Titel: | Ueber die wesentlichen Eigenschaften, welche die empfindliche Schicht beim Daguerre'schen Proceß besizen muß; von den HHrn. Choiselat und Ratel. |
Fundstelle: | Band 91, Jahrgang 1844, Nr. XX., S. 78 |
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XX.
Ueber die wesentlichen Eigenschaften, welche die
empfindliche Schicht beim Daguerre'schen Proceß besizen muß; von den HHrn. Choiselat und Ratel.
Aus den Comptes rendus, 1843, 2tes Semester, Nr.
19.
Choiselat u. Ratel, über die wesentlichen Eigenschaften, welche die
empfindliche Schicht beim Daguerre'schen Proceß besizen muß.
Da das Jodsilber die bildempfangende Schicht ist, auf welcher alle Reactionen
nacheinander vor sich gehen müssen, so hat man vorzüglich auf deren regelmäßige
Bildung zu sehen; von ihr hängt der ganze folgende Proceß ab; die Eigenschaften
dieser Schicht lassen sich in drei wesentliche Bedingungen zusammenfassen: Sattheit,
Empfindlichkeit, Klarheit.
Gewisse Schwierigkeiten aber widersezen sich der Vereinigung dieser drei Bedingungen
und ihrer Abwesenheit sind in der Regel die unsichern und mangelhaften Erfolge
vieler Versuche zuzuschreiben, welche man oft mit Unrecht der beschleunigenden
Substanz oder sonst einer vermeintlichen Ursache zuschreibt. Wirklich sah man in
Folge dieser Unsicherheiten den Gebrauch so vieler indirecten Mittel, jener
sogenannten deutschen Flüssigkeiten, sich verbreiten, welche vermöge ihrer
Zusammensezung zwar vielleicht ein sichreres Resultat geben konnten, jedoch nur auf
Kosten der Empfindlichkeit der Platte und der Kraft des Bildes.
Wie die Sattheit durch starkes Iodiren und die Empfindlichkeit durch das Zusezen von
Bromoform etc. erreicht wird, haben wir schon früher auseinandergesezt (polytechn.
Journal Bd. LXXXIX S.
311 und 359); nicht weniger ist unseres Erachtens auch auf die Klarheit
der Schicht zu sehen. Wenn es ihr an Durchsichtigkeit gebricht, so hat dieß die
unangenehme Folge, daß das Licht, da es nicht zu gleicher Zeit ihre ganze Dike
durchdringen kann, nur theilweise oder allmählich wirkt; hieraus entspringen eine
lästige Störung in der Function der Camera obscura und nachstehende unangenehme
Folgen für das Bild.
Das Silbersubjodid ist mit dem Jodid nicht mehr, wie es seyn sollte, innig gemengt,
indem sich diese Körper so zu sagen in zwei Schichten übereinander gelagert
befinden, folglich keine Kraft in den Lichtern und Schatten des Bildes.
Da die Reactionen des Queksilbers nur in den obern Schichten stattfinden, so legt
sich der Queksilberniederschlag an die Oberfläche der Platte nicht mehr vollkommen
an; daher keine Regelmäßigkeit in der Erzeugung des Bildes, wenig Adhäsion zwischen
dem Queksilber und der Platte und Mangel des Colorits in der Zeichnung.
Da endlich das Licht nur allmählich wirkt, so werden die Lichter immer früher
vollendet als die Schatten; es fehlt daher die Harmonie zwischen den hellen und
dunkeln Stellen und es gibt keine Details in den Schatten.
Die Vernachlässigung dieser drei wichtigen Bedingungen bringt in den Bildern jene
scharfen Schatten hervor, wo die Natur nur Mitteltinten zeigt; sie ist auch daran
Schuld, daß man es mit Unrecht beinahe für unmöglich hält, gleichzeitig einen
Gegenstand von reinem Weiß und einen andern, sehr dunkeln, zum Vorschein zu bringen;
in diesem Fall, sagt man, kömmt der eine der beiden Gegenstände nur auf Kosten des
andern; und doch wäre, wenn die Klarheit der empfindlichen Schicht jede Strahlung
gleich stark in das Silberjodid hätte eindringen lassen, jeder Gegenstand genau nach
der Intensität seiner eigenen Strahlungen erschienen; denn man muß vom Daguerreotyp
genau das in der Camera obscura sich abmalende Bild verlangen, da alle Punkte dieses
Bildes zugleich auf das Iodid wirken, nur mit verschiedener Kraft.
