Titel: | Bericht über Hrn. Larocque's Abhandlung: die Verflüchtigung der fixen Salze mit dem Wasserdampf und einige davon zu machende technische Anwendungen betreffend; erstattet von den HHrn. Foy, Bussy und Huraut. |
Fundstelle: | Band 111, Jahrgang 1849, Nr. XII., S. 48 |
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XII.
Bericht über Hrn. Larocque's Abhandlung: die Verflüchtigung der
fixen Salze mit dem Wasserdampf und einige davon zu machende technische Anwendungen
betreffend; erstattet von den HHrn. Foy, Bussy und Huraut.
Im Auszug aus dem Journal de Pharmacie, Nov. 1848, S.
345.
Bussy, über die Verflüchtigung der fixen Salze mit dem
Wasserdampf.
Eine sehr merkwürdige chemische Thatsache ist die Flüchtigkeit gewisser an und für
sich fixer (nicht flüchtiger) Substanzen unter dem Einflusse des Dampfes der
Flüssigkeiten, in welchen diese Substanzen aufgelöst sind. Am längsten bekannt und
vielleicht am auffallendsten ist dieß bei der Borsäure, welche, einer der fixesten
Körper die man kennt, in beträchtlicher Menge von den Dünsten, die aus den Lagunen
Toscana's aufsteigen, in deren Wasser sie sich aufgelöst befindet, mitgerissen wird.
Im Jahr 1825 beobachtete Vogel, daß auch die in Alkohol
aufgelöste Borsäure sich mit demselben verflüchtige. Im Jahr 1830 zeigte Saladin in einer toxikologischen Abhandlung, daß die
arsenige Säure, der Quecksilbersublimat, das salzsaure, arsenigsaure und oralsaure Ammoniak, der
Schwefel, der Kalk, das Morphin, Brucin und Veratrin unter dem Einfluß des
Wasser-, Alkohol- und Aetherdampfes flüchtig werden.
Hr. Larocque stellte über diesen Gegenstand zahlreiche
Versuche an, und beinahe alle Substanzen, welche er versuchte, zeigten diese
Eigenschaft. Es muß bemerkt werden, daß er stets mit großen Massen experimentirte
und daß die Verdampfung der Flüssigkeit immer an freier Luft und in weiten Gefäßen
stattfand.
Seine ersten Versuche stellte er mit Aetzkali und Aetznatron, den sogenannten fixen
Alkalien an. Dieselben werden von den Dämpfen ihrer Auflösung in hinreichender Menge
mitgerissen, um auf allen der Luft ausgesetzten Theilen der Haut ein starkes Jucken,
sowie einen Reiz der Kehle beim Einathmen des Dampfes hervorzubringen. Nach diesen
führt er das phosphorsaure Natron, das salpetersaure und arsenigsaure Kali und
Natron an, welche Salze bekanntlich außerdem mehrere Eigenschaften mit einander
gemein haben. Hierauf folgen das schwefelsaure Zink, Quecksilber, Kupfer und Eisen,
wodurch es erklärlich wird, daß die Wände der Anstalten, wo letzteres Salz (der
Eisenvitriol) im Großen bereitet wird, sich mit einer ockergelben Schicht
basisch-schwefelsauren Eisens überziehen; ferner das salpetersaure
Quecksilber, das salpetersaure Silber, das Cyankalium, das gelbe und rothe
Cyaneisenkalium, das neutrale weinsteinsaure Kali und das weinsteinsaure
Natronkali.
Auch die Chlormetalle werden vom Wasserdampf mitgerissen, jedoch bei verschiedenen
Wärmegraden. Die sehr flüchtigen nämlich, wie die Chloride des Quecksilbers,
Antimons, Zinns, Wismuths, Arseniks, Eisens und Zinks, verflüchtigen sich in
ziemlich großer Menge, während die fixen oder wenig flüchtigen, zu welchen die
Chloride des Nickels, Kobalts, Kupfers, Bleies, Natriums gehören, nur in geringer
Menge von den Wasserdämpfen mitgerissen werden. Eben so verhält es sich mit den
Jodmetallen; diese werden aber oft zersetzt und das Jod dabei frei. Dieselbe
Verflüchtigung zeigen auch die Ammoniaksalze, wovon einige, wie das salzsaure, das
kohlensaure, sich sogar bei einer Temperatur unter dem Siedepunkt des Wassers
verflüchtigen. Endlich gaben auch mehrere essigsaure, buttersaure, baldriansaure und
ameisensaure Salze dieselben Resultate.
