Titel: | Miscellen. |
Fundstelle: | Band 102, Jahrgang 1846, Nr. , S. 163 |
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Miscellen.
Miscellen.
Nach einem neuen Princip erbaute Locomotiven.
Von dem k. k. Hauptmann Fr. Freisauff v. Neudegg,
gewesenem Lehrer der Prinzen Söhne des erlauchten Erzherzogs Karl in den
Kriegswissenschaften, ist ein Bewegungsprincip zur Bewirkung einer vollkommenern fortschreitenden Bewegung der
Schienenbahn-Trains auf ebenen und geneigten Bahnen erfunden und als
praktisch erprobt worden. Der berühmte Mechaniker und Techniker Günther zu Wiener-Neustadt, aus dessen dortiger
Locomotivenfabrik die meisten von den im Betrieb der südlichen Staatsbahn
befindlichen Dampfwagen hervorgehen, hat sich für die vollkommene Leistungsfähigkeit
der nach diesem Princip erbauten Locomotiven ausgesprochen und den Bau von
dergleichen Dampfwagen auf eigene Rechnung und Haftung übernommen. Dieses so
scharfsinnige wie einfache Bewegungsprincip beruht auf der vollkommenen
Unabhängigmachung der fortschreitenden Bewegung eines ganzen
Schienenbahn-Trains von der Größe der Adhäsion der Treibräder des Dampfwagens
an die Schienen, und Umgestaltung der Wagenräder zu Treibrädern mittelst der
Uebertragung der bewegenden Kraft des Dampfwagens auf ihre Achsen und der hiedurch
bewirkten Fortbewegung durch ihre eigene Adhäsion. Durch die somit bewerkstelligte
Locomotivwerdung jedes einzelnen Wagens eines Trains,
welcher sich von der eigentlichen Locomotive nur dadurch unterscheidet, daß die
bewegende Kraft nicht selbständig wirkend auf ihm angebracht ist, sondern von dieser
durch Uebertragung gewonnen wird, kann der Train jede
Steigung der Bahn bewältigen, welche der eigentliche Dampfwagen allein, je nach dem
Adhäsionsvermögen seiner Treibräder, d.h. je nach dem Verhältniß der durch die
Bahnsteigung bewirkten Verminderung des Drucks desselben auf die Schienen,
zurückzulegen vermag. Den über die gleitende Reibung angestellten Versuchen zufolge
beträgt diese Steigung, welche ein nach dem erwähnten Princip bewegter Train
zurücklegen kann, drei bis vier Zoll auf die Klafter (= 3 bis 4' auf 72'), was ein
Verhältniß ist womit man selbst bei der Führung von für die Befahrung mit
gewöhnlichen Wagen bestimmten Bergstraßen ausreicht. Betreffs der Sicherheit bei der
Thalfahrt solcher Trains ist vom Erfinder eine Bremsvorrichtung erdacht und erprobt
worden, die den erforderlichen Widerstandspunkt außerhalb
der Bahn hat, so daß ein einziger Trainlenker den stärksten Wagenzug der Thalfahrt
ganz gefahrlos zu leiten und durchwegs eine gleichförmige Geschwindigkeit zu
behaupten im Stande ist. Die in der Günther'schen
Dampfwagenfabrik zu Wiener-Neustadt nach diesem Freisauff'schen Princip erbaute Probe-Locomotive vermag als Minimum
ihrer Leistungsfähigkeit auf einer Steigung von 1/40 eine Brutto-Last von
1200 Centn. mit einer Geschwindigkeit von wenigstens anderthalb deutschen Meilen
auf- und abwärts vollkommen gefahrlos fortzuschaffen. Die aus einer zu
geringen Adhäsion der Locomotiv-Treibräder erwachsenen Gebrechen und
Schranken des Schienenbahnbetriebs scheinen somit gänzlich beseitigt, und gemäß
diesem Freisauff'schen Bewegungsprincip für jede
beliebige Last die zu ihrer Fortschaffung erforderliche Adhäsionsstärke zu Gebot zu
stehen. Ob der atmosphärische Schienenbahnbetrieb, mit
dessen Einführung vornehmlich behufs der Bergfahrt man hie und da in Deutschland
umgehen soll, dieser Freisauff'schen Erfindung gegenüber
sich zu halten im Stande seyn dürfte, ist eine Frage, deren Lösung die nächste
Zukunft bringen wird. (Allg. Ztg. Nr. 273.)
