Titel: Beschreibung einer Runkelrübenzuker-Fabrik in London.
Fundstelle: Band 70, Jahrgang 1838, Nr. XXVIII., S. 113
Download: XML
XXVIII. Beschreibung einer Runkelruͤbenzuker-Fabrik in London. Mit Abbildungen auf Tab. II. Beschreibung einer Runkelruͤbenzuker-Fabrik in London. Durch Hrn. Commercienrath Jobst in Stuttgart, der im vorigen Jahre auf seinen Reisen nach Holland, England und Frankreich sich werthvolle Notizen uͤber die Zukerfabrication im Allgemeinen sammelte, der auch der Verfasser des vor Kurzem anonym erschienenen Schriftchens ist: Ueber die wuͤrtembergische Zukerfabrication aus Runkelruͤben etc. Stuttgart, bei Paul Neff, 1838 – werden wir in den Stand gesezt, unsern Lesern eine kurze Beschreibung und Abbildung einer Runkelruͤbenzuker-Fabrik in London zu geben, welche sich durch die Vollkommenheit ihrer Einrichtungen auszuzeichnen scheint. Sie fuͤhrt den Namen United Kingdom Beetrood Sugar Association in Thames Bank und ist auf das Princip der Maceration gegruͤndet; sie steht aber seit Jahr und Tag in Folge von Zwistigkeiten unter den Directoren still und soll verkauft werden, weil das Parlament die Fabrication des Ruͤbenzukers mit demselben Zoll belegt hat, den der Rohrzuker aus den Colonien in England bezahlen muß. Die Apparate, deren man sich hier bedient, um den Zukerstoff so schnell als moͤglich aus den Ruͤben zu ziehen und den Saft schnell zu klaͤren und zu entfaͤrben, sind folgende: 1) drei Schneidmaschinen, 2) zwei Macerators, 3) sechs kupferne Kaͤsten mit Dampfroͤhren zum Klaͤren und Aufkochen des Saftes, 4) zwei kupferne Kaͤsten zum Entfaͤrben mit Kohle, 5) eine Vacuumpfanne mit der Luftpumpe, 6) ein Filtrirapparat mit Saͤken und 7) eine Dampfmaschine mit 16 Pferdekraft, welche alle 24 Stunden 24–30 Centner Steinkohlen braucht. Die leztere muß die Luftpumpe treiben, Wasser zum Condensiren des Dampfes von der Vacuumpfanne, sowie Wasser in den Dampfkessel selbst pumpen, die Schneidmaschine treiben und aus dem Kessel den gehoͤrigen Dampf in die verschiedenen Gefaͤße treiben. Fig. 1a stellt die Scheibe der Schneidmaschine von vorne gesehen, Fig. 1b von der Seite gesehen mit dem Korb, in den die Ruͤben hineingeworfen werden, dar. Dieselbe wird durch die Dampfmaschine 150 Mal in einer Minute herumgetrieben. Sie hat den Zwek, die Ruͤben so schnell und so duͤnn als moͤglich zu schneiden, und es sind daher, wie Fig. 1a zeigt, auf einer runden Scheibe gewoͤhnlich 10 solcher aus gezakten Messer so nahe an die Scheibe angeschraubt, daß die Schnitten nur 1 Linie dik geschnitten werden, damit sie desto leichter und schneller macerirt werden koͤnnen. In den Korb, nahe an die Scheibe angebracht, bringt ein Arbeiter fortwaͤhrend die Ruͤben hinein und druͤkt sie mit einem Holz immer vor die Messer hin; auf diese Art kann mit einem einzigen Arbeiter in kurzer Zeit eine große Menge Ruͤben zerschnitten werden.Diese Maschine ist dem Wesen nach die in vielen Wirthschaften seit laͤngerer Zeit gebraͤuchliche Wurzelwerkschneidmaschine; nur sind die Messer hier mit ungleichen Zaken versehen, damit die Ruͤbenschnitten die Maschine nicht verstopfen.R. Der Gebrauch des Macerators ist darauf gegruͤndet, daß das Wasser, welches mit den Ruͤbenschnitten in Beruͤhrung kommt, sich mit dem Saft der Ruͤben vermischt und ihn auszieht. Anstatt kaltem Wasser wird hier heißes angewendet, was man dadurch auf eine oͤkonomische Art bewerkstelligt, daß man in den mit kaltem Wasser angefuͤllten Cylinder, in dem sich die Ruͤbenschnitten befinden, Dampf hineintreten laͤßt, und um bestaͤndig die Entfernung des Saftes aus den Ruͤbenschnitten zu bewirken, bringt man