer Saͤttigung erforderlichen kohlensauren Alkali mußten
ungefaͤhr 32 Gramme wasserfreie Essigsaͤure in 2000 Grammen
Fluͤssigkeit enthalten seyn, d.h. offenbar viel mehr als die 200 Gramme
Erdaͤpfelsaft an fester Substanz enthielten. Bei diesem Resultate und da der
Weingeist fast gaͤnzlich verschwand, konnten wir nicht mehr zweifeln, daß der Alkohol in der That das Material zur Essigbildung
lieferte, was erwiesen werden sollte.
Vierter Versuch, mit gegohrener Gerste. – Wir
zerquetschten 2 Kilogramme ganzer Gerste in einem Moͤrser, infundirten sie 12
Stunden lang in 16 Kilogrammen heißen Wassers, versezten sie mit 8 Unzen Bierhefe
und bedekten das Gefaͤß 12 Stunden lang, um die geistige Gaͤhrung sich
vollenden zu lassen. Alsdann seihte man die Fluͤssigkeit durch ein
Wollentuch. Wir brachten nun in ein leeres und vorlaͤufig mit Essig
getraͤnktes Honigfaͤßchen,
von dieser gegohrenen
Gersteninfusion
3,600 Kilogr.
reines Wasser
0,400 –
––––––––––
4,000 –
Das mit einem Leinentuch und einem diken hoͤlzernen Dekel verschlossene
Faͤßchen blieb vom 19. bis zum 29. Maͤrz in der geheigten Stube
stehen. Alsdann seihte man die Fluͤssigkeit durch Leinewand und bewahrte sie
bis zum 22. April auf. Diese Fluͤssigkeit schmekte sehr sauer, erforderte
aber doch nur 0,0066 kohlensaures Kali zur Saͤttigung; abgedampft hinterließ
sie 0,01 saures Extract; endlich lieferte sie bei der Destillation 0,1 eines
Productes, nach dessen Geruch man auf einen Weingeistgehalt haͤtte schließen
koͤnnen, dessen specifisches Gewicht aber von dem des destillirten Wassers
nicht merklich abwich.
Sechster Versuch.
Gegohrene Gersteninfusion
3,600 Kilogr.
Weingeist von 54 Grad
0,400 –
––––––––––––
4,000 –
Dieser Versuch wurde wie der vorige ausgefuͤhrt. Der erhaltene Essig war
saurer, ließ sich leichter filtriren und besser aufbewahren. Er erforderte 0,0218
kohlensaures Kali zur Saͤttigung, lieferte beim Abdampfen 0,02 saures Extract
und sein Alkoholgehalt entsprach nur 0,26 Grad. Auch aus diesen Resultaten scheint
uns hervorzugehen, daß der Weingeist durch seine eigenen Bestandtheile zur Bildung
von Essigsaure beitragt.
Siebenter Versuch, Essigbildung des Weins. – Wir
nahmen hiezu rothen Wein aus dem mittaͤgigen Frankreich (von Bandels bei
Toulon), um die Entbindung von Kohlensaͤure, welche in den Weinen des Nordens
in reichlicherer Menge enthalten ist, zu vermeiden. 10 Liter dieses Weins, mit
Aeznatron neutralisirt, lieferten 3,33 Liter Weingeist von 35,9 Centesimalgraden, so
daß der Wein also 11,96 absoluten Alkohol enthielt.
Ein Theil des Ruͤkstandes von der Destillation wurde mit thierischer Kohle
behandelt, die ihn aber nicht gaͤnzlich entfaͤrben konnte. Die
Fluͤssigkeit wurde zur Honigconsistenz abgedampft und dann mit Alkohol
behandelt; lezterer hinterließ beim Abdampfen einen syrupartigen Ruͤkstand,
von stechendem und zukerigem Geschmak, der mit Wasser verduͤnnt und mit Hefe
versezt in die geistige Gaͤhrung uͤberging und Kohlensaͤure
entband. Dieses Resultat zeigt uns, ganz in Uebereinstimmung mit der Meinung von Berzelius, woher das kohlensaure Gas, welches
waͤhrend der Essigbildung erzeugt wird, kommen kann, selbst bei Weinen, die
nur wenig davon in Aufloͤsung enthalten.
10 Liter desselben Weins wurden in eine große Trinkflasche gegossen, die 40 Liter
faßte, sich in einem geheizten Gemache befand und außerhalb desselben mit einer
Gloke auf einer Wasserwanne in Verbindung stand; die Oberflaͤche des Wassers
war in der Gloke mit einer Schichte Olivenoͤhl bedekt, um die Absorption der
Kohlensaͤure zu verhindern. Die Temperatur des Gemaches wurde von 13,5 Grad, was sie im Anfang
betrug, auf 25° erhoͤht und darauf vom 24. September bis zum 18.
