Titel: | Bericht über Versuche mit einer elektromagnetischen Zielscheibe; von M. H. Jacobi. |
Fundstelle: | Band 176, Jahrgang 1865, Nr. XXXIII., S. 110 |
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XXXIII.
Bericht über Versuche mit einer
elektromagnetischen Zielscheibe; von M. H. Jacobi.
Aus dem Bulletin de l'Académie impériale des
sciences de St. Pétersbourg, tome VI p. 327.
Jacobi, Versuche mit einer elektromagnetischen
Zielscheibe.
Ich erstatte hiermit der Akademie Bericht über einige Versuche, welche vor acht
Jahren bezüglich einer von mir verfertigten elektromagnetischen Zielscheibe gemacht
wurden, von welcher ich zwei Modelle hiermit vorlege.
Derartige Zielscheiben können auf verschiedene Weise construirt werden, aber sie sind
alle auf das nämliche Princip gegründet. Wie ich erfahren habe, sind sie gegenwärtig
in England sehr verbreitet, wo sie zu den zahlreichen Uebungen der aus Volontären
formirten Carabinier-Compagnien benutzt werden (im polytechn. Journal Bd. CLIX S. 24 ist eine in England patentirte
elektrische Zielscheibe beschrieben).
Die genannte Zielscheibe besteht aus Bolzen, deren quadratische Köpfe von 1,25 Zoll Seite die
ebene Oberfläche der Zielscheibe bilden. Das eine der erwähnten Modelle stellt ein
Quadrat von 3,75 Zoll Seite dar und besteht aus 9 Bolzenköpfen, das andere ist ein
Quadrat von 2,25 Zoll Seite und besteht nur aus vier Bolzen. Diese Bolzen sind in
einer Volta'schen Kette eingeschaltet, in welcher ein Signalapparat sich befindet,
und sie sind so angeordnet, daß sie beim geringsten Drucke gegen ihre Köpfe ihre
Lage ändern können. Durch diese Entfernung, selbst wenn sie nicht über ein oder zwei
Hundertel eines Zolles hinausgeht, kommt das Ende dieser Bolzen mit einem
Metallstücke in Contact, wodurch sodann die Kette geschlossen und das Signal
hervorgebracht wird. Hört der Druck auf, so kehrt der Bolzen in seine vorige
Ruhelage zurück, entweder durch Einwirkung einer Abreißfeder oder mittelst eines
Buffers von vulcanisirtem Kautschuk, und die Kette ist dann von Neuem
unterbrochen.
Es ist leicht eine passende Einrichtung zu treffen, um durch ein besonderes und
bleibendes Zeichen den Ort der Zielscheibe oder die Nummer des Bolzenkopfes, der
durch die Kugel getroffen wurde, anzuzeigen. Der Nutzen dieser elektrischen
Zielscheibe besteht darin, daß man einen Signalisten entbehren kann, dessen Anzeigen
zu Fehlern Veranlassung geben können, und welcher sich selbst oft in einer
gefährlichen Lage befindet, im Falle die Zieler wenig geschickt sind. Die große
Schußweite eines Carabiners macht die von selbst erfolgende Fortpflanzung der
Signale nicht weniger wünschenswerth.
Die Versuche mit den Modellen meiner Zielscheibe haben nur in einem Zimmer
stattfinden können, das nicht mehr als 10–12 Schritte für die Größe der
Schußweite darbietet, eine Entfernung, welche übrigens für die Sicherheit des
Zielens groß genug ist, wenn man sich, wie ich es gethan habe, eines Revolvers von
Colt bedient, mit einem ziemlich schweren Drücker. Da
ich eine ziemlich sichere Hand habe, so habe ich nie das Ziel von 2,5 Zoll Seite
verfehlt.
Die Resultate meiner Versuche haben zu meinem großen Erstaunen nicht das gezeigt, was
ich davon erwartete. Sey es, daß ich mich conischer, sey es runder Geschosse
bediente, und obwohl die Bolzen beweglich genug gewesen wären, um selbst einem
leichten Drucke des Fingers nachzugeben, es erfolgte kein Signal.