Jones' Apparat zum Concentriren der Schwefelsäure.
Beim gewöhnlichen Verfahren die Schwefelsäure in gläsernen Retorten zu concentriren,
geschieht es nicht selten, daß dieselben springen, besonders wenn man nicht besorgt
ist, eine hohe Temperatur im Laboratorium zu unterhalten, um zu verhindern, daß auf die stark
erhitzten Retorten kalte Luftströme einwirken. Um diesem Uebelstand zu begegnen,
befolgt Eden Jones zu Bristol folgendes Verfahren,
welches er sich am 27. Nov. 1845 Patentiren ließ: er benutzt ein Gefäß (einen Hut),
Protector genannt, aus Eisenblech oder Steinzeug, von cylindrischer oder beliebiger
Form, welches die Glasretorte vollkommen einhüllt und 4 bis 5 Zoll weiter und höher
als dieselbe ist, so daß also die gläserne Retorte während der Operation in einer
Atmosphäre von heißer Luft eingeschlossen ist. Dieses (zwar nicht neue, aber doch
nicht allgemein bekannte) Verfahren hat den Vortheil, daß die Schwefelsäure in
kürzerer Zeit und mit geringerem Aufwand von Brennmaterial concentrirt werden kann
und die gläsernen Retorten länger dauern. (London Journal of
arts, Jul. 1846, S. 420.)
Ueber ökonomisch vortheilhaftere Verwendung des
Rhamninextracts gegen Gelbholz- und Quercitronextract in der Druck-
und Färbekunst; von Dr. W. H. v. Kurrer.
Im zweiten Augustheft dieses Journals (Bd. CI S. 300) habe ich die Art und Weise
auseinandergesetzt, wie Rhamninextract statt der im Preise so hochstehenden
levantischen Gelbbeeren in der Druck- und Färbekunst verwendet werden kann,
ohne der vergleichenden Versuche zu gedenken, wie sich dieses neue Farbmaterial im
Preise bei der Verwendung gegen Gelbholz- oder Quercitronextract verhält, das
ich nun hier beleuchten will. Vom Rhamninextract mit 20 Proc. Wassergehalt kommen
die 100 Pfd. Wiener Gewicht auf 90 Gulden Conventionsmünze zu stehen, während vom
Gelbholzextract bei uns die 100 Pfd. 135 Gulden Conventionsgeld kosten. Da nun
ersterer reichhaltiger an gelbem Pigment als letzterer ist, und außerdem damit auch
schönere und dauerhaftere Farben erzeugt werden, so ergibt sich, daß der
Rhamninextract in doppelter Hinsicht einen entschiedenen Vorzug vor dem
Gelbholzextract verdient, einmal: weil weniger davon für die Darstellung der
verschiedenen Farben erforderlich wird, das anderemal: weil die Farben viel
lebhafter und dauerhafter erhalten werden, auch sich die gelbe Farbe auf Schafwolle
durch längere Einwirkung der Luft und des Lichts nicht bräunt.
In Hinsicht auf die Verwendung des Quercitronextracts, welcher nur 40° B.
stark im Handel vorkommt, während Rhamninextract nicht mehr als 20 Proc. Wasser
beigemischt enthält, tritt in ökonomischer Beziehung ganz dasselbe Verhältniß wie
bei der Verwendung des Gelbholzextracts ein. Vergleichende Versuche, welche darüber
in böhmischen und preußischen Kattundruckereien angestellt wurden, haben als
Resultat ergeben, daß eine Maaß Druckfarbe (Dampfgelb oder Dampfgrün) mit
Quercitronextract fast um die Hälfte des Preises theurer zu stehen kommt, als die
mit Rhamninextract bereitete. Es liefert dieses den evidentesten Beweis, daß der
Rhamninextract einen entschiedenen Vorzug vor Gelbholz- oder
Quercitronextract in der Zeugdruckerei einzunehmen vermag.
