Titel: | Ueber die Reactionen beim Verfrischen des Roheisens auf Stahl und Schmiedeeisen; von Hrn. Lan, Professor der Metallurgie an der Bergschule zu St. Etienne. |
Fundstelle: | Band 156, Jahrgang 1860, Nr. LXXIX., S. 294 |
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LXXIX.
Ueber die Reactionen beim Verfrischen des
Roheisens auf Stahl und Schmiedeeisen; von Hrn. Lan, Professor der Metallurgie an der Bergschule zu
St. Etienne.
Aus den Annales des mines, t. XV p. 85 – 146.Bearbeitet von Dr. C. List in Hagen.
Lan, über das Verfrischen des Roheisens auf Stahl u.
Schmiedeeisen.
I. Die Rohstahl-Bereitung nach
dem Rives'schen Verfahren.
Der Verf. hat das Rives'sche Frischverfahren (procédé Rivois), wie es im Isère-Departement
ausgeführt wird, zuerst einer genauen Untersuchung unterworfen, weil es eine sehr
große Uebereinstimmung mit dem Stahlpuddeln zeigt.
Der hierzu gebräuchliche Herd besteht aus einer Herdgrube mit geneigten, mit
Kohlenlösche ausgeschlagenen Wänden, deren oberer Durchmesser 0,5 bis 0,75 Meter,
der untere 0,45 bis 0,66 Meter beträgt. Seine Tiefe, d.h. die Höhe des obern Randes über dem Boden,
wechselt je nach der Größe des Einsatzes und der Beschaffenheit des Roheisens
zwischen 0,6 und 0,7 M., und beträgt sogar 0,78 Meter. Eine einzige Form von 0,034
M. Durchmesser führt Wind, zu dessen Druck höchstens 0,05 M. Quecksilbersäule
beträgt; sie liegt 0,16 bis 0,17 M. unter den Platten, welche den obern Rand der
Grube bedecken, und hat ein Stechen von 14 bis 15 Millimeter.
Das in diesem Herd verfrischte Roheisen kommt aus Savoyen und der Dauphinée.
Man kann vier verschiedene Sorten unterscheiden:
1) Graues Eisen Nr. I; von heißer Charge, grobkörnig, glänzend, graphitreich.
2) Graues Eisen Nr. II, dichter und weniger graphitreich.
3) Halbirtes Eisen.
4) Weißes Eisen mit großen Spiegelflächen.
Diese vier Sorten werden in dem Verhältniß gemengt, welches am raschesten und
sichersten ein gutes Product liefert; das graue Eisen ist dabei im Allgemeinen
vorherrschend. Eine Charge, deren Verlauf der Verf. verfolgte, bestand aus:
Roheisen von Allevard (Dauphinée)
Nr. I
400 Kilogr.
„
eben daher
Nr. II
200 „
„
von Pinsot (Dauphinée)
Nr. II
500 „
„
aus Savoyen
Nr. II
150 „
–––––––––––––––––––
1250 Kilogr.
Der Frischproceß zerfällt in 5 Perioden: Erste Periode. Das
Einschmelzen. Nachdem die Herdgrube neu ausgefüttert ist, wird sie mit
Holzkohlen angefüllt und auf diese die Roheisengänze und Platten gelegt, indem man
sie mit Zangen und starken Eisenstangen unterstützt, damit sie nicht zu früh in das
Feuer fallen. Das Ganze wird mit Kohlen bedeckt, und auf diese der 10te oder 12te
Theil vom Gewicht der Charge an Schlacken, Hammerschlag u. dgl. gelegt. Anfangs wird
schwacher, später stärkerer Wind gegeben, während der Frischer fortwährend das Feuer
zusammenhalten muß, damit kein festes Stück in das niedergeschmolzene Eisen fallen
kann.
Das Einschmelzen dauert 4 bis 5 Stunden. Wenn alles Eisen niedergeschmolzen ist,
reinigt der Frischer den Umfang des Feuers von daran haftenden schwammigen Schlacken
und Roheisenschalen, wirft sie in die Mitte und beschickt mit frischen Kohlen.
Zweite Periode. Das Brennen der
Lösche. Diese Arbeit geschieht oberhalb des eingeschmolzenen Eisens und der
Schlacke, welche den
Herd bis zur Form anfüllen; sie besteht darin, daß die Kohlen, welche erforderlich
sind um für die folgende Arbeit die Ausfüllung des Herdes auszubessern, ins Glühen
gebracht werden. Die Verbrennung wird hierbei durch einen flachen Wind
unterhalten.
