Titel: | Baldwin's Versuche mit Sicherheitsventilen. |
Fundstelle: | Band 184, Jahrgang 1867, Nr. LVII., S. 291 |
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LVII.
Baldwin's Versuche mit Sicherheitsventilen.
Nach dem Mechanics' Magazine, Februar 1867, S. 96; aus der
deutschen Industriezeitung, 1867, Nr. 15.
Mit einer Abbildung.
Baldwin's Versuche mit Sicherheitsventilen.
Veranlaßt durch die Beobachtung, daß das Manometer eines Dampfkessels öfters einen
höheren Druck anzeigt, als der ist, bei welchem sich das Sicherheitsventil öffnen
sollte, suchte der engl. Ingenieur Th.
Baldwin durch eine Reihe von Versuchen zu ermitteln, um wie viel der
wirkliche Druck im Kessel denjenigen übersteigen könne, bei welchem sich das
Sicherheitsventil öffnen soll. Zu diesem Zwecke wurde ein kleines Ventil von 1''
Druckfläche mit belastetem Hebel auf eine 12'' lange einzöllige Röhre aufgesetzt,
die im Mannlochdeckel eines gewöhnlichen Lancashirekessels mit zwei Feuerrohren
angebracht war; der Hebel war 14'' lang, die Entfernung vom Ventilmittelpunkt zum
Hebeldrehpunkt betrug 2'' und das bewegliche Gewicht wog 6,09 Pfd. Der Ventilhub
wurde dadurch bestimmt, daß in der Nähe des Hebelendes eine Messingplatte
angebracht, auf dieser die Hubhöhe mittelst eines feinen Stahlstiftes markirt, diese
Länge mittelst eines feinen Zirkels gemessen, außerdem auf einer geraden Linie auf
einer Messingplatte 50 mal aufgetragen, letztere Linie dann gemessen und die
gefundene Länge durch 50 dividirt wurde. Das Eigengewicht des Ventils und Hebels
wurde selbstverständlich bei allen Versuchen in Rechnung gebracht.
Bei dem Versuche Nr. 1 wurde als Ventil eine Scheibe von 1 1/4'' Durchmesser
verwendet, die durch Stäbchen an der Außenseite geführt wurde. Bei einem absoluten
Druck von 65 Pfd. per Quadratzoll engl. im Kessel mußte
die Ventilbelastung auf 53 2/3 Pfd. per Quadratzoll
vermindert werden, damit das Ventil sich um 1/20'' hob.
Bei dem Versuche Nr. 2 mit demselben Ventil und dem gleichen Kesseldrucke hob sich
das Ventil erst bei einer Verminderung der Belastung auf 53 1/4, Pfd. um 1/20''.
Bei Versuch Nr. 3 wurde ein Scheibenventil von 1 1/4'' Durchmesser mit 3 nach Innen
gehenden Führungsflügeln angewendet. Der Dampfdruck im Kessel betrug 73 Pfd., das
Ventil hob sich aber nicht eher um 1/20'', als bis seine Belastung auf 54 Pfd. per Quadratzoll vermindert wurde, wahrscheinlich weil
der Dampfaustritt durch die Ventilflügel verlangsamt wurde. Bei einer Belastung von
52 3/4 Pfd. per Qudrtz. öffnete sich das Ventil bis auf
1/10''; bis zu der Entlastung auf 56 Pfd. wuchs der Ventilhub fast constant mit der
Gewichtsverminderung.
Bei dem Versuche Nr. 4 mit demselben Ventil betrug der Druck im Kessel 65 Pfd. und
das Ventil hob sich um 1/20'', als seine Belastung auf 49 1/2 Pfd. per Quadratzoll vermindert wurde.
Bei dem Versuche Nr. 5 wurde ein Ventil mit nach Innen gehenden Flügeln und einer
Scheibe von 2 3/16'' Durchmesser angewendet, dessen Sitzfläche 1/8'' breit und
dessen äußere Scheibenfläche um 1/20'' weniger dick war als an der Sitzfläche, um
dem Dampfe eine größere Austrittsöffnung zu geben. Bei einem Druck von 67 Pfd. im
Kessel hob sich das Ventil erst dann um 1/20'' als seine Belastung auf 48 3/4 Pfund
per Quadratzoll vermindert wurde.
