Titel: | Ueber Dumas' Theorie der Sodafabrication nach dem Le Blanc'schen Verfahren; von A. Scheurer-Kestner. |
Fundstelle: | Band 180, Jahrgang 1866, Nr. XVI., S. 52 |
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XVI.
Ueber Dumas' Theorie
der Sodafabrication nach dem Le
Blanc'schen Verfahren; von A. Scheurer-Kestner.
Aus den Comptes rendus, 1865, t. LXI p.
640.
Scheurer-Kestner, über die Theorie der
Sodafabrication.
Bei Gelegenheit der (vorstehenden) Mittheilung Kopp's über
die Verwerthung der Sodarückstände machte Dumas in der
(franz.) Akademie nachstehende Bemerkung:
„Die Abhandlung von Kopp enthält zahlreiche
Analysen der Producte, welche er zu behandeln hatte. Derselbe macht darauf
aufmerksam, daß die ausgelaugten Sodarückstände Kalk und Schwefelcalcium in dem
durch die Formel CaO : 2 CaS ausgedrückten Verhältnisse enthalten, und daß
dieses Resultat die von mir schon früher aufgestellte Theorie der Sodabildung
bestätige, deren Richtigkeit in neuerer Zeit bestritten wurde.“
Die Zusammensetzung der Sodarückstände, oder das Verhältniß zwischen dem
Schwefel- und dem Calciumgehalte dieser Rückstände, kann die von Dumas aufgestellte Theorie weder bestätigen, noch
dieselbe entkräften. Dumas hatte a
priori die Bildung einer eigenthümlichen, in kaltem Wasser unlöslichen
Verbindung von „Kalk und Schwefelcalcium“ angenommen. Es ist
aber, wie ich gezeigt habe, nicht nöthig, die Dumas'sche
Hypothese von der Existenz eines unlöslichen Oxysulfurets zu Hülfe zu nehmen; denn
das Schwefelcalcium ist an sich schon so wenig löslich in Wasser, daß das
kohlensaure Natron sich lösen kann, ohne durch jenes zersetzt zu werden.
Durch meine Untersuchungen habe ich ferner nachgewiesen, daß die Sodarückstände kein
Oxysulfuret enthalten, sondern aus einem Gemenge von Calciumoxyd, Kalkcarbonat und
Calciumsulfuret in wandelbaren Verhältnissen bestehen.
Uebrigens läßt sich nicht im Allgemeinen behaupten, daß die Zusammensetzung der
Sodarückstände durch eine Formel richtiger als durch eine andere ausgedrückt werde.
Kopp stellte seine Untersuchungen mit Rückständen an,
welche hinsichtlich ihres relativen Gehaltes an Schwefel und Calcium der Formel CaO
: 2 CaS entsprechen, indem zur Darstellung der Soda, von welcher diese Rückstände
herrührten, entsprechende Mengen von Kalkstein und schwefelsaurem Natron angewendet
worden waren. Hätten sich aber Kopp's Analysen auf
Rückstände von verschiedenen Fabriken ausgedehnt, so würden die für jenes Verhältniß
gefundenen Zahlen natürlicherweise ebenso variirt haben, wie die Gemenge der zur
Darstellung der Soda erforderlichen Rohstoffe variiren.Setzt man die Menge des schwefelsauren Natrons = 100, so kann die Menge des
zugesetzten Kalksteins zwischen 90 und 115 variiren. Man s. Répertoire de Chimie appliquée,
Juli 1862.
Alles, was sich über die Zusammensetzung der Sodarückstände sagen läßt, reducirt sich
darauf, daß die empirische Formel, welche diese Zusammensetzung ausdrückt, sehr
variabel ist und in den verschiedenen Fabriken zwischen den beiden extremen
Ausdrücken CaS und 2CaS, CaO schwankt, wenn das Calciumoxyd, welches mit Kohlensäure
theilweise oder gänzlich gesättigt ist, unberücksichtigt bleibt.
In der Praxis läßt sich die Menge des anzuwendenden kohlensauren Kalks sogar
bedeutend vermindern, so daß man Rückstände erhält, welche in ihrer Zusammensetzung
reinem Schwefelcalcium nahe kommen.
Bei Anwendung der nachstehenden Verhältnisse:
schwefelsaures Natron
(als rein angenommen)
25,4
kohlensaurer Kalk
(ebenso)
22,8
kann man Soda von sehr guter Qualität erhalten, welche nur
0,18 bis 0,20 Proc. Schwefelnatrium enthält; doch müssen allerdings die Rohstoffe,
je mehr der zugesetzte Ueberschuß des Kalksteins vermindert wird, um so feiner
zerkleinert und um so stärker muß die Beschickung im Ofen umgerührt werden, um zu
vermeiden, daß ein Theil des Schwefelnatriums sich der Einwirkung des kohlensauren
Kalks entzieht. Die von diesem Gemenge fallenden Rückstände enthalten den Kalk und
das Schwefelcalcium in dem Verhältnisse: CaO : 4CaS.
Die wahre Formel für die normalen Sodarückstände würde CaS, die des reinen
Calciumsulfurets, seyn; denn zur Bestimmung dieser Formel genügt die Analyse so sehr
variabler Rückstände keineswegs, sondern es ist dazu die Bestimmung der geringsten,
zur Erzeugung von Soda erforderlichen Kalksteinmenge nothwendig. Stellt man den
Versuch in einem Schmelztiegel und mit einem innigen Gemenge der Rohsubstanzen an, so erkennt man, daß
es, um dasselbe Resultat wie bei der Darstellung im Großen zu erhalten, hinreichend
ist, vom kohlensauren Kalke die dem schwefelsauren Natron äquivalente Menge
anzuwenden. Der Rückstand besteht dann aus reinem, verhältnißmäßig unlöslichem
Calciumsulfuret. Zu bemerken ist noch, daß die von Kopp
gegebene Formel CaO : 2CaS (in Bezug auf das Verhältniß CaO und CaS) von dem aus
meinen eigenen AnalysenAnnales de Chimie et de Physique, 4. série, t. I p. 424 et 441; polytechn. Journal Bd. CLXXIII S. 130 und Bd. CLXXV S. 290. sich ergebenden Ausdrucke nicht abweicht.
Dumas nahm an, daß während der Darstellung der Soda und
vor der Bildung des Oxysulfurets „das schwefelsaure Natron und ein Theil
der Kreide sich zu schwefelsaurem Kalk und kohlensaurem Natron
umsetzen.“ Diese doppelte Zersetzung ist noch keineswegs
nachgewiesen; nach meinen Versuchen findet das Gegentheil statt.
Die Theorie von Dumas beruht, wie wir gesehen haben, auf
zwei Hypothesen: nämlich
1) auf der Annahme der Existenz von Calciumoxysulfuret;
2) auf der Voraussetzung einer vorgängigen Zersetzung des schwefelsauren Natrons
durch den kohlensauren Kalk.
Mit diesen beiden Hypothesen stehen aber die Thatsachen und Versuche in
Widerspruch.
Das Verhältniß endlich, welches zwischen dem Schwefel und dem Calcium in den
Sodarückständen besteht, läßt sich im Voraus nach dem zur Darstellung der Rohsoda
angewandten Verhältniß von Kalkstein und Glaubersalz berechnen.