Während dieser Operation, die etwa 2 Stunden dauert, wird auf das eingeschmolzene
Eisen und die darüber befindliche Schlacke mechanisch nur wenig eingewirkt. Dennoch
findet offenbar eine chemische Einwirkung statt, indem die Schlacke bedeutend dünnflüssiger wird (s'éclaircit beaucoup) und außerdem scheidet sich an dem ganzen
Umfang des Herdes auf dem eingeschmolzenen Eisen ein Rand (rives) von Schmiedeeisen aus, der um so beträchtlicher ist, je gaarender
das Eisen war. Beim Ende dieser Periode wird dieser Rand fortgenommen, der
eingeschmolzene Satz vollständig aufgedeckt, und die zu roh gewordene Schlacke bis
nahe zum Eisen abgehoben. Je nachdem sich jetzt das Eisen durch seine größere oder
geringere Flüssigkeit weniger oder mehr zur Gaare geneigt zeigt, wird die folgende
Periode verschieden eingeleitet.
Dritte Periode. Das Verfrischen des Eisens unter Einfluß
gaarender Zuschläge. Im Fall daß das Eisen sich nicht zum Frischen geneigt
zeigt, entblößt man es völlig von der Schlacke und läßt auf der Oberfläche eine
dünne Kruste entstehen; diese drückt man in die flüssige Masse hinab, läßt eine neue
Kruste entstehen und fährt auf diese Weise fort, bis die Eisenmasse die zum Frischen
erforderliche Steifigkeit erhalten hat.
Wenn am Ende der zweiten Periode das Eisen zur Gaare geneigt ist, bedeckt der
Frischer das Feuer mit Kohlen ohne die letzte Schlackenschicht zu entfernen und
setzt gaarende Schlacke zu. Er rührt nun fortwährend den
oberen Theil des Eisens mit der Schlacke um und bringt Alles, was sich an den Wänden
des Herdes angesetzt hat, wieder in das Feuer zurück. Während dieser Arbeit, die je
nach der Beschaffenheit des eingesetzten Roheisens 4 bis 5, ja selbst 6 oder 8
Stunden dauert, wird nur 1/3 des Windes gegeben und erst gegen das Ende diese Menge
verstärkt.
Im Anfange dieser Periode befindet sich die Oberfläche des Eisens etwa 0,12 oder 0,14
Meter unter der Form, durch die Zuschläge wird aber ein bedeutendes Steigen des
Satzes bewirkt, so daß er sich gegen das Ende wegen des eingetretenen Aufkochens bis
zum obern Niveau der Feuergrube erhebt. Das Gebläse muß zu dieser Zeit die größte
Windmenge liefern, um die Schlacke von der Form wegzublasen. Das Ende dieser Periode
wird dadurch angezeigt, daß der obere Theil des Eisens fest zu werden beginnt; die
Hitze ist dann sehr groß und die Schlacke vollkommen flüssig.
Vierte Periode. Vollendung des Frischens und Bildung der
Luppen. Der Frischmeister löst vorsichtig ein oder mehrere Stücke von der
halbfesten aber sehr schwammigen Oberfläche der Eisenmasse ab und bringt sie
außerhalb des Bereiches des Windes, indem er sie sorgfältig unter der Schlacke
erhält, da durch dieses Verweilen innerhalb der Schlacke das Frischen vollendet
werden muß.
Bei einer guten Arbeit bleibt die Schlacke vollkommen flüssig. Die daraus
hervorbrechenden Flammen sind blau; eine weiße Färbung würde anzeigen daß das
Frischen schon über die Stahlbildung hinaus vorgeschritten ist. Wenn alle Umstände
richtig beachtet sind, namentlich wenn die Luppe in der richtigen Entfernung vom
Winde gehalten wurde, und die Schlacke weder zu basisch noch zu dick war, kann die
Luppe etwa eine Stunde nach dem Ende der vorhergehenden Periode herausgenommen und
unter den Hammer gebracht werden.
Auf ähnliche Weise wird allmählich der Herd entleert. Die Anzahl der Luppen, die eine
Charge von 1000 bis 1200 oder 1300 Kilogr. liefern kann, schwankt zwischen 30, 35
und 40. Die ganze vierte Periode erfordert gewöhnlich 7 bis 9 Stunden.
