Titel: | Ueber die rothen Pilze auf dem Brode, die Aufbewahrung des Getreides und Bereitung des Brodes; Bericht einer Commission an den französischen Kriegsminister. |
Fundstelle: | Band 91, Jahrgang 1844, Nr. LIV., S. 200 |
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LIV.
Ueber die rothen Pilze auf dem Brode, die
Aufbewahrung des Getreides und Bereitung des Brodes; Bericht einer CommissionDiese Commission war zusammengesezt aus den HHrn. Unterintendanten Joinville, Moizin und Brault, Mitgliedern des Sanitaͤtsraths der
Armee, Benier, Oberofficier und
Victualiencommissaͤr von Paris, Chartier,
Syndicus der Baͤker in Paris und den Chemikern Dumas, Pelouze und Payen; lezterer verfaßte den Bericht. an den
franzoͤsischen Kriegsminister.
Aus dem Journal de Chimie médicale. Okt. 1843 S.
586.
Ueber die rothen Pilze auf dem Brode und die Aufbewahrung des
Getreides.
Die hohe Wichtigkeit der in diesem Berichte behandelten Fragen, welche die
menschliche Nahrung, das öffentliche Wohl, die Getreidevorräthe, die Bereitung des
Mehls und des Brods betreffen, bestimmen uns zur Mittheilung eines alles Wesentliche
enthaltenden Auszugs aus demselben.
Auf eine starke und außergewöhnliche Veränderung, welche das in der jüngsten heißen
Sommerzeit an die Soldaten der Pariser Garnison verabreichte Brod erlitten hatte,
wurde zuerst von dem Sanitätsrath der Armee aufmerksam gemacht; eine
Specialcommission erhielt den Auftrag, die Natur dieser Veränderung, ihre
vorzüglichsten Ursachen und die ihr plözliches Eintreten veranlassenden Umstände,
endlich die Mittel ihrer Verhütung für die Zukunft zu erforschen.
Die Commission beschäftigte sich zuvörderst mit der Natur der eingetretenen
Veränderung des Brods. Die Wissenschaft hatte hier schon vorgearbeitet. Die HHrn.
Leveillé, Montagne und Decaisne suchten die Species der im Commißbrod
entwikelten kryptogamischen Vegetation zu bestimmen. Die HHrn. Mirbel und Payen untersuchten dieselbe
mikroskopisch und chemisch. Während der Arbeiten der Commission verlangte auch der
Polizeipräfect von dem Gesundheitsrath zu Paris wegen einiger selten vorkommenden
Fälle rother Schimmelbildung auf von Pariser Bäkern aus Mehl zweiter Qualität
bereitetem Brode einen Bericht; Hr. Leroy Desbarres hatte
einige Bemerkungen über diese Vegetationen eingesandt.
Viele von dem gelehrten Naturforscher Marchand, dem
Armeechirurg Duvivier, mehreren Veterinärärzten und
Mitgliedern des Gesundheitsraths berichtete Thatsachen beweisen die schädliche
Wirkung der Brodpilze auf eine Zeit lang damit gefütterte Thiere; bei Menschen
konnten glüklicherweise noch keine derartigen Beobachtungen angestellt werden, weil
das Aussehen dieses Brodes, sein unangenehmer Geruch, der röthliche und
übelriechende Staub, welchen davon abgebrochene Stüke von sich geben, schon Widerwillen
dagegen erregen.