die in dem Cylinder enthaltenen Ruͤben in eine rotirende Bewegung, so daß sie auf der einen Seite hineingehen und auf der andern wieder herauskommen. Kommt nun mit Dampf erhiztes Wasser mit den Schnitten in Beruͤhrung, so wird der Saft ausgezogen und kommt nach und nach mit an Saft immer reicheren Schnitten in Beruͤhrung, so daß der ausfließende Saft bei seinem Ausfluß mit denjenigen Schnitten in Beruͤhrung kommt, die gerade hineingebracht werden. Das Resultat ist daher, daß im Verhaͤltniß, als die Schnizel vom linken zum rechten Schenkel des Cylinders oder eigentlich Hebers gehen, das in den rechten hineinfließende Wasser durch den linken als Zukersaft, der dem in den Ruͤben natuͤrlich enthaltenen Saft nahe gleich ist, ausfließen muß und die ihres Zukerstoffs so viel als moͤglich beraubten Schnitten, wenn sie aus dem rechten Schenkel heraustreten und oben ankommend herunterfallen muͤssen. Fig. 2 zeigt nun von Vorne die Hufeisenform des Macerators mit den verlaͤngerten Schenkeln a und b. Bei c ist der Ausflußcanal des Saftes, d, d sind die zwei Roͤhren zum Dampfeinlassen, e ein Hahn zum Ablassen desjenigen Saftes, der oben nicht abfließen kann, f das Raͤderwerk, das die durch Striche bezeichneten Platten oder Gitter mit ihren zwei an der Seite angebrachten, zum Tragen derselben bestimmten Eisenstangen an der Kette, die durch Punkte angezeigt ist, herumtreibt. Fig. 3 zeigt den Macerator von Oben hinein gesehen; a, a sind die aus Eisenstangen zusammengesezten Platten oder Gitter, auf welche die Schnitten geworfen werden; b, b ist die Kette an beiden Seiten, an der die Gitter befestigt sind und an der sie herumgedreht werden; c, c ist ein großes Rad, das in ein kleines eingreift, und d ein Triebel. Fig. 4 ist der senkrechte Durchschnitt eines der Schenkel und zeigt, wie die Kette mit den Gittern herumgedreht wird. Man beginnt nun damit, die beiden Schenkel des Hebers mit Wasser zu fuͤllen und laͤßt durch die Hahnen d, d (Fig. 2) so viel Dampf hinzu, bis es eine Temperatur von 70 bis 75° R. hat, denn es darf nicht zum Kochen kommen, weil sonst der Saft sauer wird. Dann fuͤllt man eines der 32 Gitter, auf deren jedes ungefaͤhr 130 Pfd. Ruͤbenschnitten gehen, und faͤhrt fort, bis alle Gitter gefuͤllt sind. Bei dieser Arbeit wirft ein Arbeiter die Schnitten ein und ein anderer treibt die Kurbel so herum, daß alle 4 Minuten ein anderes Gitter herauskommt. Im Verhaͤltniß als die Platten gefuͤllt und weiter in den Schenkeln des Macerators fortbewegt werden, wird durch den Ausflußcanal c (Fig. 2) eine dem Volumen der hineingeworfenen Schnitte entsprechende Menge Fluͤssigkeit ausgeleert. Diese Schnitten gehen also auf den Gittern in dem linken Schenkel a (Fig. 2) hinunter, veraͤndern unten an der Woͤlbung angekommen ihre Lage und fallen auf das nachfolgende Gitter, so daß jedes Gitter, wenn es an dem untersten Theil voruͤber ist, die Ruͤbenschnize des vorhergehenden fortschiebt. Wenn alle Gitter mit Schnitten gefuͤllt sind, kommen sie oben an und werfen die ausgezogenen Schnitten bei b hinunter. Sobald die erste Platte ihre ausgezogenen Ruͤben herausgeworfen hat, laͤßt man in den rechten Schenkel b (Fig. 2) 8 Gallonen Wasser (80 Pfd.) aus einem nahe stehenden Gefaͤß laufen, welche Operation alle 4 Minuten geschieht, und laͤßt dann Dampf hinzu. Das Resultat ist, daß die alle 4 Minuten eingelassenen 8 Gallonen Wasser durch den Ausflußcanal c (Fig. 2) eine der angewandten Ruͤbenmenge entsprechende Menge Saft ausfließen lassen, und daß ein Gitter, das ebenso alle 4 Minuten gefuͤllt wird, alle 4 Minuten an dem oberen Theil des Macerators die Quantitaͤt