Was den Rhamninextract noch gegen levantische oder persische Gelbbeere anbelangt, so
stellt sich das Verhältniß im Ersparen des Preises zu Gunsten des Extracts bei den
verschiedenen Dampfdruckfarben für Baumwollen-, Halbwollen- und Mousseline de laine-Fabricate von 35 bis 50 Proc.
Gewinn dar.
Vervollkommnung des Otto'schen Verfahrens zur Bereitung der explosiven Baumwolle.
Mit der Bereitung explosiver Baumwolle nach dem Verfahren des Professors Otto beschäftigt, haben wir uns bemüht, eine bequemere
und weniger kostspielige Darstellungsart der, in so bedeutender Menge
erforderlichen, höchst concentrirten Salpetersäure zu finden. Denn da eine
hinlänglich schnelle und vollständige Durchtränkung der so lockeren Baumwolle eine
große Menge der mit Mühe bereiteten Säure in Anspruch nimmt, die aus der Baumwolle wieder
ausgepreßte Säure aber einen großen Theil ihrer Wirksamkeit verloren hat, wodurch
die Kosten zu einer exorbitanten Höhe heranwachsen, so besteht für jetzt die
Hauptaufgabe darin, in dem Verbrauche der Salpetersäure Beschränkungen und in ihrer
Gewinnung Vereinfachungen anzubringen. Wir haben nun gefunden, daß man sich zu dem
vorliegenden Zwecke der gewöhnlichen im Handel vorkommenden rauchenden Salpetersäure
bedienen kann, wenn man ihr eine kleine Menge rauchendes Vitriolöl zusetzt, wodurch
sie, in Folge von Wasserentziehung, augenblicklich zu dem erforderlichen Grade von
Concentration gelangt. Nach unsern, freilich erst eintägigen Erfahrungen, ist ein
Raumtheil Vitriolöl hinreichend, um drei bis vier Raumtheile rauchende Salpetersäure
hinlänglich zu entwässern. Es versteht sich, daß die Säuren aufs innigste gemengt
werden müssen, weil sonst das in Folge der größeren Schwere zu Boden sinkende
Vitriolöl eine Zersetzung der Baumwolle bedingen könnte. Die aus der Baumwolle
wieder ausgepreßte Säure ist nun keineswegs verloren, sondern kann durch neuen
Zusatz einer kleinen Menge Vitriolöl auf den vorherigen Concentrationsgrad
zurückgebracht, und so mehreremale wieder benutzt werden. Wie viele Male eine solche
Auffrischung der gebrauchten Säure zulässig seyn wird, müssen fernere Erfahrungen
zeigen. Würde nun die Baumwolle nach der Tränkung zwischen einem Paar kleiner Walzen
von geeignetem Material (etwa Platin) stark ausgepreßt, so würde sich der Verbrauch
an Salpetersäure wahrscheinlich auf ein Minimum reduciren lassen. Ein im höchsten
Grade explosives Präparat haben wir gewonnen, als die in der gemischten Säure
behandelte, ausgewaschene und getrocknete Baumwolle zum zweitenmale in derselben,
nur mit ein wenig Vitriolöl aufgefrischten Säure getränkt wurde. Vorläufige
Schießversuche mit der von uns präparirten Baumwolle haben sehr befriedigende
Resultate gegeben.
Hannover, den 13. October 1846.
Direktor Karmarsch. Dr. Heeren.
Durch die Vermittlung der HHrn. Sellier in Leipzig ist mir Gelegenheit geworden, in Schönebeck Theil
zu nehmen an Versuchen zur Darstellung größerer Mengen des interessanten explosiven Präparats. Der Besitzer der renommirten
chemischen Fabrik zu Schönebeck hatte für diese Versuche das Erforderliche zur
Verfügung gestellt, und die HHrn. A.
