Titel: | Ueber eine neue Methode zum Auffinden der Baumwolle oder Wolle in den Seidengeweben; von Prof. P. Stefanelli. |
Fundstelle: | Band 156, Jahrgang 1860, Nr. LXIII., S. 226 |
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LXIII.
Ueber eine neue Methode zum Auffinden der
Baumwolle oder Wolle in den Seidengeweben; von Prof. P. Stefanelli.
Verhandlungen der Akademie der Künste und
Manufacturen in Toscana am 29 Juni 1859. – Aus der Zeitschrift für Chemie und Pharmacie,
1860 S. 230.
Methoden zum Auffinden der Baumwolle und Wolle in den
Seidengeweben.
Der Verf. hat eine interessante Denkschrift über die verschiedenen Methoden der
Entdeckung von verfälschten Geweben veröffentlicht. Im ersten Theile stellt er die
von anderen Chemikern angewandten Methoden, um in den seidenen Stoffen Baumwolle
oder Wolle zu entdecken, zusammen. Im zweiten Theile setzt er das von ihm zu diesem
Zwecke erfundene Verfahren auseinander.
Erster Theil.Zusammenstellung der verschiedenen von den Chemikern
vorgeschlagenen Methoden, um die betrügerische Einmischung von Baumwolle oder
Wolle in seidenen Stoffen zu entdecken.
1) Das am meisten gebräuchliche Mittel, um sich von dem Vorhandenseyn oder
Nichtvorhandenseyn der Baumwolle in den Seidengeweben zu überzeugen, besteht darin,
daß man ein Stück des verdächtigen Stoffes ausfasert, und die erhaltenen Fäden,
indem man sie der Flamme eines Lichtes nähert, einzeln verbrennt. Die Seide erleidet
das Verbrennen mit einer gewissen Schwierigkeit, erzeugt eine ziemlich schwammige Kohle und einen starken
Geruch nach verbranntem Horn oder Haaren. Die Baumwolle dagegen brennt mit Heller
Flamme, fast ohne einen Rückstand zu hinterlassen, und entwickelt einen
entschiedenen Geruch nach verbranntem Holze. Zuweilen jedoch bleibt etwas von den
Seidenfasern an den Baumwollenfäden hängen, wodurch die Verbrennung verzögert, der
Rückstand vermehrt, und der sich entwickelnde Geruch verdeckt oder verändert
wird.
2) Wenn man in einer Kali- oder Natronlauge, aus 5 Theilen Alkali und 100
Theilen Wasser bestehend, ein aus Seide und Baumwolle gemischtes Stück Zeug kochen
läßt, so wird sehr bald das Reagens den ersteren Webstoff angreifen und auflösen,
während es den zweiten beinahe unverändert läßt; aber dieß Verfahren kann (wie schon
von Andern gesagt und vom Verf. wiederholt bewiesen wurde) leicht zu Täuschung
führen, weil die Lauge nur schwer die Seide gänzlich
aufzulösen vermag, um so mehr, wenn dieselbe mit Substanzen gefärbt ist, welche
geeignet sind, sie theilweise vor der Wirkung des Alkalis zu schützen.
3) Lebaillif und Lassaigne
schlugen vor, das Gewebe, in welchem man Betrug vermuthet, auszufasern und die
gesammelten Fäden 15–20 Minuten lang in einer Lösung von salpetersaurem
Quecksilberoxydul kochen zu lassen. Auf diese Weise wird die Seide amaranthroth und
die Baumwolle (wenn deren beigemischt war) bleibt farblos. Dieses Verfahren, bemerkt
der Verfasser, kann man also nur auf weiße oder hellfarbige Stücke anwenden.
Indessen könnte man, wo es sich um Stoffe von dunklerer Farbe handelt (wenn man eine
umständlichere Behandlung nicht scheute), ehe man sie dem Kochen in salpetersaurem
Quecksilberoxydul aussetzt, die Farbe entfernen.
4) Dasselbe gilt, wie der Verfasser bemerkt, von Maumené's Methode, welcher darin von Lebaillif und Lassaigne abweicht, daß er statt
des Quecksilbersalzes Zinnchlorür anwendet. In diesem Falle nehmen die Seidenfäden
ein entschiedenes Schwarz an, während die Baumwollenfäden die Farbe nicht im
Geringsten verändern.
