Titel: | Bericht des Hrn. Th. Olivier über eine von Hrn. Chaussenot sen. erfundene Vorrichtung, um Parallellinien zu ziehen. |
Fundstelle: | Band 91, Jahrgang 1844, Nr. CIX., S. 411 |
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CIX.
Bericht des Hrn. Th. Olivier uͤber eine von Hrn. Chaussenot
sen. erfundene Vorrichtung, um Parallellinien zu
ziehen.
Aus dem Bulletin de la Société d'Encouragement, Jan. 1844,
S. 3.
Mit Abbildungen auf Tab.
VI.
Olivier, über eine Vorrichtung um Parallellinien zu
ziehen.
Hr. Chaussenot nennt sein Instrument Winkel für
Parallellinien (équerre à lignes parallèles). Es ist
bestimmt, viele gerade Linien zu ziehen, welche unter sich parallel und gleich weit
von einander entfernt liegen. Die Entfernung derselben von einander kann nach dem
Willen des Zeichners verändert werden, so daß man in einem Falle Parallellinien
ziehen kann, welche sehr nahe neben einander liegen, im andern Falle aber auch
wieder Linien, die weit von einander entfernt sind. Das Princip, worauf das
Instrument des Hrn. Chaussenot gegründet ist, ist nicht
neu. Es wurde schon lange von mehreren Verfertigern mathematischer Instrumente
benüzt, indem sie es bei verschiedenen Geräthschaften anwandten, die ungefähr
denselben Zwek hatten, wie das Instrument von Chaussenot.
Hr. Guenet hat z. B. schon vor mehreren Jahren zu seinem
Privatgebrauch zwei Instrumente construirt, welche dieselbe Anwendung zulassen, wie
dasjenige von Chaussenot.
Bei dem Instrumente von Chaussenot kann man das Dreiek
nicht von der Rechten zur Linken bewegen, wenn man es vorher von der Linken zur
Rechten bewegt hat, ohne das Lineal mit der Zahnstange vorher umgewendet zu
haben.
Bei dem zweiten Instrumente, welches Hr. Guenet
construirte, kann man diese Bewegungen jederzeit machen, ohne das Lineal zu
verrüken.
Bei dem Instrumente von Chaussenot ist das Lineal
unabhängig von dem Dreieke, bei dem von Guenet sind
hingegen Dreiek und Lineal mit einander verbunden.
Bedient man sich des Instrumentes von Chaussenot, so kann
man das Dreiek um einen, zwei oder drei Zähne vorschieben, während man es an dem
Lineale gleiten läßt; der Zeichner aber muß hören, daß das Dreiek einen, zwei oder
drei Zähne übersprungen hat, während man mit dem Instrumente von Guenet nicht mehr Zähne überspringen kann, als man
anfänglich wollte (wenn einmal das Instrument regulirt ist).
Um eine Linie von gegebener Länge in eine gewisse Anzahl gleicher Theile zu theilen,
oder in Theile, welche ein gewisses gegebenes Verhältniß unter sich haben, würde das Instrument von Chaussenot erst nach langem, vergeblichem Probiren
anwendbar seyn, während dieses Problem, dessen Lösung sehr häufig beim
Maschinenzeichnen vorkommt, sich mit Hülfe des Instrumentes von Guenet sehr leicht lösen läßt.
Die beiden Instrumente des Hrn. Guenet unterscheiden sich
von einander dadurch, daß bei dem ersteren die mit vierekigen Zähnen verzahnte
Stange, welche das Lineal des zweiten Instrumentes trägt, durch einen Metalldraht
ersezt ist, welcher um eine Rolle geschlungen und mit seinen beiden Enden an das
Lineal befestigt ist.
Das Instrument mit dem Metalldraht war das erste, welches Hr. Guenet erfand, das mit der verzahnten Stange wurde nachher von ihm
construirt, und lezteres ist es, dessen er sich jezt gewöhnlich bedient und dem er
den Vorzug gibt, da er mehrere Unbequemlichkeiten bei der Anwendung des
Metalldrahtes fand.
Beschreibung des Instrumentes von
Chaussenotsen.
Das Instrument, wovon Fig. 29 eine horizontale
Projection, und Fig. 30 eine verticale Ansicht ist, besteht aus zwei verschiedenen und
von einander getrennten Theilen.
Der erste ist ein Lineal A, welches der Erfinder
leitendes Lineal (règle conductrice) nennt. Auf einer
Seite desselben und in der Mitte seiner Dike befindet sich eine Zahnstange B, deren Zähne mit einer Seite senkrecht auf der
Längenrichtung des Lineales stehen.
