Titel: | Thomson's rotirende Dampfmaschine. |
Fundstelle: | Band 186, Jahrgang 1867, Nr. XXXIX., S. 185 |
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XXXIX.
Thomson's rotirende Dampfmaschine.
Mit Abbildungen auf Tab.
IV.
Thomson's rotirende Dampfmaschine.
Wie zu erwarten stand, hat die Classe der Bewegungsmaschinen auf der Pariser
Ausstellung auch einige rotirende Dampfmaschinen aufzuweisen, und wenn man auch in
Folge der auf diesem Felde bisher gemachten Erfahrungen sich gewöhnt hat, die
rotirenden Maschinen denen mit hin- und hergehenden Kolben hintanzusetzen, so
wollen wir doch in Nachstehendem die Thomson'sche
Maschine, welche viel Aufmerksamkeit erregt hat, näher beschreiben.
Wie aus Fig.
6–8, die einen Längendurchschnitt, eine Endansicht und einen
Querdurchschnitt zeigen, ersichtlich ist, fällt bei Thomson's Maschine die Achse, um welche die Kolben rotiren, mit der Achse
des Cylinders oder umschließenden Gehäuses zusammen. Die auf jeder halben
Umfangsfläche angelegten Dampfein- und Austrittsöffnungen stehen jedesmal um
67 1/2º auseinander, während zu bemerken ist, daß die Liderungsstreifen jedes
zusammen arbeitenden Kolbenpaares je 90º Raum zwischen sich lassen. Nehmen
wir an, daß die Liderungsstreifen eines Kolbens so eben die Dampfeintrittscanäle
(von denen zwei, sich um 180º einander gegenüber stehende vorhanden, die
jedesmal 67 1/2º von dem nächsten Austrittscanal abstehen) passirt haben, so
tritt der frische Dampf zwischen den eben vorbeigegangenen Kolben und den ihm
nachfolgenden, welcher letztere die Dampfeintrittsöffnung noch nicht erreicht hat,
aber bei der Austrittsöffnung vorbeigegangen ist, und wirkt wie ein Keil, der beide
Kolben auseinander, d.h. den einen vorwärts, den anderen rückwärts zu treiben
strebt. Es würde nun keine Rotationsbewegung erfolgen, wenn nicht eine besondere
Vorrichtung vorhanden wäre, die dennoch eine solche möglich machte. Es besteht
dieselbe darin, daß jedes einander diametral gegenüber stehende Kolbenpaar eine
eigene Achse besitzt, von welcher aus eine Bewegungsübertragung durch elliptische
Räderpaare nach der darneben liegenden Schwungradwelle stattfindet. Beide Räderpaare
stehen einander aber versetzt gegenüber, mit anderen Worten: wenn bei dem Rade an
der einen Kolbenachse der große Radius im Eingriff steht, ist bei dem Rade an der
anderen Kolbenwelle der kleine Radius im Angriff befindlich. Wenn nun bei der
vorerwähnten Kolbenstellung, wo der eine Kolben eben die Dampfeintrittsöffnung
passirt hat, der kleine Radius des elliptischen Rades auf den des großen des
zugehörigen Rades auf
der Schwungradwelle wirkt, so ist der nachfolgende Kolben, der eben den
Dampfaustritt passirt hat, gerade in der entgegengesetzten Stellung in Bezug auf
seine Räder, nämlich der große Radius seines Rades wirkt auf den kleinen des dazu
gehörigen Rades auf der Schwungradwelle und das Resultat ist, daß der erste Kolben
die Schwungradwelle mit einer Kraft treibt, die proportional dem auf seine Fläche
wirkenden Dampfdruck, vergrößert durch das Räderübersetzungsverhältniß, ist, während
der nachfolgende Kolben verzögernd auf das Schwungrad einwirkt, und zwar mit einer
gleichen absoluten Kraft, verkleinert durch das Räderübersetzungsverhältniß. Im
Augenblick, wo der zweite (oder nachfolgende) Kolben auch bis zum