In der fünften Periode der Frischarbeit werden die
Schlacken aus dem Herde herausgezogen und feine Wände gereinigt. Die ganze
Frischarbeit bei einer Charge von 1200 bis 1300 Kil. dauert nach dem Obigen 18 bis
22 Stunden. – Der Abgang beträgt bei einer guten Arbeit 8 bis 10 Proc. Der
Verbrauch an Brennmaterial beträgt 90 bis 95 Kil. Holzkohlen auf 100 Kil. Stahl.
– Die Luppen sind auch im günstigsten Fall durchaus nicht von gleicher
Beschaffenheit; die zuerst herausgezogenen nähern sich häufig sehr dem
Schmiedeeisen, die letzten dagegen sind oft unvollständig gefrischt,
roheisenartig.
Analyse der erhaltenen Producte. Die zu der vom Verf.
verfolgten Charge angewendeten Sorten Roheisen enthielten in Procenten:
Allevard Nr. I
Allevard Nr. II
Pinsot
Savoyen
Kohlenstoff
6,00
4,85
4,80
5,17
Silicium
2,00
1,70
1,44
0,88
Mangan
3,00
2,52
2,41
3,40
Schwefel
0,48
0,50
0,17
Spur
Kupfer
0,10 bis 0,15
0,05 bis 0,10
0,05 bis 0,01
Spur.
Hiernach berechnet sich der mittlere Gehalt an diesen Stoffen in dem nach den S. 294
angegebenen Verhältnissen gemischten Einsatz zu
Kohlenstoff
5,23
Silicium
1,57
Mangan
2,73
Schwefel
0,30
Kupfer
0,05 bis 0,10
Während des Verlaufes der Arbeit hat der Verfasser folgende Proben von Eisen und
Schlacke genommen:
1) unmittelbar nach dem Einschmelzen des Eisens (Schlacke und Eisen I);
2) am Ende der zweiten Periode (Schlacke und Eisen II);
3) nach dem Aufdecken des Feuers zur Zeit wo mit dem Abheben der Schlacke begonnen
wurde (Schlacke und Eisen III);
4) eine Stunde bevor die erste Luppe herausgenommen wurde (Eisen IV);
5) bald nach dem Herausziehen der ersten Luppe (Eisen V. Schlacke IV);
6) nach dem Herausziehen der vierten Luppe (Schlacke V).
Die drei ersten Proben konnten an dem obern Theil des Eisens abgeschöpft werden, da
es noch vollständig flüssig war; bei den folgenden Eisenproben mußte der Löffel
tiefer eingetaucht werden, weil die oberen Schichten schon steifer geworden waren,
so daß die Eisenproben IV u. V wellenförmigen Schichten von verschiedener
Beschaffenheit entsprachen.
Das Ergebniß der Schlackenanalysen ist folgendes:Alle Schlacken entwickelten mit Salzsäure einige Wasserstoffbläschen; sie
enthielten also metallische Eisentheile beigemengt; andererseits enthalten
sie eine geringe jedoch wägbare Menge Eisenoxyd. Der Verf. hat alles Eisen
als Oxydul berechnet, indem er annahm daß das Eisenoxyd und das Eisen sich
gegenseitig ziemlich ausgleichen; er hält die hierdurch entstandene
Ungenauigkeit der Analyse für unbedeutend, da beide Bestandtheile nur in
geringer Menge vorhanden sind.
I
II
III
IV
V
Kieselsäure
24,50
28,80
29,25
21,25
23,00
Eisenoxydul
58,00
50,70
54,00
–
54,50
Manganoxydul
10,25
9,75
9,00
–
10,00
Thonerde
2,00
4 50
3,00
–
7,25
Kalkerde
4,50
5,25
3,75
–
4,50
Talkerde
Spur
Spur
Spur
–
Spur
Alkalien, Kohlenlösche und Verlust
0,75
1,00
1,00
–
0,75
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
100,00
100,00
100,00
–
100,00
Verhältniß des Sauerstoffs der
Kieselsäure zu dem der Basen
13 : 18
14 : 17
15 : 16
11 : x
12 : 20
Hieraus ergibt sich, daß die Zusammensetzung der Schlacke sich während des
Frischprocesses verändert. Die beim Einschmelzen zugeschlagene Schlacke ist, wie
oben bemerkt, basisch, sie wird etwa die Zusammensetzung von IV und V haben
(Subsilicat)Weil man beim Anfang der Arbeit ein Gemenge von Lösche und Schlacken in das
Feuer wirft, so konnte keine Probe untersucht werden, welche die mittlere
Zusammensetzung derselben angegeben hätte.A. d. Verf.; schon unmittelbar nach dem Einschmelzen steht die Zusammensetzung der Schlacke
zwischen der eines Subsilicats und eines Singulosilicats; am meisten jedoch nähert
sie sich dem letztern in der zweiten Periode.
