Titel: | Ueber die desinficirende Masse der HHrn. Demeaux und Ed. Corne. |
Autor: | Demeaux , Ed. Corne |
Fundstelle: | Band 156, Jahrgang 1860, Nr. XVIII., S. 47 |
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XVIII.
Ueber die desinficirende Masse der HHrn.
Demeaux und Ed. Corne.
Ueber Demeaux's desinficirende Masse.
Die von den Genannten angegebene Masse ist dazu bestimmt, übelriechende Wunden,
Geschwüre, Verbandstücke etc. zu desinficiren.
Sie besteht aus 100 Theilen gebranntem Gyps (aus Gypsspath oder dem besten Gestein),
welcher in ein sehr feines Pulver verwandelt wurde, und 2 bis 4 Theilen Steinkohlentheer (wie man ihn bei der Destillation der
Steinkohlen zur Gasbereitung erhält); diese beiden Substanzen werden durch
Zusammenreiben in einem Mörser mit einander vermischt. Das Gemisch muß eine graue
Farbe haben, aber pulverig und trocken seyn.
Die Anwendung dieser Mischung beim Verbinden von Wunden erfordert zunächst eine
Vorbereitung derselben; man reibt nämlich die Mischung mit einer gewissen Menge
Olivenöl zusammen, so daß man eine salbenartige Masse erhält; diese Masse, welche beliebig lange
aufbewahrt werden kann, wird zum Verbinden benutzt. Sie hat die Eigenschaft, den
Eiter vorzüglich gut zu absorbiren, so daß man keine Charpie anzuwenden braucht.
Im Spital der Charité zu Paris wurde diese desinficirende Masse einer
gründlichen Prüfung unterzogen, worüber Prof. Velpeau der
französischen Akademie der Wissenschaften zwei Berichte erstattet hat.Sie sind in den Comptes rendus, Juli 1859. Nr. 3
und Februar 1860, Nr. 6 veröffentlicht worden.
Zur Erklärung der Wirkungsweise dieses
Desinficirpulvers.
Ueber die Wirkungsweise dieses Desinficirpulvers entstand in der französischen
Akademie der Wissenschaften eine Discussion, an welcher sich hauptsächlich die HHrn.
Chevreul, Dumas und Payen
betheiligten.Comptes rendus, Juli 1859, Nr. 4 und August Nr.
5.
Nach Chevreul ist der Geruch einer in Fäulniß befindlichen
organischen Substanz stets aus verschiedenen eigenthümlichen Gerüchen
zusammengesetzt; im Eiter unterscheidet er einen Schwefelgeruch, einen
ammoniakalischen Geruch, einen Buttersäuregeruch, einen alkalischen Fischgeruch, und
einen faden ekelhaften Geruch. Hiernach dürfte die Wirkungsweise des
Desinficirpulvers folgende seyn: der Gyps (schwefelsaure Kalk) kann einerseits durch
seinen Kalk den Schwefelwasserstoff (den Schwefelgeruch) und die flüchtigen Säuren
(Buttersäure) zurückhalten, andererseits durch seine Schwefelsäure das Ammoniak (den
ammoniakalischen Geruch) und die verschiedenen (von Wurtz
entdeckten) Ammoniake welche durch die Gährung entstanden (den Fischgeruch). Den
faden, ekelhaften Geruch betreffend, glaubt Chevreul daß
er durch den Geruch des Theers nur verlarvt wird.
Chevreul bemerkt ferner, daß bei dm Flüssigkeiten der
Wunden außer der faulen Substanz auch die frische, noch nicht in Gährung
übergegangene Flüssigkeit in Betracht kommt, und er nimmt an, daß die vom
Desinficirpulver absorbirte Flüssigkeit in einem andern Zustand ist als die von
Leinwand absorbirte; denn das Wasser dieser Flüssigkeiten verbindet sich chemisch mit dem Gyps, die Flüssigkeiten trocknen aus oder
werden so weit concentrirt, daß sie schwieriger in Fäulniß
übergehen.
Dumas legt dem Steinkohlentheer eine viel größere
Wichtigkeit bei, als Chevreul. Er glaubt, daß der Theer
erstens den Zweck erfüllt, das Erhärten des Gypses zu verhindern, ohne dessen
Löschen (Aufnahme von Hydratwasser) zu beeinträchtigen, welchem letztern Umstand
beide Chemiker einen großen Einfluß auf das Conserviren der noch nicht in Fäulniß
übergegangenen thierischen Stoffe zuerkennen. Der Steinkohlentheer kann aber nach
Dumas noch zwei andere, eben so wichtige Zwecke
erfüllen, nämlich die künftige Fäulniß durch die in ihm
enthaltene Karbolsäure verhindern, und die bestehende
Fäulniß durch die beständige Ozonbildung vernichten; bekanntlich entsteht nämlich
Ozon in der mit Terpenthinöldampf gemischten Luft, daher man annehmen muß, daß es
auch in solcher Luft erzeugt wird welche mit Steinkohlentheer in Berührung ist.
Payen glaubt, daß der Steinkohlentheer hauptsächlich
durch die in demselben enthaltenen reducirenden Agentien
wirksam ist, welche die faule Gährung dadurch verhüten oder aufhalten können, daß
sie sich entweder der Bildung der speciellen Fermente widersetzen oder die Wirkung
dieser schon gebildeten Fermente paralysiren.Versuche von Payen ergaben, daß ein schwacher
Zusatz von Terpenthinöl, in Wasser aufgelöst, hinreichte um die Fäulniß des
Harns mehrere Tage lang zu verhindern, wogegen eine nicht mit Terpenthinöl
versetzte Portion dieses Harns in derselben Zeit in starke ammoniakalische
Gährung übergieng; andererseits weiß man durch die von Jaquemart im Großen angestellten Versuche, daß die Gegenwart des
Bodensatzes des Harns, welcher dessen specielles Ferment enthält, die
Umwandlung des Harnstoffs in kohlensaures Ammoniak sehr beschleunigt.
Anwendung des Desinficirpulvers für
Senkgruben.
Das Pulver der HHrn. Demeaux und Corne wurde auch zum Desinficiren der Senkgruben empfohlen. Zu diesem
Zweck ist jedoch nach Cabanes gewöhnliche Erde, wenn man
sie in Pulverform dem Steinkohlentheer beimischt, wenigstens eben so wirksam als der
Gyps, was die Commission der Akademie der Wissenschaften bestätigt fand.Comptes rendus, September 1859, Nr. 13 und
Februar 1860, Nr. 6.