Titel: | Ueber Baker's Anti-Incrustator für Dampfkessel; von Gustav Mack, Civilingenieur in Frankfurt a. M. |
Autor: | Gustav Mack |
Fundstelle: | Band 187, Jahrgang 1868, Nr. LXXXVI., S. 370 |
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LXXXVI.
Ueber Baker's Anti-Incrustator für Dampfkessel; von
Gustav Mack, Civilingenieur
in Frankfurt a. M.
Mit Abbildungen auf Tab.
VII.
Mack, über Baker's Anti-Incrustator für
Dampfkessel.
Die vielen Mittel, welche zum Verhüten und Loslösen des Kesselsteines der Dampfkessel
in Anwendung gekommen sind, wurden in den letzten Jahren durch die beachtenswerthe
Erfindung von Baker, den sogenannten
Anti-Incrustator, vermehrt.
Fig. 1 zeigt
den sogen. Stern des Baker'schen Instrumentes in der
ursprünglichen Form. Sieben kleine Magnete von Stahldraht, 1/4 Zoll dick und 3 1/2
Zoll lang, deren eines Ende zugespitzt ist, sitzen radial an einer runden Scheibe
von Messing oder Rothguß. Der äußere Durchmesser in den Spitzen beträgt etwa 10
Zoll. Dieser Stern wurde im Dampfraume oder Dome des Kessels in der Nähe der
Ausströmungsöffnung derart befestigt, daß er von dem Kesselbleche isolirt war.
Fig. 2 zeigt
den Rothgußbolzen b mit dem Porzellanring c, den Gummischeiben e und
dem Sterne a im Durchschnitt.
Ein starker Kupferdraht f geht von dem Messingkörper des
Instrumentes durch den Dampfraum nach dem anderen Ende des Kessels und ist dort in
leitender Verbindung mit dem Kesselbleche befestigt.
Ist dieser Apparat sorgfältig angebracht, so entsteht – nach der Annahme des
Erfinders – bei ausströmendem Dampfe ein elektrischer Strom, welcher von dem
Sterne durch den Kupferdraht nach dem Bleche des Kessels geht, und als Wirkung zeigt sich alsbald die
vollständige Lösung fest anhaftender Kesselsteinkrusten, wie auch die Verhütung von
neuem Ansatze derselben.
Im Laufe des Jahres 1866 wurden in den Vereinigten Staaten mit Baker's Anti-Incrustator viele Versuche angestellt, welche die
günstigsten Resultate ergaben. Im November desselben Jahres kam der Apparat
vermuthlich zuerst und zwar in oben angeführter Gestalt nach England, wo er
vielfältigen Proben unterzogen wurde. Eine der ersten erfolgte in einem Kessel des
Southmetropolitan-Gaswerkes in London. Der 20 Fuß lange Kessel hat 5 Fuß 6
Zoll Durchmesser und ist ein sogenannter Cornwallkessel mit innerer Feuerung,
welcher 1/8 bis 1/4 Zoll dick mit hartem Kesselstein überzogen war. Ueber dem Roste
entfernte man, der Sicherheit wegen, den Kesselstein auf eine Länge von 7 Fuß. Der
Kessel blieb, mit dem Baker'schen Apparate versehen,
sechs Wochen lang anhaltend im Gebrauch, nach welcher Zeit er früher stets außer
Betrieb gesetzt und gereinigt werden mußte. Bei der Besichtigung zeigte sich, daß
der Kesselstein überall losgesprengt war, nur am hinteren Ende saß er noch auf eine
Länge von etwa 4 Fuß fest. Die gereinigte Stelle über dem Roste zeigte keine Spur
eines Absatzes und nach weiterem Gebrauche von einigen Wochen waren auch die
hinteren Bleche vom Kesselstein befreit.
Andere Versuche bestätigten die gute Wirkung des Anti-Incrustators und wurden
durch Zeugnisse mehrerer der renommirtesten englischen Fabrikanten beglaubigt.
In Frankfurt a. M. wurde durch Vermittelung der Herren Wirth und Comp. ein Baker'scher Anti-Incrustator zu Versuchen in einem
Fabrik-Dampfkessel angebracht, welcher mit sehr harter Steinkruste überzogen
war. Nach drei Wochen fand man den Kessel theilweise, nach fünf Wochen vollständig
rein und ohne eine Spur festsitzenden Steines. Ein dünner, staubartiger Ueberzug
konnte mit der Hand weggewischt werden; darunter zeigte sich das Blech rein und es
waren auf demselben die alten Hiebe von den Kesselsteinhämmern deutlich zu
erkennen.