Die Eisenproben ergaben den folgenden Gehalt an den im Roheisen bestimmten
Stoffen:
I
II
III
IV
V
Kohlenstoff
5,65
4,25
5,60
5,05
3,36
Silicium
1,50
0,48
0,60
0,85
0,60
Mangan
2,55
nicht bestimmt
0,36
2,51
nicht bestimmt
Schwefel
0,25
0,11
0,13
0,19
0,17
Kupfer
0,05 bis 0,10
0,15 bis 0,10
0,15 bis 0,10
0,10
0,05
Die Probe I zeigt keinen wesentlichen Unterschied von der mittleren Zusammensetzung
des eingesetzten Roheisens; der Kohlenstoffgehalt hat sich nur wenig vermehrt, der
an Silicium, Mangan und Schwefel um etwas abgenommen. Hätte der Einsatz nicht zum
größten Theil aus grauem Eisen, sondern aus weniger leichtflüssigem und leichter
frischendem weißen Eisen bestanden, so würde die Veränderung beträchtlicher
seyn.
Die Probe II zeigt schon einen weitern Fortschritt des Frischprocesses an. Der
Kohlenstoffgehalt ist freilich noch sehr bedeutend, die übrigen Stoffe aber,
besonders das Silicium, haben sehr beträchtlich abgenommen. Eine Ausnahme macht nur
das Kupfer, welches sich um mehr als 1/3 Proc. vermehrt hat.
Auch die Probe III zeigt eine Abnahme sämmtlicher Stoffe; daß sie darin in größerer
Menge als in II vorhanden sind, erklärt sich leicht daraus, daß die Probe III, wie
oben bemerkt, aus größerer Tiefe genommen ist als die vorhergehende; auch die Probe
IV zeigt, daß selbst in geringer Tiefe unter der Oberfläche des Eisens seine
Zusammensetzung sich nach dem Einschmelzen nur wenig ändert.
Die Vergleichung dieser Resultate läßt trotz der in gewisser Beziehung vorhandenen
Mängel der Untersuchung zweierlei mit Bestimmtheit erkennen: 1) daß das Eisen von
seiner Beimengung besonders von Mangan, Silicium und Schwefel gereinigt ist, und 2)
daß in den Schlacken die Menge der Basen, besonders der Oxyde des Eisens, abgenommen
hat. – Es ist hiernach wohl unzweifelhaft, daß die Veränderung welche das
Eisen im Anfange der Frischarbeit erleidet, fast ausschließlich der Einwirkung der
Schlacken zuzuschreiben ist. Daß die Gebläseluft während dieser Zeit nur sehr wenig
auf das Eisen einwirken kann, ergibt sich daraus daß sich das Eisen, wie oben
gesagt, 12 bis 15 Centimeter unterhalb der Form befindet und vollständig von einer
dicken Schlackenschicht bedeckt ist, während der Wind horizontal einströmt. –
Da indessen die Schlacke nur auf die dünne Schicht des Eisens Wirten kann, mit
welcher sie sich in unmittelbarer Berührung befindet, so kann ihre Einwirkung nicht so
bedeutend seyn um allein die Veränderung in der Zusammensetzung der Schlacken zu
erklären, welche die Analysen I, II und III zeigen. Diese muß daher zum großen Theil
in der oben erwähnten Ausscheidung von metallischem Eisen gesucht werden, welche da
entsteht, wo die Schlacken sich mit aus Lösche bestehenden Herdwänden in Berührung
befindet.