Bei Versuch Nr. 6 mit demselben Ventil und einem Kesseldruck von 70 Pfd. per Quadratzoll hob sich das Ventil um 1/20'' erst als
seine Belastung auf 50 Pfd. per Quadratzoll vermindert
wurde, und bei Versuch Nr. 7 bei 65 Pfd. Kesseldruck erst bei einer Belastung von 42
1/2.
Versuch Nr. 8 wurde mit dem bei Nr. 3 und 4 verwendeten dreiflügligen Ventil
angestellt, dessen Scheibe aber von 1 1/4 auf 1 1/8'' Durchmesser vermindert war;
bei einem Kesseldruck von 65 Pfd. per Quadratzoll hob es
sich um 1/20'' erst bei einer Verminderung der Belastung auf 51 Pfd. per Quadratzoll.
Versuch Nr. 9 wurde mit demselben Ventil, Nr. 10 mit dem bei Nr. 5, 6 und 7
verwendeten und Nr. 11 mit dem bei Nr. 8 und 9 verwendeten angestellt, nur daß im
letzteren Falle die Zwischenräume zwischen den Ventilflügeln mit Romancement zu
einem Paraboloid von 1'' Höhe und 1'' Durchmesser an der Basis ausgefüllt wurden; am
Ende des Versuches
hatte das Ventil allen Cement verloren, so daß eine ziemlich unregelmäßige Curve
erhalten wurde.
Versuch Nr. 12 wurde mit einem gewöhnlichen Ventil mit 3 Flügeln und 1/8'' breiter,
unter 45° geneigten Sitzfläche, und Nr. 13 mit dem bei Nr. 5, 6, 7 und 10
angewendeten Ventile angestellt, nur daß die Scheibenfläche 1 1/8'' Durchmesser
hatte und der äußere Scheibentheil die flache Sitzfläche fast berührte, kaum 1/100''
davon abstand, während sie, wie erwähnt, bei den früheren Versuchen um 1/20'' davon
abstand. Bei einem Kesseldruck von 67 Pfd. öffnete sich das Ventil erst dann um
1/80'', als seine Belastung auf 45 Pfd. per Quadratzoll
vermindert wurde, was beweist, daß breite Ventilsitzflächen nicht angewendet werden
sollten.
Die Resultate der Versuche sind in folgender Tabelle zusammengestellt:
NummerdesVersuches.
AbsoluterDampfdruck im Kesselin
Pfundenper Quadratzoll engl.
Das Ventil von 1 Qdrtz. Druckfläche mußte bis
auf dieangegebenen Belastungen in Pfunden per Qdrtzoll. entlastetwerden, um sich auf die in der
horizontalen Reiheangegebenen Höhen zu heben.
1/80''
4/80''
8/80''
12/80''
16/80''
1
65
58 1/2
53 2/3
52 1/4
51 1/2
–
2
65
57 3/4
53 1/5
51 1/3
–
–
3
73
57 1/2
54
52 3/4
–
–
4
65
53 1/2
49 1/2
43 3/4
48
–
5
67
59
48 3/4
–
–
–
6
70
61 1/2
50
48 3/4
–
–
7
65
56 1/2
45 1/2
–
–
–
8
65
55 1/2
51
49
47 1/2
46 1/2
9
65
54 3/4
52 1/2
50 3/4
49 1/2
–
10
65
57 1/2
48
44 1/2
–
–
11
65
57 1/2
54 1/3
–
–
–
12
67
56 1/4
52
49 1/2
48 1/2
47 1/2
13
67
45
–
–
–
–
Viele Sicherheitsventile von 2–5'' blasen nur ganz schwach, wenn der
Dampfdruck im Kessel um 15–20 Pfd. per
Quadratzoll höher ist, als die Belastung des Ventiles per Quadratzoll. Namentlich ist dieß der Fall, wenn das Ventil ähnlich wie
das bei Versuch Nr. 13 verwendete construirt ist. Wie dieser Versuch zeigt, kann
hierbei der Dampfdruck im Kessel bis auf 67 Pfd. per
Quadratzoll steigen, ohne daß sich das Ventil um 1/80'' hebt, obgleich dasselbe nur
mit 45 Pfd. per Qdtzll. belastet ist. Es ergibt sich
daraus, daß die gewöhnlichen Sicherheitsventile nur dann den Dampf genügend rasch
ausströmen lassen, wenn sie sehr groß sind. Baldwin
berechnet nun, wie groß die vom Ventil gebotene Ausströmungsöffnung seyn müsse, um
gerade allen Dampf abzuführen, sowie er im Kessel erzeugt wird; er findet für diese
Oeffnung a die Gleichung: a =
cfes/25v₁k
Quadratzoll engl., wobei f die Rostfläche in Qdtfß.