Die Berichte der Militärärzte sprechen sich alle dahin aus, daß die Keimkörner in
sehr geringer Quantität, vor der Entwiklung der Pilze, auf die Gesundheit der
Soldaten keinen merklichen Einfluß hatten.Nichtsdestoweniger stuͤzt sich die allgemeine Ansicht von der
Gefaͤhrlichkeit des Schimmels aus zu positive Thatsachen, als daß die
Gegenwart desselben in Nahrungsmitteln unberuͤksichtigt bleiben
koͤnnte; wir muͤssen auch, obwohl diese Keimkoͤrner
keine Unfaͤlle nach sich zogen, aus folgenden Gruͤnden den
Schimmel in der Regel als nachtheilig betrachten:1) Mehrere nicht unbedeutende Uebel, die wegen ihrer langsamen Entwiklung
manchmal unbeachtet bleiben, haben ihren Ursprung in auf den thierischen
Geweben sich festsezenden, kryptogamischen Gewaͤchsen;2) die große Familie der Pilze enthaͤlt sehr viele giftige
Species;3) alt gewordene und geschimmelte Nahrungsmittel haben schon oft Vergiftungen
oder schwere Unfaͤlle herbeigefuͤhrt;4) die Raͤume, wo die die Entwiklung dieser Pflanzen bedingenden
Umstaͤnde vorhanden, sind in der Regel ungesund; man moͤchte
sich versucht fuͤhlen, diese Erscheinung mit den Beobachtungen
uͤber die endemischen Krankheiten in Zusammenhang zu bringen, welche
an Stellene, die unter Wasser standen, ploͤzlich ausbrechen, sobald
der frei gelegte Boden sich in einem der Erzeugung dieser Gewaͤchse
guͤnstigen feuchten Zustand befindet.
Vom Beginn dieser Veränderung an wurden von Amtswegen mehrere nüzliche Maßregeln
ergriffen und auch von der Commission einige vorgeschlagen, die sogleich in
Ausführung kamen, nämlich: 1) ein allmählich bis auf 50 Proc. gesteigerter Zusaz von
gutem Mehl vom Jahr 1842 zu dem verdächtigen vom J. 1841; 2) eine beträchtliche
Verminderung der dem Brode bei der Bereitung zugesezten zu großen Portion Wassers;
3) eine Vermehrung der zu kleinen Portion zugesezten Salzes von 1½ auf 3
Tausendtheile.
Diese Maßregeln hatten eine sogleich eintretende und andauernde Verbesserung des
Brodes zur Folge.
Natur der rothen Substanz.
Die Beschaffenheit und mikroskopische Betrachtung derselben konnten keinen Zweifel
übrig lassen, daß sie ein kryptogamisches Gewächs sey. Hr. Leveillé erkannte es, in Uebereinstimmung mit den HHrn. Mirbel und Payen, als der
Gattung Oïdium angehörig, und benannte es, als neue
Species derselben, O. aurantiacum.
Eine andere, beinahe immer zugleich vorhandene, ähnliche Schimmelart besteht aus
röhrigen, weißlichen, längern, weniger gedrängt stehenden Fäden, mit rosenrothen,
ins Violette übergehenden Keimkörnern am obern Ende; zuweilen kommen noch andere,
gemeine Schimmelarten, vorzüglich Penicilium glaucum,
dabei vor.
Umstände, welche die Entwiklung der
Brodpilze begünstigen.
Am schnellsten und reichlichsten erzeugten sich die rothen Pilze unter folgenden
vereinigten Umständen: 1) Feuchtigkeit des Brods (46 Proc. Wasser, welche in der
Krume 51 Proc. entsprechen) und der Lust (90° am Hygrometer); eine Temperatur
von 30–40° C., zu welcher Höhe sie im vorigen Sommer in den Baraken
auf den Feldern unterhalb Paris mehrmals stieg; 2) wenn der untern Kruste viel
Grieskleie anhängt; 3) endlich Lichtzutritt.
Der Einfluß des Lichtes ist um so merkwürdiger, da man glauben sollte, daß es bis an
diese Gewächse gar nicht dringen kann; wir führen ein paar Beispiele hievon an: zwei
noch warme Brode wurden übereinandergelegt, in Fließpapier gewikelt und nach sechs
Tagen untersucht; das Brett, auf welchem dieses Paket lag, war nun in einem
concentrischen kreisförmigen Raum unterhalb des ersten Brods mit rothen Floken
bedekt, wovon ein dem Papier anhängender Theil den auf der untern Kruste aufsizenden
Pilzen entsprach, deren Fäserchen und Keimkörner durch das Papier gedrungen waren.
Auf der untern Seite des zweiten Brodes hatten sich ebenfalls viele rothe Pilze
entwikelt; auch fanden sich solche zahlreich in den Höhlungen der Krume beider
Brode, vorzüglich in jenen, welche mit Höhlungen unmittelbar unter der Kruste
communicirten.