Der zweite Theil wird durch eine halbkreisförmige Fläche C gebildet, welche eingetheilt ist. Diese Fläche ist rechts und links von
ihrem Mittelpunkt durch zwei Ansäze D verlängert, um
ihre gerade Seite zu verlängern und dadurch die Genauigkeit des Parallelismus zu
versichern, während man das Instrument an dem Leitlineal verschiebt. Ein Dreiek E befindet sich unter der Fläche D. Diese beiden Theile sind durch eine Schraube F mit einander verbunden, welche sich in der Fläche D drehen kann, eben so wie in der Büchse G, in
welcher der Mechanismus angebracht ist, der dazu dient, die Größe jeder Bewegung an
dem Leitlineale zu bemessen.
Dieser Mechanismus, welcher in Fig. 32 besonders
dargestellt ist, besteht aus einer Sperrklinke a, welche
an dem ihrem Drehungspunkte gegenüberliegenden Ende durch eine schwache Feder b niedergedrükt wird. Die Sperrklinke trägt einen
kleinen Vorsprung c, welcher über die verticale Fläche
der Büchse und des Leitlineales hervorragt, damit er nach und nach zwischen die
Zähne der verzahnten Stange einfallen kann, sobald man das Dreiek nach der Richtung
der Schräge dieser Zähne verschiebt. Ein zu weites Hervortreten des Vorsprunges ist durch einen Stift
verhindert, der vor der Sperrklinte angebracht ist.
Ein Knopf H, welcher dazu bestimmt ist, die Bewegung des
Instrumentes zu erleichtern, dient zugleich als Stellschraube, um die Lage des
Dreiekes gegen die Fläche D unveränderlich zu erhalten,
nachdem man den Index I, der auf dem Dreiek befestigt
ist, aus einen der Theilstriche von D eingestellt
hat.
Gebrauch des Instrumentes. Will man mit dem Instrumente
arbeiten, so läßt man die Stellschraube H nach, und soll
die Bewegung an dem Leitlineal von Links nach Rechts geschehen, so neigt man das
Dreiek nach der Linken und umgekehrt. Man stellt hierauf den Index I auf den Theilstrich, den man gewählt hat, ein, zieht
die Stellschraube an, und das Instrument ist zum Arbeiten vorbereitet. Nachdem man
nun das Leitlineal auf die gehörige Stelle der Fläche oder der Zeichnung, welche die
Linien erhalten soll, gebracht hat, ergreift man mit der linken Hand das Dreiek bei
seinem Knopfe und legt den Arm auf das Lineal, so daß es dadurch unveränderlich fest
gehalten wird. Um dieß noch leichter zu erreichen, kann man ein Stükchen weißes
Leder oder Tuch zwischen die Enden des Lineales und die Zeichnung bringen. In dieser
Lage hat man nun bloß das Dreiek mittelst der Finger an dem Leitlineal entlang zu
bewegen, indem man den kleinen Ansaz c nach und nach von
einem Zahne der Zahnstange auf den andern überspringen läßt, und indem man Acht
gibt, daß das Dreiek nach einem Uebergange über einen Zahn jedesmal zur Ruhe
gebracht wird. Der kleine Schlag, welcher beim jedesmaligen Abspringen der
Sperrklinke sich hören läßt, zeigt an, daß dieselbe einen nächsten Zahn ergriffen
hat. Nach jeder solchen Bewegung zieht man mit der rechten Hand, womit man den
Bleistift oder die Nadel hält, die Linien, welche dann gleich weit von einander
entfernt und genau parallel unter sich seyn werden.
Man hält die Nadel oder den Bleistift ein wenig von dem Dreieke abgeneigt, so daß
seine Spize sich an die tiefste Stelle der verticalen Fläche, welche die Bahn des
Dreiekes bildet, anlegt, um die Verschiedenheit der Entfernungen, welche aus einer
ungleichen Neigung im entgegengesezten Sinne entstehen könnten, zu vermeiden. Die
Bahn des Dreiekes muß von Messing seyn oder von Stahl, falls man sich der
Gravirnadel bedienen wollte, weil eine Holzbahn zu leicht durch die wiederholte
Reibung unter starkem Druke Schaden leiden würde.
Sollte die Bewegung des Dreiekes von Rechts nach Links geschehen, d. h. in
entgegengesezter Richtung, so hat man bloß das Leitlineal so umzuwenden, daß seine
obere Fläche die untere wird. Hiedurch werden die Zähne der Zahnstange nach Links
gerichtet, und man verfährt hierauf wie oben, nachdem man das Dreiek auf den
bestimmten Theilstrich eingestellt hat. Die Genauigkeit der Linien wird dieselbe
bleiben.
Den ganzen Nuzen des Umänderns der Bewegung wird man schäzen lernen, wenn man
Durchschnitte im Aufriß und Grundriß zu schraffiren hat, so daß die Linien der
erstern nach Rechts, jene der lezteren dagegen nach Links geneigt seyn sollen,
besonders wenn man mit Flächen von einiger Ausdehnung zu thun hat.
Es ist leicht einzusehen, daß die Linien um so weiter von einander entfernt liegen
werden, je mehr man den Index von dem Nullpunkte der Theilung entfernt, oder je
größer der Winkel wird, den die Bahn des Dreiekes mit dem Leitlineale
einschließt.