Titel: | Ueber Oel- und Harzcement; von K. Karmarsch. |
Fundstelle: | Band 118, Jahrgang 1850, Nr. LXIV., S. 291 |
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LXIV.
Ueber Oel- und Harzcement; von K. Karmarsch.
Aus Prechtl's technolog. Encyklop. Bd. XVI S.
372.
Karmarsch, über Oel- und Harzcement.
1) Oelcement. Unter Oelcement versteht man eine Art
künstlicher Sandsteinmasse, deren Bindung oder Zusammenhang durch einen Zusatz von
trocknendem Oele bewirkt wird, und die man zur Anfertigung von Statüen, Büsten,
architektonischen Ornamenten, Fußbodenplatten u.s.w., auch zur Ausbesserung und
Ergänzung alter beschädigter Sandsteinarbeiten (überdieß als Mauerverputz und zum
Ausfugen des Mauerwerks, wie den römischen und Portland-Cement) gebraucht.
Die Grundlage dazu ist ein Gemenge von kleinkörnigem Quarzsand, gepulvertem
Kalkstein und höchst fein gemahlener Bleiglatte; das Bindemittel Leinöl, je älteres
desto besser. Leinölfirniß (d.h. mit Bleiglätte gekochtes Oel) anzuwenden ist nicht
nöthig, obschon allerdings dem Erhärten förderlich. Das quantitative Verhältniß der
Zuthaten, namentlich des Sandes und Kalksteins, kann ohne Nachtheil ziemlich
bedeutend verändert werden; eine Hauptsache jedoch ist, daß nicht zu wenig
Bleiglätte vorhanden sey, weil diese durch ihre Einwirkung auf das Oel das Erhärten
des letztern und folglich den Zusammenhang der ganzen Masse hervorbringen muß.
Man mengt z.B. 30 Pfund Sand mit 70 Pfund Kalkstein und 3 Pfund Bleiglätte; oder 35
Pfund Sand mit 62 Pfund Kalkstein und 3 Pfund Bleiglatte. Je weniger Kalkstein dazu
genommen wird, desto härter wird das Product; aber es fällt dann auch poröser aus,
weil die feinen Kalksteinstäubchen gerade den Nutzen haben, die Zwischenräume der
Sandkörner auszufüllen. Kreide kann den Kalkstein nicht ersehen, sondern gibt eine
schlechte, weiche Masse; nicht viel besser ist Ziegelmehl. Dagegen entsteht eine
sehr gute Zusammensetzung, wenn man statt des Kalksteins fein zerstoßenen Sandstein
oder den beim Behauen der Sandsteine abfallenden Staub anwendet; die härteste
Composition aber gewinnt man aus Sandsteinpulver oder fein gemahlenem Sande allein,
ohne anderen Zusatz als 10 bis 12 Procent Bleiglätte. Durch Beimischung von
Farbstoffen (Erdfarben) kann die Masse beliebig gefärbt werden.
Das trockene (am besten durch künstliche Wärme ausgetrocknete) pulverige Gemenge wird
mit 7 bis 8 Procent seines Gewichtes Leinöl recht sorgfältig durchgearbeitet, um
eine möglichst gleichmäßige Vertheilung der Bleiglätte und eine vollkommene Benetzung aller
Theilchen mit dem Oele zu erlangen, worauf der gute Erfolg wesentlich beruht. Der so
angemachte Cement zeigt im frischen Zustande wenig Zusammenhang, kaum mehr als
feuchter Formsand; allein nach 24 bis 48 Stunden wird er ziemlich fest, einige
Wochen später gibt er bereits an Festigkeit einem gewöhnlichen Sandsteine wenig
nach, und in Zeit eines halben Jahres, oder schon früher, erlangt er eine solche
Härte, daß man damit am Stahle Funken schlagen kann. Die zuletzt angegebene, bloß
aus gepulvertem Sand und viel Bleiglätte bestehende Masse erhärtet binnen sogar acht
Tagen so sehr, daß sie Hammerschläge aushält, und nimmt bis zum vierten Jahre noch
immer an Härte zu. Die Verarbeitung des frisch mit Oel angemachten Gemenges
geschieht in hölzernen oder starken gypsenen Formen, welche man inwendig mit
Leimwasser anstreicht und mit Lycopodium bestäubt, um das Anhängen der stark
hineingepreßten oder hineingestampften Masse zu verhindern. Runde Bildhauerwerke
müssen so lange in der Form bleiben, bis sie hinreichende Festigkeit erlangt haben,
um sich selbst zu tragen; halberhabene Arbeiten, Platten und dergl. werden dagegen
schon nach einigen Minuten herausgenommen und zum Trocknen hingelegt. Statuen und
andere Gegenstände mit weit hervor freistehenden verhältnißmäßig dünnen Theilen
verstärkt man durch eingeschlossene Eisenstangen, oder man macht dazu ein ganzes
Gerippe von zusammengeschraubten oder vernieteten Eisenstäben, um welches, nachdem
es in die leere Form gebracht worden ist, die Masse eingestampft wird. Beim Trocknen
oder Erhärten verziehen sich die Gegenstände nicht, und wenn sie einmal gehörig
erhärtet sind, halten sie in der Witterung vortrefflich aus, und bewähren eine große
Dauerhaftigkeit, wie sich schon nach der Natur des in ihnen enthaltenen Bindemittels
(des eingetrockneten Leinöls) erwarten läßt. Um stückweise geformte Arbeiten
zusammenzusetzen, bedient man sich als Kitt einer erwärmten Mischung aus 20 Pfund
des pulverigen Cementes selbst, acht Pfund Harz und drei Pfund Talg. Wenn es darauf
ankommt Steine auszubessern, an welchen Ecken abgestoßen oder andere Beschädigungen
vorhanden sind, so gibt man zuerst der Stelle durch Behauen eine reine und rauhe
Oberfläche, tränkt sie dann mit Leinölfirniß, und trägt den mit Leinöl angemachten
Cement mit Drücken und Streichen (letztere stets nach einerlei Richtung vollführt)
auf.