Diese Beobachtung wird durch zahlreiche ähnliche Versuche bestätigt und zeigt das
Streben dieser Vegetation, sich an jenen Stellen zu entwikeln, wo der Dampf sich
verdichtet, vorzüglich aber von der Unterseite auszugehen, welche sich von der
übrigen Kruste durch die behufs des Einschießens angestreute Grieskleie
unterscheidet.
Um zu sehen, ob die Färbung vom, wenn auch äußerst schwachen Lichte herrühre,
versuchte man die völlige Ausschließung desselben, indem man ein Stük Brod in eine
Glasflasche brachte, welche 10 Gramme Wasser enthielt, mit schwarzem Papier
umwikelt, und selbst wieder in einem ½ Zoll diken und mit einer Metallscheibe
bedekten Bronzegefäß eingeschlossen war. Die Pilze entwikelten sich etwas weniger
zahlreich als auf einem, unter übrigens gleichen Umständen, dem Lichte ausgesezten
Stük desselben Brodes. Ueber acht Tage blieben erstere auch vollkommen weiß, während
sich die andern mit ihren rothen Keimkörnern bedekten; merkwürdig ist, daß auf den
weißen Pilzen, nachdem sie 1½ Stunden dem Lichte ausgesezt worden waren, die
Färbung sichtbar wurde.
Mikroskopische Analyse der rothen
Pilze.
Man beobachtete mittelst des Mikroskops nicht nur die Gestalt dieser Kryptogamen,
sondern auch durch geeignete Reactionen ihre näheren Bestandtheile, namentlich die
stikstoffhaltige und öhlartige Substanz im Innern der Fäserchen und Keimkörner und
die concentrischen Hüllen, wovon eine unter dem Einfluß von Jod und Schwefelsäure
die die Holzfasersubstanz charakterisirende, violettblaue Färbung gibt.
Chemische Beschaffenheit der Brodpilze
und von der Thätigkeit ihrer Vegetation bedingte Erscheinungen.
Behufs der genauen Erforschung dieses Products nahmen die HHrn. Payen und v. Mirbel chemische Reactionen unter
dem Mikroskop vor und überzeugten sich, daß die zweigartigen Fasern, Glieder und
Keimkörner aus einer doppelten Hülle bestehen, welche in ihrer Dike zum Theil die
charakteristischen Merkmale der Holzfasersubstanz darbietet, während die in den
röhrenförmigen und sphäroidischen Höhlungen reichlich vorhandene Substanz die
Eigenschaften der stikstoffhaltigen Körper zeigt und ein im Innern ihrer Masse
zerstreutes Oehl wahrnehmen läßt.
Die nähere und Elementaranalyse rechtfertigten diese Schlüsse, indem von diesen
Pilzen 0,018 Oehl und 0,068 Stikstoff erhalten wurde; außer den organischen
Substanzen enthalten sie, ausgetroknet, noch 0,05 mineralische Substanz,
hauptsächlich aus phosphorsaurem Kalk bestehend.
Keine dieser Beobachtungen war zur Lösung der vorliegenden Aufgabe unnüz; vielmehr
diente jede derselben dazu, die zur Ernährung der Pilze verwendbaren Bestandtheile
des Korns kennen zu lernen.
Schöpfen nun diese Pflanzen ihre Nahrung wirklich im Brod als dessen Parasyten? Aus
folgenden zwei Versuchen stellt sich dieß klar heraus.
Aus dem Brod geschöpfte und zur
kryptogamischen Vegetation unter Wärmeerzeugung verzehrte Stoffe.
Ein Brod wurde aus der Commißbäkerei noch warm auf das Conservatoire royal des arts et métiers gebracht, senkrecht in zehn Stüke
zerschnitten und auf allen Schnittflächen die Krume mit Keimkörnern und Pilzen von
schon inficirtem Brode bestreut. Nun stekte man einen Thermometer mitten in
dieselben, band alle Stüke mit einer Schnur recht fest zusammen, wikelte den so
zusammengehaltenen Laib
in mehrere Papiere ein, legte ihn in eine etwas Wasser enthaltende Schale und
bedekte ihn dann noch mit zwei Wollentüchern.
