Titel: | Einiges über die Patent-Gerbemethode des Hrn. Friederich Chaplin. |
Fundstelle: | Band 68, Jahrgang 1838, Nr. XVI., S. 68 |
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XVI.
Einiges uͤber die
Patent-Gerbemethode des Hrn. Friederich Chaplin.
Aus dem Mechanics' Magazine, No.
755.
Ueber Chaplin's Gerbemethode.
Hr. Chaplin, der Inhaber eines Patentes auf eine angeblich
neue GerbemethodeWir haben dieses Patent im Polyt. Journale Bd. LXI. S. 462 bekannt gemacht.A. d. R., hat kuͤrzlich an die Gerber Englands ein Circular erlassen, worin er
sie zur Befolgung seiner Methode einladet, und deren Vorzuͤge auseinander
sezt. Es duͤrfte nicht ungeeignet erscheinen, die Argumente des
Patenttraͤgers sammt einigen Bemerkungen zu denselben zur Kenntniß des
Publikums zu bringen.
„Die Haupt-Eigenthuͤmlichkeit des Patentleders, sagt Hr.
Ch., beruht darauf,
daß die Haut waͤhrend des Gerbeprocesses ausgespannt erhalten wird, damit
deren Poren offen erhalten werden, und damit also das Gerbemittel eindringen und
sich mit saͤmmtlichen Theilen vollkommen verbinden kann. Das Leder wird
hiedurch zugleich auch verhindert anzuschwellen oder diker zu werden, als die
Haut urspruͤnglich ist. Dieses bei dem alten Verfahren unvermeidliche
unnatuͤrliche Dikerwerden ist der Grund, warum das Sohlleder, wie man zu
sagen pflegt, unter dem Hammer einsinkt: ein Fehler, der allen Praktikern zu
Genuͤge bekannt ist, und aus dem fuͤr denjenigen, der solches
Leder traͤgt, auch mancherlei kaum vermuthete Unannehmlichkeiten
erwachsen. Wenn man die Haut lose in der Gerbefluͤssigkeit
belaͤßt, so blaͤht sie sich nicht nur auf; sie wird nicht nur
diker, als sie eigentlich seyn sollte, sondern sie schrumpft auch zusammen oder
wird kleiner. Die Folge hievon ist, daß sie sich spaͤter unter dem Druke
des Fußes, wodurch sie nach verschiedenen Richtungen gedehnt und gezogen wird,
wieder bis auf ihre urspruͤnglichen Dimensionen ausdehnt, wodurch das
Leder weich und schlaff wird und die Feuchtigkeit leichter durchdringen
laͤßt. An dem Patentleder ist Alles dieß beseitigt; denn die Haut
erleidet, da sie waͤhrend des Gerbeprocesses ausgespannt erhalten wird,
keine unnatuͤrliche Verdikung und keine Verminderung ihrer Groͤße;
sie dehnt sich vielmehr sichbar aus. Die Poren werden offen erhalten,
waͤhrend der Gerbestoff in sie eindringt und sie ausfuͤllt, und
wenn die gar gegerbte Haut der Ausdehnung und des Drukes entledigt wird, so
zieht sie sich auf ihre urspruͤnglichen Dimensionen zusammen. Die Poren
werden also anstatt sich fortwaͤhrend zu oͤffnen, immer fester und
fester zusammengezogen, wodurch das Leder eine dichtere und derbere Textur
erlangt, und folglich dem Eindringen von Feuchtigkeit kraͤftiger
widersteht. Der Unterschied zwischen einem Fabricate, welches, nachdem es sich
auf einem geringeren, als den von Natur aus demselben zukommenden Umfang
zusammengezogen, sich fortwaͤhrend ausdehnt, und einem solchen, welches,
nachdem es waͤhrend der Fabrication bestaͤndig ausgestrekt
erhalten worden ist, sich fortwaͤhrend zusammenzieht und mithin seine
Poren zu verschließen strebt, ist offenbar. Wenn man, um sich hievon zu
uͤberzeugen, einige Beobachtungen anstellen will, so wird man finden, daß
gewoͤhnliches Leder beim Haͤmmern um so mehr einsinkt, je mehr
dessen Dike waͤhrend des Gerbens zugenommen hat. Hat das Leder durch
Anwendung der Saͤuren zur Beschleunigung des Gerbeprocesses oder durch
andere Ursachen noch mehr an Dike gewonnen, so wird man unter dem Hammer ein
verhaͤltnißmaͤßig noch groͤßeres Einsinken bemerken.
