Titel: | Die Entstehung von Melasse in Folge des Salzgehaltes des in Zuckerfabriken angewandten Wassers; von Dr. C. Stammer. |
Autor: | Karl Stammer [GND] |
Fundstelle: | Band 172, Jahrgang 1864, Nr. XVIII., S. 58 |
Download: | XML |
XVIII.
Die Entstehung von Melasse in Folge des
Salzgehaltes des in Zuckerfabriken angewandten Wassers; von Dr. C. Stammer.
Stammer, über die Entstehung von Melasse in Folge des Salzgehaltes
des Wassers in den Zuckerfabriken.
Berechnet man, wenn auch nur annähernd, die Wassermengen, welche in einer
Zuckerfabrik, die aus Rüben Brodzucker darstellt, verbraucht werden, so kommt man in
Folge des bedeutenden Bedarfes auf so hohe Zahlen, daß man nicht umhin kann, bei
genauer Beurtheilung aller Processe auch den Einfluß der durch das Wasser in die Fabrik gelangenden Salze in Rechnung zu ziehen.
Eine Fabrik z.B., welche täglich nur 1000 Centner Rüben verarbeitet, verbraucht, wenn
sie den Saft mittelst Pressen gewinnt, auf Reiben oder Maischen im Durchschnitt 30
Proc. oder 30000 Pfund Wasser; werden Schleudern benutzt, oder wird macerirt, so
verbraucht sie sogar das Dreifache dieser Menge. Filter kann man – unter
Voraussetzung der Fabrication von Melis – wohl fünf annehmen, welche, mit
Knochenkohle gefüllt, noch 800–900 Quart Wasser fassen. Nimmt man an, was
gewiß nicht zu viel ist, daß zum Absüßen der Filter nur dreimal so viel Wasser
gehört, wie zu dieser Füllung, so berechnet sich der Wasserbedarf zum Filterabsüßen
auf ebenfalls rund 30000 Pfund.
Dazu kommt endlich das Wasser zum Löschen des Scheidekalkes mit ungefähr 2500 Pfd.,
und es kann sonach die Menge Wasser, welche auf solche Weise in die Säfte gelangt,
bei Annahme von Saftpressen auf 62500 Pfund für 1000 Centner Rüben veranschlagt
werden, während diese Menge bei Anwendung anderer Methoden noch bei weitem nicht
ausreicht.
Natürlich haben diese Zahlen keine allgemeinere Geltung; in jedem einzelnen Falle
wird der Bedarf, je nach der Art der Arbeit und nach verschiedenen Umständen, selbst
in weiteren Grenzen hiervon abweichen, doch ist die bezeichnete Menge gewiß eher zu
niedrig als zu hoch gegriffen.
Bei der Anlage namentlich der älteren Zuckerfabriken ist nun aber bekanntlich nicht
immer mit Sorgfalt auf die Möglichkeit geachtet worden, reines Wasser in
hinreichender Menge leicht zu beschaffen, und so kommt es, daß manche Fabrik mit
solchem Wasser sich begnügen muß, welches viel Salze (namentlich auch Gyps) enthält.
Nehmen wir z.B. an, das Wasser enthalte in 100 Theilen 0,05 Theile Salze, so bringt
solches Wasser unter obigen Unterstellungen täglich 31 1/4 Pfd. oder in der Campagne von 150
Tagen etwa 47 Centner Salze in die Säfte. Allerdings besteht, namentlich bei Wässern
von diesem Gehalte, ein namhafter Theil desselben aus kohlensaurem und besonders
schwefelsaurem Kalk, und wird daher während des Eindampfens der Säfte wieder
ausgeschieden; indessen ist auch der Gyps, wenngleich er hiernach nicht zur
Melassenbildung beitragen kann, eine sehr lästige Beigabe. Beträgt doch, bei einem
Gehalte von z.B. 0,014 Theilen Gyps in 100 Theilen eines solchen Wassers (wie es
leider nur zu oft vorkommt) der in der Campagne – bei obigen Voraussetzungen
– in die Fabrik kommende Gyps 13–14 Centner, und wird dessen
Entfernung aus den Verdampfapparaten als ein sehr lästiger Uebelstand empfunden!