engl., c die stündlich per
Quadratfuß Rostfläche verbrannte Kohlenmenge in Pfunden, e die per Pfd. Kohle verdampfte Wassermenge in
Pfunden, also cfe die stündlich verdampfte
Wassermenge, s das Volumen in Kbkfß. von 1 Pfd. Dampf,
v₁ die Ausströmungsgeschwindigkeit des
Dampfes und k den Contractionscoefficienten bezeichnet.
c kann für Kessel von stationären und
Schiffsmaschinen = 20 Pfd., für Locomotivkessel = 100, e
= 6 und k = 0,8 gesetzt werden, so daß die Formel
übergeht in a = 6fs/v₁ für stationäre und Schiffsmaschinen, und in
a₁ = 30fs/v₁ für Locomotivkessel. s ist aus bekannten Tabellen zu entnehmen und v₁ wird berechnet nach der Formel:
Textabbildung Bd. 184, S. 294
wobei s das Volumen von 1 Kubfß.
Dampf von der Kesselspannung p, s₀ das Volumen
von 1 Kubfß. Dampf von der Spannung einer Atmosphäre p₀ (= 14,7 Pfd.)
bezeichnet. Eine Anzahl zusammengehörender Werthe von p, s,
v₁ a und a₁ sind nachstehend zusammengestellt, wobei in den Formeln für a und a₁ f = 1 Quadratfuß gesetzt ist.
Textabbildung Bd. 184, S. 294
p; s; v; a; für f; Pfd. per
Qdtzll.; Kbkfß.; Fß.; Qdtzll.; Qdtztt.
Für einen stationären Kessel mit 32 Qdrtfuß. Rostfläche ist also, wenn z.B. der
absolute Kesseldruck nicht über 80 Pfd. per Qdrtzoll.
steigen soll, der Querschnitt der Oeffnung, welchen das Sicherheitsventil für den
Austritt des Dampfes in die Atmosphäre bieten muß, a =
32 . 0,0619 = 1,9808 Qdrtzoll. engl. Bei einem gewöhnlichen Sicherheitsventil kann,
wie die obigen Versuche beweisen, der Kesseldruck auf 90 oder selbst 100 Pfd. steigen, bevor das
Ventil so hoch steigt, daß dem Dampfe eine Austrittsöffnung von 1,9808 Qdrtzoll.
geboten wird.
Textabbildung Bd. 184, S. 295
Dagegen wird sich ein Ventil von der nebenstehend
abgebildeten Construction genügend heben, um diese Austrittsöffnung zu bieten,
bevor der Dampfdruck nur 1 Pfd. über den festgesetzten steigt. In dieser
Abbildung bezeichnet a das Ventil, das die Form
eines Umdrehungskörpers, z.B. einer Kugel, hat; b
ist die Oeffnung nach dem Kessel, c ein Bügel, durch
den die kleine Spindel d geht. Das Ventil ist auf
irgend eine gewöhnliche Art belastet; bei e ist der
Ventilsitz. Diese Ventile sind wenigstens 20 mal so wirksam als ein
Scheibenventil von 5 mal so großem Durchmesser; sie brauchen nur für
außerordentlich große stationäre Kessel 2'' Durchmesser zu haben, sonst genügen
1 5/8'' und oft schon 1'' Durchmesser.