Schnitten, die Ein Gitter enthaͤlt, ausleert. Der von dem Macerator immerwaͤhrend abfließende Saft laͤuft sogleich in einen laͤnglichten vierekigen kupfernen Kasten und wird durch schlangenfoͤrmig gewundene, mit Dampf angefuͤllte Roͤhren erhizt. Man sezt mit Wasser abgeloͤschten und zu einer Milch angeruͤhrten Kalk hinzu, laͤßt den Saft ein Mal aufwallen (nicht kochen, wodurch sonst alle Unreinigkeiten mit hinein kommen wuͤrden), einige Minuten absezen und dann durch einen Hahnen in einen aͤhnlichen Kasten mit grob gepulverter Knochenkohle laufen. Der Bodensaz wird durch ein am Boden des Kastens befindliches Loch entfernt. Diese Operation ist in 1/4 bis 1/2 Stunden beendigt. In dem Kohlenbehaͤlter liegen in einiger Entfernung vom Boden 2 mit vielen Loͤchern versehene Kupferplatten, zwischen welchen sich eine 20'' hohe Kohlenschichte von 1100 Pfd. befindet, was gerade fuͤr Einen Tag hinreicht. Die Kaͤsten muͤssen immer mit heißer Fluͤssigkeit angefuͤllt seyn. Fig. 5 stellt die Luftpumpe und die Vacuumpfanne mit den Roͤhren des hinzu- und ablaufenden Wassers dar. Die Luftpumpe Fig. 5 a besteht aus einem Cylinder und einer Platte aus Einem Stuͤk; diese Platte ist mit vielen Schrauben und mit Kitt an den untern Kasten b luftdicht befestigt. In dem Cylinder geht luftdicht der Kolben mit den zwei Ventile α, α durch die Dampfmaschine getrieben auf und ab; c und d sind weitere Ventile. Eine dike eiserne Roͤhre verbindet die Pumpe mit der Pfanne; bei e ist ein Absaz mit einer Schraube zum Abschließen der Roͤhre angebracht, damit der oͤfters uͤbersteigende Saft nicht abfließen kann. f ist die Roͤhre, in der immerwaͤhrend in Folge des luftleeren Raums kaltes Wasser, das durch die Dampfmaschine in einen unter dem Dache des Gebaͤudes angebrachten Behaͤlter gepumpt wird, zum Condensiren des aus der Vacuumpfanne kommenden Dampfes herunterlaͤuft. g ist der Behaͤlter, in dem sich im Falle eines Uebersteigens der Saft sammelt und in den eine Glasroͤhre eingekittet ist, um sogleich das Uebersteigen gewahr zu werden. h ist die Pfanne mit ihrem Dekel, in den bei i, i der Thermometer und der Barometer eingekittet sind; k ist eine Roͤhre, um Luft einzulassen, ehe die Pfanne ausgeleert wird; l sind zwei eingekittete Glaͤser, um das Kochen in der Pfanne zu sehen; bei m holt man mit einem Rohr die Proben heraus; o, o sind die Dampfroͤhren, die auf der einen Seite in den Kessel gehen, sich schlangenfoͤrmig herumwinden und auf der andern Seite wieder herausgehen; p ist die Roͤhre mit einem Hahnen zum Hinzulassen des Saftes. Der Stand des Barometers ist zwischen 26 und 27 Zoll, des Thermometers 48 bis 52° R. Geht nun der Kolben hinauf, so schließen sich die zwei Ventile α, α und das Ventil d oͤffnet sich und es tritt durch d das durch f herabfließende condensirende Wasser, sowie der aus der Vacuumpfanne kommende condensirte Wasserdampf in den Cylinder und wird, wenn der Kolben hinuntergeht, durch das sich oͤffnende Ventil c ausgeleert. Bei der Vacuumpfanne ist bloß darauf zu sehen, daß der Queksilberstand im Barometer und Thermometer immer der gleiche ist, was von dem Hinzulassen des Dampfes und Saftes abhaͤngt. Den Tag uͤber wird macerirt, geklaͤrt, entfaͤrbt und den Abend mit Abdampfen begonnen und dieß die ganze Nacht fortgesezt. Ist nun der den Tag uͤber bereitete Saft in der Vacuumpfanne bis zur Syrupconsistenz abgedampft, so wird er an der unten angebrachten Roͤhre q in ein unten stehendes Gefaͤß herausgelassen und so die ganze Woche fortgefahren und der Syrup gesammelt, welcher dann aller zusammen Samstags durch die Dampfroͤhren erhizt und ihm eine gehoͤrige