Titel: | Verfahren zur Uebertragung einer auf Stein ausgeführten Gravirung auf Kupfer; von dem Oberst Levret. |
Fundstelle: | Band 156, Jahrgang 1860, Nr. XCVII., S. 381 |
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XCVII.
Verfahren zur Uebertragung einer auf Stein
ausgeführten Gravirung auf Kupfer; von dem Oberst Levret.Diese Notiz wurde im Auftrag des französischen Kriegsministers durch den General
Blondel der Akademie der Wissenschaften
eingesandt.
Aus den Comptes rendus, März 1860, Nr.
12
Verfahren zur Uebertragung einer auf Stein ausgeführten Gravirung
auf Kupfer.
Seit mehreren Jahren war das französische Kriegsdepot bemüht, eine sehr interessante
Frage in Betreff der Publication der Generalstabskarte zu lösen.
Es ist bekannt, daß der Stich eines Blattes dieser Karte 5–12 Jahre
beansprucht, daher der Stich, welcher später als die Aufnahme begonnen wurde und oft
langsam von statten ging, jetzt beträchtlich im Rückstande ist, so daß, wenn die
Aufnahmearbeiten in zwei Jahren vollendet seyn werden, man fürchten muß, die
Publication derselben erst 15 bis 20 Jahre später bewirkt zu sehen.
Die galvanoplastischen Processe haben die Hoffnung auf eine wesentliche Abkürzung
dieser Arbeiten erweckt. Man hat die Frage aufgeworfen, ob der Stich auf einem
weniger harten und weniger schwer zu bearbeitenden Stoffe als das Kupfer, nicht viel
schneller auszuführen seyn würde, ob man auf diese Weise nicht in einer
verhältnißmäßig weit kürzeren Zeit eine Zeichnung auf eine noch unbekannte Masse
herstellen könne, von welcher man binnen wenigen Tagen auf galvanoplastischem Wege
eine dem Originale vollkommen gleiche Copie auf Kupfer anfertigen könnte.
Dieses Problem wurde im Jahre 1852 von dem Director des Kriegsdepot aufgestellt.
Der Stich auf Stein schien einen günstigen Ausgangspunkt darzubieten, es erhoben sich
aber von allen Seiten Einwürfe hiergegen. Das Gravirverfahren auf Stein, sagte man,
ist mit dem Graviren in Kupfer nicht zu vergleichen; es schneidet in der zu
gravirenden Fläche weder so tief, noch auf dieselbe Weise ein; es beschränkt sich an
vielen Stellen darauf, den Lack zu ritzen, mit welchem der Stein überzogen worden
ist und die Steingravirung ist für diese Stellen nur eine Lithographie. Ueberdieß
bewirkt die Galvanoplastik ihre Wunder nur mit Hülfe von Reagentien, deren
Einwirkung der Stein ohne Nachtheil, vielleicht ohne Zerstörung nicht unterworfen
werden kann.
Aus diesen Gründen erschien das Problem unlöslich. Gleichwohl ist es im Kriegsdepot
und durch die ausdauernden umsichtigen Untersuchungen und Bemühungen von Oberst Levret zur Lösung gebracht worden. Wir geben im Folgenden
die Geschichte der hauptsächlichsten Versuche, welche bis jetzt ohne Erfolg
geblieben sind.
Seit dem Jahre 1852 hatte man sich bemüht, mit Hülfe von Gutta-percha ein
Relief von Steinstichen herzustellen.
Dieses Relief sollte mit Graphit überzogen werden und als Patrize zur Anfertigung
einer kupfernen Matrize der ursprünglichen Gravirung dienen. Um ein Relief ohne
Verletzung des Steines zu erhalten, glaubte man in dem engen Kreise der mechanischen
Hülfsmittel sich bewegen zu müssen; eine Lage von durch Wärme erweichter
Gutta-percha wurde aufgetragen und auf den gravirten Stein nach Art des
Satinirens der Druckbogen gepreßt. Nachdem aber zwei hintereinander angestellte
Versuche nur damit geendet hatten, daß der Stein zerbrach und nur sehr unvollkommene
Fragmente von Reliefs erzielt wurden, ließ man durch dieses Mißlingen von weiteren
Versuchen sich zurückschrecken.
Um dieselbe Zeit verfügte auch Seine Majestät der König von Bayern, welcher den
Arbeiten feines Kartenbureau's eine besonders wohlwollende Beachtung schenkt, die
Anstellung von Versuchen zur Uebertragung einer Steingravirung auf Kupfer. Wir haben
von den Einzelheiten dieser Versuche keine Kenntniß erhalten, wissen aber bestimmt
durch einen dabei behülflich gewesenen Arbeiter daß diese Versuche während der Jahre
1851 und 1852 gedauert haben, von einem günstigen Erfolge jedoch nicht begleitet
gewesen sind.
Gegen das Jahr 1854 beschäftigte sich der Schweizer Schneider auf Veranlassung von Erhard, einem
ausgezeichneten Lithographen, dessen Arbeiten für das Kriegsdepot oft belobt worden
sind, mit ähnlichen Untersuchungen. Demselben gelang es, ein kleines kupfernes Facsimile eines
Steinstichs darzustellen.
Ungeachtet ihrer kleinen Dimensionen und ihrer Unvollkommenheit, erregte diese erste
Probe die schönsten Hoffnungen. Wohl wissend von welcher Wichtigkeit diese
Entdeckung für sein Fach seyn werde, setzte Erhard einen
hohen Preis auf die Vervollkommnung des Verfahrens und regte Schneider zu neuen Versuchen an. Dieser aber, welcher die Fehler seiner
ersten Probe verbessern wollte, zerstörte solche damit vollständig. Er bemerkte, daß
der Stein durch die Säuren während der Operation bedeutend angefressen worden war,
und entmuthigt durch dieses ungünstige Ergebniß und an der Auffindung eines Mittels
dagegen verzweifelnd, ließ er die angefangenen Versuche fallen.
