Titel: | Ueber die Fraunhofer'schen Linien; von G. Kirchhoff. |
Fundstelle: | Band 156, Jahrgang 1860, Nr. XII., S. 32 |
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XII.
Ueber die Fraunhofer'schen Linien; von G. Kirchhoff.
Aus den Monatsberichten der Berliner Akademie der
Wissenschaften, Octbr. 1859.
Kirchhoff, über die Fraunhofer'schen Linien.
Bei Gelegenheit einer noch nicht veröffentlichten, von Bunsen und mir in Gemeinschaft ausgeführten Untersuchung über die Spectren
farbiger Flammen, durch
welche es uns möglich geworden ist, die qualitative Zusammensetzung complicirter
Gemenge aus dem Anblick des Spectrums ihrer Löthrohrflamme zu erkennen, habe ich
einige Beobachtungen gemacht, welche einen unerwarteten Aufschluß über den Ursprung
der Fraunhofer'schen Linien geben und zu Schlüssen
berechtigen von diesen auf die stoffliche Beschaffenheit der
Atmosphäre der Sonne und vielleicht auch der helleren Fixsterne.
Fraunhofer hat bemerkt, daß in dem Spectrum einer
Kerzenflamme zwei helle Linien auftreten, die mit den beiden dunklen Linien D des Sonnenspectrums zusammenfallen. Dieselben hellen
Linien erhält man leicht stärker von einer Flamme, in die man Kochsalz gebracht hat.
Ich entwarf ein Sonnenspectrum und ließ dabei die Sonnenstrahlen, bevor sie auf den
Spalt fielen, durch eine kräftige Kochsalzflamme treten. War das Sonnenlicht
hinreichend gedämpft, so erschienen an Stelle der beiden dunklen Linien D zwei helle Linien; überstieg die Intensität jenes aber
eine gewisse Gränze, so zeigten sich die beiden dunklen Linien D in viel größerer Deutlichkeit, als ohne Anwesenheit
der Kochsalzflamme.
Das Spectrum des Drummond'schen Lichtes enthält der Regel
nach die beiden hellen Natriumlinien, wenn die leuchtende Stelle des Kalkcylinders
noch nicht lange der Glühhitze ausgesetzt war; bleibt der Kalkcylinder unverrückt,
so werden diese Linien schwächer und verschwinden endlich ganz. Sind sie
verschwunden oder nur schwach hervortretend, so bewirkt eine Alkoholflamme, in die
Kochsalz gebracht ist, und die zwischen den Kalkcylinder und den Spalt gestellt
wird, daß an ihrer Stelle zwei dunkle Linien von ausgezeichneter Schärfe und
Feinheit sich zeigen, die in jeder Hinsicht mit den Linien D des Sonnenspectrums übereinstimmen. Es sind so die Linien D des Sonnenspectrums in einem Spectrum, in welchem sie
natürlich nicht vorkommen, künstlich hervorgerufen.
Bringt man in die Flamme der Bunsen'schen Gaslampe
Chlorlithium, so zeigt das Spectrum derselben eine sehr helle scharf begränzte
Linie, die in der Mitte der Fraunhofer'schen Linien B und C liegt. Läßt man
Sonnenstrahlen von mäßiger Intensität durch die Flamme auf den Spalt fallen, so
sieht man an dem bezeichneten Ort die Linie hell auf dunklerem Grunde; bei größerer
Stärke des Sonnenlichts aber tritt an ihrer Stelle eine dunkle Linie auf, die ganz
denselben Charakter hat als die Fraunhofer'schen Linien.
Entfernt man die Flamme, so verschwindet die Linie, so weit ich habe sehen können,
vollständig.
Ich schließe aus diesen Beobachtungen, daß farbige Flammen, in deren Spectrum helle,
scharfe Linien vorkommen, Strahlen von der Farbe dieser Linien, wenn dieselben
durch sie hindurch gehen, so schwächen, daß an Stelle der hellen Linien dunkle
auftreten, sobald hinter der Flamme eine Lichtquelle von hinreichender Intensität
angebracht wird, in deren Spectrum diese Linien sonst fehlen. Ich schließe weiter,
daß die dunklen Linien des Sonnenspectrums, welche nicht durch die Erdatmosphäre
hervorgerufen werden, durch die Anwesenheit derjenigen Stoffe in der glühenden
Sonnenatmosphäre entstehen, welche in dem Spectrum einer Flamme helle Linien an
demselben Ort erzeugen. Man darf annehmen, daß die hellen, mit D übereinstimmenden Linien im Spectrum einer Flamme
stets von einem Natriumgehalt derselben herrühren; die dunklen Linien D im Sonnenspectrum lassen daher schließen, daß in der
Sonnenatmosphäre Natrium sich befindet. Brewster hat im
Spectrum der Salpeterflamme helle Linien aufgefunden am Orte der Fraunhofer'schen Linien A, a,
B; diese Linien deuten auf einen Kaliumgehalt der Sonnenatmosphäre. Aus
meiner Beobachtung, nach der dem rothen Lithiumstreifen keine dunkle Linie im
Sonnenspectrum entspricht, würde mit Wahrscheinlichkeit folgen, daß Lithium in der
Atmosphäre der Sonne nicht oder doch nur in verhältnißmäßig geringer Menge
vorkommt.
Die Untersuchung der Spectren farbiger Flammen hat hiernach ein neues und hohes
Interesse gewonnen; ich werde dieselbe, gemeinschaftlich mit Bunsen, so weit führen, als es unsere Mittel gestatten. Dabei werden wir
die durch meine Beobachtungen festgestellte Schwächung der Lichtstrahlen in Flammen
weiter erforschen. Bei den Versuchen, die in dieser Richtung von uns bereits
angestellt sind, hat sich schon eine Thatsache ergeben, die uns von großer
Wichtigkeit zu seyn scheint. Das Drummond'sche Licht
erfordert, damit in ihm die Linien D dunkel
hervortreten, eine Kochsalzflamme von niederer Temperatur. Die Flamme von wässerigem
Alkohol ist hierzu geeignet, die Flamme der Bunsen'schen
Gaslampe aber nicht. Bei der letzteren bewirkt die kleinste Menge von Kochsalz,
sobald sie überhaupt sich bemerklich macht, daß die hellen Linien sie zeigen. Wir
behalten uns vor, die Consequenzen zu entwickeln, die an diese Thatsache sich
knüpfen lassen.