Titel: | Entlasteter Drehschieber von Ingenieur Schivre, Werkstättendirector in Grand-Hornn. |
Fundstelle: | Band 193, Jahrgang 1869, Nr. LXVII., S. 268 |
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LXVII.
Entlasteter Drehschieber von Ingenieur Schivre, Werkstättendirector in
Grand-Hornn.
Nach Armengaud's
Génie industriel, Juni 1869, S. 297.
Mit Abbildungen auf Tab.
VI.
Schivre's entlasteter Drehschieber.
Die von Schivre construirte und in der Praxis vollkommen
bewährte Schieberanordnung ist in den Figuren 21 bis 24 in 1/15
wirklicher Größe dargestellt.
Fig. 22 und
23 sind
der Vertical- und der Horizontalschnitt durch die Schieberachse; Fig. 21 ist
der Längsschnitt nach der Linie 1, 2 der Fig. 23; Fig. 24 ist die
Endansicht des Schiebers.
Der oscillirende Vertheilungsschieber A wirkt im Inneren
der gußeisernen Schieberbüchse B, in welche der Dampf
durch das Rohr C hinzutritt und deren Flansche m an eine gleiche des Dampfcylinders M sich anschließt.
Der Drehschieber A ist hohl und im Inneren durch zwei
unter einem rechten Winkel stehende Scheidewände in vier Abtheilungen eingetheilt,
nämlich a und a¹ für
die Dampfentweichung, ferner b und b¹ für die Dampfvertheilung.
Die erstgenannten Kammern a, a¹ communiciren unter
sich durch die beiden
centralen Canäle c, c¹ (Fig. 21 und 22), die
anderen b, b¹ ebenfalls durch den Canal d, welche Verbindungscanäle durch die beiden
Scheidewände hindurchgehen.
Der Schieberkörper A selbst ist an vier Stellen, nämlich
bei f, f¹ und e,
e¹ gleichmäßig durchbrochen; letztere stehen den ersteren diametral
gegenüber und haben den Zweck der Entlastung des Drehschiebers.
Die Dampföffnungen f, f¹ und e, e¹ stehen nur mit dem inneren Dampfraum b, b¹ in Verbindung, welcher beiderseits offen
mit dem Dampfcanal im Schiebergehäuse B communicirt
(Fig.
22).
Der Untertheil der Schieberbüchse ist mit drei Dampfwegen versehen, wovon D und D¹ zu den
Dampfcanälen im Cylinder M führen und E zum Condensator oder auch in's Freie.
Der Schieber A erhält die oscillirende Bewegung von einem
Excenter aus, dessen Stange mit dem Hebelwerk g an der
Achse h im Zusammenhang steht. Diese Bewegung führt
abwechselnd die Canäle f und f¹ vor D resp. D¹, welche zu dem Cylinder gehen. Nun stehen die Schieberöffnungen
in ununterbrochener Communication mit dem durch das Rohr C zugeführten Dampf, so daß intermittirend die Zuströmung durch den einen
oder anderen der Dampfcanäle D und D¹, gleichzeitig aber die Entweichung durch einen
derselben nach dem Dampfraum a, endlich nach E bewerkstelligt wird.
Nimmt man beispielsweise an, daß sich der Schieber im Sinne des Pfeiles in Fig. 23
bewegt, so gelangt allmählich f¹ über den
Dampfcanal D¹ und die Dampfzuströmung nach der
unteren Cylinderhälfte beginnt. Hieraus resultirt ein veränderlicher Druck auf die
noch vorstehende, aber bei der Weiterverschiebung kleiner und endlich Null werdende
Außenfläche des Schiebers A vom Canal D aus, welcher Druck jedoch vollkommen und gleichmäßig aufgehoben wird
durch den radial gegenüberstehenden Schlitz e und die
Aushöhlung f², in welche der gleichgespannte
Dampf gelangt und deren Querschnitt gleich jenem des Canales D¹ ist.
Gleichzeitig beginnt auch die Dampfausströmung, da D,
D¹ mit E durch den Canal a in Verbindung treten. Hierdurch wird ebenfalls ein
kleiner, veränderlicher Druck auf die Schieberfläche bedingt, welcher in ähnlicher
Art wie oben gleichmäßig durch den Ausblascanal a¹ Und die Aushöhlung e² aufgehoben wird; e² und f² stehen den Canalmündungen D und D¹ diametral
gegenüber.
In gleicher Weise findet diese Entlastung bei dem Dampfzutritt durch D statt, wenn der Schieber A
zurückgedreht wird, so daß f über D gelangt.
Es folgt aus dieser Darstellung, daß der Schieber stets vollkommen entlastet ist und daß der
Dampfdruck keinen Einfluß auf die abwechselnde Bewegung desselben ausübt, somit
dabei nur die gewöhnliche Reibung zwischen Schieberfläche und Schieberspiegel zu
überwinden ist.
Die Spiralfeder R, wirkt auf der linken Seite des
Drehschiebers A, um ihn stets mit seinem Sitz in
Berührung zu erhalten (somit dürfte er etwas conisch ausgeschliffen seyn). Damit
jedoch dieser Federdruck keine allzugroße Reibung hervorbringt, ist die
entgegengesetzt befindliche Stellschraube V
angeordnet.
Die Hin- und Herdrehung des Schiebers erfolgt wie gewöhnlich von einem
Excenter aus; doch kann zwischen diesem und dem Schieber eine Stephenson'sche Coulisse oder irgend eine andere Anordnung zur Verrichtung
der Expansion eingeschaltet werden.
Die erste Kohlenfördermaschine; welche mit einem solchen Drehschieber versehen wurde,
ist eine verticale Zweicylindermaschine von 150 bis 200 Pferdekräften und 0,65 Meter
Kolbendurchmesser, welche seit December 1864 beim Schachte Nr. 3 von
Grand-Buisson in Hornu functionirt.
Seit dieser Zeit, also nahezu seit fünf Jahren, arbeitet die Maschine und diese
Steuerung vollkommen zufriedenstellend und erfolgt die Umsteuerung auf die
leichteste Weise. Wiederholt wurde der Schieber demontirt, zumeist in der Absicht
den Zustand desselben zu prüfen, welcher jedesmal als ein vollkommen guter erkannt
wurde; der Schieberspiegel war glänzend glatt, Alles schloß dicht, so daß keine Spur
von einem Dampfverlust stattfand.
Diese Ergebnisse veranlaßten das Kohlengewert von Grand-Buisson für seinen
Schacht Nr. 2 eine zweite derartige Fördermaschine in Hornu erbauen zu lassen, aber
etwas stärker wie die erste, mit 0,70 Meter weiten Cylindern. Die neue Maschine
arbeitet bereits mit dem günstigsten Erfolge und mit der geringsten Anstrengung für
den Maschinisten seit Juni 1868. Eben wird eine dritte ähnliche in Hornu gebaute
Maschine für die Kohlenwerke von La Louvrière und la Paix aufgestellt.
J.
Z.