Dampfeintrittscanal gelangt und diesen passirt, tritt dieser nun an die Stelle des
erst erwähnten Kolbens und er wirkt nun selbst im Verein mit dem nächstfolgenden
Kolben gerade so, wie es zuerst beschrieben wurde. Wir haben jetzt stets nur von
zwei Kolben gesprochen, in Wirklichkeit sind aber vier Kolben oder zwei Kolbenpaare
vorhanden, und dasselbe Spiel, was eben für die Dampfeintrittsöffnung auf einer
Hälfte des Cylinders stattfand, findet gleichzeitig auch auf der diametral gegenüber
liegenden Hälfte des Cylinders statt, es wird also die Wirkung doppelt so groß. Es
ist leicht einzusehen, daß ein positiver Verlust an Kraft durch den Druck
stattfindet, der auf die Fläche desjenigen Kolbens wirkt, welcher jedesmal dem
treibenden nachfolgt. Bei der von Thomson ausgestellten
Maschine wird keine Expansion angewendet, sondern sie arbeitet stets mit Volldruck;
es dürfte indeß ein Leichtes seyn, die Canäle so anzuordnen, daß ein jeder beliebige
Expansionsgrad hervorgebracht wird; nur verliert man dann den Vortheil, daß die
Maschine beliebig rechts oder links herum gehen kann, was bei Thomson's Maschine ganz leicht dadurch hergestellt wird, daß man den auf
dem Cylinder liegenden Hahn etwas umdreht, wodurch sofort die Dampfeintrittscanäle
in Dampfaustrittsöffnungen (und umgekehrt) verwandelt werden; ein Vortheil, der
allerdings bei sehr vielen Verwendungen dieser Maschine von Wichtigkeit seyn
dürfte.
Als zweckmäßig ist bei dieser Maschinenconstruction hervorzuheben, daß die Achse der
beweglichen Kolben mit der Achse des umschließenden Gehäuses zusammenfällt, durch
welchen Umstand die Schwierigkeit, eine dichte Liderung herzustellen, viel geringer
ausfällt, als bei einem excentrischen Gehäuse. Andererseits ist es bei dieser
Maschine schwer, der ungleichen Abnutzung der Cylinderenden unter dem Einfluß der
Reibung der Liderungsschienen zu entgehen, was bei dieser Construction schlimmer
auftritt als bei manchen anderen Systemen. Die Anwendung der elliptischen Räder ist ebenfalls als
ein Uebelstand zu betrachten, da deren Zähne mit der größten Sorgfalt angefertigt
werden müssen, wenn sie gut arbeiten sollen. Wir müssen bei diesen Bemerkungen
allerdings uns erinnern, daß man diese rotirenden Maschinen bis zu 400 Umdrehungen
in der Minute machen läßt; eine Geschwindigkeit, welche gewöhnliche Dampfmaschinen
mit hin- und hergehenden Kolben nicht würden erreichen können, ohne daß sie
einer größeren Abnutzung unterliegen dürften als die rotirende Maschine. Thomson's Maschine ist schon mehrfach auf Schiffen zum
Bewegen der Krahne auf dem Verdeck verwendet worden und gewährt für diesen Zweck
durch ihren schnellen, stoßfreien Gang große Vortheile, da eine verticale
Kolbendampfmaschine sehr leicht ein Schiffsverdeck zu ruiniren im Stande ist, wenn
sie sehr rasch geht.
Aus dieser Beschreibung von Thomson's Maschine, die viele
der besten von solchen rotirenden Maschinen zu erlangenden Eigenschaften in sich
vereint und manches Neue in der Construction enthält, sich auch durch Einfachheit
der Details auszeichnet, wird man sich immerhin ein Bild machen können, inwiefern es
der Neuzeit gelungen ist, die solchen Maschinen entgegenstehenden Schwierigkeiten zu
bekämpfen, und was etwa noch hierin geleistet werden muß. (Engineer, Mai 1867, S. 484; polytechnisches Centralblatt, 1867 S.
903.)