Diese Eigenschaft gewisser Substanzen, sich mit den Dämpfen ihres Auflösungsmittels
zu verflüchtigen, gestattet verschiedene Anwendungen, worunter einige nicht ohne
Belang sind. Nach Versuchen des Hrn. Larocque kann man
hoffen, sie mit einigem Vortheil zur Tapetenfabrication anzuwenden. Die Tapeten und
farbigen Papiere, wovon er Muster vorlegte, wurden durch salpetersaures Silber erhalten. Mehrere andere Salze
zeigten sich ebenfalls dazu geeignet; am besten aber das genannte Silbersalz. Hr.
Larocque bedient sich dazu folgenden Verfahrens. In
einem Zimmer, in welchem Schnüre gespannt sind, werden die weißen Papierbögen
ausgebreitet; in die Mitte des Zimmers wird auf einen Ofen eine Porzellanschale
gestellt, in die man eine Mischung von 1 Kil. Salpetersäure von 40°
Baumé und 1/2 Kilogr. Wasser gießt und dann 500–600 Gramme Silber
wirft, worauf man gelinde erwärmt. Es entsteht sogleich eine lebhafte Reaction, in
deren Folge sich viel Stickoxyd (Salpetergas) entbindet. So lange sich diese Dämpfe
bilden, verflüchtigt sich Silbersalz und es werden Zeichnungen erzeugt. Nach
20–40 Minuten, je nach den Nüancen die man zu erhalten beabsichtigt, werden
die Papiere weggenommen und andere dafür ausgebreitet u.s.f.
Wenn sich das Silber vollkommen aufgelöst und alle Reaction aufgehört hat, dampft man
die Flüssigkeit ab und läßt sie krystallisiren. Den erhaltenen Silbersalpeter bringt
man in den Handel. Die so zubereiteten Papiere verursachen also keine besondern
Unkosten.
Je nachdem man das Papier mehr oder weniger lang dem Einfluß der silberhaltigen
Dämpfe aussetzte und je nachdem es dem Ausgangspunkte derselben mehr oder weniger
nahe war, erhält man ein einfarbiges oder ein getüpfeltes Papier, welches letztere
dem Granit sehr ähnlich sieht. Will man auf dem Papier weiße Zeichnungen (Dessins)
hervorbringen, wie Blätter, Spitzen etc., so braucht man dasselbe, ehe man es den
Dämpfen ausseht, nur mit Ausschnitten (Patronen) der gewünschten Zeichnungen zu
belegen. (Vorgelegte Muster hievon waren sehr gelungen.)
Diese Papiere sind sehr beständig und verändern sich weder an der Luft noch am Licht,
weil das Silber das färbende Princip ist. Wahrscheinlich ist das Silber auf diesem
Papier als Silberoxyd mit der organischen Materie verbunden, weil es durch bloße
Berührung einer Auflösung von unterschwefligsaurem Natron, Jod-, Brom-
oder Cyankalium entfärbt wird. Vorzüglich das letzte dieser Salze nimmt die durch
Silbersalpeter auf organischen Geweben erzeugten Flecken, mögen sie noch so alt
seyn, sehr leicht hinweg.
Nicht nur die Industrie, sondern auch die analytische Chemie, die Toxikologie, die
Pharmacie, und vielleicht auch die Therapie, können aus Hrn. Larocque's Versuchen Nutzen ziehen. Der Chemiker muß beim Abdampfen von
Salzlösungen eine sehr mäßige Wärme anwenden, wenn er den Verlust eines großen
Theils seines Products vermeiden will; dieß gilt insbesondere für quantitative Analysen.
Der Apotheker wende niemals Alkohol oder Aether, die zur Bereitung von Extracten,
Pflanzenalkalien und dergleichen heftig wirkenden Stoffen dienten, zu etwas anderm
an, als zur Bereitung derselben oder verwandter Substanzen. Der Arzt endlich dürfte
manche Krankheit durch die auf analoge Art in Dunstform gereichten Arzneimittel
bekämpfen können.
Es bleibt übrigens noch die Frage zu beantworten, ob bei diesen Erscheinungen
wirklich eine Verflüchtigung stattfindet; vielleicht
beruhen sie bloß auf dem Umstand daß, wenn eine Flüssigkeit im Sieden begriffen ist,
oder ein so intensiver Gasstrom durch sie streicht, daß ein Aufwallen entsteht,
immer etwas Flüssigkeit von den Dämpfen oder dem Gasstrom in Form eines feinen
Regens, mechanisch mitgerissen wird, also in Tröpfchen, die je nach ihrem Volum mehr
oder weniger weit geführt werden können.