Titel: | Ueber den Einfluß des Kalkgehaltes in Zuckerlösungen auf deren specifisches Gewicht und Polarisation; von Dr. C. Stammer. |
Autor: | Karl Stammer [GND] |
Fundstelle: | Band 156, Jahrgang 1860, Nr. XVI., S. 40 |
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XVI.
Ueber den Einfluß des Kalkgehaltes in
Zuckerlösungen auf deren specifisches Gewicht und Polarisation; von Dr. C. Stammer.
Stammer, über den Einfluß des Kalkgehaltes in Zuckerlösungen auf
deren specifische Gewicht und Polarisation.
Es gilt zwar im Allgemeinen als Regel, daß man bei der Polarisation kalkhaltiger
Zuckerlösungen kein ganz genaues Resultat erhält, wenn man nicht vorher den Kalk
entfernt, oder doch dessen Verbindung mit Zucker zersetzt hat. So viel mir bekannt,
sind aber bestimmte Versuche über die zu erwartenden Irrthümer bei Vernachlässigung
dieser Correction noch nicht veröffentlicht worden; da aber der Kalk in wechselnder
Menge fast alle Zuckerlösungen begleitet, welche zur Untersuchung kommen, so scheint
es mir von Interesse, daß die hierher gehörigen Erscheinungen näher erforscht
werden. Einige Bestimmungen des spec. Gewichtes und der Polarisation kalkhaltiger
Zuckerlösungen haben denn auch gezeigt, daß die durch den Kalkgehalt veranlaßten
Fehler allerdings beträchtlicher ausfallen, als man meist anzunehmen geneigt ist,
und daß man diesen Umstand wenigstens bei genaueren Prüfungen nicht außer Acht
lassen sollte, wie er denn wohl auch nicht selten die Veranlassung zu Erscheinungen
bieten muß, die unerklärlich schienen oder zu weit hergeholten Erklärungen
Gelegenheit gaben.
Von meinen Versuchen mögen nur einige wenige hier angeführt werden; sie werden jedoch
hinreichen, erstens zu zeigen, wie groß der bezeichnete Fehler seyn kann, und
zweitens, auf welche Weise man am einfachsten und sichersten denselben
vermeidet.
1) Eine reine Zuckerlösung wurde auf 15 Proc.Hier wie bei allen ähnlichen Beziehungen sind Procente Balling gemeint. Die Polarisation geschah mit einem vorzüglichen
Ventzke'schen Instrumente. Die Kalkbestimmung
ist eine nach dem Volum, d.h. sie ist nickt auf
100 Gewichtstheile, sondern auf 100 Kubikcentimeter der Zuckerlösung bezogen welche
mit Normalsalpetersäure geprüft wurde. verdünnt, und polarisirte dem entsprechend 14,97 Proc. Zu derselben wurden
50 Proc. ihres Volums einer Kalkmilch gemischt, welche 15 Proc. am Saccharometer
zeigte. Dadurch wurden, nach vorher angestellten Ermittelungen über den Kalkgehalt
dieser letzteren Flüssigkeit, 5 Proc. Kalk zur Zuckerlösung hinzugefügt. Es
resultirte eine trübe Flüssigkeit, welche 16 Proc., nach dem Abklären aber 13,5
Proc. wog. Die filtrirte Lösung polarisirte für sich allein 8,98 Proc.; dieß gibt, da die
Losung auf das 1 1/2 fache verdünnt worden war, 13,4 Proc. für die ursprüngliche Concentration, statt 14 Proc.
Die Polarisation fiel also in Folge des Gehaltes an gelöstem Kalk – der in
diesem Falle nach directem Versuch 1,47 Proc. betrug – um 1,6 Proc. oder um
10,6 Proc. des wirklichen Zuckergehaltes zu gering
aus.
Die Lösung enthielt an Zucker und Kalk (der Zucker war auf 150 Theile Lösung
vertheilt) 11,4 Proc.; da das Aräometer aber in der klaren Lösung 13,5 gezeigt
hatte, so war bei diesem Kalkgehalte die Anzeige um 2,1 Proc., oder um das
Anderthalbfache des Kalkgehaltes zu hoch.
2) Eine reine Zuckerlösung von 17 Proc. wurde mit 5 Proc. trockenem Kalkhydrat versetzt und wohl vermischt. Die trübe Flüssigkeit wog nun 23,5 Proc., die filtrirte 20
Proc. Letztere ergab bei der Polarisation nur 14,3 Proc. Der Fehler beträgt also in
diesem Falle 2,7 Proc. oder 16 Proc. der vorhandenen
Zuckermenge.
3) Eine reine Zuckerlösung von 9,8 Proc. wurde mit soviel trockenem ungelöschten Kalk
versetzt, daß die filtrirte Lösung 0,294 Proc. Kalk enthielt.
Sie wog nunmehr 10,6 Proc., also 0,5 Proc. und mithin ähnlich wie bei 1) um das mehr
als Anderthalbfache des Kalkes zu hoch.
Sie polarisirte 9,4 Proc., woraus man also den Zuckergehalt um 0,4 Proc. zu niedrig,
den Gehalt an fremden Stoffen – hier nur Kalk – um 1,2 Proc. zu hoch
erschließen würde.
4) Zuckerlösungen von resp. 6,7 Proc. und 6,6 Proc. mit resp. 0,5 und 0,42 Proc.
Kalkhydrat gemischt, ergaben ein Gewicht von 7,5 und 7,6 Proc., also von 0,3 und
0,58 Proc. zu hoch. Polarisationen dieser Lösungen wurden nicht vorgenommen, da der
Fehler derselben durch die Versuche 1–3 hinreichend dargethan schien.