Die beiden ersten Perioden des Frischprocesses sind also dadurch charakterisirt, daß die Gebläseluft auf das Eisen unmittelbar nur wenig
einwirkt, daß das Eisen unter der Einwirkung der basischen Schlacken von
Silicium und Mangan befreit wird, während sich der Kohlenstoffgehalt und mithin
die Leichtflüssigkeit nur wenig vermindert, und endlich sich das Kupfer im Eisen
concentrirt.In Beziehung auf den Gehalt an Silicium, Mangan und Kupfer ist dasselbe
Verhalten beim Puddeln von mir beobachtet worden; man sehe polytechn.
Journal Bd. CLV S. 22.C. List
Welche Einwirkung beim Anfang der dritten Periode durch die Wegnahme der Schlacken
und das dadurch bedingte Aufhören des Feuers ausgeübt wird, läßt sich nicht leicht
direct nachweisen, weil das Eisen hierbei allmählich steif wird und folglich eine
homogene Probe nicht genommen werden kann. Wenn aber von Neuem Wind gegeben wird und
die neuen basischen Zusätze zu Schlacken eingeschmolzen sind, kann man durch
Sondiren mit der Stange erfahren, was im Innern des Satzes vorgeht. Man bemerkt auf
diese Weise eine verdickte Oberfläche, welche sich leicht abheben läßt, wobei sie
von Schlacke eingehüllt bleibt. Die Hitze steigt allmählich, doch nicht so hoch, daß
das Eisen wieder völlig flüssig würde; die Gasentwickelung, welche dann die Masse
auftreibt, zeigt an, daß das Metall durch die vermehrte Berührung mit der basischen
Schlacke schnell den Ueberschuß an Kohlenstoff verliert, durch den es so
leichtflüssig wurde. – Wenn man außerdem erwägt, daß die im Anfange der
dritten Periode basisch gewordene Schlacke (IV u. V) während der ganzen noch übrigen
Arbeit durch Zusatz von gaarenden Schlacken und Hammerschlag möglichst stark basisch
erhalten wird und daß der Frischer am meisten darauf zu achten hat, daß die
stahlartig gewordene Masse so viel als möglich vor der Einwirkung des Gebläses
geschützt und daß die Schlacken möglichst flüssig erhalten werden, so muß man
hieraus schließen, daß auch während der dritten und vierten Periode das Frischen zu Stahl nur durch die Einwirkung der
Schlacken
geschieht. Die Gebläseluft und das Brennmaterial dienen
nur dazu, im Herde die erforderliche Hitze zu unterhalten.
In der Praxis können jedoch die aus dieser Theorie abgeleiteten Vorschriften nicht
vollständig ausgeführt werden. Es ist oben bemerkt worden, daß die ersten Luppen
wegen zu weit fortgeschrittenen Frischens gewöhnlich stabeisenartig sind. Wenn sie
fortwährend von der Schlacke umgeben geblieben wären, würde der Frischer nicht
leicht den Zeitpunkt überschreiten können, wo sie schweißbar geworden sind; er weiß,
daß von dieser Zeit an jedes längere Verweilen in der Schlacke seine Luppen
oberflächlich entkohlt und wird daher, sobald er mit seinem Haken eine schweißbare
Luppe bemerkt, sie aus dem Feuer nehmen. Deßhalb kann man im Allgemeinen nicht einem
zu langen Verweilen in einer basischen Schlacke das zu weit getriebene Frischen
beimessen. Dieser Fehler würde ja alsdann auch ebenso häufig bei den späteren Luppen
wie bei den ersteren vorkommen; er hat seinen Grund vielmehr darin, daß die ersten
Luppen vor den: Winde gemacht werden müssen, und deßhalb weniger leicht vor der
Einwirkung desselben geschützt werden können.
Wir werden weiter unten beim Puddelproceß sehen, wie schnell die Luft die Entkohlung
des Gußeisens oder des Stahls bewirkt.
Diese zufällige Einwirkung der Luft muß auch zugleich mit der Verbrennung von
Stahl- oder Eisentheilchen den bei der Arbeit vorkommenden Abgang erklären,
da ja der Theorie nach während der Arbeit das Gewicht des eingesetzten Roheisens um
das Gewicht des aus den Schlacken reducirten Eisens vermehrt werden müßte.
Aus dem Vorhergehenden kann man daher folgende Schlüsse ziehen:
1) Bei dem Rives'schen Frischverfahren wird das Eisen fast ausschließlich durch die
Einwirkung der an Eisenoxyden reichen Schlacken gefrischt. Das
graue Eisen ist hierbei am geeignetsten, indem weißes Eisen zu schnell entkohlt
wird.
