Titel: | Ueber einige Varietäten der Orseille-Flechte und daraus erhaltene Producte; von J. Stenhouse. |
Fundstelle: | Band 193, Jahrgang 1869, Nr. XXXVI., S. 145 |
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XXXVI.
Ueber einige Varietäten der
Orseille-Flechte und daraus erhaltene Producte; von J. Stenhouse.
Stenhouse, über Orseille-Flechten etc.
Stenhouse hat im Jahre 1848 zwei Varietäten der Roccella tinctoria untersucht (Annalen der Chemie und
Pharmacie, Bd. LXVIII S. 55), deren eine von dem Cap der guten Hoffnung stammte, und
die andere, nach der Auskunft welche Stenhouse damals
erhielt, aus der Gegend von Lima und von Valparaiso. Beide Arten von Flechten waren
beträchtlich größer als die auf den Capverdischen Inseln wachsenden. Die
südamerikanische Flechte war 6 bis 8 Zoll lang, und manche ihrer Verzweigungen waren
von der Stärke eines Gänsekieles. Beide Flechten wurden von dem ausgezeichneten
Botaniker Dr. Scouler zu
Glasgow für große Varietäten der Roccella tinctoria
erklärt. Stenhouse hat in jüngster Zeit Exemplare dieser
Flechten dem Hrn. Bennet, von der botanischen Abtheilung
des brittischen Museums, und seinem Assistenten, Hrn. Carruthers, vorgelegt, von welchen Dr. Scouler's Meinung bestätigt wurde. Als er die aus
Südamerika stammende Varietät den HHrn. Benjamin Smith
und Sohn vorlegte, welche die ältesten und bedeutendsten
Orseillefabrikanten in London sind, so erkannten diese sie sofort als Roccella tinctoria aus Chili, welche im Handel unter der
Bezeichnung „Valparaiso-Flechte“ bekannt ist, aber nur
selten nach England eingeführt wird; während die sogenannte Lima-Flechte,
welche in großen Mengen eingeführt wird, Roccella
fuciformis ist, so wie die von Angola, Zanzibar, Madagascar etc.
Die farbstoffgebenden Bestandtheile, welche Stenhouse aus
der Valparaiso-Flechte und aus der Flechte vom Cap der guten Hoffnung
ausgezogen hat, beschrieb er unter der Bezeichnung
„Alpha-“ und
„Beta-Orsellsäure.“ Aus den Resultaten seiner
Analysen und aus dem Verhalten dieser Substanzen, welches mit dem der Lecanorfäure
ganz übereinstimmte, zog Gerhardt die Schlußfolgerung,
daß sowohl die Alpha- als die Beta-Orsellsäure Stenhouse's mit Schunck's Lecanorsäure
identisch, und also auch die bei Einwirkung von Baryt oder Kalk auf die ersteren
Säuren entstehende Säure Orsellinsäure sey. Stenhouse hat
seitdem Versuche angestellt, welche ihn davon überzeugten, daß Gerhardt's Vermuthungen vollkommen richtig sind. In neuerer Zeit hat Hesse (Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd LXXXIX S. 22)
die Roccella tinctoria von den Capverdischen Inseln
untersucht, aus welcher er, wie zu erwarten gewesen wäre, Lecanorsäure erhielt; und auch die Roccella fuciformis von Angola, Zanzibar, Madagascar,
Ceylon und Lima, welche letzteren Flechten er sämmtlich als Erythrin (Erythrinsäure)
liefernd befand. Was jetzt in dem Handel als Lima Flechte bekannt ist, ist Roccella fuciformis, und somit gänzlich verschieden von
der von Stenhouse 1848 untersuchten
Orseille-Flechte (Roccella tinctoria), welche
dieser damals beschrieb als sich findend in der Nachbarschaft von Lima und
Valparaiso. Dieß erklärt die anscheinende Nichtübereinstimmung der Resultate Stenhouse's und derjenigen Hesse's, da die Lima-Flechte des letzteren Roccella fuciformis war, während diejenige Stenhouse's die jetzt im Handel unter der Bezeichnung
Valparaiso-Flechte bekannte Roccella tinctoria
war. Es ist sehr schwierig, genau die Localitäten festzustellen, von wo diese
Flechten erhalten werden, da die Importeure, aus naheliegenden, den Handel
betreffenden Ursachen, sehr wenig geneigt sind, hierüber Auskunft zu geben.