5) Für die farblosen oder beinahe farblosen Seidenstoffe wurde von Andern
vorgeschlagen, verdünnte Salpetersäure anzuwenden, welche beim Erhitzen eine sehr
verschiedenartige Wirkung auf die Webstoffe ausübt, je nachdem dieselben
animalischen oder vegetabilischen Ursprungs sind. Dieselbe färbt in der That die
ersteren entschieden und dauernd gelb, während sie das ursprüngliche Weiß der
letzteren nicht verändert.
6) Für die stark gefärbten, Baumwolle enthaltenden Seidenstoffe empfiehlt Peltier's Sohn folgendes Verfahren: Ein Stückchen des zum
Versuche bestimmten Stoffes wird 12–20 Minuten lang in eine zu gleichen Theilen aus
Salpetersäure und Schwefelsäure von 66º bestehende Mischung kalt eingetaucht,
indem man die Vorsicht gebraucht, dieselbe von Zeit zu Zeit zu schütteln. Wenn der
Stoff nichts als Seide enthält, so löst er sich in der mit ihm in Berührung
gebrachten Flüssigkeit auf; wenn er dagegen Baumwolle enthält, so bleibt ein
Rückstand, welcher, nachdem er hinlänglich gewaschen und getrocknet ist, die
charakteristischen Eigenschaften der Schießbaumwolle besitzt. Derselbe fügt hinzu,
daß (wenn man von dem Gewichte des zu dem Experimente benutzten Seidenstoffes Notiz
genommen hat) man aus dem Gewichte dieses Rückstandes das Verhältniß entnehmen kann,
in welchem die Seide zu der Baumwolle stand. Aber hier bemerkt der Verfasser, daß
eine solche quantitative Bestimmung stets ungenau ausfällt, weil die Celloluse,
indem sie sich in Schießbaumwolle verwandelt, eine bedeutende Gewichtsvermehrung
erleidet – eine Vermehrung, welche man durch Berechnung nicht scharf
feststellen kann, weil sie nicht immer gleich ist, wie solches klar aus den
Experimenten von Pelouze, W. Brem, Schmidt und Hecker, van Kerckhoff und Reuter hervorgeht. Aus diesem Grunde, schließt Stefanelli, erhielte man durch Befolgen von Peltier's letzten Andeutungen als Resultat eine weit größere Dosis
Baumwolle, als wirklich in dem Gewebe vorhanden war.
7) Um das Vorhandenseyn von Wolle in einem Seidengewebe zu entdecken, schlägt Lassaigne vor, dasselbe kalt in eine Auflösung von
Bleioxyd in Kali- oder Natronlauge einzutauchen. Die Auflösung wird bewirkt,
indem man Lauge, welche 15 Theile Alkali mit 1/100 Bleiglätte enthält, erhitzt.
Dieses Reagens schwärzt die Wolle wegen des in derselben befindlichen Schwefels und
verändert in keinerlei Weise die Seide. Es versteht sich von selbst, daß wenn das
Gewebe gefärbt ist, man vor Allem mittelst einer der bekannten Methoden die Farbe
entfernen muß.
8) Um in den Seidengeweben die Wolle zu entdecken, wurde ferner der Gebrauch des
Mikroskops als nützlich vorgeschlagen. Unter hinreichender Vergrößerung zeigen die
Seidenfäden die Gestalt gewundener Cylinder von gleichem Durchmesser in ihrer ganzen Länge, und sind mehr oder weniger der Länge
nach gestreift, während die Wollefäden eine ziemlich unregelmäßig gewundene Cylindergestalt darbieten und mit Streifen
gezeichnet sind, welche durch ihre verschiedenen Stellungen einigermaßen den
Zeichnungen der Rinde gewisser Bäume gleichkommen.
9) Der Gebrauch eines guten Mikroskops dient auch dazu, die Form der Wollefasern im
Vergleich zu denjenigen der Seidefasern zu bestimmen. Der berühmte Professor Adolfo Targioni-Tozzetti gelangte endlich sogar
dahin, den Unterschied zu entdecken, welcher zwischen den verschiedenen Seidenarten, die man von
verschiedenen Insecten erhält, stattfindetUeber den Bau des Seidenfadens einiger auferzogenen Insecten, wie der
Seidenwürmer und einiger andern Lepidopteren und Hymenopteren. (Neue Serie
der Akten der ökonomisch-agrarischen Akademie von Georgofili, Theil
III, S. 246–266), aber der Gebrauch des Mikroskops ist von größerem Werthe für den
Naturforscher als für den Industriellen. Für diesen bedarf es solcher Hülfsmittel,
welche mit wenig Kosten eine schnelle und leichte Anwendung verbinden, welche weder
vorbereitender Studien, noch eines sehr geübten Auges bedürfen.
