Titel: | Neues Verfahren den Stickstoffgehalt thierischer Substanzen zu bestimmen, z. B. der Rohstoffe zur Fabrication des Blutlaugensalzes, verschiedener Dungmittel etc.; von C. Nöllner. |
Fundstelle: | Band 110, Jahrgang 1848, Nr. LV., S. 295 |
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LV.
Neues Verfahren den Stickstoffgehalt thierischer
Substanzen zu bestimmen, z. B. der Rohstoffe zur Fabrication des Blutlaugensalzes,
verschiedener Dungmittel etc.; von C. Nöllner.
Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie, 1848, Bd.
66, S. 314.
Mit einer Abbildung.
Nöllner, über Stickstoffbestimmungen.
Seit einer Reihe von Jahren mit der Darstellung des blausauren Kalis im Großen
beschäftigt, hatte ich vor allem mein Augenmerk darauf gerichtet, den
Stickstoffgehalt der zu dieser Fabrication verwendeten Stoffe kennen zu lernen, da
er hauptsächlich nur den relativen Werth der Rohstoffe in Bezug auf die daraus zu
erhaltende Ausbeute an blausaurem Kali, angeben konnte. Außerdem kommen in
derartigen Geschäften stets noch eine Menge fester und flüssiger Rückstände vor,
über deren vortheilhafte Verwendung meist nur die Analyse, insbesondere aber der
Stickstoffgehalt entscheiden kann.
Da ich aber dabei öfter in den Fall kam, in einem Tage mehrere solcher
Stickstoffbestimmungen vollständig bis zum Resultat ausführen zu müssen, und mir
außerdem Platinabfälle u. dergl. nicht zu Gebote standen, so gerieth ich auf eine
Methode der Stickstoffbestimmung, von der ich nach mehr als sechsjähriger vielfacher
Prüfung nunmehr glauben möchte, daß sie durch Bequemlichkeit, Schnelligkeit der
Ausführung und Billigkeit vor der Varrentrapp-Will'schen Methode manche Vorzüge darbietet, und sich
daher besonders zum allgemeinen Unterricht in Laboratorien für Anfänger etc. eigne,
ohne an Sicherheit der letztern nachzustehen.
Textabbildung Bd. 110, S. 295
Ich glühe nämlich die stickstoffhaltige Substanz, wie gewöhnlich, in einer
horizontalliegenden Röhre von schwerschmelzbarem Glase mit Kalkhydrat oder nach Varrentrapp und Will mit
Natronkalk, fand jedoch die Anwendung von Natronkalk bei Untersuchungen für
technische Zwecke stets für überflüssig, indem die meisten stickstoffhaltigen
Substanzen vor ihrem Verbrennen eine Art Schmelzung erleiden, wodurch die vorher
schon feinzertheile Substanz mit überschüssigem Kalkhydrat genau gemengt, noch vollständiger mit
demselben in Berührung kömmt, so daß bei allen bis jetzt mir vorgekommenen Körpern
der Rückstand nach dem Glühen stets fast weiß wurde und durch abermaliges Glühen mit
etwas Aetznatron niemals die geringste Spur von Ammoniak mehr erkennen ließ. Das auf
diese Weise sich entwickelnde Ammoniak leiten die HHrn. Varrentrapp und Will bekanntlich in Salzsäure,
dampfen die entstandene salmiakhaltende Flüssigkeit mit Platinchloridlösung im
Wasserbade zur Trockne, versetzen mit ätherhaltigem Weingeist zur Abscheidung von
Platinsalmiak und bestimmen nach dem wohlausgewaschenen und getrockneten
Niederschlage den Stickstoffgehalt.
Allen diesen Operationen des Eindampfens, der Gefahr des Zurücksteigens in die
Verbrennungsröhre, oft unvermeidlichen Verlusten an Platin, namentlich aber der so
kostbaren Zeit entgeht man, wenn man anstatt der Salzsäure eine Auflösung von reinster Weinsäure in absolutem Weingeist in das
Absorptionsgefäß bringt, wodurch alles sich entwickelnde Ammoniak augenblicklich als
saures weinsaures Ammoniak, welches in absolutem
Weingeist absolut unlöslich ist, in Form eines krystallinischen Pulvers
niedergeschlagen wird.
Da das saure weinsaure Ammoniak 10,2 und der Platinsalmiak nur 7,6 Proc. Ammoniak
enthält, so wird man dieser Methode den Vorwurf machen, daß sie deßhalb weniger
genau sey; nimmt man dagegen darauf Rücksicht, daß ein Verlust durch Vereinfachung
des Verfahrens um so leichter zu vermeiden ist, daß man bei genauen Untersuchungen
Geschicklichkeit des Analytikers und den Besitz einer empfindlichen Waage
voraussetzen darf, daß reine Weinsäure leichter zu erhalten ist als reines Platin
oder Platinchlorid, daß ferner saures weinsaures Ammoniak ein viel geringeres
specifisches Gewicht besitzt als Platinsalmiak, wodurch man, wie man sich in einem
Probegläschen schnell überzeugen kann, von derselben Quantität Ammoniak eine dem Volum nach vielfach größere Menge saures weinsaures
Ammoniak erhält als Platinsalmiak, so glaube ich, daß diese vermeintlichen
Nachtheile sich dadurch vollständig wieder aufheben werden, und nehme keinen
Anstand, diese Methode, die sich mir stets als gut bewährt hat, nicht nur
Technikern, sondern auch den mit den genauesten chemischen Untersuchungen sich
beschäftigenden Chemikern zur Anwendung und weiteren Prüfung zu empfehlen.