Die Masse des Kesselsteines, welche bei der Verdampfung ausgeschieden wird und im
Wasser zu Boden sinkt, bleibt bei Anwendung des Anti-Incrustators allerdings
im Kessel zurück und es muß daher dafür gesorgt werden, daß ein öfteres Ausblasen
zur Entfernung der Schlammtheilchen leicht vorgenommen werden kann.
Der Stern in oben angegebener Gestalt zeigte bei seiner Benutzung bald eigenthümliche
Veränderungen. Die Stahlspitzen verloren ihre magnetische Eigenschaft so
vollständig, daß sie selbst die leichteste Nadel nicht mehr zu heben vermochten,
sie oxydirten sich stark, wurden von der Spitze aus zerstört und mußten fortwährend
durch neue ersetzt werden. Die Patentinhaber des Apparates in England, die HHrn. Kidson und Comp., versuchten
sie durch einen dünnen Silberüberzug zu schützen, aber vergeblich, wornach sie die
magnetischen Stahlspitzen mit einem dicken Kupferüberzuge versahen, sie dann
versilberten und schließlich noch galvanisch vergoldeten; aber auch dieser
kostspielige Ueberzug konnte die Zerstörung derselben nicht abhalten.
Inzwischen hatte sich herausgestellt, daß die magnetische Eigenschaft der Spitzen für
die Thätigkeit des Apparates unwesentlich ist; man macht daher in neuester Zeit die
Spitzen von Kupferdraht und versieht sie mit kleinen Platinspitzchen. In Fig.
3–7 sind die einzelnen Theile einer solchen Einrichtung in 1/5 der
Naturgröße abgebildet; es ist dieses der kleinste Apparat, welcher bei Dampfkesseln
von 1 bis 10 Pferdekräften verwendet wird, stärkere Kessel erfordern entsprechend
größere Instrumente. g ist der Stern; die Kupferdrähte
sind mit Gewindchen eingeschraubt. Der Körper des Sternes ist von Rothguß und so
weich, daß der Stiel zwischen g und h gebogen werden kann, wenn es die Stellung im Kessel
erfordert. h ist das Auge für die Porzellanbüchse. i ist ein der Länge nach kreuzweise durchschnittener
Zapfen mit Gewinde, in welchen der Leitungsdraht eingesteckt und durch Anziehen der
Mutter festgeklemmt wird.
Fig. 4 zeigt
den Befestigungsbolzen für den in Fig. 3 dargestellten
Stern. Die Schraube k wird in das Kesselblech
geschraubt. 1 ist der Porzellanring mit Gummischeibchen und m eine Flügelmutter.
Fig. 5 zeigt
einen Halter mit Porzellanbüchse, welcher an der Stelle in das Kesselblech geschoben
und festgeklemmt wird, wo der Dom sich aufsetzt. Der Draht geht durch den hohlen
Porzellankörper und wird so um die Ecke geleitet.
Fig. 6 zeigt
einen Halter für sehr lange Kessel, wobei der Draht um die Porzellanbüchse geleitet
wird.
Fig. 7 zeigt
die Schraube, womit der Draht in leitender Verbindung an dem Kesselbleche befestigt
wird. Die Befestigung des Drahtes ist wie bei dem Sterne Fig. 3. Die Schraube darf
nicht mit Kitt in das Kesselblech eingeschraubt werden, weil dabei der metallische
Contact mit dem Bleche nicht erreicht würde. Der Abstand des Drahtes vom
Kesselbleche muß überall 2 1/2 bis 3 Zoll betragen.
Die Wirkung des Apparates ist unzuverlässig, wenn der betreffende Dampfkessel mit
anderen, nicht mit Apparat versehenen Kesseln in directer leitender Verbindung
steht, z.B. durch eiserne Röhren etc.
Der Stern wird vor dem Abgange des Dampfrohres so angebracht, daß der Dampf die
Spitzen umströmen muß.
Die Idee des Baker'schen Apparates ist übrigens nicht ganz
neu; denn eine auf ähnlichem Princip beruhende Erfindung wurde am 15. September 1864
Georg Parry von Philadelphia für die Vereinigten Staaten
patentirt. Nach der Patentbeschreibung desselben besteht seine Erfindung:
„in der Anwendung eines elektrischen Apparates, welcher bezweckt
diejenige Thätigkeit aufzuheben, durch welche der feste Ansatz im Kessel bewirkt
wird.“
Parry's Apparat ist in Fig. 8 abgebildet und
besteht in einem Kupferrohre, welches an dem darüber liegenden Kesselbleche isolirt
befestigt ist. An seinen Enden trägt dasselbe Kugeln von Messing, in welche eine
beliebige Anzahl magnetischer Spitzen eingesetzt ist. Ein Kupferdraht stellt die
leitende Verbindung des Rohres mit dem entgegengesetzten Kesselende her. Der
horizontale Stab mit den Kugeln und magnetischen Spitzen liegt im Dampfraume direct
über dem Roste. Parry schreibt die Wirkung seines
Apparates einem elektrischen Strome zu, welcher in den Metalltheilchen des Kessels
eine erschütternde Bewegung hervorbringe und so auf mechanischem Wege den Ansatz von
Kesselstein verhindere.
