Titel: | Fortschritte des Bergwerks- und Hüttenwesens in Rußland. |
Fundstelle: | Band 83, Jahrgang 1842, Nr. LXXXVIII., S. 484 |
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LXXXVIII.
Fortschritte des Bergwerks- und
Huͤttenwesens in Rußland.
Fortschritte des Bergwerks- und Hüttenwesens in
Rußland.
Das Gebiet, welches die Nachforschungen des russischen Bergwerkscorps umfassen, und
das sich vom schwarzen und kaspischen Meere bis zur Ostsee, zum Eismeer, dem
ochotskischen und dem Behringsmeere erstrekt, bildet eine ungeheure, von drei
Hauptgebirgsketten durchzogene Ebene, naͤmlich der kaukasischen, im
Suͤden, zwischen dem schwarzen und dem kaspischen Meere, dem Uralgebirge,
welches sich zwischen Europa und Asien, von den kirgischen Steppen bis zum Eismeer,
von Suͤden nach Norden zieht, und dem Altai, welcher, vom Westen nach Osten ziehend,
im Suͤden Sibirien von der chinesischen Mongolei trennt, sich im Westen in
den kirgischen Steppen verliert, und im Osten sich unter dem Namen der sajanischen,
daurischen und stanovoischen Gebirge bis zum ochotskischen Meere hin fortsezt. In
dieser unermeßlichen Ausdehnung steht das Bekannte noch in sehr geringem
Verhaͤltniß zum Unbekannten; doch muß man sagen, daß die bisher, in sehr
kurzer Zeit, mitten unter den von der Strenge des Klima's, von dem Mangel an
Bevoͤlkerung und aller Huͤlfsquellen sich entgegenstellenden
Hindernissen erhaltenen Resultate fuͤr die Zukunft den groͤßten
Hoffnungen Raum geben.
Der erste Band, die Einleitung zum Annuaire du Journal des
mines de Russie, 1836, enthaͤlt sehr interessante historische
Documente uͤber die Entwikelung der Bergwerksindustrie in Rußland und
namentlich in Sibirien seit der Eroberung dieses Landes im Jahre 1580. Von dieser
Zeit an begann diese Industrie sich uͤber den westlichen Abhang des Urals, in
die Ebene der Kama (Fluß) zu verbreiten, wo 15,000 Arbeiter fuͤr die Strogonoffs an der Ausbeutung des Salzes, Holzes und der
Metalle arbeiteten. Im Jahre 1631 und 1632 wurden im Ural und dem Gouvernement
Olonetz die ersten Eisenhuͤtten errichtet; im Gouvernement Perm wurden
Kupferhuͤtten gegruͤndet; gegen das Ende dieses Jahrhunderts endlich
wurden zu Nertschinsk in Taurien Spuren von Silbererzen gefunden, welche den
Bergwerken, die die Krone im oͤstlichen Sibirien an der chinesischen
Graͤnze besizt, den ersten Impuls gaben.
Einen bedeutenden Aufschwung gewann die Bergwerksindustrie unter der Regierung Peters des Großen, welcher Monarch das Regalrecht aufhob,
das die in der Erde eingeschlossenen edlen Metalle dem Czaar ausschließlich als
Eigenthum zuschrieb; er erließ ein Gesezbuch und Verordnungen fuͤr das
Bergwerkswesen; auch wußte er geschikte Maͤnner auszuzeichnen und seinen
Schoͤpfungen beizugesellen, unter denen vorzugsweise genannt werden Nikita
Demidoff, Huͤttenmeister in Tula, und v. Henning, ein geborner Hollaͤnder und
Artillerieofficier in seinen Diensten.
N. Demidoff, nach dem Ural gesandt, errichtete an der Newa
die Huͤtte in Neviansk, welche ihm der Kaiser dann zwei Jahre darauf zum
Geschenk machte; dieses war der Ausgangspunkt des ungeheuren Reichthums der Familie
Demidoff. Bald darauf entstanden die Huͤtten
in Kamensk, Uksusk, Polefsk und Alapajefsk.
v. Henning erbaute die Huͤtte und die Festung
Katharinenburg, welche der Hauptsiz der Bergwerksverwaltung wurde, deren Bereich
sich bis Nertschinsk erstrekte. Unter der Verwaltung dieses geschikten Mannes wurden
alle Kosten durch die Producte der Etablissements gedekt, welche 10,000 Puds
(163,000 Kilogr.) Kupfer und 150,000 Puds (2,457,100 Kilogr.) Stabeisen betrug.