Erhard dagegen ließ sich nicht entmuthigen. Am 28. Januar
1860 ersuchte er den Oberst Levret, Chef der ersten
Abtheilung des Kriegsdepot, um die Anstellung neuer Versuche; dieser war damals
durch Dienstgeschäfte behindert sich denselben ohne Unterbrechung zu unterziehen,
aber er konnte sogleich dem Erhard zeigen, daß man durch
Ausbreiten mehrerer Schichten einer Auflösung von Gutta-percha in
Schwefelkohlenstoff auf dem Steine ein Häutchen erhält, welches nach seiner Ablösung
von demselben ein ganz befriedigendes Relief darstellt.
Einige Tage später nahm der Oberst Levret, welcher
inzwischen Zeit dazu gewonnen hatte, in Rücksicht des großen Interesses dieser Frage
für das Kriegsdepot, die Versuche wieder auf; er brachte anfangs nur das bekannte
Verfahren zur Anwendung und rüstete sich zum Kampfe, sowohl gegen die bekannten
Hindernisse, als gegen diejenigen welche ihm unerwartet noch begegnen würden.
Der Stein wurde graphitirt und Kupfer galvanoplastisch darauf niedergeschlagen; er
zeigte sich aber hierdurch bedeutend angegriffen.
Man muß zugeben, daß das Resultat kein anderes seyn konnte; das galvanoplastische Bad
besteht bekanntlich aus einer Auflösung von krystallisirtem schwefelsaurem
Kupferoxyd, mit Zusatz einer kleinen Menge von Schwefelsäure.
Da der Oberst vermuthete, daß diese freie Säure die einzige Ursache der Zerfressung
des Steines ist, so ließ er, um sich hierüber Gewißheit zu verschaffen, einen
lithographischen Stein 24 Stunden lang in eine Lösung von vollkommen neutralem
Kupfervitriol eintauchen. Derselbe hatte dadurch nicht die geringste Verletzung
erlitten.
An der Hand dieser Erfahrung versuchte er die galvanoplastische Fällung des Kupfers
mit einer neutralen Lösung auf die Gefahr eines größern Zeitbedarfs hin. Der Stein
wurde überdieß vorher in ein Bad von geschmolzenem Stearin gebracht und dann mit Graphit
überzogen, was durch das Stearin ziemlich schwierig gemacht wird. Ungeachtet dieser
Vorkehrungen war der Erfolg aber doch kein vollständiger. Der Stein, welcher in der
neutralen Flüssigkeit unangegriffen blieb, wurde doch angegriffen sobald der
elektrische Strom die Flüssigkeit passirte, um den Niederschlag zu bewirken; die
Beschädigungen des Steins waren zwar gering, aber bedeutend genug um die kupferne
Copie zu benachtheiligen.
Hierdurch keineswegs entmuthigt, ersann der Oberst eine Modification des Verfahrens,
und diese, welche wir noch zu beschreiben haben, führte zu dem angestrebten
Ziele.
Man mußte die Gravirung, ohne sie zu verletzen, zum Schutze mit einer Substanz
überziehen, welche den Graphit gut annimmt. Die Gutta-percha genügt
vollständig dieser letzten Bedingung; um auch der ersten zu entsprechen, muß sie auf
folgende Weise angewendet werden.
Der gehörig gravirte Stein wird in eine ziemlich starke Neigung gebracht; dann wird
eine Auflösung von Gutta-percha in Schwefelkohlenstoff schnell über die
Oberfläche verbreitet und gleich darauf wird der Stein in die Höhe gerichtet, um die
Vertiefungen zu entleeren.
Um diese erste vorbereitende Operation auszuführen, muß die Lösung hinreichend
flüssig seyn, und darf nur etwa den vierten Theil der Quantität von
Gutta-percha enthalten, welche zur Sättigung des Lösungsmittels erforderlich
seyn würde.
Der Schwefelkohlenstoff verdunstet sehr schnell, daher die auf dem Steine
ausgebreitete Schicht in wenig Minuten trocken ist. Nun wird der Stein horizontal
gelegt und mit einer Schicht höchst fein pulverisirten Graphits überstreut, welche
man mittelst einer feinen Bürste gleichmäßig vertheilt. Der Stein erhält hierdurch
ein dunkles und glänzendes Ansehen; seine schwarze und gleichmäßige Farbe bekommt
einen vollständigen Metallglanz.
Nunmehr wird die Steinfläche nach dem gewöhnlichen galvanoplastischen Verfahren, aber
in einem neutralen Bade, mit Kupfer überzogen.
Ein Stein von 5 Decimeter im Quadrat wird binnen 35 Minuten mit Kupfer bedeckt. Nach
zwei Tagen ist die Kupferplatte stark genug, um abgelöst werden zu können. Bei der
Trennung nimmt sie zwar einen Theil des Graphits mit fort, läßt aber die am Stein
haftende Schicht-Gutta-percha unverletzt zurück. Die Fläche der
Kupferplatte ist gut, nur bemerkt man eine große Anzahl von Punkten oder kleinen
Erhabenheiten, welche eben so leicht mit dem Auge aufzufinden, als mittelst des
Schabeisens zu entfernen sind.
Am 25. Februar wurde ein neuer Versuch angestellt; die Vorbereitungen dazu, welche
Mittags begonnen wurden, waren um 2 Uhr Nachmittags beendigt und um 2 Uhr 40 Minuten
war der Stein hinlänglich mit Kupfer überzogen.
Die Künste und die Industrie werden sich das Ergebniß dieser Versuche wohl bald zu
Nutzen machen.