Dagegen wird man sich uͤberzeugen, daß das Patentleder durch das
Haͤmmern nicht duͤnner wird, und auch nicht ausgestrekt
werden kann, im Gegentheile wird man bei sehr genauer Beobachtung ein wirkliches
Eingehen desselben bemerken. Aus diesem Leder verfertigte Sohlen zeigen sich
haͤrter und fester als das Leder, aus dem sie geschnitten wurden, und je
mehr die Schuhe in feuchter Witterung getragen werden, um so fester werden die
Sohlen werden, und um so weniger Wasser werden sie durchlassen. Welchen Werth
ein Leder, das sich nicht strekt, bei der Verfertigung vieler Maschinen hat, ist
bekannt genug.“
Um das was der Patenttraͤger hier sagt, gehoͤrig wuͤrdigen zu
koͤnnen, muß man wissen, daß sein Verfahren darin besteht, daß er zwei
Haͤute zu einer Art von Sak zusammen naͤht, und daß er diesen Sak mit
Gerbefluͤssigkeit gefuͤllt aufhaͤngt. In dem Maaße als leztere
durch die Haͤute durchsikert werden diese gar. Die mit der Gerberei Bekannten
werden sich nun erinnern, daß ein Hr. Spilsbury vor 12
oder 13 Jahren ein Patent auf einen Gerbeproceß nahm, der auf eine etwas andere
Weise zu demselben Zwek fuͤhren sollte, wie der von Chaplin vorgeschlagene.Man vergleiche uͤber die Spilsbury'sche
Methode das Polyt. Journ. Bd. XIII. S.
342 und Bd. XX. S.
107.A. d. R. Weniger erinnerlich duͤrfte es aber seyn, wie sehr man sich in seinen
Erwartungen getaͤuscht fand. Nach Spilsbury's
Methode wurden die Haͤute in Rahmen ausgespannt, und so ausgespannt erhalten,
waͤhrend die Gerbefluͤssigkeit durch mechanischen Druk durch sie
hindurch getrieben wurde. Die Haͤute sollten hienach in sehr kurzer Zeit,
wenn wir nicht irren in 48 Stunden, gar werden. Lafitte,
der mit Spilsbury das Patent in Frankreich ausbeuten
wollte, wendete eine ungeheure Geldsumme auf die Herstellung der hiezu
noͤthigen Maschinerien, und wollte um eine Art von Monopol zu treiben,
beinahe alle Haͤute in ganz Frankreich aufkaufen. Das ganze System mußte aber
aufgegeben werden, und zwar aus folgenden Gruͤnden. Erstlich war es schwer,
die Haͤute bei der Verschiedenheit ihrer Groͤße ohne bedeutenden
Verlust der Groͤße der Rahmen anzupassen, und zweitens wog das nach dieser
Methode gegerbte Leder leichter, als das gewoͤhnliche, so daß die
Patenttraͤger bei dem Verkaufe, der bekanntlich immer nach dem Gewichte Statt
findet, bedeutend einbuͤßten. Aehnliche Einwendungen treffen nun auch die
Gerbemethode des Hrn. Chaplin; denn wenn es auch viel
leichter ist, eine Haut zu finden, die einer anderen in Groͤße und Gestalt
ziemlich gleich kommt, als eine groͤßere Anzahl von Haͤuten einem und
demselben Rahmen anzupassen, so wird sich doch immer ein Verlust dabei ergeben.
Namentlich wird aus dem Naͤhen der Saͤke, dem Fliken der
Loͤcher etc. ein Verlust an Zeit erwachsen, der dem bei Spilsbury's
Verfahren Statt findenden Verluste mehr dann gleichkommen duͤrfte. Das
Gewicht der in dem Sake befindlichen Gerbefluͤssigkeit uͤbt einen
mechanischen Druk aus, durch den der Gerbestoff durch die Haͤute getrieben
wird; und wir muͤssen daher voraussagen, daß das Leder nach diesem Verfahren,
welches auch im Uebrigen dessen Vorzuͤge seyn moͤgen, gleich dem Spilsbury'schen Leder specifisch leichter ausfallen wird,
als das gewoͤhnliche Leder.