Wir haben der schädlichen Einwirkung schon erwähnt, welche eine zu große Anhäufung
freien Jods auf die Bilder hat (polytechn. Journal Bd. LXXXIX S. 311); nun gibt ein Uebermaaß
desselben aber auch hier zu Befürchtungen Anlaß, denn abgesehen davon, daß es der
Platte jene unerläßliche Klarheit benimmt, unterdrükt es auch die Wirkung der
beschleunigenden Substanzen und widersezt sich der Absorption des Bromoforms.
Wir suchten darzuthun, daß das Bromoform, Bromal etc. nicht ohne Beihülfe des Broms
auf der Platte bleiben können; lezteres bildet mit dem freien Jod ein Jodperbromid,
nimmt das Bromoform in sich auf und beide können sodann in der Camera obscura
wirken. Was geschieht nun, wenn die Jodschicht schlecht bereitet war? Da freies Jod
in größerer Quantität vorhanden ist, als es seyn soll, so erhält man statt eines
Bromids nur ein Bromür; wird also die Platte in diesem Zustande der Camera obscura
ausgesezt, so muß ihre Empfindlichkeit geringer seyn als im erstern Fall, denn wir
wissen, daß um so weniger freies Jod vom Brom absorbirt wird, je mehr Jod das Brom
bereits gebunden hat; wenn man aber statt des einfachen Bromdampfes zu einer aus
Brom und Bromoform gemischten Atmosphäre seine Zuflucht nimmt, so absorbirt die
Platte nur noch Brom, und hinterläßt das Bromoform, indem dieses leztere sich im
Brom nur aufgelöst erhalten kann, wenn sein Bestreben zur Vereinigung mit demselben
nicht durch die Verbindung des Broms mit einem großen Uebermaaß von Jod aufgehoben
oder doch bedeutend vermindert wird. Ohne Zweifel ist dieß die Ursache der
ungleichen Wirkung der
beschleunigenden Substanzen unter den Händen verschiedener Experimentatoren.
Da sich nun der gehörigen Präparirung der Jodschicht so vieles entgegensezt und sie
so großer Sorgfalt bedarf, so suchten wir diese Arbeit zu erleichtern und glauben,
daß der von uns beabsichtigte dreifache Zwek — Schnelligkeit, Sicherheit der
Operation und ausnehmende Schönheit des Bildes — durch Anwendung von Jod
erreicht wird, welches, außer dem Brom, noch die von uns angegebenen
beschleunigenden Substanzen enthält. Man kann diesen Zwek direct oder indirect
erreichen, indem man absoluten Alkohol auf Jod schüttet; fährt man, nachdem dieser
einige Consistenz erlangt hat, mit einem Brom enthaltenden, geöffneten und geneigt
gehaltenen Fläschchen darüber her, so bilden sich Bromal, Hydrobromsäure und etwas
Bromalkohol-Oehl, welche gehörig wirken, nämlich sich inniger und reichlicher
mit dem Iodid mischen und durch sich selbst zur Absorption des Broms beitragen,
vielleicht auch zum Theil das freie Jod ersezen.
Bedient man sich hierauf des Bromoforms, so wird man die von uns angegebene
außerordentliche Empfindlichkeit bemerken; die Mischung, welcher wir den Vorzug
geben, besteht aus 8 bis 10 Gram. Brom auf 20 Gramme Bromoform.
Eine so präparirte Platte soll folgende Eigenschaften besizen. Nach dem Jodiren soll
sie im Reflexionswinkel eines weißen Papiers roth, gerade angesehen olivengrün
durchscheinend aussehen, ohne irgend ein Zeichen von Undurchsichtigkeit oder
Verschiedenheit der Farbe; nachdem sie den Queksilberdämpfen ausgesezt wurde, sollen
die Lichtstellen lebhaft roth, oder was noch besser, bläulich mit einem Stich in ein
sehr helles Violett erscheinen. Wir sezen noch hinzu, daß es besser ist, wenn der
Kasten so construirt ist, daß das Brettchen, welches die Platte hält, von den Wänden
desselben isolirt ist, damit der Dampf ungehindert circuliren kann; so wie auch
direct zu jodiren, indem man den Dampf wo möglich bloß durch ein Glasgespinnst
treten läßt; die ursprünglichen Vorrichtungen des Hrn. Daguerre sind auf diese Weise so ziemlich beibehalten.
Wenn bisweilen Jodirkästen bessere Resultate zu geben scheinen als andere und sich
Spuren von Feuchtigkeit darin zeigen, so kann dieß ohne Zweifel der Gegenwart von
Hydriodsäure zugeschrieben werden, die von der Zersezung der organischen Substanzen,
welche die Feuchtigkeit der Luft condensiren, herrührt; man muß diesem Uebelstand
dadurch abhelfen, daß man den Kasten der freien Luft aussezt, oder Jod zusezt.