Die Natur der beiden besprochenen Instrumente läßt jedenfalls auf die Anwesenheit
eines elektrischen Stromes in dem Kupferdrahte schließen, über dessen Beobachtung
und Messung im Engineering vom 30. August 1867
Mittheilung gemacht wurde. Der Draht vom Sterne eines Baker'schen Anti-Incrustators war am vorderen Ende eines
Dampfkessels durch eine isolirende Stopfbüchse, dann durch den Galvanometer und
zurück zum Kesselbleche geführt worden. So konnte jeder durch den Draht gehende
Strom beobachtet werden, und es zeigte sich bei der Dampfentwickelung eine Ablenkung
der Nadel um 11° und bei ausströmendem Dampfe um 14°. Ob der Strom
positiv- oder negativ-elektrisch war, ist nicht angegeben; nach
anderen Mittheilungen aber soll er bald positiv bald negativ gewesen seyn. Das
Resultat dieser Versuche hat bis jetzt keine Widerlegung gefunden; im Gegentheil
wurde es von englischen Ingenieuren und Physikern bezüglich der Theorie des
Anti-Incrustators als feststehende Thatsache angenommen.
Hr. F. E. Webb theilte im Engineering folgende Ansicht über die Wirkungsweise des
Anti-Incrustators mit: Das Kochen des Wassers erzeugt
negativ-elektrische Dampftheilchen, wogegen das Wasser
positiv-elektrisch bleibt. Der Apparat sammelt die negative Elektricität des
schlecht leitenden Dampfes und bringt durch den Draht eine Ausgleichung zu Stande. Die Feuchtigkeit
zwischen Kesselblech und Kesselstein werde bei diesem Vorgange zersetzt (?) und das
entwickelte Wasserstoffgas sprenge die Kruste ab.
Die von Robert Sabine gegebene Erklärung ist in diesem Bande des polytechn. Journals (zweites
Februarheft) S. 273 mitgetheilt worden. Derselben schließt sich John Ramsbottom in so weit an, als er beistimmt, daß die
Anwendung von Baker's Anti-Incrustator den
Dampfkessel in eine Hydro-Elektrisirmaschine verwandle; nur nimmt er an, der
Dampf werde positiv-, das Wasser negativ-elektrisch. Die den Kessel
umgebende Feuerluft von hoher Temperatur mache das Blech positiv-elektrisch
und das Instrument bewirke die Ausgleichung zwischen dem positiven Dampf und
negativen Wasser durch das Kesselblech. Dieser Strom werde bei austretendem Dampfe
durch rasche Dampfentwickelung und Reibung bedeutend verstärkt.
Aus dem Vorstehenden ist zu ersehen, daß keine der bis jetzt aufgestellten
Erklärungen so unumstößlich oder wenigstens befriedigend ist, daß sie als richtig
angesehen werden könnte. Es fehlt eben noch an einer Anzahl wissenschaftlich
durchgeführter Versuche; nur durch solche kann über den noch in Dunkel gehüllten
Vorgang im Anti-Incrustator Licht verbreitet und eventuell dann die
Construction dieses Apparates ihrer Vollkommenheit zugeführt werden.
Ich habe bisher nur günstiger Resultate mit dem Baker'schen Apparate Erwähnung gethan; es liegen aber auch Fälle vor, wo bei
Anwendung dieses Instrumentes der erwartete Erfolg nicht eintrat, oder sich anfangs
zeigte und dann plötzlich aufhörte. Der Erfinder schrieb diese mißlungenen Versuche
der mangelhaften Isolirung des Apparates oder anderen ungünstigen Umständen zu.
Jedenfalls sind fernere, den wissenschaftlichen Anforderungen entsprechende Versuche
abzuwarten, um über den Werth des Baker'schen
Anti-Incrustators aburtheilen zu können, und die Besitzer solcher Apparate
würden sich durch Veröffentlichung der mit denselben gemachten Erfahrungen den Dank
des technischen Publicums verdienen.