Aus der Abhandlung Stenhouse's, welcher das Vorstehende
entlehnt ist, und welche im Uebrigen auf die Darstellung von Orcin und Erythrit,
Orsellinsäureäther etc. sich bezieht, theilen wir noch das Nachstehende mit.
Verfahren zur Bestimmung des Gehaltes der Flechten an
farbstoffgebenden Bestandtheilen. – In der oben citirten ersten
Abhandlung über die Flechten vom Jahre 1848 hat Stenhouse
zwei Verfahren angegeben, den Gehalt der Flechten an farbstoffgebenden
Bestandtheilen zu bestimmen. Das eine dieser Verfahren bestand darin, die Flechte
mit Kalkmilch auszuziehen, mit Essigsäure zu fällen, den Niederschlag auf einem
gewogenen Filter zu sammeln, ihn bei gewöhnlicher Temperatur zu trocknen und dann zu
wägen. Auf diese Art wurde der Gehalt an farbstoffgebenden Bestandtheilen direct
bestimmt. Die einzige Einwendung, welche sich gegen dieses Verfahren machen läßt,
ist, daß es langwierig und für jeden Anderen als einen Chemiker schwierig
auszuführen ist. Das andere Verfahren beruhte auf der Anwendung einer Normallösung
von unterchlorigsaurem Kalk. Zu diesem Zwecke wird eine beliebige Menge der Flechte,
z.B. 100 Gran, in sehr kleine Stücke zerschnitten und mit Kalkmilch macerirt, bis
alle farbstoffgebenden Bestandtheile ausgezogen sind. Drei oder vier Macerationen
sind hierfür ganz hinreichend, wenn die Flechte hinlänglich zerkleinert ist. Die
klaren Flüssigkeiten sind zu filtriren und mit einander zu mischen. Eine
Bleichkalklösung von bekannter Stärke ist dann aus einem graduirten Alkalimeter der
Kalkflüssigkeit zuzusetzen. In dem Augenblicke, wo die Bleichtalklösung mit dem
Kalkauszuge aus der Flechte in Berührung kommt, tritt eine blutrothe Färbung
ein, welche 1 oder 2 Minuten später verschwindet, und die Flüssigkeit zeigt dann nur
eine tief gelbe Farbe. Es wird darauf eine neue Menge Bleichkalklösung zugesetzt,
und das Gemisch sorgfältig umgerührt. Dieß ist so oft zu wiederholen, als ein
weiterer Zusatz von Bleichkalklösung noch eine rothe Färbung hervorbringt; denn
diese zeigt an, daß der Kalkauszug noch unoxydirte farbstoffgebende Substanz
enthält. Gegen das Ende der Operation gießt man die Bleichkalklösung vorsichtig und
nur tropfenweise zu, und rührt vor jedem neuen Zusatz das Gemisch sorgfältig um. Man
hat dann nur zu notiren, wie viel Volumtheile der Bleichkalklösung zur Zerstörung
der farbstoffgebenden Substanzen in dem Kalkauszuge verbraucht wurden, um den Gehalt
an diesen Substanzen zu bestimmen.
Verbessertes Verfahren. – 100 Gran der Flechte
werden mit einer verdünnten Lösung von Aetznatron macerirt; zwei Behandlungen sind
hinreichend dazu, daß der ganze Gehalt an farbstoffgebenden Substanzen ausgezogen
werde. Der Gehalt an diesen Substanzen in der so erhaltenen Lösung wird dann wie
nach dem eben besprochenen Verfahren unter Anwendung einer Lösung von
unterchlorigsaurem Natron an der Stelle der entsprechenden Kalkverbindung bestimmt.
Der große Vortheil hierbei ist, daß die Flüssigkeit vollkommen klar bleibt, und
nicht, wie bei dem vorhergehenden Verfahren, eine Trübung durch die Ausfällung von
kohlensaurem Kalk hervorgebracht
wird. (Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. CXLIX S. 288; polytechnisches Centralblatt, 1869 S. 543.)