Sind bei solchen Reparaturen stark hervorspringende Theile anzusetzen, so kann es
nöthig werden, das Abfallen der frischen, wenig zusammenhängenden Masse dadurch zu verhindern, daß
man in die Oberfläche des Steins einige Nägel einläßt, deren herausstehende Enden
genügende Anhaltspunkte darbieten. In anderen Fällen, z.B. bei der Herstellung stark
überhängender Gesimse, ist es am rathsamsten, dem Cemente bis zu seiner Erhärtung
durch untergelegte hölzerne Leisten einige Tage lang eine Stütze zu geben.
2) Harzcement. Wie im Oelcement das zu einer harzähnlichen
Substanz eingetrocknete Leinöl als Bindemittel für die dadurch gleichsam
zusammengekitteten körnigen oder pulverigen Stoffe dient, so hat man neuerlich den
nämlichen Zweck durch Harz zu erreichen gesucht. Es
entsteht hierdurch der doppelte Vortheil, daß man aus diesem Harzcemente beliebige
Gegenstände durch Gießen erzeugen kann, was weit weniger langwierig und mühsam ist,
als das Einstampfen in die Formen; und daß diese Gegenstände sogleich, nachdem sie
aus der Form genommen sind, ihre ganze Festigkeit und Härte besitzen, folglich der
Zeitpunkt ihrer vollkommenen Brauchbarkeit nicht erst abgewartet werden muß. Man
wendet Colophonium oder (jedenfalls besser) gelbes Harz an, welchem man durch
Zusammenschmelzen mit etwas Leinöl oder Talg (8–16 Loth auf 100 Pfd. Harz)
eine größere Geschmeidigkeit ertheilt. Dem so versetzten und im Fluß befindlichen
Harze wird das Zweifache seines eigenen Gewichtes, Kreide oder Kalkstein (im fein
gepulverten Zustande) durch sorgfältiges Verrühren beigemischt, worauf man es zu
Kuchen ausgießt und für die weitere Verarbeitung aufbewahrt. Um diese zu
bewerkstelligen, schmilzt man in einem eisernen Kessel 100 Pfund solcher Kuchen,
setzt ungefähr 16 Loth klein gehackte Fäden von alten Stricken oder Tauen, dann
allmählich 600 bis 800 Pfund völlig trocknen Sand hinzu, rührt alles gut ein, und
läßt das Ganze noch zwei Stunden lang in der Hitze. Die Steinmasse ist nun fertig
und kann in beliebige Formen gegossen werden. Man verwendet sie zum Pflaster für
Fußwege (auf welche sie direct aufgegossen wird), zu Platten, Wasserrinnen,
Basreliefs u. dergl. Um gewisse Arten von Marmor nachzuahmen, soll man in das mit
Kreide vermischte Harz verschiedenfarbigen natürlichen Marmor, in kleine Stücke
zerschlagen, oder statt dessen kleine Kiesel, Feuersteintrümmer u.s.w.
einmengen.
Der von Lowitz in Hamburg bereitete und in vielen Fällen
als sehr brauchbar erprobte Harzcement besteht aus 65 Gewichtstheilen Kreide, 34
Theilen Colophonium und 1 Theil Terpenthin. Das Colophonium wird geschmolzen, die
(gepulverte) Kreide und der Terpenthin unter beständigem Rühren dazu gemischt, und
hiernach die Masse auf Blechtafeln ausgegossen, wo sie schnell erhärtet. Bei der
Anwendung dieses Cements im Bauwesen werden 60 Pfund desselben in einem Kessel
geschmolzen und 120 Pfund reiner trockner Sand, nebst fünf Maaß Steinkohlentheer
hinzugefügt. Diese Masse wird mittelst Mauerkellen aufgetragen und in beliebiger
Dicke verstrichen; sie ist bindend und wird fast so hart wie Stein, ohne auffallend
brüchig zu seyn.