Wollte man nun aber denjenigen Antheil obiger 31 1/4 Pfund Salze ermitteln, welcher
am Ende in den Zuckersäften verbleibt und darin eine gewisse Menge Zucker
unkrystallisirbar macht, so würde man dieß nur durch genaue Analysen des
Salzrückstandes des Wassers ermöglichen und dennoch nur sehr unsichere Schlüsse
ziehen können, da wir bekanntlich über den Einfluß der einzelnen Salze auf die
Melassenbildung noch wenig Kenntniß besitzen.
Folgendes einfache empirische Verfahren empfiehlt sich dagegen als hinreichend genau,
da es auf dem Vergleiche einer mit diesen Salzen vermischten Zuckerlösung mit der
Melasse selbst beruht, und somit die directe Bestimmung der gebildeten Melasse
gestattet. 20 Quart des oben bezeichneten Wassers wurden in einer flachen kupfernen
und verzinnten Schale langsam bis auf ein geringes Volumen eingedampft, dann
filtrirt und so 160 Kubikcentimeter einer die löslich bleibenden Salze enthaltenden
Lösung erhalten. In 100 K. C. dieser Lösung wurde nun reiner, trockener Zucker bis
zu derjenigen Concentration gelöst, welche als normale zur Polarisation
„auf Trockensubstanz“ dient. Dazu wurden genau 25 Gramme
verbraucht. Die so erhaltene Lösung zeigte am Polarisationsinstrument 89,17 Proc.
Zucker, d.h. also auf 100 Thle. Trockensubstanz 89,17 Zucker und 10,83 Thle. Salze.
Zum Vergleich diene eine Melasse, welche, in derselben
Weise polarisirt, 60 Proc. Zucker zeigt, also auf 100 Trockensubstanz 60 Zucker und 40 Thle. Nichtzucker, vorzugsweise Salze
besitzt, so daß in derselben je 1 Theil Salze 1 1/2 Theile Zucker unkrystallisirbar
macht. Allerdings sind die auf diese Weise – mittelst des Aräometers –
ermittelten Theile nicht wirkliche Gewichtstheile, wohl aber ist der Fehler in
beiden Fällen derselbe, da die Methode dieselbe ist und die Beurtheilung der Melasse
nach dieser erfolgt. Beide Polarisationen sind also vergleichbar, obwohl die
Bezeichnungen der Gewichte nicht im strengen Sinn zu nehmen sind. Wo eine andere Untersuchung der Melasse
befolgt wird, da geschieht auch die Beurtheilung nach anderem Maaßstab und dann
müßte die Lösung des Zuckers in der Salzlösung ebenfalls anders untersucht werden.
Bleiben wir jedoch für jetzt bei der „Polarisation auf
Trockensubstanz“ stehen, und sehen wir, welche Schlüsse daraus zu
ziehen sind.
Da auf 89,17 Zucker 10,83 Salze kommen, so sind auf die in Lösung gekommenen 25
Gramme Zucker 3,0 Gramme melassebildender Salze vorhanden, welche nach der
angenommenen Zusammensetzung der Melasse 4,5 Gramme Zucker ungewinnbar in der
Melasse festhalten. Da die 100 K. C. Lösung von 12,5 Quart Wasser herrühren, so
folgt also, daß je 100 Quart des in Rede stehenden Wassers 36 Gramme oder 0,072
Pfund Zucker in Melasse überführen. Hiernach berechnet sich, unter den oben
aufgestellten Voraussetzungen, der auf je 1000 Centner Rüben in dieser Weise
verloren gehende Zucker auf sehr nahe 20 Pfund oder, bei einer Arbeit von 150 Tagen,
auf 30 Centner in der Campagne.
Diese Menge ist bei weitem geringer als diejenige, welche man aus der Gesammtmenge
der in die Säfte kommenden Salze ohne Berücksichtigung ihrer
Löslichkeitsverhältnisse ableiten würde; sie ist aber gewiß schon groß genug, um
Beachtung zu verdienen.