Die Temperatur am Thermometer betrug + 33° C., sie fiel zuerst innerhalb 8
Stunden auf + 25° herab (bei 17,5° äußerer Luftwärme); dann aber stieg
sie schnell und erreichte in 12 Stunden 48½° worauf sie sich 11
Stunden lang erhielt, und sank dann sehr langsam (in 24 Stunden) auf 20°.
Die Vegetation ging am stärksten vor sich, so lange sich die Temperatur auf +
48½° erhielt. Es war zu vermuthen, daß nur durch Consumtion einer
bedeutenden Menge Brodsubstanz eine so große Menge Wärme entwikelt werden konnte; in
der That ging aus vergleichenden Wägungen und Austroknungen hervor, daß 0,2 vom
Gewichte des Brodes verloren gegangen waren, den in Pilze, welche alle Höhlungen
durchzogen, umgewandelten Antheil nicht mit eingerechnet.
Demnach schöpfen die Pilze im Brode selbst ihre Nahrung; ihre innere Zusammensezung
zeigt, daß vorzüglich die stikstoffhaltige Substanz, eine fette Substanz und der
phosphorsaure Kalk zu ihrer Entwikelung beitragen müssen.
Es mußte nun untersucht werden, ob diese Körper einerseits im Griesmehl und im Mehl
erster Sorte, von welchen man in der Regel ein von Pilzen frei bleibendes Brod
erhielt, und andrerseits in dem Mehl der Commißbäkereien, welches in den meisten
Garnisonspläzen die erwähnten Fälle herbeiführte, in verschiedenen Verhältnissen
vorhanden sind. In dieser Beziehung gaben die früher bei einer Arbeit über die
Concretionen und Secretionen der Pflanzen angestellten mikroskopischen Beobachtungen
und vergleichenden Analysen einige nüzliche Andeutungen.
Organische Zusammensezung der
Getreidekörner.
Untersucht man eine Querschnitte eines Getreidekorns unter dem Mikroskop, so sieht
man 1) eine trokene Hülle von einem festen Gewebe, die
Samenhaut (Epispermium); 2) unmittelbar darunter, die
Oberfläche des Eiweißkörpers (Perispermium) bildend,
befindet sich eine Reihe mit stikstoffhaltiger, eiweißartiger oder käsestoffartiger
Substanz angefüllter Zellen, in welchen ein großer Theil der Fettsubstanz des
Getreides eingeschlossen ist; 3) unter dieser Schicht sind dünnwändige Zellen, die
beinahe ganz mit Kleber (Gluten) und Stärkmehl angefüllt sind; 4) unter dieser
wieder die ganze Masse des Eiweißkörpers, welche das gewöhnliche weiße Mehl
ausmacht, größere Stärkmehlkörner enthält und dessen weißerer und mittlerer Theil in
jedem Samenlappen
durch eine besondere Mahlung, die der sogenannten weißen
Grüze (Gries), erhalten werden kann.
Die drei obern Schichten machen die Kleie und Grieskleie aus. Die mikroskopische
Beobachtung zeigt, daß sie reich seyn müssen an Stikstoffsubstanz, Fettstoff und
mineralischen Secretionen, was durch die chemische Analyse bestätigt wird. Mit dem
Mehl verglichen, enthält dieser Rindentheil wenigstens um zweimal mehr von diesen
drei Substanzen, deren leztere vorzüglich an phosphorsaurem Kalk reich ist.
Aus diesen Beobachtungen gehen mehrere wichtige Resultate hervor. Erstens ersieht
man, daß gegen die Peripherie des Samenkorns hin sich die Stoffe befinden, welche
sich zur Entwikelung der Pilze ganz besonders eignen; daß andrerseits dieselben
Stoffe, die trokene Haut ausgenommen, zur Ernährung des
Menschen tauglich sind und namentlich derjenigen Individuen, welche am meisten des
Fleisches und fetter Körper als Nahrung entbehren.
Ohne Zweifel wird man in diesen Analysen die Erklärung mehrerer Beobachtungen der
Physiologen über die Ernährungsfähigkeit des Brods aus gänzlich zermahlenem Korn im
Vergleich mit jenem aus weißer Grüze finden; rechtfertigen sie aber nicht auch einen
Gebrauch, den man auf den ersten Anblik zu tadeln geneigt wäre und doch in mehreren
Ländern wieder findet, wo das Brod für die Soldaten ohne alle Absonderung der Kleie
bereitet wird? Es geht dieß aus folgenden officiellen Documenten hervor.