Jedoch waren die Schläge stark genug, um die Geschosse vollkommen abzuplatten, und um
in gewissen Fällen die Angeln der Bolzenköpfe abzubrechen. Diese eigenthümliche
Erscheinung, von der ich mich überzeugte, daß sie keinem Fehler der Construction
zugeschrieben werden kann, ließ mich vermuthen, daß ich mich hier in dem besonderen
Falle befand, wo die
Trägheit der Massen mit im Spiel war, und wovon mannichfache Beispiele in den
Lehrbüchern der Physik aufgezählt werden.
Bei meinen zahlreichen Versuchen über die submarinen Minen habe ich einem ähnlichen
Fall begegnet, welchen ich als interessant hier erwähne. Auf meinen Vorschlag hatte
man zu Kronstadt eine Art Ponton mit dicken Balken construirt, die sehr fest an
einander gefügt waren. Indem man dort unter dem Niveau des Wassers einen Kasten
befestigte, welcher mit 20 Pfund Kanonenpulver gefüllt war, wurde durch die
Explosion dieses Pulvers das Ponton gehoben, welches mit einer beträchtlichen
Quantität Ballast gefüllt war, um ihm die nöthige Stabilität bei mehreren Arschinen
über dem Wasser zu sichern, und erhob eine große Menge Wassers. Als die Beschädigung
reparirt worden war, füllte ich den Kasten mit 3 3/4 Pfund Schießbaumwolle. Die
Wassergarbe, welche durch die Explosion gehoben wurde, war von sehr regelmäßiger
Gestalt, aber noch beträchtlicher als bei den vorhergehenden Versuchen. Was aber die
anwesenden Personen am meisten in Erstaunen setzte, ist, daß das Herausschleudern
des Wassers durch die Explosion sehr unbedeutend war, und daß bis zu dem
Augenblicke, wo die Garbe wieder abwärts floß, das Ponton in der vollkommensten Ruhe
blieb, als ob ihm nichts begegnet wäre. Da die Explosion der Schießbaumwolle
lebhafter und momentaner war, als bei dem gewöhnlichen Kanonenpulver, so muß man
diesem Umstande die Verschiedenheiten zuschreiben, welche sich bei diesen zwei
Versuchen zeigten.
Der Signalapparat, dessen ich mich bediente, bestand zuerst aus einem
Elektromagneten, der auf seine Armatur wirkte. Das Ausbleiben der Signale könnte
sich daher dadurch erklären, daß die Dauer des Schließens der Kette und diejenige
der Thätigkeit des Stromes zu kurz gewesen sey, um die Trägheit der Armatur zu
überwinden. Ich hielt es deßhalb für passender, einen Multiplicator mit leichter und
empfindlicher Nadel zu nehmen, und die Kraft der Batterie zu verstärken; da man aber
auch durch dieses Mittel nicht das gewünschte Resultat erhielt, so muhte man sich
von der Trägheit des Signalapparates unabhängig machen, und zu chemischen Signalen
seine Zuflucht nehmen, wobei es leicht war, 50–60 Zeichen per Secunde vermittelst eines Unterbrechers zu machen.
Ungeachtet aller dieser Vorsichten erlangte ich jedoch nur in seltenen Fällen
Signale. Ich sah dann ein, daß es sich hier nicht um die Trägheit des
Signalapparates handelte, sondern um die Trägheit der Bolzen. Da der Stoß von zu
kurzer Dauer ist, so hat der Bolzen, welcher durch die Kugel erreicht wurde, nicht
Zeit irgend eine Bewegung zu machen. In der That hätte eine Verrückung von
1/50–1/100 Zoll genügt, um das Schließen der Kette zu bewirken und folglich das Signal
hervorzubringen. Wenn man die Zielscheibe in größere Entfernungen setzt, so wird die
Geschwindigkeit der Kugel genügend geschwächt, um nicht die erwähnten
Schwierigkeiten zu veranlassen. Da meine Versuche, bei welchen ich die Pulverladung
schon auf die Hälfte der gewöhnlichen reducirt hatte, durch die Localität und die
Natur der Waffe, deren ich mich bediente, beschränkt waren, so mußte ich zu anderen
Hülfsmitteln meine Zuflucht nehmen, um die gewünschte Wirkung zu erlangen.