––––––––––
Es geht hieraus deutlich hervor, daß selbst in den Fällen geringen Kalkgehaltes der
dadurch hervorgerufene Fehler in den Angaben der Polarisation nicht vernachlässigt
werden sollte. Es fragt sich nun, welches. Mittel anzuwenden ist, um den Kalkgehalt
zu entfernen oder doch für das Instrument unwirksam zu machen. Zu diesem Zwecke ist
von Ventzke schon die Essigsäure empfohlen worden und ich
habe dieselbe als ein vollkommen zuverlässiges Aushülfemittel erkannt. Es ergeben
nämlich die oben erwähnten Zuckerlösungen mit Kalkgehalt bei den einzelnen Versuchen
folgende Resultate:
Nr. 1)
Zusatz von 1/4
Volum Essigsäure;
polarisirtUnter Berücksichtigung der durch die Verdünnung erforderlich
werdenden Correctin.
14,97 Proc.
Nr. 2)
„
„ 1/4
„ „
„
17,0 „
Nr. 3)
„
„ 1/10
„ „
„
9,75 „
Nr. 4)
„
„ 1/10
„ „
„
6,7 und 6,6 Proc.
Die Essigsäure hat den Uebelstand, daß bei stark gefärbten Lösungen, die man mit
Bleiessig fällen will, die Entfärbung durch letzteres Reagens häufig so gut wie
gänzlich verhindert wird. Man darf sie also erst zusetzen, wenn der
Bleiessigniederschlag abfiltrirt ist, und es ist dann eine doppelte Correction des
Resultats oder ein etwas umständlicheres Verfahren erforderlich. Man hat dann
nämlich einen der folgenden Wege zu wählen:
a. Man fällt 20 Vol. Zuckerlösung mit 1 Vol. Bleiessig,
filtrirt ab und fügt zu 21 Kubikcentimetern des Filtrats 1 Kubikcentim. Essigsäure.
Zur Correction ist dann wie gewöhnlich 1/10 Vol. als Zusatz zu berechnen.
b. Wenn mit 1/20 Vol. Bleiessig die Fällung nicht
ausreicht, so hat man 20 Vol. der Lösung mit 2 Vol. Bleiessig zu versetzen, vom
Filtrat aber 22 Kubikcent. mit 2 Kubikcent. Essigsäure (welche Menge in der Regel
ausreicht) zu vermischen und nun bei der Correction den Zusatz mit 1/5 Vol. zu
berücksichtigen.
Beide Methoden sind nicht recht bequem, weil zur Fällung eine größere Menge
Flüssigkeit genommen werden muß, und die gewöhnlichen taxirten Kölbchen nicht
ausreichen, sondern vollständig graduirte Cylinder erforderlich sind.
Ich habe daher noch andere Substanzen auf ihre Anwendbarkeit zur Neutralisation des
Kalkes geprüft, nämlich Stearinsäure, phosphorsaures AmmoniakSiehe polytechn. Journal Bd. CLIV S.
218. und Kohlensäure.
Ohne hier auf die Ausführung und Resultate der einzelnen Versuche näher einzugehen,
erwähne ich nur folgende Schlüsse aus denselben:
Alle drei Neutralisationsmittel geben vollkommen zuverlässige Resultate, wenn die
erforderlichen Vorsichtsmaßregeln befolgt werden. Die Stearinsäure kann nur in der Hitze angewandt werden; dabei ist eine
Verdampfung, mithin Erhöhung der Concentration der Lösung nicht zu vermeiden, und die
Herstellung des ursprünglichen Volumens unthunlich, weil das von der Kalkseife
Zurückgehaltene schwer zu gewinnen ist. Sie ist also nur bei der Ermittelung des relativen Zuckergehaltes (des Zuckerquotienten)
anwendbar, indem man die entkalkte Lösung erkalten läßt und ihren Procentgehalt nach
dem Aräometer und der Polarisation bestimmt. Aehnliches gilt von der Kohlensäure. Schon während des Durchleitens derselben
wird das Volumen der Flüssigkeit verändert. Hier ist jedoch die Herstellung des
ursprünglichen Volumens nach dem Aufkochen und sorgfältigen Auswaschen des
Kalkniederschlages leichter zu bewerkstelligen.
Das phosphorsaure Ammoniak gibt sehr gute Resultate, hat
aber den Uebelstand, daß zur genauen Neutralisation bei
verschiedenen Säften auch verschiedene Verhältnisse angewandt werden müssen. Die
dadurch erforderlichen Messungen der Flüssigkeitsmengen sind lästig und geben leicht
zu Ungenauigkeiten Veranlassung. Aufkochen ist nicht erforderlich. Zur Herstellung
des relativen Zuckergehaltes gebe ich indessen dieser
Substanz den Vorzug vor allen anderen, da man den Neutralisationspunkt, wenn nicht
abgemessen zu werden braucht, sehr leicht trifft und nach dem, der leichteren
Filtration wegen, empfehlenswerthen Aufkochen der Versuch rasch beendigt ist.
Die Essigsäure ist dagegen zur Bestimmung des relativen Zuckergehaltes gar nicht
anwendbar, weil der Kalk nicht entfernt wird, sondern in anderer Form in Lösung
bleibt. Da aber, wie diese Versuche lehren, die Aräometeranzeige durch den
Kalkgehalt ganz besonders beirrt wird, so empfiehlt sich zur Ermittelung des
relativen Zuckergehaltes (des Zuckerquotienten) die vorherige Abscheidung des
Kalkes, und es erscheint der Schluß gewiß gerechtfertigt, daß sich hiezu das phosphorsaure Ammoniak am besten eignet, während bei der
Ermittelung des absoluten Zuckergehaltes die Essigsäure, in der oben bezeichneten Weise angewandt, die
besten Resultate gibt.