Natürlich werden verschiedene Wässer sehr verschiedene Resultate liefern, und
zahlreiche Untersuchungen in dieser Richtung dürften sonach wohl angezeigt seyn. Es
möge daher noch eine in gleicher Weise ausgeführte eines anderen Wassers, welches in
100 Theilen nur 0,04 Theile Salze enthielt, hier Platz finden.
10 Quart dieses Wassers wurden auf 140 K. C. eingedampft, die erhaltene
concentrirtere Salzlösung filtrirt, und in 100 K. C. davon (entsprechend also 7,14
Quart Wasser) reiner Zucker zur Normaldichte aufgelöst. Es wurden 27,9 Gramme
verbraucht und eine Polarisation von 95,07 Proc. der Trockensubstanz gefunden.
Hieraus berechnet sich, nach derselben Weise wie oben, die auf 100 Quart Wasser in
die Melasse gelangende Zuckermenge auf 28,6 Grm. oder 0,057 Pfund, mithin der
Verlust auf 1000 Centner Rüben auf 15,6 Pfd. oder auf etwa 23 Centner in der
Campagne.
Allerdings werden wenige Fabriken in der Lage seyn, eine Wahl zwischen verschiedenen
Wässern anstellen zu können. Wo aber auf die angedeutete Weise sehr erhebliche
Verluste entstehen, da dürfte es sich doch verlohnen, auch umständlichere Anlagen
zur Beschaffung reineren Wassers auszuführen.
Außerdem aber gibt es ein allgemein anwendbares Mittel, den Bedarf an reinem Wasser für eine
Zuckerfabrik zu beschaffen, welches so einfach und wenig kostspielig ist, daß es
auffallend ist, wie dessen Anwendung, die vielleicht hier und da schon geschehen
ist, nicht allgemeiner verbreitet ist.
Es ist dieß die Benutzung des reinen condensirten
Saftdampfes zu allen obgenannten Zwecken. Wenn man das sogenannte
Brudenrohr, welches aus den 2ten, resp. 3ten Verdampfungskörpern der Robert'schen oder Tischbein'schen Apparate meist nach der Luftpumpe oder dem Condensator,
zuweilen auch wohl ins Freie führt, in einen gemeinschaftlichen Behälter leitet, mit
welchem eine Pumpe zum weiteren Fortschaffen, eventuell auch zum erforderlichen
Absaugen in Verbindung steht, so erhält man eine zur Reibe oder Maische, sowie zum
Filterabsüßen hinreichende Menge reinen Wassers, welches ja durch Oberflächencondensation aus dem Dampfe des Dünnsaftes
entsteht. Geringe Spuren Ammoniak, sowie wenig mitgerissener Saft sind gewiß der
Benutzung nicht hinderlich, und eine Vorkehrung zur Abkühlung des heißen Wassers ist
sehr leicht in irgend einer Weise auszuführen.
Die Benutzung dieses Wassers hat den dreifachen Vortheil, daß sie die hier
besprochene Melassebildung in Folge zugeführter Salze vermeidet, daß sie die
Gyps- und Kalkablagerungen vieler Wässer erheblich vermindert, und daß sie,
was für manche Fabriken vielleicht noch wichtiger ist, etwaigem Wassermangel
erfolgreich vorbeugt.
Diese Andeutung möge genügen; es ist in jedem einzelnen Falle leicht, die nöthigen
Einrichtungen zu treffen, wie es auch klar ist, daß dieser condensirte Saftdampf in
hinreichender Menge erhalten werden muß. Die Zuckerfabriken benutzen mit größter
Sorgfalt allen condensirten Wasserdampf; warum sollte nicht auch der condensirte
Saftdampf eine angemessene Verwendung finden?
Berichte über Versuche in dieser Richtung, oder über den Erfolg ausgeführter
derartiger Anlagen werden gewiß von großem Interesse seyn. Eine genaue Untersuchung
des condensirten Saftdampfes, welche auch in anderen Rücksichten wichtig seyn
dürfte, behalte ich mir vor, später mitzutheilen.