Die Nachsuchungen im Ural und Altai wurden das ganze 18te Jahrhundert hindurch
fortgesezt. Die Huͤtte zu Kolyvan im Altai wurde 1726 von Akeufi Demidoff gegruͤndet, dessen Etablissements im Ural
schon ein in seinem Rufe alles andere uͤbertreffendes Eisen erzeugten; im J.
1733 wurde im Ural der magnetische Berg Blagodat entdekt; zur selben Zeit wurde die
Stadt Orenburg am Uralflusse gegruͤndet.
Spaͤter geriethen die Bergwerke und Huͤtten in Folge schlechter
Verwaltung in Verfall und wurden erst durch die Bemuͤhungen und die
Geschiklichkeit des Generals Cascoigne, welcher 1786 aus
Schottland gekommen war, wieder in guten Stand gesezt. Dieser durchforschte im Suͤden des Reichs
die steinkohlenreiche Ebene von Donetz und gruͤndete 1796 die
Eisenhuͤtte in Lugan.
Die Ausbeutung der Kupfer- und Eisenbergwerke im Uralgebirge datirt sich also
in das 16te Jahrhundert zuruͤk, wenn man die fruͤheren Nuzungen der
alten Einwohner des Landes, welche heutzutage mit der vagen Benennung Tschuden
(Fremde) bezeichnet werden, und deren Geschichte voͤllig unbekannt ist,
unberuͤksichtigt laͤßt.
Die Entdekung der Goldminen im Ural geht nur auf das Jahr 1745 zuruͤk; die
ersten Anzeigen der goldhaltigen Anschwemmnngen, welche heutzutage die wichtigsten
Ausbeuten Sibiriens ausmachen, wurden im J. 1771 beim Treiben eines Abflußstollens
zwischen dem Bache Berezofsk und dem Bergwerke gleichen Namens durch Zufall entdekt.
Die aus den sandigen Thonlagern, durch welche dieser Stollen geht, kommenden Quellen
fuͤhren goldhaltigen Sand mit sich, welcher verwaschen wurde. — Diese
Entdekung zog aber erst im J. 1804 Aufmerksamkeit auf sich, als der
Bergwerksofficier Herrmann, welcher diese Gegenden
durchforschte, auf das Vorkommen goldhaltigen Sandes bei Klutschefsk aufmerksam
machte. Im J. 1810 zogen zwei Stuͤke Gediegengold, von zusammen 3 Pfd.
Gewicht, die von Herrmann an den Finanzminister gesandt
wurden, der sie dem Kaiser uͤberreichte, die Aufmerksamkeit der Regierung auf
sich. Im J. 1814 wurde der Sand von Klutschefsk von Neuem untersucht und im J. 1816
aus dem Uralsande 5 Puds 35 Pfd. (ungefaͤhr 100 Kilogr.) Gold gewonnen; nun
wurde allen Bergwerks-Bezirksvorstaͤnden des Urals befohlen, den
Goldsandlagern nachzusuchen.
In der ersten Haͤlfte des Jahres 1823 betrug das aus dem einzigen Lager bei
Berezofsk gewonnene Gold schon 12 Puds (beinahe 200 Kilogr.). Das das Gold
begleitende Platin wurde in demselben Jahre in den Guͤtern des Hrn. Demidoff entdekt; die Goldgewinnung in der ganzen
Gebirgskette des Urals endlich erhob sich in demselben Jahre 1823 auf 100 Puds (1638
Kil.) und bald stieg sie auf jaͤhrlich 360 Puds (5897 Kilogr.), welche Zahl,
einige Abweichungen abgerechnet, sich bis heute constant erhielt.
Der Erfolg in der Ausbeutung des Goldsandes veranlaßte noch sorgfaͤltigere
Nachforschungen in der Uralkette sowohl von Seite der Privaten, als der Regierung.