Januar (25 Tage lang) erhalten. Als die Temperatur dann wieder auf 13 1/2 Grad
gesunken war, fand sich das Luftvolumen nur sehr wenig ausgedehnt. 100 Theile dieser
Luft wurden mit Aezkali und dann mit Phosphor analysirt und gaben
Kohlensaͤure
4
Sauerstoff
19
19,76
Stikstoff
77
80,24
––––––
–––––––
100
100,00
Es war also mehr Kohlensaͤure erzeugt als Sauerstoff verschlukt worden und die
Menge dieses lezteren war uͤbrigens so gering, daß der Wein dadurch nicht
merklich veraͤndert wurde. Aus diesem Versuch kann man schließen, daß die
Erzeugung von Kohlensaͤure mit der Essigbildung des Weins in keinem
Zusammenhang sieht.
Da wir nicht hoffen konnten, den Wein auf diese Art in Essig zu verwandeln, so
brachten wir die Flasche wieder in das geheizte Gemach, indem wir sie bloß mit ihrem
Glaspfropf verschlossen; sie wurde oͤfters umgeschuͤttete und
taͤglich einen Augenblik geoͤffnet; so blieb sie vom 18. Januar bis
zum 6. Februar (9 Tage lang) einer Temperatur von 25 Grad ausgesezt; alsdann
roͤthete der Wein stark das Lakmus; er konnte aber bei weitem noch nicht
fuͤr Essig gelten. Wir saͤttigten ihn mit Kali und destillirten ihn,
wodurch wir 3,33 Liter Fluͤssigkeit von 26,1 Centesimalgraden erhielten,
wovon das Drittel oder 8,7 dem Alkoholgehalt des schwach sauer gewordenen Weins
entspricht. Diese Fluͤssigkeit hatte also 3,26 Alkohol verloren, ohne den zu
rechnen, welchen die Gaͤhrung des Zukers liefern mußte. Im Gegensaz mit den
Resultaten, die der Verfasser der Abhandlung N. 2
angibt, koͤnnen wir also nicht mehr zweifeln, daß der Alkohol bei der
Essigbildung des Weins verschwindet.
Folgerungen.
Der Gegenstand, welcher uns bisher beschaͤftigte, ist bei weitem noch nicht
erschoͤpft; wenn es aber die Commission fuͤr ihre Pflicht hielt, die
wichtigsten Versuche der Preisbewerber zu wiederholen und zu berichtigen, so glaubte
sie doch keineswegs verbunden zu seyn, selbst die Frage in ihrer ganzen Ausdehnung
zu loͤsen und besonders die noͤthigen Versuche anzustellen, um zu
erfahren, auf welche Art der Sauerstoff der Luft wirkt, wenn
er die weinigen Fluͤssigkeiten in Essigsaure umaͤndert; denn
man kann sich nicht verhehlen, daß die von Berzelius
gegebene Erklaͤrung als rein theoretisch betrachtet werden muß, so lange sie
nicht durch quantitative Versuche bestaͤtigt wird. Der Verfasser der Abhandlung N. 4 hat wohl begriffen, daß dieses die Frage
entscheiden muß, wir zweifeln aber sehr, daß sein erster Versuch, selbst wenn er
gelungen waͤre, uns uͤber die Erscheinung eine genuͤgende
Aufklaͤrung haͤtte geben koͤnnen; denn nichts beweist, daß die
Chlorsaͤure nothwendiger Weise auf den Alkohol auf dieselbe Art wirken muß,
wie der Sauerstoff der Luft auf eine geistige Fluͤssigkeit.
Wenn man uͤbrigens bedenkt, daß der Alkohol an der Luft vollkommen
unveraͤnderlich ist, so lauge er nicht mit gaͤhrenden organischen Substanzen in Beruͤhrung kommt, so
kann man wohl fragen, ob in lezterem Falle der Sauerstoff sich gerade auf ihn wirft,
oder ob er sich vielleicht mit einem anderen Koͤrper vereinigt, der weniger
stabil ist oder eine groͤßere Verwandtschaft zum Sauerstoff hat, so daß sich
z.B. Kohlenoxyd bildet, dessen Elemente verdoppelt in der That mit denjenigen des
Alkohols Essigsaͤure bilden. So viel ist wenigstens gewiß, daß wir keinen
Beweis dafuͤr haben, daß in allen Faͤllen die Umaͤnderung des
Alkohols in Essigsaͤure das Resultat seiner directen Oxydation ist. Die
Theorie der Essigbildung ist folglich noch nicht vollstaͤndig
geloͤst.