Quantitaͤt Blut und fein gepulverte Knochenkohle hinzugesezt wird. Man laͤßt ein paar Mal aufwallen und bringt ihn durch eine Pumpe auf den Filtrirapparat, welcher in einem vierekigen tiefen Kasten besteht, der oben einen Dekel hat, in dem viele lange leinene Saͤke an Mundstuͤken befestiget hangen. Der Saft laͤuft in 5–6 Stunden ganz wasserhell durch und kommt dann sogleich in die Vacuumpfanne, wo er bis zum Ausgießen abgedampft wird, worauf man ihn in einen unten stehenden Behaͤlter laufen laͤßt, in dem er bis 65° R. erhizt wird; dann gießt man ihn in Formen, laͤßt den Syrup ablaufen und reinigt die Brode dadurch, daß man so lange aufgeloͤsten reinen Zuker aufgießt, bis sie ganz weiß und hart sind. Die ganze Einrichtung ist so, daß vom Schneidmesser die Schnitten in den nahe stehenden Macerator kommen; von diesem lauft der Saft in den Klaͤrungskasten, dann zu den Kohlen und von diesen in einen Behaͤlter, aus dem er in die Vacuumpfanne laͤuft, so daß die Arbeiter gar keine Muͤhe mit dem Hin- und Hertragen haben. Die Maschinen sind groß, darum wird in einem Tage ein großes Quantum Ruͤben verarbeitet, und es ist immer so eingerichtet, daß nicht mehr Saft, als den Abend abgedampft werden kann, bereitet wird, und daß der Saft nie stille steht, sondern immer in Bewegung ist, was das Sauerwerden verhindert. Die hier mitgetheilte Beschreibung von den Functionen der Maschinen der genannten Fabrik in London erhielt Hr. Commercienrath Jobst durch den Mann, der in derselben sowohl zur Fabrication des Ruͤbenzukers, als auch zur Raffinirung desselben in Brodzuker, wozu dort immer ein Theil roher Colonialzuker genommen wurde, angestellt war, und ein gelernter Zukersieder, aber ein in diesem Fache sehr erfahrener Mann ist. Er konnte ihm aber nicht genau angeben, wie viele Procente Zuker aus den Ruͤben gewonnen wurden, weil ihm leztere ohne Angabe ihres Gewichtes in die Fabrik abgeliefert worden seyen. Er glaubte jedoch, daß der Ertrag uͤber 5 Proc. war, zeigte auch Proben des gewonnenen schoͤnen Ruͤbenzukers und des mit 20 Proc. Colonialzuker daraus verfertigten Raffinads. Die hier mitgetheilten Zeichnungen hatte Hr. Dr. Krauß von Stuttgart die Guͤte, auf Ersuchen des Hrn. Commercienraths Jobst an Ort und Stelle aufzunehmen, da er auf seiner Reise nach dem Cap der guten Hoffnung in London Gelegenheit hatte, die genannte Ruͤbenzukerfabrik zu besichtigen. Die saͤmmtlichen Maschinen wurden in der Fabrik des Ingenieurs Brinjes (Berg Church Lane, Cablestreet, London) verfertigt, der immer bereit seyn wird, weitere Auskunft zu ertheilen und der im vorigen Jahre die Fabrik von Watson und Comp., die ganz in der Naͤhe von Paris errichtet wurde, mit aͤhnlichen Maschinen versehen haben soll. Hr. Commercienrath Jobst ist der Ansicht, daß eine Einrichtung, mittelst welcher in 4 Minuten der Saft aus 130 Pfd. Ruͤben ausgezogen und in 24 Stunden in Zuker verwandelt wird, welche mit so vieler Einfachheit und Sicherheit die groͤßte Schnelligkeit verbindet, wenig Aufwand an Brennmaterial erfordert und eine Menge anderer Geraͤthschaften entbehrlich macht, deren Apparate aber auch, wenn die Ruͤbenzukerfabrication aufgehoͤrt hat, die ganze uͤbrige Zeit des Jahrs hindurch zur Raffinirung verwendet werden koͤnnen, so daß ihr erster Kosten von etwa 4000 Pfd. Sterl. durch manche Ersparnisse an Raum und Baͤulichkeiten erleichtert wird, eine wuͤrdige Stelle unter den Entdekungen der neuesten Zeit zur Verbesserung der Zukerfabrication durch mechanische Kraͤfte einnehmen duͤrfte. (Riecke's Wochenblatt 1838, Nr. 35.)

Tafeln

Tafel Tab.
                                    II
Tab. II