Zweiter Theil.Auseinandersetzung der neuen Methode.
Nachdem wir mit dem Verf. einen Blick auf die verschiedenen von den Chemikern
vorgeschlagenen Methoden geworfen und die mit denselben verbundenen
Unvollkommenheiten und Schwierigkeiten beleuchtet haben, wollen wir jetzt das vom
Verf. aufgefundene und wiederholt durch die zuverlässigsten Versuche erprobte
Verfahren darlegen.
Wir müssen vor Allem bemerken, daß man die Entdeckung der Eigenschaft des
Kupferammoniürs die Cellulose und die Seide aufzulösen, Schweitzer verdankt, und daß die Entdeckung der Eigenschaft des
Nickelammoniürs, die Seide und nicht die Cellulose anzugreifen, zuerst von Schloßberger angegeben wurde. Das von Stefanelli angewandte Reagens besteht in flüssigem
Ammoniak, welchem man so viel Kupferoxydhydrat beigefügt hat, um ihm eine
starkdunkelblaue Farbe zu geben. Es ist also gewöhnliches Kupferammoniür mit einem Uebermaaß von freiem Ammoniak. Der Verf. bemerkt,
daß man dieser Flüssigkeit nicht eine jener schon präparirt im Handel vorkommenden
und in der Apothekerkunst unter dem Namen des schwefelsauren Kupferoxydammoniaks
bekannten Auflösungen substituiren dürfe. Die Bereitung von Stefanelli's Reagens ist so leicht, daß sie ohne die geringste
Schwierigkeit auch von den am wenigsten in chemischen Arbeiten Geübten vorgenommen
werden kann, und es läßt sich gut aufbewahren. In der That löst sich das
Kupferoxydhydrat kalt im Salmiakgeist mit Leichtigkeit.
Zur Entdeckung der Baumwolle oder Wolle in Seidenstoffen nimmt der Verf. ungefähr
zwei Centimeter von dem zum Versuche bestimmten Gewebe und legt sie in einen
Glascylinder oder in ein Champagnerglas. Enge Gefäße von geringem Durchmesser sind
am geeignetsten um klar unterscheiden zu können, was in der Flüssigkeit vorgeht. Man
übergießt nun mit soviel von dem Reagens, daß es 10–12 Kubikcentimeter
einnimmt, und rührt das
Ganze mit einem Glasstäbchen um. Wenn der dem Versuche unterzogene Stoff nur aus
Seidenfäden besteht, so ist er in 4 oder 5 Minuten ganz durch die Flüssigkeit
aufgelöst, wenn er nicht schwarz gefärbt ist, in diesem
Falle muß die Behandlung 10 -12 Minuten verlängert und die Masse der
Flüssigkeit auf 18 oder 20 Kubikcentimeter erhöht werden. Der Verf. bemerkt, daß die
schwarz gefärbte Seide bei der Auflösung im Reagens immer einige Spuren rostigen
Ueberrestes zurückläßt, aber ein so kleiner Niederschlag kann Niemand irre führen,
weil er von demjenigen, welchen die Seidenstoffe zurücklassen, in denen sich Wolle
oder Baumwolle befindet, sehr verschieden ist. Derselbe ist übrigens vollkommen
auflöslich in, wenn auch sehr verdünnter, Salpeter- oder
Chlorwasserstoffsäure.
Wenn der Seidenzeug Baumwolle enthalten sollte, welche im Kupferammoniür weit weniger
auflöslich ist als die Seide, so würde ein Theil unaufgelöst bleiben, und sich nach
kurzem Stehen auf den Boden des Gefäßes niederschlagen; aber diesem Niederschlag
darf man nicht zu viel Gewicht zur Entdeckung der Baumwolle in den Seidengeweben
beimessen, weil sich in denselben zuweilen nur eine kleine Quantität Baumwolle
befindet, welche dann nur einen unmerklichen Niederschlag zur Folge hätte, und
anderntheils könnte man nicht mit Bestimmtheit feststellen, daß dieser Niederschlag
vom Vorhandenseyn der Baumwolle herrühre, da auch die Wolle erst nach langer
Berührung im Kupferammoniür auflöslich ist.