Rose und Bering
haben mit der aufopferndsten Güte, für welche ich denselben den innigsten,
herzlichsten Dank sage, die Versuche mit mir ausgeführt. Bei der Bereitung des
Präparats durch Einlegen der Baumwolle in rauchende Salpetersäure zeigte sich der
von mir schon öfter hervorgehobene Uebelstand: daß die Masse im Wasser sich
schwierig zertheilen läßt und sich verfilzt, im hohen Grade, wenn nur irgend
beträchtliche Mengen auf einmal ins Wasser gebracht wurden. Dieser Uebelstand
verschwand sofort, als, anstatt der reinen Salpetersäure, ein Gemenge aus
Salpetersäure und Schwefelsäure angewendet wurde, wie es gleichzeitig von Knop in Leipzig und Heeren und
Karmarsch in Hannover empfohlen worden ist. Wir haben
in das Gemenge aus gleichen Gewichtstheilen der beiden Säuren so viel Baumwolle
gegeben, als davon getränkt werden konnte, sie nach einigen Minuten ausgepreßt, dann
den Preßrückstand in ein Faß mit Wasser geworfen, welches durch Rührhölzer in
Bewegung gesetzt wurde, und es ist nie eine Spur von Verfilzung wahrzunehmen
gewesen. Das gut ausgewaschene und gehörig getrocknete Präparat war von nicht
explosiver Baumwolle kaum zu unterscheiden und zeigte sich äußerst kräftig. In die
einmal benutzte Säure haben wir ein zweites- und drittesmal Baumwolle
gebracht und dadurch ein anscheinend nicht minder kräftiges Präparat erzielt. Die
genutzte Säure und die Waschwässer kamen in die Schwefelsäurekammer. Die Anwendung
der Schwefelsäure bei der Fabrication der explosiven Baumwolle ist ein überaus
wichtiger Fortschritt, und ich freue mich, daß es sobald so gekommen, wie ich in den
ersten Mittheilungen sagte, wo ich nämlich hervorhob, daß die Resultate einer
Entdeckung sehr schnell zur Vollkommenheit gelangen, wenn sich Viele mit derselben
beschäftigen. Die Bereitung der explosiven Baumwolle läßt sich unter Anwendung von
Schwefelsäure so bequem und leicht ausführen und ist dabei so billig, daß gewiß
binnen nicht sehr langer Zeit sehr große Quantitäten des explosiven Präparats werden
dargestellt werden.
In Beziehung auf die Benutzung des Präparats zum Werfen von Projectilien aus Gewehren
will ich mir die folgende Bemerkung erlauben. Wenn man eine kleine Menge des Präparats auf
einem Teller abblitzen läßt, so bleibt kein Rückstand oder doch nur ein kaum
bemerkenswerther Anflug eines solchen. Verbrennt man aber auf derselben Stelle
wiederholt kleine Kügelchen, so findet man doch, daß einzelne Partikelchen
unverbrannt umhergestreut wurden, welche den Schaben in Papieren gleichen. Bringt
man dann einen Tropfen Wasser auf die Stelle, so reagirt dasselbe als Säure auf
Lackmuspapier. Ein, wenn auch schwacher, säuerlicher Dunst tritt auch bei dem
Aufblitzen auf. Verbrennt man wiederholt kleine Theilchen des Präparats auf der
Hand, so färbt sich allmählich die Haut gelb, und läßt man eine geringe Menge
desselben in einer Glasröhre explodiren, so entstehen im Innern derselben röthliche
Dämpfe. Dieß alles deutet an, daß bei dem Verbrennen das Präparats
Stickstoff-Oxyd gebildet wird, welches dann mit der feuchten Luft
Salpetersäure gibt. Man wird also mit der größten Sorgfalt zu untersuchen haben, ob
durch sehr oft wiederholtes Schießen ein beachtenswerther Ansatz sich in den
Gewehren bildet, und ob durch diesen das Metall angegriffen wird. Möglich auch, daß
es weit schwieriger ist, als man glaubt, die letzten Antheile der Säure
auszuwaschen, und daß die erwähnten Erscheinungen in einer Unvollkommenheit des
Präparats ihren Grund haben.
