Titel: | Ueber die Anwendung der comprimirten Luft als Triebkraft beim Grubenbau. (Schreiben des Hrn. Triger an Hrn. Arago.) |
Fundstelle: | Band 99, Jahrgang 1846, Nr. LIII., S. 199 |
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LIII.
Ueber die Anwendung der comprimirten Luft als
Triebkraft beim Grubenbau. (Schreiben des Hrn. Triger an Hrn. Arago.)
Aus den Comptes rendus, Nov. 1845, Nr.
19.
Triger, über die Anwendung der comprimirten Luft beim
Grubenbau.
Seit einiger Zeit wurde in Frankreich und England eine Menge Vorschläge gemacht, die
comprimirte Luft als Triebkraft anzuwenden; keiner dieser Vorschläge wurde aber
meines Wissens bis jetzt in Ausführung gebracht; mir wenigstens ist über die
nützliche Anwendung dieses neuen Agens nichts bekannt geworden.
Ich melde Ihnen hiemit, daß sie jetzt existirt und ich seit bald drei Monaten bei
Anwendung comprimirter Luft als Motor zur Ausbeutung von Steinkohlen im
Maine-Loire-Departement Resultate erhalte, welche nicht befriedigender
seyn könnten.
Die Steinkohle dieser Gegend kömmt in der Regel in außerordentlich hartem Gestein
eingeschoben vor, welches unter einem Winkel von, 35–40° einfällt,
weßhalb ich für das wohlfeilste Verfahren ihrer Ausbeutung den thalförmigen Bau (exploitation en vallée)
hielt, d. h. vermittelst Schächten welche wie die Adern geneigt sind. Da sich aber
meine Gruben gerade unter der Loire befinden, so können diese Schächte nicht zu Tage
geführt werden und dürfen sich auch dem Spiegel dieses Flusses nicht über 100 Meter
nähern.
Nun war eine Dampfmaschine unter diesen Umständen nicht anwendbar und Pferdegöpel
haben ihre großen Uebelstände. Ich nahm daher zur comprimirten Luft behufs der
Fortpflanzung der Bewegung meine Zuflucht und hätte in Anbetracht der Oertlichkeit
und der übrigen Umstände nichts Besseres zur Erreichung meines Zwecks finden
können.
Mein Apparat besteht
1) aus einer Dampfmaschine von 18–20 Pferdekräften, welche schon lange zum
Grubendienst und zur Lüftung der unterirdischen Baue benutzt wird;
2) aus einer zweiten Maschine von 10–12 Pferdekräften, welche gerade so wie
zur Anwendung von Dampf construirt ist, aber mittelst comprimirter Luft betrieben
wird, welche durch die erste Maschine erzeugt wird. Diese zweite Maschine befindet
sich im Innern der Grube, 100 Meter tief unter dem Spiegel der Loire und an der
Mündung eines auf 90 Meter Tiefe geneigten Schachtes. Sie hat die Bestimmung, mittelst einer
Windetrommel und eiserner Seile 6 Hektoliter fassende Waggons auf einer die ganze
Länge des geneigten Schachtes hinlaufenden Eisenbahn in Bewegung zu setzen.
Mittelst dieses Apparats bewirke ich die vollkommene Lüftung meiner unterirdischen
Baue und schaffe durch einen einzigen Schacht auf eine leichte und wohlfeile Weise
1000–1100 Hektoliter Steinkohlen in 24 Stunden zu Tage.
Ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß ich unter den gegebenen Umständen einen
doppelten Zweck zu erfüllen hatte. Der erste und wichtigste war, die Grube gut zu
Ventiliren; der zweite, einen Theil der von der Maschine an der Oberfläche zur
künstlichen Ventilirung der Baue entwickelten und beinahe rein verloren gehenden
Triebkraft zum Ausbringen der Steinkohle zu benutzen. Ich erreichte diese beiden
Zwecke leicht dadurch, daß ich erstens alle Luft welche durch die Auslaßröhre der
Maschine mit comprimirter Luft entweicht, in die im Bau begriffenen Wände
vertheilte. Ferner benutze ich die Augenblicke wo diese Maschine in Ruhe ist, um an
alle Punkte comprimirte Luft hinzubringen, wo man solche ohne Druck nicht eindringen
lassen kann.
Meine Beobachtungen über den dynamischen Effect der comprimirten Luft anbelangend,
glaube ich, wie Hr. Poncelet, daß sie sich in den
Leitungsröhren sowohl, wie in den Maschinen, gerade wie ein flüssiger Körper verhält
und ich gestehe, daß ich von der Maschine, deren ich mich bediene, keine richtigere
Vorstellung zu geben wüßte, als indem ich sie mit einer Wassersäulen-Maschine
vergleiche, deren Reservoir sich 350 Meter entfernt befindet.
Ich schließe, indem ich im allgemeinen bemerke:
1) daß es in der Praxis immer außerordentlich schwer seyn wird, hinreichend große
Reservoirs zu erhalten, um die comprimirte Luft als Triebkraft gut anzuwenden; daß
der diesen Reservoirs zu gebende Rauminhalt noch niemals von Personen gehörig
studirt wurde, die zugleich Praktiker und Theoretiker waren, und daß er mit dem für
die Dampfkessel unserer Maschinen allgemein angenommenen Volum sich nicht
vergleichen läßt;
2) daß es fehlerhaft wäre, wenn man den Schluß ziehen wollte, daß die comprimirte
Luft, weil sie immer nur auf Kosten einer andern Triebkraft erhalten werden kann,
nie einen wohlfeilen Motor abgeben wird. Mein Apparat liefert den Beweis vom
Gegentheil, indem ich mit einer Ausgabe von 25 Hektolitern Steinkohle in 24 Stunden
(welche zum Ausbringen von 1000 Hektolitern aus einer Tiefe von 1000 Metern bei
directer Anwendung von Dampf durchaus erforderlich ist) bei Anwendung von
comprimirter Luft ein vollkommen gleiches Ausbringen bewerkstellige und dabei noch
den Vortheil erreiche, 1) keiner Gänge durch Lager hindurch zu bedürfen, welche
immer sehr kostspielig sind; 2) meinen ganzen Grubenbau vollkommen zu lüften und
endlich Luft an Stellen hinzubringen, wo dieß durch die gewöhnlichen Mittel
unmöglich wäre.
Mit Bedauern bemerke ich bei dieser Gelegenheit, daß unsere Regierung noch immer taub
bleibt gegen Ihre Vorstellungen wegen Anwendung der comprimirten Luft zum Retten der
Schiffe. Dieses Verfahren scheint mir so leicht und so nützlich, daß ich überzeugt
bin, wir hören mit Nächstem, daß England und Amerika sich diesen Gedanken zu nutze
gemacht haben, um ihre Schiffe gegen das Untergehen zu sichern, während in
Frankreich die Sache noch überlegt wird. Es ist traurig mit anzusehen, wie unsere
besten Ideen im Ausland erst ihre Anerkennung finden müssen, um dann auch bei uns in
Anwendung gebracht zu werden.