Deßhalb verdünnt er, nachdem die Flüssigkeit 4–6 Minuten auf das Gewebe
gewirkt hat, dieselbe mit Wasser. Für den Fall, daß unaufgelöste Masse darin
geblieben wäre, räth er vorher in ein anderes Gefäß abzugießen. Er behandelt hierauf
die Lösung mit Salpetersäure des Handels, bis sie die dunkelblaue Farbe verloren
hat; er versucht sogar dieselbe in leichtem Ueberschuß anzuwenden. In Ermangelung
der Salpetersäure oder des Scheidewassers räth der Verf. auch Salzsäure anzuwenden,
nur darf man diefe nicht im Uebermaaß gebrauchen, weil man in diesem Falle die von
ihr selbst niedergeschlagenen dünnen Theilchen der Cellulose theilweise oder ganz
wieder auflösen, und so den Versuch unsicher oder fehlerhaft machen könnte.
Verfährt man auf diese Weise, so bildet sich, wenn in dem Stoffe Baumwolle enthalten
ist, augenblicklich eine Menge dünner weißer oder schwach gefärbter Flöckchen,
welche erstens aus mehr oder weniger modificirter Cellulose allein bestehen, und
zweitens aus derselben Cellulose mit Farbstoff vermengt. In einem besonderen Falle,
in welchem der Verf. mit Baumwolle von Aleppo
experimentirte, sah er Flöckchen von Cellulose mit wenig Farbstoff vermischt.
Wenn das Gewebe aus Seide allein oder aus Seide und Wolle bestanden hätte, so würde,
wenigstens während einiger Zeit nach dem Hinzufügen der Säure, kein namhafter
Niederschlag stattgefunden haben.
Durch dasselbe Verfahren könnte man auch in den Seidenstoffen das gleichzeitige
Vorhandenseyn der Baumwolle und der Wolle entdecken. In der That, wenn man beim
Voraussetzen dieser Mischung eine größere Quantität des Reagens anwendete, und den
Versuch etwas verlängerte, so würde sich die Baumwolle gänzlich in der Flüssigkeit
auflösen, von welcher man sie von Neuem mittelst des Scheidewassers trennen könnte,
und die Wolle bliebe als Ueberrest zurück. Auch hier könnte man in Ermangelung des
Scheidewassers, wie oben bemerkt, Salzsäure anwenden. Wir dürfen nicht vergessen zu
bemerken, daß wenn ein wenig Baumwolle unaufgelöst bleiben sollte, dieselbe in
keiner Weise mit der Wolle verwechselt werden kann, indem sie sich in einen
gallertartigen Brei verwandelt, während die Wollefäden lange Zeit unverändert
bleiben.
Stefanelli's hier beschriebene Methode kann ferner zu der
Untersuchung dienen, ob die Wollengewebe bezüglicher Weise Baumwolle enthalten, und
zwar durch die verschiedene Art, wie sich die Baumwolle und die Wolle bei der
Berührung mit dem Kupferammoniür verhalten; man bedient sich dabei stets des
Scheidewassers, in der angegebenen Weise.
Wir schließen nun, indem wir die Vortheile zusammenfassen, welche diese neue Methode
im Vergleich mit den anderen, uns von den Chemikern empfohlenen Verfahren
darbietet.
1) Sie läßt sich direct sowohl auf farblose wie auf gefärbte Stoffe anwenden.
2) Sie ist geeignet, das Vorhandenseyn der Baumwolle sowohl wie der Wolle in
verschiedenen Seidenstoffen oder einem und demselben zu entdecken, so wie auch das
Vorhandenseyn der Baumwolle in Geweben, welche ausschließlich aus Wolle bestehen
sollten.
3) Die zur Ausführung des Versuches erforderliche Zeit ist eine sehr kurze.
Es bleibt uns nun nur noch der Wunsch übrig, daß dieses neue Verfahren zur Kenntniß
derjenigen Personen gebracht werde, in deren Interesse es liegt die wahre Natur der
Gewebe, welche der Handelsbetrug oft unter der Benennung Seide oder Wolle in den
Verkehr bringt, von jeder andern animalischen oder vegetabilischen Substanz getrennt
kennen zu lernen.