Titel: | Ueber die Zusammensetzung des photographischen Bildes; von John Spiller. |
Fundstelle: | Band 156, Jahrgang 1860, Nr. LXXV., S. 285 |
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LXXV.
Ueber die Zusammensetzung des photographischen
Bildes; von John
Spiller.
Im Auszug aus dem Philosophical Magazine, März 1860, S.
186.
Spiller, über die Zusammensetzung des photographischen
Bildes.
Trotz zahlreicher Versuche ist die Entstehung des photographischen Bildes bis jetzt
noch nicht erklärt. Die Hauptansicht ist, daß durch das Licht das Chlorsilber in
Silber und Chlor zerlegt wird, und Einige nehmen an, daß hierbei eine vollständige
Zersetzung erfolgt, während nach Andern ein Subchlorid (Ag²Cl) entsteht.
Versuche, welche der Verf. in den Jahren 1857–1859 anstellte, unterstützen
die erste Hypothese. Frisch bereitetes Chlorsilber erlitt nur eine schwache
Zersetzung seiner Oberfläche im Lichte. Um daher das Chlorsilber in sehr fein
zertheiltem Zustande exponiren zu können, wurden stark verdünnte Silberlösungen und
Kochsalzlösungen, im Verhältniß der Aequivalente gemischt, verwendet (5,85 Grains
Steinsalz und 17 Grains neutrales Silbernitrat, jedes in 2 Gallons destillirtem
Wasser gelöst). Glasflaschen von 2 Gallons Inhalt wurden damit gefüllt und auf dem
Dache eines Gebäudes des königl. Arsenals zu Woolwich dem ununterbrochenen
Sonnenlicht ausgesetzt. Bei günstigem Licht konnte man beim Vermischen der
Flüssigkeiten selten die Bildung weißen Chlorsilbers beobachten, weil sich die
entstehende Trübung sogleich färbte; nach beendigter Tageseinwirkung war der
Niederschlag vollständig abgesetzt und dunkel geworden, und am andern Tage konnte
die über ihm
stehende Flüssigkeit durch einen Heber abgezogen werden, wornach man die Flaschen
wieder füllte; meistens wurde das Product in Zwischenräumen von zwei bis drei Tagen
gesammelt.
In den hellen Tagen der Monate Juni und Juli 1857 wurden nicht weniger als 46 Gallons
der Normallösungen dieser Behandlung unterworfen, um genügende Quantitäten
Niederschlag zur Untersuchung zu gewinnen.
In der Farbe stimmten die zu verschiedenen Zeiten erhaltenen Niederschläge, nicht
ganz überein, dieselbe war manchmal dunkelpurpurgrau, und bisweilen grau mit
schwachem grünem Ton. Diese Niederschläge wurden stets unter Wasser aufbewahrt und
feucht zu ihrer Untersuchung verwendet. Die chemische Analyse derselben ergab immer
eine größere Menge Silber als das Chlorsilber enthält, nämlich durchschnittlich:
weißes Chlorsilber
gedunkeltes
Silber
75,26
81,0
Chlor
24,74
19,0
––––––––––––––––––––––––––––
100,00
100,0
Letztere Substanz läßt sich auf keine bestimmte Formel zurückführen, sie ist offenbar
ein Gemenge von Silber mit Chlorsilber.
Bei einem Versuche wo das salpetersaure Silber in Ueberschuß und die Kochsalzlösung
in sehr verdünntem Zustande angewandt wurde, erhielt man an einem ungewöhnlich
hellen Tage einen Niederschlag, welcher mehr als 82 Proc. Silber enthielt.
Aus den erhaltenen Niederschlägen löste Ammoniak sämmtliches Chlorsilber auf, und
ließ nur Silber als graues Pulver zurück; deßgleichen lösten Cyankalium und
unterschwefligsaures Natron in der Kälte das Chlorsilber auf, und ließen das Silber
zurück. Jodkalium verwandelte das Chlorsilber in gelbes Jodsilber, welches dann im
überschüssigen Reagens gelöst wurde, und hinterließ reines Silber. Verdünnte
Salpetersäure wirkte nicht auf den grauen Niederschlag, während concentrirte, unter
Entwickelung von salpetriger Säure das Silber daraus löste. Chlorwasser und
Salpetersalzsäure führten den Niederschlag wieder in weißes Chlorsilber über.
Quecksilberchloridlösung verwandelte den grauen Niederschlag unter gleichzeitiger
Calomelausscheidung in Chlorsilber.
Die wiederholt beobachtete Thatsache, daß während der Zersetzung des unter Wasser
befindlichen Chlorsilbers durch den Einfluß des Sonnenlichts sich Chlor entbindet,
fand der Verf. durch seine Versuche bestätigt. Daraus folgt, daß wenn man eine
Lösung von salpetersaurem Silber gemeinschaftlich mit Chlorsilber anwendet, wie es
in der Regel beim Photographiren geschieht, das entbundene Chlor seine Wirkung auf die Silberlösung
ausüben muß, mit welcher es in Berührung kommt, aus derselben daher noch weißes
Chlorsilber fällen wird, welches ebenfalls, wenigstens theilweise, durch das Licht
zersetzt wird. Man hat angenommen, daß sämmtliches frei
gewordene Chlor auf diese Weise zur Bildung von neuem Chlorsilber verwerthet werden
kann; dieß kann aber, wie der Verf. bemerkt, nur dann richtig seyn, wenn andere
Substanzen gegenwärtig sind, welche die unterchlorige Säure zu zersetzen vermögen,
von der stets halb so viel erzeugt wird, als das
verwerthbare Chlor beträgt, nach der zuerst von Balard
aufgestellten Reaction:
Cl² + AgO, NO⁵ = AgCl + ClO + NO⁵.
Es läßt sich daher voraussehen, daß wenn man weißes Chlorsilber unter einer Lösung
salpetersauren Silbers von bekannter Stärke exponirt, letztere immer schwächer
werden wird. Dieß ist auch nach den Versuchen des Verf. der Fall; bei Anwendung
einer verdünnten Lösung wird jede Spur von Silber ausgefällt und im Wasser bleibt
nur noch ein Gemisch von Salpetersäure und unterchloriger Säure zurück.
Nach obigen Versuchen ist es unzweifelhaft, daß durch die chemische Wirkung des
Lichtes auf das Chlorsilber metallisches Silber frei gemacht wird; die verschiedenen
Farbentöne, welche das so reducirte Silber zeigt, erklären sich dadurch, daß sehr
geringe Modificationen im Aggregatzustand dieser höchst zarten Silbertheilchen,
einen bedeutenden Einfluß auf deren Vermögen das Licht zu reflectiren, ausüben
müssen.
Schließlich stellt der Verf. das Resultat feiner Untersuchung, welches mit den in der
letzten Zeit veröffentlichten Beobachtungen anderer Chemiker und Photographen
übereinstimmt, in folgenden Sätzen zusammen:
1) Das Chlorsilber wird bei seiner Zersetzung durch das Licht in seine Elemente
getrennt;
2) diese Zersetzung erstreckt sich gewöhnlich nicht auf die ganze Masse des
exponirten Chlorsilbers, weil das gedunkelte Product einen Theil des unveränderten
Chlorsilbers mechanisch gegen die Einwirkung des Lichtes schützt;
3) der Grad und die Schnelligkeit der Reduction hängen von dem Zertheilungszustande
des angewandten Chlorsilbers ab, und von der Gegenwart von Substanzen welche das aus
seiner Verbindung mit dem Silber frei gewordene Chlor zu absorbiren vermögen.