Titel: | Untersuchungen über das Fuchsin; von E. Guignet. |
Fundstelle: | Band 156, Jahrgang 1860, Nr. XLI., S. 149 |
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XLI.
Untersuchungen über das Fuchsin; von E. Guignet.Aus der „Zeitschrift für Chemie und Pharmacie, herausgegeben zu
Heidelberg von Dr. E. Erlenmeyer und Dr. G. Lewinstein“, Jahrgang 1860, Heft 6 u.
7.
Guignet's Untersuchungen über das Fuchsin.
Dieser von Renard und Franc in
Lyon entdeckte Farbstoff ertheilt der Seide direct und der Baumwolle, wenn diese
vorher mit Albumin verbunden worden ist, eine prachtvolle Carminfarbe. Diese
herrlichen Nüancen widerstehen zwar nicht ganz der Einwirkung des Lichtes, aber sie
sind von einer so ausgezeichneten Lebhaftigkeit, daß das Fuchsin trotzdem dauernd
eine bedeutende Rolle in der Färberei und Zeugdruckerei spielen wird.
Renard und Franc stellen das
Fuchsin dar, indem sie wasserfreies Zinnchlorid (Spir.
fumans
Libavii) auf Anilin einwirken lassen.Dieses für R. A. Brooman in England patentirte
Verfahren wurde im polytechn. Journal Bd.
CLV S. 61 mitgetheilt. Man kann auch andere Chloride, namentlich Quecksilberchlorid anwenden.
Von Andern wurde ohne Anwendung von Chloriden durch andere Mittel eine dem Fuchsin
analoge Substanz dargestellt; dieß veranlaßte mich, abgesehen vom industriellen
Standpunkte, welchem ich fern zu bleiben wünsche, nur in chemischer Hinsicht eine
tiefergehende Untersuchung anzustellen.
Das Fuchsin stellt eine klebrige Masse dar, welche mit der Zeit fast vollkommen fest
wird. Es löst sich mit lebhaft rother Farbe in Alkohol und Weingeist, auch ist es
etwas löslich in Aether und Schwefelkohlenstoff.
Siedendes Wasser löst dasselbe mit rother Farbe auf. Aus der Lösung setzen sich beim
Erkalten braunrothe Blättchen ab, welche jedoch keine ausgesprochene Krystallform zu
haben scheinen.
Das Fuchsin scheint die salzsaure Verbindung einer besonderen Base zu seyn, oder ist
vielleicht ein Gemenge eines solchen Salzes mit der freien Basis.
Salpetersäure löst das Fuchsin mit gelber Farbe. Mit Wasser verdünnt wird die Lösung
roth. Sie gibt mit salpetersaurem Silber einen weißen Niederschlag von Chlorsilber,
ein Beweis, daß die Lösung eine salzsaure Verbindung enthält.
Beim Abdampfen in gelinder Wärme setzt die salpetersaure Lösung gut ausgebildete
prismatische Krystalle in sternförmigen Gruppen ab. Sie haben unter dem Mikroskop das
Aussehen wie salpetersaures Ammoniak. Sie sind sehr stark braun gefärbt. Dieselben
werden von Wasser wie von Alkohol theilweise zersetzt, indem sie sich roth färben,
ein Theil des Salzes krystallisirt aber jedesmal wieder unverändert aus.
Concentrirte Schwefelsäure zersetzt das Fuchsin unter Entwickelung beträchtlicher
Salzsäuredämpfe. Es bildet sich dabei eine gelbe Lösung, welche beim Erkalten zu
einer Krystallmasse von glimmerähnlichen Blättchen gesteht, die mir ein saures Salz
zu seyn scheinen. Beim Sättigen der Flüssigkeit mit kohlensaurem Baryt erhielt ich
ein anderes in farblosen Nadeln krystallisirendes Sulfat.
Wenn man endlich das Fuchsin mit Salzsäure behandelt, so erhält man eine gelbe
Lösung, aus welcher braune prismatische Krystalle anschießen.
Alle die vorhergehenden Salze werden niedergeschlagen, wenn man ihre Lösungen genau
mit Ammoniak sättigt, indem sich carminrothe, in Wasser wenig lösliche Flocken
absetzen, welche sich in Alkohol unter lebhafter Rothfärbung desselben sehr leicht
lösen.
In Berührung mit Ammoniak oder Kali im Ueberschuß entfärben sich diese rothen Flocken
vollkommen und gehen in eine weiße unlösliche Substanz über, welche die frühere
Farbe wieder annimmt, wenn sie mit Wasser oder Säuren behandelt wird.
Dieselbe Eigenthümlichkeit zeigen die mit Eiweiß und Fuchsin
gefärbten Baumwollenstoffe. Aetzkali entfärbt sie vollständig, die Farbe
erscheint aber bei der Einwirkung von reinem Wasser oder von Säuren wieder.
Die Base des Fuchsins scheint sich sehr dem Nitrazophenylamin zu nähern, welches Gottlieb
Annalen der Chemie und Pharmacie. Bd. LXXXV S. 17. durch Reduction des Dinitranilins mit Schwefelammonium erhielt. Das
Dinitranilin stellte derselbe durch Behandeln des Dinitrophenylcitraconimids mit
kohlensaurem Natron dar. Dieses letztere erhielt er bei der Einwirkung eines
Gemisches von Schwefelsäure und Salpetersäure auf Phenycitraconimid, dem Product der
Reaction von wasserfreier Citraconsäure auf Anilin.
Es wäre sehr interessant, wenn man die Identität der Base des Fuchsins, welche sich
so leicht darstellen läßt, mit dem Nitrazophenylamin, das man bisher nur auf großen
Umwegen erhalten konnte, nachzuweisen im Stande wäre.
Bei weiterer Verfolgung meiner Untersuchungen werde ich vielleicht zu diesem Nachweis
gelangen. In dieser Erwartung will ich nachzuweisen suchen, daß diese Unterstellung
nicht ganz unwahrscheinlich ist.
Das Anilin wird ausgedrückt durch die Formel: C¹² H⁷ N.
Gottlieb gibt dem Nitrazophenylamin die Formel:
C¹² H⁷ (NO⁴) N².
Wenn man Zinnchlorid mit Anilin in Reaction setzt, so kann begreiflicherweise, wegen
Abwesenheit an Sauerstoff die genannte Base nicht entstehen, aber es wird sich
vielleicht eine Verbindung bilden von der Formel: C¹² H⁷ Cl
N², in welcher Cl an der Stelle von NO⁴ eingetreten ist. Dieses wäre
die Base des gewöhnlichen Fuchsins.
Auf der anderen Seite würden diejenigen Processe der Darstellung des Fuchsins, welche
sich auf die Anwendung gewisser Nitrate gründen, Nitrazophenylamin erzeugen.
Es ist möglich, daß die beiden Körper C¹² H⁷ (Cl) N² und
C¹² H⁷ (NO⁴) N², deren chemische Eigenschaften
sehr ähnlich sind, auch ähnliche färbende Eigenschaften zeigen.