In Frankreich wird das Brod aus purem Weizen bereitet; zu
Paris, Versailles und Saint-Germain werden 15 Proc. abgebeutelt; in den
andern Orten nur 10 Proc.; die tägliche Ration für den Mann beträgt 750 Gramme.
In Algier werden die harten Getreidearten (blés durs) zu
3 bis 5 Proc. abgebeutelt oder ohne Absonderung vermahlen und verbaken. Die zarten
Getreidearten (blés tendres) werden zu 15 bis 18 Proc.
gebeutelt.
In Belgien wird das Brod aus purem Weizen bereitet und
keine Kleie abgesondert. Die Ration beträgt 775 Gramme.
In Sardinien wird das Brod aus purem Weizen bereitet,
nachdem 6 Proc. Kleie abgesondert wurden. Die Ration beträgt 737 Gramme.
In Bayern wird das Brod aus 1/6 Weizen, 4/6 Roggen und 1/6
Gerste bereitet; die Absonderung der Kleie beträgt 10 Proc. Die Ration beträgt 900
Gramme.
In Preußen wird das Brod aus purem Roggen ohne alle
Absonderung von Kleie bereitet. Die Ration beträgt 1 Kilogramm.
In Rußland wird das Brod gerade so wie in Preußen
bereitet.
In Spanien wird das Brod aus purem Weizen bereitet und die
abgesonderte Kleie beträgt 10 Proc. Die Ration 670 Gramme.
Der Rindentheil des Getreides enthält demnach Substanzen, welche zur Ernährung des
Menschen benüzt werden; er kann aber der Siz der Entwikelung mikroskopischer
Gewächse werden, welchen er die ihnen erforderliche Nahrung gibt. Da dieser Theil
die Außenseite der Getreidekörner ausmacht, so muß er von den pulverigen
Keimkörnern, welche sich später beim Mahlen ablösen und unter das Mehl kommen, auch
besonders inficirt werden.
Wollte man daher auch alle Kleie absondern, so müßte doch jederzeit das Getreide
selbst gegen alle eine freiwillige Veränderung veranlassenden Umstände geschüzt
werden.
Um diesen Zwek zu erreichen, macht die Commission auf drei als Hauptresultate aus dem
Vorhergehenden sich ergebende Punkte aufmerksam.
1) Die Keimkörner der Pilze haben ihren Siz vorzüglich auf dem Rindentheil des
Getreidekorns, mit welchem sie natürlich in Berührung kommen und der ihnen am besten
zur Nahrung taugt.
2) Sondert man diese äußern Theile ab, so darf man sie nicht wieder auf die
Oberfläche des Brodes bringen, wie dieß bisher bei der Commißbrodbäkerei
geschah.
3) In allen Fällen muß man bei der Aufbewahrung des Getreides vorzüglich auf die
nachtheiligen Veränderungen achten, deren Siz die Rindentheile sind, und wenn das
ganze Getreide zu Brod verbaken wird, die Vorsicht verdoppeln.
Es handelte sich also darum, den zu diesem Zweke dienlichen Mitteln nachzuforschen,
um sie der Kriegsadministration an die Hand geben zu können.
In unsern feuchten Klimaten mit veränderlicher Temperatur sind die gewöhnlich
geernteten zarten oder halbharten Getreidearten so dem Verderben unterworfen, daß
unter allen Verfahren ihrer Erhaltung ein einziges, das der Umschaufelung auf den
Speichern, von der Erfahrung sanctionirt wurde. Man kann sagen, daß diese Maßregel
beinahe in allen Fällen auch genügte, wenn sie nur oft genug wiederholt würde. Die
durch sie erreichte Lufterneuerung hemmt durch Erniedrigung der Temperatur die
Gährung und befördert die Verdunstung oder gleichmäßige Vertheilung der in einigen
Stellen der Haufen übermäßig angehäuften Feuchtigkeit; sie unterstüzt die
Keimungsfähigkeit, was beweist, daß der Keim (Embryo) eine Lebenskraft behält, die
ihn gegen gewisse freiwillig eintretende Veränderungen zu schüzen vermag; endlich stört
die Bewegung der Körner selbst durch das Schaufeln die Paarung der Kornwürmer, macht
daß sie aus den Haufen hervorkommen und verhindert auf diese Weise ihre Vermehrung
und Verheerungen. Leider aber sind diese Wirkungen von kurzer Dauer; die Kornwürmer
stellen sich bald wieder ein und vermehren sich, wenn man ihnen Ruhe läßt, stärker
als zuvor. Jedes Ei erzeugt eine Larve, welche den Eiweißkörper aushöhlt, indem sie
die Mehlsubstanz verzehrt und auf diese Weise die den äußern Einwirkungen
ausgesezten Oberflächen vermehrt, welche so leicht von den Pilzkeimkörnern
heimgesucht werden. Zu allen diesen Nachtheilen gesellen sich noch die Producte der
Fäulniß der Trümmer und Rükstände der Insecten.
