Titel: | Ueber die Luft und das Wasser der Städte. Aus einem von Hrn. Smith in der Versammlung der brittischen Naturforscher zu Swansea erstatteten Bericht. |
Fundstelle: | Band 110, Jahrgang 1848, Nr. LXXIX., S. 427 |
Download: | XML |
LXXIX.
Ueber die Luft und das Wasser der Städte. Aus
einem von Hrn. Smith in
der Versammlung der brittischen Naturforscher zu Swansea erstatteten
Bericht.
Aus dem Civil Engineer and Architect's Journal, Octbr.
1848, S. 311.
Smith, über die Luft und das Wasser der Städte.
Die Stadt wurde in Bezug auf die menschliche Gesundheit durch den Einfluß der Luft
und des Wassers jederzeit vom Lande verschieden befunden. Diese allgemeine
Empfindung ist entscheidender als jedes Experiment, welches im Laboratorium
angestellt werben kann. Die verschiedenen Fabriken großer Städte, die Lebensweise,
welcher sich die Einwohner nothwendig unterziehen müssen, und die vom Menschen
selbst ausgehenden schädlichen Einflüsse sind hieran Schuld. In dieser Hinsicht
angestellte Versuche gaben folgende Resultate. Wenn man Luft durch Wasser streichen
läßt, so läßt sich in diesem eine gewisse Menge der von den Lungen ausgestoßenen
organischen Materie entdecken. Als dieser Versuch drei Monate lang von Dr. Smith fortgesetzt wurde,
entdeckte er
Schwefelsäure, Chlor und eine dem Eiweißstoff ähnliche Substanz in dem Wasser. Diese
Stoffe verdichten sich beständig an kalten Körpern, und in warmer Luft geht die
eiweißartige Materie sehr bald in Fäulniß über und gibt unangenehme Gerüche von
sich. Bei der Oxydation derselben werden Kohlensäure, Ammoniak, Schwefelwasserstoff
und wahrscheinlich noch andere Gase gebildet.
Das Ammoniak, welches glücklicherweise aus denselben Quellen entsteht, wie der
Schwefelwasserstoff, modificirt den Einfluß dieses letztern bedeutend. Als Folgen
des wechselnden Drucks der Atmosphäre beobachtet man, daß die Ausdünstung der
Abzugscanäle, Cloaken etc. bei jedem Ausgang derselben, sobald der Barometer fällt,
sich in Menge verbreitet. Wenn man einerseits die Feuchtigkeit eines viele Menschen
enthaltenden Zimmers mittelst kalter Gläser aufsammelt und andererseits Thau in der
freien Luft, so findet man jene dick, ölig, nach Schweiß riechend und der Zersetzung
und Erzeugung von Thierchen und Conferven fähig; den Thau aber schön klar und
wasserhell. Dr. Smith
sammelte und untersuchte (in England) oftmals große Mengen Regenwassers und hält
sich jetzt überzeugt, daß mit dem reinsten Regen Staub niederfällt, der nichts ist
als Steinkohlenasche. Durch diese kommen ohne Zweifel in den Regen die
schwefligsauren und salzsauren Salze sowie der Ruß als Hauptbestandtheil dieser
Asche. Auch ist der Regen oft alkalisch, wahrscheinlich eine Folge des Ammoniaks der
verbrannten Steinkohle, welches viel dazu beiträgt die so oft vorhandene
Schwefelsäure zu neutralisiren. Das Regenwasser von Manchester hat 2¼°
Härte, ist also wirklich härter als das Wasser der nahegelegenen Hügel, dessen sich
die Stadt zu bedienen gedenkt. Es kann dieß nur von den in der städtischen
Atmosphäre aufgenommenen Bestandtheilen herrühren. Merkwürdig aber ist, daß es ihm
nie an organischer Materie fehlt, obwohl es ganze Tage fort regnet. Der Zustand der
Luft steht in nächster Beziehung zu dem des Wassers; was die Luft enthält kann das
Wasser absorbiren; was das Wasser aufgelöst oder absorbirt hat, kann es an die Luft
abgeben.
Die ungeheure Menge unreiner Materie, welche aus allen Theilen einer großen Stadt in
ihre zahlreichen natürlichen und künstlichen Ausgänge filtrirt, muß uns auf den
ersten Blick ein schreckliches Bild unserer unterirdischen Wasserquellen gewähren.
Wenn wir aber den Boden einer Stadt untersuchen, so zeigt sich uns die Sache nicht
in der übertriebenen Beschaffenheit wie wir sie uns vorstellten. Der Sand der
Chelsea-Wasserwerke enthält nur 1,43 Proc. organischer Materie, nach
mehrwöchentlichem Gebrauche. Liebig fand im Jahr 1827 in
zwölf Quellen in Gießen
salpetersaure Salze, in 2–300 Ellen von der Stadt entfernten Quellen aber
fand er deren keine. Hr. Smith untersuchte 30 Quellen zu
Manchester und fand in allen salpetersaure Salze. Viele derselben enthielten davon
eine auffallende Menge und schmeckten widerlich. Die Untersuchung mehrerer Quellen
Londons erwies die beständige Erzeugung von Salpetersäure; in vielen Quellen wurde
eine ungeheure Menge derselben gefunden. Man fand daß alle organische Materie, indem
sie durch das Erdreich filtrirt, sich rasch oxydirt. Die Gegenwart der
salpetersauern Salze im Londoner Wasser verhindert die Bildung irgendeiner
vegetabilischen Materie, es kann eine solche auch nach langer Zeit, selbst mittelst
des Mikroskops, nicht darin entdeckt werden. Das Themsewasser wurde vom Ausgang der
Quelle bis zur Hauptstadt untersucht und die Unreinigkeit zunehmend gefunden.
Schließlich sagt Hr. Smith, daß die Verunreinigung der
Luft in den mit Menschen angefüllten Zimmern in der That der organischen Materie,
und nicht nur der Kohlensäure zuzuschreiben ist, daß alles Wasser großer Städte
organische Materie enthält, daß das Wasser sich selbst auf verschiedene Weise von
organischer Materie reinigt, vorzüglich aber durch Umwandlung derselben in
salpetersaure Salze, endlich daß man das Wasser niemals mit Vortheil lange stehen
lassen kann, außer in großer Menge, und daß man es sogleich nach dem Aufsammeln,
oder sobald es filtrirt ist, verbrauchen solle.Eine frühere Abhandlung des Verfassers „über die Luft und das
Wasser der Städte“ wurde im polytechn. Journal Bd. CV S. 106
mitgetheilt.