Dr. Otto.
Als ich explodirende Baumwolle nach der Vorschrift des Hrn. Dr.
Knop in Leipzig bereitete, nahm ich bei meinen Versuchen
wahr, daß wenn man zur Bereitung der Säuremischung statt der englischen, rauchende
Schwefelsäure anwendet, man viel weniger von letzterer Säure braucht. Die Reaction
der Einwirkung der Säuren auf die Baumwolle ist zwar stürmischer, und man bemerkt
sogar bisweilen eine Schwärzung der Masse, allein sie verschwindet wieder und
liefert beim Auswaschen dann ein völlig weißes Präparat, welches bei scharfem
Trocknen sich von außerordentlicher Wirksamkeit zeigte. Bei weiter fortgesetzten
Untersuchungen gelang es mir heute, auch dem feinen
Flachse diese explodirende Eigenschaft zu ertheilen. Mein Verfahren ist
folgendes: ich vermische in einer Schale so schnell als möglich rauchende
Schwefelsäure mit rauchender Salpetersäure in dem Verhältnisse, daß ich ein Viertel
rauchende Schwefelsäure weniger anwende als rauchende Salpetersäure, bringe ferner
diese Mischung in einen Cylinder und lasse den Flachs 8 Minuten in der
Säuremischung, worauf der Flachs herausgenommen und so lange in gewöhnlichem Wasser
gewaschen wird, bis er das Lackmuspapier nicht mehr röthet, worauf derselbe wie die
Baumwolle gut getrocknet wird. Der so erhaltene Flachs brennt wie die explodirende
Baumwolle sehr schnell ab und läßt sich wie jene auch zum Schießen, wie Versuche
bewiesen, anwenden.
Dr. W. Artus,außerordentl. Professor in Jena.
(Hannover'sche Zeitung und Deutsche Allgem. Zeitung.)
Zur Geschichte der Schießbaumwolle.
Es war zu erwarten, daß das Verfahren des Hrn. Prof. Otto zur Bereitung der explosiven Baumwolle bald
auch auf andere Körper, welche im wesentlichen aus vegetabilischem Faserstoff
bestehen, angewandt werden wird. So hat Hr. Medicinalrath und Apotheker Dr. Bley in Bernburg bereits
das explosive Product mit Hobelspänen und Sägespänen, zumal weicher Holzarten,
dargestellt, welche – wie er in der Allgem. Preuß. Zeitung berichtet –
wenn sie mit rauchender Salpetersäure übergossen und hernach ausgewaschen und
getrocknet werden, ebenfalls die explodirende Eigenschaft besitzen, sich leicht
entzünden und im Feuergewehre, so wie bei Steinsprengungen das Pulver ersetzen.
– Dr.
Artus in Halle bereitete explosiven Flachs (siehe
oben).
Bald nachdem Hr. Pelouze in der
franz. Akademie der Wissenschaften auf den wahrscheinlichen Zusammenhang seiner
Untersuchung über das Xyloidin mit Schönbein's Entdeckung aufmerksam gemacht hatte (Comptes rendus vom 21. Septbr.), richtete ein Mechaniker
in Paris, welcher in Folge dieser Belehrung die Behandlung der Baumwolle mit rauchender
Salpetersäure versucht haben dürfte, folgendes arrogante Schreiben an die Redaction
des Moniteur industriel (Nr. 1074 vom 11. October 1846):
„Man beschäftigt sich im Publicum viel mit Versuchen, welche in
England über ein neues Pulver angestellt wurden, dessen Basis die Baumwolle ist.
Frühere Arbeiten, wovon ich nichts veröffentlichte (!), setzten mich in den
Stand, auf der Stelle das Problem der Darstellung
eines energischen Knallstoffs mit dem vegetabilischen Faserstoff, z.B.