Allerdings kann das Getreide sodann mittelst Siebe und Ventilatoren gereinigt werden
und erscheint, gut ausgetroknet, noch glatt (coulant)
und gesund; füllt man aber eine Literflasche zu zwei Dritteln damit an und sezt zwei
Deciliter heißen Wassers (von 70 bis 80° C.) hinzu, so entwikelt sich aus der
ein paar Augenblike lang verstopften und umgeschüttelten Flasche ein übler und
widerlicher Geruch, welcher das Vorhandenseyn verdorbener Stoffe kund thut, die nach
dem Verlust eines Theils der nährenden Substanz zurükbleiben; bringt man solches
Getreide in eine größere Menge Wassers, so schwimmt eine große Anzahl durch
Kornwurm-Larven ausgehöhlter Körner oben auf; das daraus gemahlene Mehl
endlich gibt kein gehörig beschaffenes, gesundes und angenehmes Nahrungsmittel;
warmes, feuchtes Wetter reicht dann hin, um Keimkörner zu entwikeln und das Brod mit
Pilzen zu überziehen.
In Jahrgängen wie 1841, wo das Getreide feucht geerntet und eingeführt wurde, waren
diese Erscheinungen von sehr auffallender Intensität und man ergriff alle möglichen
Maßregeln, bis es dieses Ansehen verloren hatte; sicherlich aber wirken diese
Nebenursachen alle Jahre, wenn auch in geringerm Grade, und veranlassen allgemeine,
der Gesundheit der Menschen schädliche Folgen. Nicht nur im Interesse der Armee
allein also, sondern im allgemeinen Interesse muß das Korn gegen alle diese
schädlichen Einflüsse geschüzt werden.
Wir haben gesehen, daß in feuchten Klimaten häufiges Umschaufeln das einzige sichere
Mittel zur Erhaltung des Getreides ist, daß jedoch diese Maßregel bisher sehr
unvollkommen und zugleich sehr kostspielig geblieben war. Der seinem Princip nach
einfach construirte Valery'sche SpeicherPolytechn. Journal Bd. LXXV. S, 184.
realisirt aber die Idee einer unausgesezten Umschaufelung und Austreibung des
meisten Staubes der
Pilzkeimkörner und der Kornwürmer ohne ihre Wiederkehr. Diese Vorrichtung wurde im
Jahr 1837 von der französischen Akademie geprüft und auf den Antrag des
Berichterstatters, Hrn. Seguier, gutgeheißen. Es wurde
dargethan, daß selbst sehr feuchtes Getreide in diesem Apparat vollkommen lufttroken
gemacht werden kann, so daß die Keimkraft desselben darunter gar nicht leidet. Es
bleibt auf diese Weise vor allen Nagethieren und aller Beimengung fremdartiger
Körper geschüzt und es braucht dieser Art Speicher nur in mehr oder weniger langen
Zeitabständen eine rotirende Bewegung gegeben zu werden. Vorzuglich eignet sich
diese Vorrichtung für Magazine und Vorräthe.
In der Commißbäkerei am Quai de Billy functioniren auf ministerielle Bewilligung zur
Probe drei solche Apparate. Der größte derselben ist mit Getreide vom vorigen Jahr
angefüllt; der zweite enthält verdorbenes Getreide vom Jahr 1841 und der dritte eben
solches, nach dem Maupeau'schen Verfahren gewaschenes und
getroknetes. Alles dieses Getreide ist in Zeit von einem Monat vollkommen rein
geworden und bleibt so.