Da das gebildete saure weinsaure Ammoniak aus dem von Varrentrapp und Will angegebenen
Absorptionsapparate sich nicht vollständig herausbringen ließe, ohne denselben mit
Wasser nachzuspülen, welche Flüssigkeit wieder einzudampfen und mit Weingeist zu
versetzen wäre, wodurch
einer der Hauptvortheile dieser Methode, schnell zu dem Resultate zu gelangen,
verloren ging, so bediente ich mich statt dessen zweier Gläser mit weiter Oeffnung,
vierlöthige Opodeldokgläser, wie sie in Apotheken gebräuchlich sind. In jedes der
Gläser füllt man ungefähr 1–1½ Loth absoluten Weingeist, worin soviel
Weinsäure gelöst wurde, daß nach beendigter Operation noch Weinsäure im Ueberschuß
vorhanden.
Das aus dem Verbrennungsrohr in das erste Gläschen gehende knieförmig gebogene Rohr
darf natürlich nicht in die Weinsäurelösung eintauchen, weil es sich durch
Ausscheidung von Salz alsbald verstopfen oder beim Abkühlen des Verbrennungsrohrs
ein Zurücksteigen der Weinsäurelösung in dasselbe veranlassen würde. Das
pneumatische Rohr, welches das erste Gläschen mit dem zweiten verbindet, braucht nur
ein paar Linien weit in die Flüssigkeit des zweiten Gläschens zu tauchen und darf
zur Vermeidung des Verstopfens nicht allzu eng gewählt werden, etwa von dem
Durchmesser eines schwachen Federkiels. In dem Kork des ersten Gläschen bringt man
noch ein in die Flüssigkeit tauchendes Sicherheitsrohr an und, um sicher zu seyn daß
kein Ammoniak verloren gehe, verbindet man das zweite Gläschen noch mit einem
dritten, worin sich aber bei gut geleiteter Feuerung niemals ein Niederschlag zeigt.
Sollte sich die Oeffnung des pneumatischen Rohrs verstopfen wollen, so bedarf es nur
eines leichten Einblasens in das senkrechtstehende Sicherheitsrohr, um das gebildete
Häutchen von weinsaurem Ammoniak sogleich wieder zu entfernen.
Wie auch Varrentrapp und Will
zeigten, entwickelt sich bei kohlenstoffreichen Substanzen vorzugsweise gegen Ende
der Operation eine Menge freies Wasserstoffgas, durch
Zersetzung des Hydratwassers des Alkalis. Ich hatte Gelegenheit diese Erscheinung
ganz im Großen beobachten zu können, als ich stickstoffhaltige, vom Schmelzproceß
des blausauren Kalis abgefallene Kohle durch Glühen mit Kalkhydrat noch auf Ammoniak
benutzte. Durch diese Wasserstoffgasentwickelung, sowie durch zuletzt sich bildenden
Wasserdampf aus dem überschüssig zugesetzten Kalkhydrat, wird aber das noch in der
Verbrennungsröhre enthaltene Ammoniak so vollständig ausgetrieben, daß mir ein
Abbrechen der Endspitze der Verbrennungsröhre und ein Einsaugen der darin
enthaltenen Luft durch die Weinsäurelösung für überflüssig schien. Jedenfalls genügt
es, bei Untersuchungen für technische Zwecke durch Entfernen der glühenden Kohlen
kalte Luft durchs Sicherheitsrohr einigemal eindringen zu lassen und durch
Wiedererhitzen die Luft wiederholt durch die Weinsäurelösung zu treiben. Da das gute
Gelingen der Operation
hauptsächlich vom guten Verschluß des Apparats abhängig ist, so wird es nicht
überflüssig seyn noch zu erwähnen, daß ich mir zu diesem Zwecke stets Korke zu
verschaffen suchte, welche schon einmal zum Verschluß von Champagnerflaschen gedient
hatten, sie empfehlen sich besonders dadurch, daß sie während der Operation nach und
nach eher größer werden, weil sie vorher dem stärksten Druck ausgesetzt waren,
während neue Korke leicht ihre Elasticität verlieren und während der Operation
nachgeben; ferner ist es rathsam, alle zum Apparate nöthigen Glasröhrchen nicht von
zu dünnem Glase zu wählen, so daß ein Zerbrechen nur auf gewaltsame Weise möglich
ist und an den scharfen Enden müssen dieselben vorerst vor dem Löthrohr abgerundet
werden, damit nicht unbewußt ein Stückchen Glassplitter ein falsches Resultat
herbeiführe.