Gegenwaͤrtig kennt man dieselbe wohl von ihrer mittaͤglichen
Graͤnze an in den kirgischen Steppen gegen den 51. bis zum 60. Grad
noͤrdlicher Breite zwischen Orenburg und Bogoslofsk. Auf dieser 19°
langen Breitenstreke befinden sich die beruͤhmten magnetischen Berge von
Blagodat, Katsch-Kanar, Nijni-Taguilsk, welche jenen durcheinander
gezogenen, von den deutschen Geologen Stokwerke genannten Massen aͤhnlich
sind. Es sind dieß mehr oder weniger dike Eisenerzadern, welche, sich
unregelmaͤßig kreuzend, durch Feldspath- und Augitmassen laufen. Der
Berg von Nijni-Taguilsk zeichnet sich durch das Vorkommen der reichsten
Kupfererze an seiner Basis aus, wovon die anderen Massen magnetischen Eisenoxyds
(Magneteisensteins) bisher nur schwache Spuren zeigten. Die Eisen- und
Kupfererze, die goldhaltigen Anschwemmungen mit etwas wenigem Platin, finden sich
auf den beiden Abhaͤngen der Uralkette; doch ist der oͤstliche Abhang
viel besser bedacht als der westliche.
Der Theil, wo die goldhaltigen Anschwemmungen von groͤßtem Belang sind, ist
der Bezirk von Zlatust, welcher den suͤdlichsten Theil der Uralkette umfaßt.
Im Norden des Bezirks Bogoslofsk ist die Uralkette auf eine Streke von 800 Werst (ungefaͤhr
900 Kilometer) bis zum Eismeer noch nicht durchforscht; dichte Waͤlder
bedeken den an Bogoslofsk angraͤnzenden Theil der Kette. Das strenge Klima,
das Mißtrauen der wunderlichen Bewohner dieser Gegend, der Wogaden (Wogulen) und
Ostiaken, die zahlreichen Suͤmpfe, welche sich am Fuße der Kette befinden,
haben die auf dieser Seite unternommenen Nachsuchungsexpeditionen ungeheuer
muͤhsam und schwierig gemacht, und, obwohl noch wenig verfolgt, scheinen sie
doch schon anzuzeigen, daß wenig Hoffnung vorhanden ist, hier noch neue Metalllager
aufzufinden.
Die Entdekung der goldreichen Anschwemmungen des Urals veranlaßte Nachforschungen in
der Altaikette. In dem die Kholzun-Gebirge genannten Theil der Kette, welcher
das Beken des Obs von dem des Irtischs trennt, war man schon in der Ausbeutung der
Eisen-, Silber-, und Kupfergruben begriffen. Die Entstehung dieser
Gruben datirt sich bis auf das Jahr 1726 zuruͤk, wo Akeufi Demidoff, als er hoͤrte, daß russische, an den
Ufern des Obs wohnende Bauern Kupfererze gefunden haben, die Huͤtte in
Kolyvan errichtete; spaͤter entdekte er die beruͤhmte Silbergrube von
Zmeionogorsk oder Zmeioffsk, die im J. 1747 von der Krone angekauft wurde, deren
Eigenthum sie noch ist. Die Gruben in Niddersk, Kriukofsk, Zerianofsk wurden
spaͤter entdekt und die Producte derselben bieten heutzutage Ersaz
fuͤr die Grube von Zmeioffsk, welche sich erschoͤpft.
Die in der, das obere Tomthal und den Teleczko-See von dem Obthal trennenden
Kette reichlich vorhandenen Eisenerze veranlaßten die Gruͤndung der
Eisenhuͤtten von Tomsk und Gurieffsk.
In der schon von vielen Bergleuten bevoͤlkerten Kholzunkette wurden die ersten
Nachsuchungen nach goldhaltigen Anschwemmungen angestellt, deren Resultate aber
durchaus negativ waren. Das Gold fand sich in den Gruben dieses Districts nicht in
gediegenem Zustande, sondern in Verbindung mit Silber, und der durch das Verwittern
fruͤher vorhandener Felsen entstehende Sand konnte folglich keines
enthalten.
Ein Ingenieur, der Generalmajor Begger,
gegenwaͤrtig Director des Altaidistricts, welcher den Bezirk Bogoslofsk im
Ural dirigirte, ließ, von der Aehnlichkeit der Zusammensezung der Gebirgsarten
geleitet, die Nachsuchungen in der Kholzunkette aufgeben und wendete sie auf die das
Tomthal vom Obthal trennende Kette. Hier wurde im J. 1830 die erste, der Krone
gehoͤrige, goldhaltige Anschwemmung entdekt; es wurden deren noch mehrere
entdekt, wovon sich aber keine reich genug zeigte, um die Ausbeutung zu lohnen.