Baumwolle, Lein, Flachs, Holz etc. zu lösen. Um Frankreich den Besitz dieser
Entdeckung zu sichern, habe ich ein Erfindungspatent genommen, welches alle
Versuche, die man von nun an über diesen Gegenstand vornehmen wollte, unnütz
macht. Ich habe der neuen Substanz (!) die Benennung Fulmi-coton (Knall-Baumwolle) beigelegt. Sie wird
unverzüglich von den competentesten Personen geprüft werden; aber schon seit dem
8. Octbr. hat die Akademie der Wissenschaften durch ihren beständigen Secretär,
Hrn. Arago, über diesen
Gegenstand eine Mittheilung erhalten. A. Morel.“
Die Versuche, welche in Stanmore unter der Leitung des Hrn. Prof. Schönbein in Gegenwart des
Präsidenten der ostindischen Compagnie und vieler Officiere und Sachverständigen mit
der Pulverbaumwolle angestellt wurden, bewährten alle Eigenschaften derselben,
welche sie vor dem gewöhnlichen Schießpulver auszeichnen und die schon in der
wissenschaftlichen Versammlung zu Southampton erprobt wurden (man vergl. S. 86 im
vorhergehenden Heft des polytechn. Journals). Während eine mit 54 1/2 Gran
Salpeterpulver geladene Büchse eine Kugel bei einer Entfernung von 40 Yards durch 7
einen Zoll dicke Bretter jagte, trieb eine mit nur 40 Gran Pulverbaumwolle geladene
Büchse die Kugel durchs 8te Brett; bei einem zweiten Versuch mit einer frischen
Büchse schlug die Kugel sogar bei einer Entfernung von 90 Yards durch 8 Bretter. Die
mit der Schönbein'schen Schießbaumwolle im Woolwicher
Zeughause angestellten Experimente haben nach englischen Zeitungen für den Erfinder
den Auftrag herbeigeführt, eine größere Quantität derselben anzufertigen, womit in
Gegenwart des Comité Versuche mit schwerem Geschütz augestellt werden sollen.
Die Zeugen der mit Büchsen gemachten Versuche (wobei die Ladung auf das Minimum
reducirt war) versichern, daß weder Knall noch Rauch, noch ein
Stoßen des Gewehrs bemerklich war, und daß sie überhaupt vom Schuß nichts
wahrgenommen, bis sie die Wirkungen der Kugel sahen.
Wie die Ober-Postamts-Zeitung aus Frankfurt a. M. vom 11. Oct.
berichtet, ist den beiden Professoren Dr. Schönbein und Dr. Böttger, den gemeinschaftlichen Erfindern der
Schießwolle, von Seiten des deutschen Bundes in der am 1. Oct. abgehaltenen 30sten
Sitzung für deren sowohl in staatlicher wie technischer Beziehung hochwichtige
Erfindung eine Belohnung von 100,000 Gulden für den Fall zuerkannt, daß dieselbe bei
der demnächst von der Militärcommission der Bundesversammlung unter Zuziehung der
Festungsbehörden von Mainz vorzunehmenden technischen Prüfung sich in jeder
Beziehung als geeignet bewährt, das Schießpulver nicht nur vollkommen zu ersetzen,
sondern auch noch mehrere Vortheile vor demselben darzubieten.
Hr. Dr. R. Böttger bezeichnet
in einer in der Frankfurter Ober-Postamts-Zeitung vom 17. Oct.
eingerückten Erklärung in Bezug auf die Publication des Hrn. Prof. Otto, dessen Bereitungsart der
Schönbein-Böttger'schen Schießwolle als eine vermeintliche, wonach also das Verfahren der ersten Erfinder von Otto's Methode wesentlich
verschieden ist. Daß aber beide Producte hinsichtlich ihrer chemischen Constitution
verschieden sind (wie ein anonymer Artikel in der
Frankfurter Ober-Postamts-Zeitung glauben machen will, worin Otto's Präparat als ein bloßes
Gemisch von Braconnot's
Xyloidin mit untermengten Fäserchen von Schönbein's und Böttger's Schießwolle erklärt wird), ist nicht wahrscheinlich, da
die nach Otto's Verfahren
bereitete Schießwolle, womit jetzt in ganz Deutschland geknallt wird, sich eben so
wirksam erweist als diejenige Schönbein's, und unter dem Mikroskop keinen Unterschied von guter
gewöhnlicher Baumwolle zeigt; übrigens kann diese Frage nur durch die
Elementar-Analysen entschieden werden.
