Titel: | Ueber ein neues Reagens auf Traubenzucker und Rohrzucker; von Prof. Böttger. |
Fundstelle: | Band 144, Jahrgang 1857, Nr. XCI., S. 368 |
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XCI.
Ueber ein neues Reagens auf Traubenzucker und
Rohrzucker; von Prof. Böttger.
Aus dem polytechnischen Notizblatt, 1857, Nr.
7.
Böttger, über ein neues Reagens auf Traubenzucker und
Rohrzucker.
Ich habe sowohl bei der Versammlung der Naturforscher und Aerzte in Gotha, wie bei
der in Göttingen, in einer der Sectionssitzungen für Chemie, auf ein von mir
entdecktes neues Reagens auf Trauben- und Rohrzucker aufmerksam gemacht; da
indeß bis jetzt weder über die eine, noch über die andere der genannten
Versammlungen ein amtlicher Bericht erschienen, so komme ich den mehrfach an mich
ergangenen Aufforderungen meiner Freunde und Collegen zur Veröffentlichung desselben
um so bereitwilliger entgegen, als ich mich seitdem in unzähligen Fällen von der
Feinheit und Zuverlässigkeit dieses neuen Prüfungsmittels auf Zucker, besonders in
Fällen von Diabetes mellitus zu überzeugen Gelegenheit
gehabt.
Es ist bekannt, daß die Untersuchung des Harns und anderer Excrete auf einen Gehalt
an Zucker bisher für den Arzt mit mannigfachen Schwierigkeiten verknüpft war, indem
immer eine gewisse Gewandtheit im Experimentiren dazu gehörte, um sowohl mittelst
der sogenannten Runge'schen, wie mittelst der Trommer'schen Probe kleine Mengen von Zucker in solchen
Excreten sicher zu erkennen und nachzuweisen. Da überdieß, meinen Beobachtungen
zufolge, auf Kupferoxydhydrat in der Trommer'schen Probe
auch freie Harnsäure reducirend wirkt, so können
selbstverständlich Fälle vorkommen, in welchen der Arzt völlig im Zweifel bleibt, ob
er es mit einem zuckerhaltigen, oder zuckerfreien Harn zu thun hat. Durch mein neues
Verfahren wird dagegen einem jeden ein so sicheres und dabei so leicht in Ausführung zu
bringendes Reagens an die Hand gegeben, daß ich mir im Voraus schmeichle, kein Arzt
werde von jetzt an unterlassen, sich seiner in vorkommenden Fällen zu bedienen. Er
wird jetzt ohne weiteres sogleich am Krankenbette die Untersuchung anstellen können,
und dieß mit einer solchen Sicherheit, Leichtigkeit und mit einer verhältnißmäßig so
geringen Menge (ein Eßlöffel voll möchte in den meisten Fällen vollkommen
ausreichen), daß er von den bisher in Anwendung gebrachten Methoden mit Freuden sich
trennen wird. Das neue Reagens besteht aus basisch
salpetersaurem Wismuthoxyd (dem sogenannten Magisterium bismuthi) unter gleichzeitiger Mitanwendung einer Auflösung
von kohlensaurem Natron.
Um Harn auf einen Zuckergehalt zu prüfen, schüttet man ihn in ein Reagensglas, fügt dazu ein gleiches Volumen einer Auflösung von
kohlensaurem Natron (aus 3 Gewichtstheilen Wasser und 1 Gewichtstheil
krystallisirtem kohlensaurem Natron bereitet), sodann eine Messerspitze voll
basisch salpetersaures Wismuthoxyd, und erhitzt das Ganze zum Sieden. Zeigt
das schneeweiße Wismuthsalz nach dem Sieden die geringste Schwärzung oder Graufärbung, so ist das
Vorhandenseyn von Harnzucker auf das Bestimmteste angezeigt, indem ich gefunden, daß
außer Traubenzucker, kein im Harn sonst vorkommender Stoff, organischer wie
unorganischer Natur, die Eigenschaft hat, jenes Wismuthsalz bis zu Wismuthsuboxyd
oder gar zu Wismuthmetall zu desoxydiren. Da nun überdieß vollkommen reiner
Kandiszucker keine ähnliche Reaction zu Wege bringt, so
hat man in diesem neuen Reagens zugleich auch ein ganz vortreffliches Mittel, um
jede Spur Traubenzucker im Rohrzucker zu entdecken.