Ich klebte zuvor ein Blatt Papier auf die Oberfläche der Zielscheibe. Die Signale
wurden dann von Zeit zu Zeit hervorgebracht, aber nicht regelmäßig. Wenn man ein
Blatt Papier in eine kleine Entfernung vor die Oberfläche der Zielscheibe legte, so
wurde das Versagen der Signale seltener, aber als man das Blatt Papier durch ein
Carton ersetzte, oder indem man zwei oder drei Blätter Papier hiefür nahm, ließ die
Regelmäßigkeit in der Hervorbringung der Signale nichts zu wünschen übrig. Ich
schloß aus diesem Versuche: daß selbst durch einen scheinbar
sehr geringen Widerstand, die lebendige Kraft eines Projectiles eine merkliche
Veränderung erleidet. Auch bin ich der Ansicht, daß man bei den Versuchen
über die Geschwindigkeit der Kanonenkugeln, welche mittelst des elektrischen
Chronoskopes gemacht werden, ebenfalls Verringerungen der Geschwindigkeit oder
Verluste an lebendiger Kraft constatiren könnte, die von dem Zerreißen dünner Drähte
herrühren, welche einen Theil der elektrischen Kette und eine Art von Gitter bilden,
welches auf der Bahn des Projectiles angeordnet ist und durch das dieses letztere
gehen muß. In diesem Falle, so lange man diesen Versuch nicht gemacht hat, würde
sich Jedermann berechtigt fühlen zu glauben, daß derlei Verluste, welche durch
Widerstände hervorgebracht wurden, die scheinbar nur ein geringfügiges Element
ausmachen, vernachlässigt werden dürfen; es handelt sich nämlich hier nur um einen
unendlich kleinen Weg, wobei der Widerstand beim Durchreißen eines so feinen Drahtes
oder einer dünnen Papierschichte so unbedeutend ist, daß derselbe der bedeutenden
lebendigen Kraft des Projectiles gegenüber verschwindet.Auf diesen Umstand ist schon im Jahre 1855 von Prof. Kuhn aufmerksam gemacht worden; von demselben wurden daher für
Handfeuerwaffen zwei Vorrichtungen angegeben, welche den besagten Uebelstand
der gebräuchlichen Anordnungen zum Oeffnen und Schließen der Kette nicht
besitzen (polytechn. Journal Bd. CXXXVI S.
161). Bei Geschossen von großem Kaliber aber dürste jener Umstand
kaum von meßbarem Einflusse seyn.A. d. Red. Es gibt wahrscheinlich noch andere Naturerscheinungen dieser Art, die der
Aufmerksamkeit der Experimentatoren entgangen sind und welche meiner Art und Weise,
den oben erwähnten Versuch mit der elektrischen Zielscheibe zu erklären, als
Grundlage hätten dienen können. Um genau die Abnahme der Geschwindigkeit jenes
Projectiles zu schätzen, welches durch leichte, dünne Papierschirme geht, könnte man
das ballistische Pendel oder vielleicht noch besser den rotirenden Cylinder
anwenden, dessen man sich bedient um die Geschwindigkeit der Kanonenkugeln zu
bestimmen.
Die wichtige Tagesfrage ist die Construction der Eisenpanzer, um die Kriegsschiffe
oder die Erdbatterien zu blenden. Ich bin weit entfernt zu glauben, daß diese
Eisenpanzer durch andere Mittel ersetzt werden könnten, aber es scheint mir geeignet
zu untersuchen, ob die Dicke der hierzu dienenden Eisenplatten nicht geringer
genommen werden könnte, wenn man dieselben in ähnlicher Weise anordnet, wie dieß bei
meinen Versuchen mit dem Papierschirme angedeutet worden ist. Eine Reduction in
dieser Hinsicht würde um so wünschenswerther seyn, als die Schwierigkeiten der
Anfertigung solcher schmiedeeisernen Platten mit ihrer Dicke außerordentlich
zunehmen.