Nach beendeter Gasentwicklung pflege ich den ganzen Apparat noch solange mit einander
verbunden stehen zu lassen, bis er eine so niedere Temperatur angenommen hat, daß er
mit Leichtigkeit auseinander genommen werden kann. Der erhaltene Niederschlag wird
auf ein gewogenes Filter gebracht, das ablaufende mit weingeistiger Lösung von
Weinsäure geprüft, ob noch ein Niederschlag entsteht und derselbe dann solange mit
absolutem Weingeist gewaschen, bis das ablaufende
keine saure Reaction mehr zeigt.
Da der Niederschlag krystallinisch ist, so geht das Auswaschen schnell von statten,
nicht minder schnell ist derselbe im Wasserbade bei 80° R. getrocknet.
Nach der bekannten Zusammensetzung des sauren weinsauren Ammoniaks mit 1 Aequivalent
Wasser läßt sich dann der Stickstoffgehalt leicht daraus berechnen. Nach Dulk enthalten 100 saures weinsaures Ammoniak:
10,2 Ammoniak = 8,4 Stickstoff,
79,0 Weinsäure,
10,7 Wasser
––––––––––
100,00.
Auf solche Weise wurde der Stickstoffgehalt folgender Stoffe ermittelt in der
Reinheit, wie sie gewöhnlich im Handel vorzukommen pflegen und zur Fabrication
verwendet werden, daher die Resultate für den Gelehrten von keinem, für den
Praktiker, und zwar nicht nur für den eigentlichen Fabrikanten, sondern auch für den
Oekonomen, der sich über den Werth dieser in neuerer Zeit so häufig als Dungmittel
verwendeten Stoffe belehren will, aber von um so größerem Interesse seyn werden.
2,7 Gram. Hornabfälle lieferten Textabbildung Bd. 110, S. 299 saures weinsaures Ammoniak, entsprechend 10,46 Proc. Stickstoff.
2,7 Gram. wollene Lumpen lieferten 3,29 saures weinsaures Ammoniak, entsprechend 10,0
Proc. Stickstoff.
2,7 Gram. Borsten lieferten 3,12 saures weinsaures Ammoniak, entsprechend 9,7 Proc.
Stickstoff.
2,7 Gram. Fischbein lieferten 2,87 saures weinsaures Ammoniak, entsprechend 8,93
Proc. Stickstoff.
2,7 Gram. alte Schuhe und anderes altes Leder lieferten 2,15 saures weinsaures
Ammoniak, entsprechend 6,68 Proc. Stickstoff.
2,7 Gram. Lederabfälle der Gerber, sogenannte Schlichtspähne lieferten 1,13 saures
weinsaures Ammoniak, entsprechend 3,5 Proc. Stickstoff.
2,7 Gram. Thierkohle, welche zur Fabrication des blausauren Kalis gedient hatten,
lieferten 0,32 saures weinsaures Ammoniak, entsprechend 0,98 Proc. Stickstoff.
2,7 Gram. Knochenkohle lieferten 0,40 saures weinsaures Ammoniak, entsprechend 1,1
Proc. Stickstoff.
2,7 Gram. des kohligen Rückstandes von der Gasbeleuchtung aus Wolle, 0,8 Proc.
Stickstoff.
2,7 Gram. Hornkohle (stark ausdestillirte), lieferten 1,373 saures weinsaures
Ammoniak, entsprechend 4,27 Proc. Stickstoff.
2,7 Gram. Hornkohle, stark ausdestillirt vom Boden des Kessels und daher der größten
Hitze ausgesetzt, lieferten 0,433 saures weinsaures Ammoniak, entsprechend 1,34
Proc. Stickstoff.
2,7 Gram. Lumpenkohle, stark ausdestillirt, lieferten 1,470 saures weinsaures
Ammoniak, entsprechend 4,57 Proc. Stickstoff.
2,7 Gram Schlappenkohle, stark ausdestillirt, lieferten 1,592 saures weinsaures
Ammoniak, entsprechend 3,87 Proc. Stickstoff.
Wenn Horn und andere thierische Stoffe durch starkes Ausglühen fast ihren ganzen
Stickstoffgehalt verlieren, so ergibt sich daraus von selbst die Werthlosigkeit
solcher stark ausgeglühten Thierkohle für die blausaure Kalifabrication. Folgende
Versuche mögen dieß noch weiter darthun.
Eine mit frischem Horn dargestellte und gegen Ende der Operation mit schwach gerösteter, aus Horn und wollenen Lumpen
dargestellter Kohle noch versetzte Schmelze enthielt 18,16 Proc. blausaures
Kali.
Eine mit stärker ausgeglühter Hornkohle, ohne Zusatz von frischem Horn erhaltene
Schmelze enthielt 10,37 Proc. blausaures Kali.
Eine mit noch stärker ausgeglühter Hornkohle dargestellte Schmelze enthielt
5,50–5,72 Proc. blausaures Kali.
Eine mit mittelmäßig stark ausgeglühter Lumpenkohle dargestellte Schmelze enthielt
11,3 Proc. blausaures Kali.
Möchten die Zahlen manchem beweisen, wie wichtig derartige Untersuchungen für den
Techniker sind.