2) Das anfangs vollkommen flüssige Eisen wird, indem es
allmählich steifer wird, zugleich auch durch die Einwirkung der Oxyde des Eisens
auf seine Bestandtheile gefeint, und der Frischer befördert dieses, indem
er Schlacken und Eisen zu gewissen Zeiten auf geeignete Weise abkühlt.
3) Die hauptsächlichste Bedingung für diese Frischarbeit ist folglich die richtige Beschaffenheit der Schlacke: sie muß so viel als
möglich feinend, aber nur mäßig entkohlend wirken.
Die Anzahl und Natur der durch das Roheisen, die Zuschläge und die Asche des
Brennmaterials gelieferten Basen gestatten eine gewisse Mannichfaltigkeit der
Zusammensetzung der Schlacken, durch welche die erste der obigen Bedingungen
erfüllt werden kann, indem ihre Formel zwischen der des
Singulosilicates und des zwei- oder selbst dreibasischen Silicates
schwanken kann. Als Reinigungsmittel wird die Schlacke um so kräftiger
wirken, je reicher sie an Vasen, namentlich an Mangan, Kalk und Alkalien ist. Um
aber die Entkohlung in Schranken zu halten, darf der Gehalt an Eisenoxyden eine
bestimmte Gränze nicht überschreiten. Man würde wahrscheinlich das
Sechstel-Silicat gebrauchen können, ohne eine zu weit gehende Entkohlung
fürchten zu müssen, wenn darin der Ueberschuß an Base nicht aus Eisenoxydul besteht.
Da dem Frischer aber nur eine verhältnißmäßig geringe Auswahl von Basen zur
Verfügung steht, so findet er in der Schlack, deren Zusammensetzung in der Mitte
zwischen dem Singulo- und dem Sechstel-Silicat steht, ein hinreichend
reinigendes und nicht zu stark entkohlendes Material.
4) Die im Roheisen enthaltenen Stoffe scheinen in einer bestimmten Reihenfolge daraus
auszuscheiden. Silicium und Mangan verschwinden zuerst
und sehr bald. Zugleich geht auch Schwefel heraus, aber
vielleicht weniger schnell; der Kohlenstoff dagegen, scheint
sich, wenigstens in grauem graphitreichem Eisen, anfangs etwas zu vermehren und lange im Eisen zurückzubleiben; er
verschwindet erst, nachdem das Eisen einige Zeit hindurch mit der Schlacke umgerührt
wurde. – Eine nicht weniger beachtenswerthe Thatsache ist endlich, daß das Kupfer sich in dem Product der Frischarbeit
concentrirt.In Rammelsberg's Lehrbuch der chemischen
Metallurgie, 1850 S. 119 ist ein analoger Fall mitgetheilt, in dem daselbst
darauf aufmerksam gemacht wird, daß das Stabeisen von Mägdesprung mehr
Kupfer enthält als das dortige Roheisen.A. d. Verf.
Was schließlich die Vortheile und Nachtheile der Rives'schen Frischarbeit betrifft,
so gewährt sie allerdings gerade durch ihre Langsamkeit ohne Zweifel Vortheile;
andererseits aber bietet sie wegen der großen, auf einmal verarbeiteten Eisenmasse
und der Construction des Herdes so große Schwierigkeiten, daß man nur von sehr guten
Arbeitern ein einigermaßen gleichartiges Product erwarten kann. Wir werden später
sehen, daß dieselbe Arbeit weit sicherer im Puddelofen ausgeführt wird. Die Unkosten
sind bei dieser Methode im Vergleich mit anderen Frischarbeiten mit Holzkohlen nicht
sehr hoch, aber die Arbeitslöhne sind höher wegen der Langsamkeit der Arbeit. In
Beziehung auf die Kosten darf man indessen keinen Vergleich mit dem Puddelproceß
anstellen, da viele Hütten, in welchen das Herdfrischen gegenwärtig noch ausgeführt
wird, ein zum Puddeln brauchbares Brennmaterial nicht wohlfeil genug beziehen
können. Für diejenigen, welchen dieses möglich ist, wird das Puddeln ohne Zweifel
vortheilhafter seyn.
(Die Fortsetzung folgt im nächsten Heft.)