Den Kostenpunkt anbelangend hat die Commission zwar noch nicht hinlängliche eigene
Erfahrung gemacht, glaubt aber in folgenden Zahlen der Wahrheit sehr nahe zu kommen,
deren Bestätigung sie durch genaue Versuche von Seite der Behörden erwartet.
Berechnung der Erhaltungskosten für
1000 Hektoliter.
Fuͤrein Jahr
In gewoͤhnlichen Speichern durch
Umschaufeln.
In einem beweglichen Speicher.
1) Zinsen von dem Capital zu 5 Proc.
400 Fr.
500 Fr.
2) Arbeitslohn, Einspeichern, Umschaufeln und Herausschaffung
1125 —
75 —
3) Wirklicher Abgang durch Insecten
Gaͤhrung und Schimmel
300 —
— —
1825 Fr.
575 Fr.
Die Erhaltungskosten fuͤr 1 Hektoliter belaufen sich daher
jaͤhrlich auf
1 Fr. 82 Cent
57 Cent
Die Hauptursache des im Jahr 1842 beobachteten Verderbens des Brodes liegt also in
der schlechten Qualität des im Jahr 1841 feucht eingethanen Getreides, welcher
Zustand auch seiner Aufbewahrung so ungünstig ist.
Da das Weißbrodmehl der städtischen Bäker durch die vollkommene Absonderung der Kleie
von den äußern Theilen, auf welchen sich die Keimkörner der rothen Pilze am liebsten
ansezen, befreit wird, so war das davon bereitete Brod natürlich nicht so stark von
Pilzen inficirt.
Da man sich gezwungen sah, aus nassem Getreide große Quantitäten Mehls auf einmal zu
bereiten und viele Brode in Vorrath zu baken, um den großen Bedarf zu sichern, so
mußte dieß den nachtheiligen Zustand des Nahrungsmittels noch vermehren. Endlich
trug die große Hize in den Monaten Julius und August besonders in den Feldbaraken,
und die große innere Feuchtigkeit der Brodlaibe sehr viel zu dieser enormen
krytogamischen Vegetation bei, zu welcher schon so viel Prädisposition vorhanden
war.
Zur Verhütung des Wiedereintretens solcher Nachtheile und überhaupt zur wesentlichen
Verbesserung der Verköstigung der Truppen empfiehlt die Commission folgende
Maßregeln:
1) Conservation des Getreides in guter Beschaffenheit durch Anwendung beweglicher,
ventilirter Speicher;
2) Vervollkommnete Reinigung des Korns durch zweimalige Behandlung mit Corrège'schen Ventilatoren (tarares) vor dem Mahlen;
3) Erniedrigung der Temperatur des Mehls auf 15–16° C. sogleich nach
dem Mahlen des Getreides durch Circulation von Wasser unter einem doppelten Boden,
wo das Wasser eine Spirallinie vom Umkreis zur Mitte beschreibt, während das auf den
obern Boden in die Mitte fallende Mehl seine Richtung spiralförmig nach der
Peripherie nimmt und sich in den Mühlbeutel begibt.
4) Basirung der Ergiebigkeit des Mehls auf die Quantität der darin enthaltenen
wirklichen und troknen Substanz;
5) Ermittelung des Gewichts des Products an Brod im Verhältnisse zur troknen
Substanz.
6) Bereitung des Teigs mit weniger Wasser, so daß das Brod statt 45–46 nur 41
Gewichtsprocente Wasser enthält, wodurch die Vertheilung, statt 24–36 Stunden
warten zu müssen, 8 Stunden nach dem Baken des Brodes schon vorgenommen werden
kann.
7) Unterlassung des Einstäubens mit Grieskleien beim Einschießen, wodurch die untere
Brodkruste beschmuzt und dem Verderben ausgesezt wird;
8) Weglassung des Brennmaterials auf dem Herde des Bakofens und Construction
besonderer Feuerräume.wie bei dem Bakofen von Jametel und Lemare (polytechn. Journal Bd. LXVI S.
208).
9) Gehöriges und regelmäßiges Ausbaken.