Der Grund, warum Hr. Chaplin das Leder beim Gerben
ausgespannt halten will: naͤmlich um die Poren zum Behufe des Eindringens des
Gerbestoffes offen zu erhalten, erscheint gut, und die daraus abgeleiteten
Vorzuͤge sind richtig, wenn man den Gerbeproceß als eine mechanische
Ausfuͤllung der Poren des Leders mit Gerbestoff betrachtet. Daß Hr. Ch. mit
manchem Gerber und mit manchem Encyklopaͤdien-Verfasser dieser Ansicht
ist, erhellt daraus, daß er sagt: „Ich wende weder Vitriol noch irgend
eine Saͤure, noch eine heiße Fluͤssigkeit, noch irgend andere chemische Mittel an, um die Verbindung des
Gerbestoffes mit der Haut zu erleichtern oder zu beschleunigen; denn sie schaden
saͤmmtlich der Faser, schwaͤchen sie und sind haͤufig
Ursache der Sproͤdigkeit des Leders. Die von mir in Anwendung gebrachten
Mittel sind lediglich mechanische, und bestehen
einfach in der Ausspannung oder im Oeffnen der Haͤute.“
Nach unserer Ansicht dagegen ist das Gerben ein chemischer Proceß, bei dem sich die
Gerbesaͤure (der Gerbestoff) mit der in der Haut enthaltenen Gallerte zu
einer harten, in Wasser unaufloͤslichen Substanz, naͤmlich zu
gerbesaurer Gallerte verbindet, der das Leder seine wesentlichen Eigenschafen
verdankt. Daraus, daß der Gerbeproceß ein wahrhaft chemischer ist, scheint uns
hervorzugehen, daß zu demselben wenigstens so viel Zeit zugestanden werden muß, daß
die chemische Verbindung der beiden genannten Stoffe vor sich gehen kann. Daher
leitet sich die Anwendung aller jener Mittel, welche zur Beschleunigung dieser
Verbindung vorgeschlagen wurden, welche sich aber bisher allerdings
saͤmmtlich als der Guͤte des Leders nachtheilig erwiesen.
Hr. Chaplin empfiehlt die Anwendung des Catechu zum Gerben
von Sohlleder, und sagt in dieser Hinsicht: „Das von mir erfundene
Verfahren gestattet mir die Benuzung des Catechu zur Fabrication von Sohlleder,
und hiemit die Erzielung einer bedeutenden Ersparniß. Ich habe lange versucht,
nach dem gewoͤhnlichen Verfahren Sohlleder mit Catechu gar zu gerben;
allein immer vergeblich, so daß ich dieses Gerbemittel nur mehr zur Fabrication
von Ueberleder benuzte. Ganz anders faͤllt nun aber das Resultat bei Befolgung der
neuen Methode aus, weßhalb ich keinen Anstand nehme zu behaupten, daß das
Catechu unter diesen Umstaͤnden vor allen anderen Gerbemitteln den Vorzug
verdient. Sein großer Gehalt an gummiharzigem Bestandtheile bedingt einen
groͤßeren Widerstand des Leders gegen eindringende Feuchtigkeit, und gibt
ihm zugleich eine Zaͤhheit und Geschmeidigkeit, in Folge deren es nicht
so leicht bricht. Da die aus dem Catechu bereitete Gerbefluͤssigkeit von
sehr diker und klebriger Beschaffenheit ist, so findet sie, wenn man sie nach
dem alten Verfahren anwendet, nicht so leicht ihren Weg in die Poren der
Haͤute; vollkommener hingegen geht dieß von Statten, wenn die
Haͤute meiner Methode gemaͤß ausgespannt erhalten
werden.“
Mit Catechu allein wurde unseres Wissens bisher noch nie ein den Anforderungen des
Marktes entsprechendes Fabricat erzeugt; dagegen wurde ein solches erzielt, wenn man
das Catechu in gehoͤrigen Verhaͤltnissen mit Eichenrinde und zuweilen
auch mit anderen Stoffen vermengte. Ein solches Verfahren ward von Brewin erfunden, der sich dasselbe auch durch ein Patent
sicherte.Man findet das Patent des Hrn. Brewin, welches
allerdings um einen Monat aͤlter ist als jenes des Hrn. Chaplin, so daß dieser mit seinen
Anspruͤchen kaum durchdringen duͤrfte, gleichfalls im Polyt.
Journ. Bd. LXIII. S. 129.A. d. R.
Nach unserer Ansicht hat man, wie wir schluͤßlich bemerken wollen, bei allen
den vielen Versuchen, welche man zum Behufe der Verbesserung des Gerbeprocesses
machte, bisher zu wenig auf Abkuͤrzung der damit verbundenen Handarbeiten
Bedacht gehabt. Wir wuͤßten nicht von einem einzigen Patente, welches in
dieser Absicht genommen worden waͤre; im Gegentheile ward in den meisten
Faͤllen der Aufwand an Arbeit und der Bedarf an Maschinerien erhoͤht.
Und doch scheint uns in groͤßeren Gerbereien die Ersparniß an Handarbeit
sowohl als an Maschinenthaͤtigkeit von noch groͤßerem Belange als die
Ersparniß an Zeit. Wir finden uns daher veranlaßt, auf die moͤglich
groͤßte Abkuͤrzung der Handarbeit ohne Vermehrung der Maschinerien
dringend aufmerksam zu machen.