So viel scheint uns aber bis jezt erwiesen zu seyn und besonders aus den Versuchen
der Commission hervorzugehen, daß nicht nur der Weingeist allein sich an der Luft
nicht saͤuert, sondern auch daß die Gegenwart einer großen Menge organischer
Substanzen nicht hinreicht, um diese Umaͤnderung zu bewirken, es sey denn,
daß das Gemenge dieser Substanzen eine chemische Reaction und eine
Erschuͤtterung der Atome hervorbringt, welche alsdann die Essigbildung des
Alkohols veranlassen. Um z.B. diese Ansicht auf eine bekannte Thatsache anzuwenden,
wollen wir bemerken, daß es nicht bloß die gaͤnzliche Faͤllung der
stikstoffhaltigen Substanzen oder des Ferments ist, was die alten Weine verhindert
in die saure Gaͤhrung uͤberzugehen, und daß man ihnen nicht bloß die
stikstoffhaltige Substanz ersezte, wenn man sie uͤber Rebenblaͤtter
oder Trestern laufen laͤßt, um sie zur Saͤuerung geeignet zu machen;
man restituirt ihnen alsdann vielmehr ein Gemenge von gaͤhrbaren
Koͤrpern. Mit anderen Worten, nicht das Essigferment veranlaͤßt die
Essigbildung des Alkohols, sondern das auf zukerige Koͤrper wirkende und die
geistige Gaͤhrung hervorrufende Ferment; damit aber diese Reaction mit
Vortheil Statt finde, muß, so wie es der Verfasser der Abhandlung N. 5 gefunden hat, die geistige Gaͤhrung, welche
durch die Erschoͤpfung des groͤßten Theiles der Substanzen, die ihr
als Materialien dienten, unmerklich geworden ist, durch Temperaturerhoͤhung
und andere sie beguͤnstigende Umstaͤnde wieder belebt werden.
Im Ganzen hat keiner der Preisbewerber die Frage vollstaͤndig geloͤst.
Der Verfasser der Abhandlung N. 2 hat uns im Gegensaz
mit der Annahme mehrerer Chemiker gezeigt, daß der Weingeist, isolirt mit einer
großen Anzahl organischer Substanzen in Beruͤhrung gebracht, sich nicht in
Essigsaure umaͤndert; er ist aber zu weit gegangen, wenn er glaubte, daß es
sich in allen Faͤllen eben so verhalt und daß der Alkohol zur Essigbildung
nie das Material liefert; der Verfasser der Abhandlung N. 4 ist nach unserer Meinung in der entgegengesezten Richtung zu weit
gegangen, indem er glaubte den Weingeist durch die bloße Dazwischenkunft der
Essigsaure, des Buchenholzes oder der Hefe gesaͤuert zu haben und indem er
annahm, daß die geringste Menge organischer Substanz hinreicht, um diese
Essigbildung zu veranlassen. Der Verfasser der Abhandlung N. 5 hat das fuͤr sich, daß er die Erscheinungen bei der
Essigbildung des Weins am besten beschrieb, daß er zeigte, daß der Sauerstoff auf
die saͤum bare Fluͤssigkeit nur allmaͤhlich wirkt, endlich daß
er eine sehr wichtige Beobachtung bestaͤtigte, daß man naͤmlich unter
uͤbrigens guͤnstigen Umstaͤnden einen viel staͤrkeren
Essig erhaͤlt, wenn man dem Wein eine gewisse Menge Weingeist zusezt; in
vielen anderen Hinsichten steht aber seine Abhandlung den vorhergehenden nach.
Keiner der Preisbewerber hat uͤbrigens durch Versuche, die mit der
atomistischen Berechnung uͤbereinstimmen, gezeigt, auf welche Art sich der
Alkohol in Essigsaͤure umaͤndert; dessen ungeachtet traͤgt die
Commission in Betracht der zahlreichen Versuche, die die Preisbewerber anstellten,
und des Nuzens, der daraus dennoch fuͤr die Wissenschaft hervorgeht, darauf
an, daß man den Verfasser der Abhandlungen N. 2 und N. 4 eine Medaille im Werth von 400 Franken und dem
Verfasser der Abhandlung N. 5 eine von 200 Franken
zuerkennt. Sie glaubt nicht, daß der Verfasser der Abhandlung N. 1 Anspruch auf Belohnung hat.