Δ
Ueber elektrisches Papier.
Bekanntlich hat Hr. Prof. Schönbein bei seinen Versuchen über die Erzeugung von Schießwolle
die Entdeckung gemacht, daß die Pflanzenfaser in eine vollkommen durchsichtige
farblose, dem Glas ähnliche Materie übergeführt und das gewöhnliche Papier in einen
Zustand versetzt werden kann, in welchem es wasserfest ist und pergamentartige
Eigenschaften besitzt) das so veränderte Papier zeichnet sich ganz besonders durch
sein elektrisches Verhalten aus (man vergl. darüber polytechnisches Journal Bd. C S. 379).
Hr. C. Grüel, Inhaber eines
physikalischen Magazins in Berlin (Spittelmarkt Nr. 14), zeigt in der Vossischen
Zeitung vom 14. Oct. an, daß er sich mit der Anfertigung dieses Papiers beschäftigt,
zu dessen ausgezeichneten Eigenschaften auch diejenige gehört, in noch höherem Grade als die Schießbaumwolle zu explodiren,
sowohl durch Entzündung als durch Percussion. Er fertigt das Papier in
dreierlei Gestalt, Pergament-, Papier- und glasähnlich.
Die zweite Gattung ist für die elektrischen Versuche die geeignetste. Wenn 5 bis 6
Blätter solchen Papiers (wovon Hr. Grüel der Redaction des polytechn. Journals Proben eingesendet hat)
auf eine Glastafel gelegt, auf der einen Seite festgehalten, dann mit dem trockenen
Daumen der anderen Hand mehrmals gestrichen werden, erhält man einen sehr wirksamen
Elektrophor. Läßt man ein solches geriebenes Blatt in der Nähe kleiner
Hollundermark-Kügelchen herunterhängen, so gewährt das Heraufrollen der
Kugeln eine nette Erscheinung.
Aräostaten-Meteore.
Eine neue Gattung Luftballons, welche seit den Green'schen
Luftfahrten in Berlin daselbst beliebt geworden zu seyn scheinen, und nur etwa halb
so viel als die aus Goldschlägerhaut bestehenden kosten, sind aus Papier verfertigt,
welches nach einer eigenthümlichen Behandlung kaum von seiner Leichtigkeit
eingebüßt, ein fast glasähnliches Ansehen gewonnen, und die Fähigkeit erlangt hat,
die zur Füllung benutzten Gase sehr vollkommen zurückzuhalten.
Der Durchmesser beträgt circa 20'', daher der Inhalt etwas mehr als 4000 Kubikzoll;
das Gewicht des ganzen Ballons ist aber nur 2 Loth; daher schon die halbe Füllung an
dem Brenner einer Steinkohlen-Gaslampe genügt, ihn zum Steigen zu
bringen.
Der Inhaber des physikalischen Magazins, Hr. Grüel in Berlin, wo dieselben zu haben sind,
zeigte uns eine Vorrichtung, wodurch es möglich zu machen ist, einen gefüllten
Ballon hoch in der Luft, in einer dem Auge eben noch erreichbaren Höhe mit höchst
glänzender Feuererscheinung, nach Belieben auch mit Detonation, zu entzünden. Das
Experiment ist um so weniger gefährlich, als die Zündung mit gänzlicher Zerstörung
des Balls und seiner schnellen Verwandlung in Aschentheilchen durchaus sicher
erfolgt, und jenes unfreiwillig herbeigeführte Verbrennen in geringer Höhe nicht
stattfinden kann, was die freie Luftfahrt der Mongolfièren mit Recht zu einem
bedenklichen Versuch macht.
Daß letzterer übrigens nicht von unerfahrenen, sondern mit solchen Dingen vertrauten
Leuten anzustellen seyn möchte, ist aus der dem Ballon beigefügten
Gebrauchs-Anweisung ersichtlich, gewährt aber, namentlich bei Hellem
Mondschein, recht viel Vergnügen. C.