Titel: | Ueber die Erzeugung des Fuchsins oder Anilinroth, einer neuen organischen Base; von A. Béchamp. |
Fundstelle: | Band 156, Jahrgang 1860, Nr. LXXXI., S. 309 |
Download: | XML |
LXXXI.
Ueber die Erzeugung des Fuchsins oder Anilinroth,
einer neuen organischen Base; von A.
Béchamp.
Aus den Comptes rendus, Mai 1860, Nr.
19.
Béchamp, über die Erzeugung des Fuchsins oder
Anilinroth.
Im Jahre 1859 nahmen die HHrn. Gebrüder Renard und Franc, Färber und Fabrikanten chemischer Producte in
Lyon, ein Patent auf die Fabrication und Anwendung eines neuen rothen Farbstoffs,
welchen sie Fuchsin oder Anilinroth nannten. Sie erhielten ihn, indem sie auf Anilin bei der
Siedhitze verschiedene Sauerstoff- und Haloidsalze der Metalle einwirken
ließen, nämlich Zinnchlorid, Quecksilberchlorid, Eisenchlorid, die Bromide, Jodide
und Fluoride derselben Metalle, die schwefelsauren, salpetersauren, chlorsauren etc.
Salze von Quecksilber, Eisenoxyd etc., also, wie man sieht, reducirbare binäre
Verbindungen erster Ordnung, oder Salze mit Sauerstoffsäuren, deren Base entweder
auf eine niedrigere Oxydationsstufe oder zu Metall reducirt werden kann.
Die HHrn. Gebrüder Renard fabriciren seit Anfang des
Jahres 1858 das Anilin, früher zur Darstellung des Anilinviolett und später des
Fuchsins, nach dem Verfahren welches ich vor einigen Jahren veröffentlicht
habe.Durch Behandlung von Nitrobenzol mit Essigsäure und Eisenfeile; man s.
polytechn Journal Bd. CLV S.
212. Diese Herren haben mich zur chemischen Untersuchung des Fuchsins
aufgefordert.
Da die Reaction, welche das Fuchsin erzeugt, neu ist, so mußte ich mir vor Allem
folgende Fragen stellen:
1) Erfolgt die Reaction mit oder ohne Gewichtsverlust?
2) Wird die Base des auf das Anilin einwirkenden Metallsalzes reducirt oder
nicht?
3) Hat die Säure des angewandten Metallsalzes einen Einfluß auf die Zusammensetzung
des neuen Products?
I. Die Reaction erfolgt in allen Fällen ohne
Gewichtsverlust. Um sich davon zu überzeugen, braucht man nur die
Materialien vor und nach der Reaction zu wiegen.
II. Die Base des Metallsalzes wird immer reducirt. Ich
zeige in der Abhandlung, welche ich nächstens der (französischen) Akademie übergeben
werde, 1) daß nur die Metallfalze mit reducirbarer Base die rothe Färbung mit dem
Anilin hervorbringen und daß die Base auf eine niedrigere Oxydationsstufe oder zu
Metall reducirt wird;
2) daß jedesmal wenn die Vase nicht reducirt wird, auch die rothe Farbe nicht
entsteht.
III. Die Säure des Metallsalzes hat bei der Erzeugung des
Fuchsins keinen directen Einfluß. Meine Abhandlung enthält für diesen Satz
zahlreiche Beweise.
Ich habe aus meinen Versuchen geschlossen: 1) daß nicht die Salze aller Basen die
rothe Farbe mit dem Anilin zu entwickeln vermögen; hierzu eignen sich nur die Salze
mit reducirbaren Basen, wobei es bis auf einen gewissen Punkt auf die Natur ihrer
Säure nicht ankommt; 3) daß die Säure der Metallverbindungen sich unversehrt im
rohen Product der Reaction wieder findet, und daß folglich 3) das negative Element
der Metallverbindungen erster Ordnung oder zweiter Ordnung nicht in die
Zusammensetzung des Fuchsins eingehen kann, ausgenommen der Sauerstoff von der Base
der Sauerstoffsalze. In der That hat das Fuchsin die gleiche Zusammensetzung, was
immer für ein in der allgemeinen Methode einbegriffenes Verfahren angewandt worden
seyn mag.
Reindarstellung des Fuchsins. Ich gebe in meiner
Abhandlung die Verfahrungsarten an, wodurch es mir gelang das Fuchsin in reinem
Zustande auszuziehen, sowohl aus dem Product welches man durch Behandlung des
Anilins mit salpetersaurem Quecksilberoxydul, als aus dem Product welches man durch
Behandlung des Anilins mit Zinnchlorid erhält.
Das Fuchsin ist eine in Wasser wenig lösliche organische Base. Im hydratischen
Zustande ist es dunkelroth. Im reinen Zustande, wie man es durch Fällen seiner
alkoholischen Auflösung mit Aether erhält, stellt es nicht krystallisirte grüne
Blättchen mit Metallglanz dar. Seine Auflösung in Wasser ist roth; mit derselben
Farbe löst es sich in Alkohol, Holzgeist und Aceton. Es bildet unkrystallisirbare
Salze, deren Auflösungen im neutralen Zustande roth, bei vorhandenem Säureüberschuß
aber gelb sind. Die schweflige Säure entfärbt nach und nach seine Auflösung, wenn
man dieselbe aber bei gelinder Wärme eindampft, erscheint die rothe Farbe wieder; es
verhält sich in dieser Hinsicht wie die Farbe der Rosenblumenblätter.
Die Formel des Fuchsins ist eine der zwei folgenden:
C²⁴ H¹⁰ N² O²
oder
C²⁴ H¹² N² O²
Das Studium der Verbindungen und Zersetzungsproducte des Fuchsins, die Gleichung
seiner Erzeugung werden zwischen diesen zwei Formeln entscheiden.