Zur selben Zeit wurde ein anderer Zweig des Altai's, des Alatau, dessen Gipfellinie
den Bergwerksdistrict Altai begraͤnzt, von Privatleuten durchforscht. Der
Commercienrath Popoff, welcher die Erlaubniß erhalten
hatte den oͤstlichen Abhang dieses Zweiges zu untersuchen, erhielt so
bedeutende Resultate, daß die fuͤr die Krone angestellten Nachforschungen
sich ebenfalls nach dieser Kette zogen, jedoch nach dem westlichen Abhang derselben,
welcher frei geblieben war. Das Resultat war die Entdekung goldhaltiger
Anschwemmungen, jedoch viel weniger reicher, als die den Nachsuchungen von
Privatleuten uͤberlassenen des oͤstlichen Abhangs. Diese Ungleichheit
der beiden Abhaͤnge findet ebenso bei der Uralkette statt.
Gegenwaͤrtig geben einige goldhaltige Anschwemmungen des oͤstlichen
Abhangs des Alatau's den reichsten Anschwemmungen des Urals in nichts nach. Das
Product aller vereinigten Ausbeuten, welches im J. 1829 nur 1 Pud und 11 Pfd.
betrug, war im J. 1838 135 Puds (2220 Kilogr.). Das Product der von der Krone am
oͤstlichen Abhange unternommenen Ausbeutungen betrug im Jahre 1838 37 Puds 30 Pfd. (628
Kilogr.). Einige in den sajanischen Gebirgen, zwischen dem Alatau und dem Jenisey
und bis zum Bezirk Irkutsk angestellte Untersuchungen haben ebenfalls das
Vorhandenseyn goldhaltiger Anschwemmungen in der weiten, den Altaibezirk von dem
Nertschinskbezirk trennenden Streke angezeigt. Lezterer District, am
suͤdoͤstlichen Ende des oͤstlichen Sibiriens, zwischen 49 und
53° noͤrdlicher Breite und 109 und 116° oͤstlicher
Laͤnge vom Pariser Meridian, in dem Beken des Seghalien oder Amurflusses
gelegen, welcher sich in den oͤstlichen Ocean ergießt, umfaßt die
aͤltesten Ausbeutungen Sibiriens. Die gluͤklichste Zeit dieser
Bergwerke war das J. 1765, wo sie 500 Puds (8000 Kilogr.) goldhaltiges Silber
lieferten; gegenwaͤrtig geben sie nicht mehr die Haͤlfte. Die
fruͤheren Arbeiten auf Zinn im Uanischen Gebiet wurden gaͤnzlich
aufgegeben. Das Klima in Nertschinsk ist sehr rauh, obwohl die Breite nicht sehr
bedeutend ist und die mittlere Temperatur des Jahres ist 2,33° R. 30,000
Zwangsarbeiter sind in den Bergwerken dieses Districts beschaͤftigt;
waͤhrend im Altai, wohin nicht einmal Verbannte geschikt werden, nicht ein
einziger ist.
Außer den Metalllagern enthaͤlt Sibirien nach den Berichten russischer
Ingenieurs mehrere Steinkohlenlager, namentlich ein Steinkohlenbeken im Tomthale von
großer Ausdehnung. Die Vereinigung dieses kostbaren Brennmaterials und der in der
Naͤhe vorhandenen Eisenerze laͤßt eine bedeutende Vergroͤßerung
der Production dieses Metalls zu, welche von nichts anderem begraͤnzt wird
als den Beduͤrfnissen Sibiriens und der Ausfuhr, die leider immer gering
bleiben wird, da dieser Theil Sibiriens nur von Wuͤsten umgeben und das
Eismeer, in das sich die großen Fluͤsse, welche diese ungeheure Ebene
bewaͤssern, ergießen, der Schifffahrt unzugaͤnglich ist.
Auch in dem District Metschinsk und in der Naͤhe Irkutsks wurden
Steinkohlenlager entdekt.
Unter mehreren anderen im citirten Annuaire enthaltenen
Artikeln handelt einer uͤber die geologische Beschaffenheit des
oͤstlichen Ufers des kaspischen Meeres, welcher interessante Details
uͤber die Arbeiten der Turkmenen auf Steinsalz und Naphtha, und die Ausfuhr
dieser Producte nach Persien enthaͤlt. Die Naphtha-Ausbeute auf der
Insel Tscheleken soll diesemnach 136,000 Puds (2,179,000 Kilogr.) jaͤhrlich
betragen.