Titel: | Untersuchungen zur Ermittelung der Gefährlichkeit des Dynamits beim Transport. |
Fundstelle: | Band 193, Jahrgang 1869, Nr. CXVIII., S. 490 |
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CXVIII.
Untersuchungen zur Ermittelung der Gefährlichkeit
des Dynamits beim Transport.
Aus der schweizerischen polytechnischen
Zeitschrift, 1869, Bd. XIV S. 89.
Mit Abbildungen.
Untersuchung des Robel'schen Dynamits dessen bezüglich
Gefährlichkeit beim Eisenbahntransport.
Nachdem den Unterzeichneten am 26. April d. J. vom Präsidenten des schweizerischen
Schulrathes die Aufforderung zugegangen, auf Ansuchen des Hrn. Nationalraths v. Arx in Olten eine Untersuchung des Nobel'schen DynamitsWir verweisen auf Nobel's Abhandlung über das
Dynamit im polytechn. Journal, 1868, Bd. CXC S. 124.A. d. Red. bezüglich dessen Gefährlichkeit beim Eisenbahntransport zu unternehmen, und
sich dieselben zur Uebernahme dieser Expertise bereit erklärt hatten, wurde theils
in einem Steinbruch in Dänikon, theils in der Eisenbahnwerkstätte in Olten, theils
in Zürich zu dem
gedachten Zweck eine Anzahl von Versuchen ausgeführt, über die im Folgenden Bericht
erstattet wird.
Es wurde zunächst von den Unterzeichneten, mit Bezug auf bereits anderweitig
vorliegende Versuche (polytechn. Journal Bd. CXCII S. 174) ein Programm für die
anzustellenden Versuche vereinbart, in dem alle die Umstände berücksichtigt waren,
welche möglicherweise eine Explosion des Dynamits ohne Anwendung von Zündkapseln zur
Folge haben können. Die Unterzeichneten glaubten aber außer der Feststellung der
unbeabsichtigten Explosionsgefahr die Frage nach der Kraft und Wirkungsweise der
Explosion mittelst Zünder in den Bereich der Versuche ziehen zu dürfen, um
gleichzeitig aus eigener Anschauung ein Urtheil über die Vorzüge, die das Dynamit
vor anderen Sprengmitteln hat, zu gewinnen. Es wurde daher vor ihren Augen unter der
Leitung des Hrn. Nationalraths v. Arx eine Anzahl von
Sprengungen ausgeführt, welche die außerordentliche Kraft und Wirksamkeit des
Dynamits auf das Evidenteste darlegten. Wenn gleich Resultate von Sprengungen mit
Dynamit mehrfach veröffentlicht sind, so glauben wir im Interesse aller der
Unternehmungen, bei denen Sprengungen nöthig sind, insbesondere der Tunnelbauten für
Eisenbahnzwecke zu handeln, wenn wir an dieser Stelle zunächst eine kurze
Zusammenstellung der Versuche geben, die zur Prüfung der Wirksamkeit des Dynamits
angestellt wurden, bevor wir die Versuche über die Explosionsgefahr des Dynamits
beim Transport anführen.
I. Versuche über die Wirkung des
Dynamits bei Explosion durch Zündkapseln.
Bei den folgenden Versuchen erfolgte die Zündung stets durch Nobel'sche Zündkapseln; die Explosion erfolgte 2 – 4 Minuten
nachdem die Zündschnur am freien Ende angebrannt war.
A. Sprengen von Felsen.
1. Im Steinbruch bei Dänikon (fester Jurakalk) war auf einer vertical abfallenden
Felswand ein verticales Bohrloch geschlagen, 1,11 Meter tief und 3 Centimeter im
Durchmesser.
Textabbildung Bd. 193, S. 491
Die Entfernung des Bohrloches von der verticalen
Felswand betrug 2,70 Meter, die Ladung im Bohrloch 2 1/2 Patronen; als
Besatz wurde wie gewöhnlich Wasser angewendet. Der Felsriß durch die
Explosion, etwa in der, in der beistehenden Figur gezeichneten Weise.
Die gelöste Masse betrug bei etwas zu starkem senkrechtem
Auswurf circa 6,5 Kubikmeter. Die Wirkung wäre
voraussichtlich bedeutender gewesen, wäre nicht die Entfernung AB zu groß gegen die Tiefe des Bohrloches
gewesen.
Textabbildung Bd. 193, S. 492
2. Bei einem zweiten Versuch war die Tiefe des Bohrloches 1,32 Met.;
Durchmesser 3 Centimeter, Ladung 3 1/2 Patronen (gleich 42 Centimeter Höhe);
Wasserbesatz. Die Sprengung geschah etwa in der in der Figur gezeichneten
Form MNOP. Das Material wurde 3 Meter tief
gelöst und die gelöste Masse enthielt circa 71
Kubikmeter.
B. Sprengen von freiliegenden Felsblöcken.
3. In einem Granitblock vom Gotthardt, vom nicht ganz einem Kubikmeter Inhalt,
war ein Bohrloch von etwa 20 Centimeter gebohrt; es wurde zur Hälfte mit Dynamit
gefüllt. Bei der Explosion zersprang der Block in viele kleine Stücke, welche
weit herumgeworfen wurden.
4. In einem festen Kalksteinblock von 96 Centimeter Länge, 66 Centimeter Höhe und
90 Centimeter Breite war eine muldenartige Vertiefung von 15 Centimeter Länge,
12 Centimeter Tiefe und 2 Centimeter Breite angebracht. In diese Vertiefung
wurde eine Dynamit-Patrone der Länge nach eingelegt und mit Lehm bedeckt.
Bei der Explosion zersprang der Stein in drei größere und viele kleinere
Stücke.
C. Sprengen von Gußeisen.
Textabbildung Bd. 193, S. 492
5. Ein massiver Eisencylinder von sehr gutem gleichmäßigem Guß, dessen
Dimensionen aus der beistehenden Figur ersichtlich sind und dessen Gewicht
nahe 2500 Kilogr. betrug, war mit 2 Bohrlöchern A und B versehen, deren Durchmesser
21,5 Centimeter betrug und von denen A eine
Tiefe von 32 Centimeter, B von 30 Centimeter
hatte. Die Dynamitladung in A wurde 9
Centimeter, diejenige in B 20 Centimeter hoch
genommen. – Wasserbesatz. –
Beide Löcher waren mit Zündern versehen, jedoch wurde nur
A angezündet: die Explosion fand auch nur in A statt, der Cylinder zersprang in drei Stücke, wie
in der Figur angedeutet. Das Stück C, dessen Gewicht
etwa 600 Kilogrm. betrug, wurde 6 Meter weit fortgeschleudert.
Textabbildung Bd. 193, S. 493
Bei der Sprengung durch das zweite Bohrloch wurden die Stücke E und F jedes etwa 6
Meter weit geworfen, und G rückwärts tief in den
Boden getrieben. Die beiden Bohrlöcher waren im unteren Theil, wie an den
Bruchstücken ersichtlich, durch die Explosion auf 32 Millimeter, also um
10,5 Millimeter im Durchmesser erweitert.
Textabbildung Bd. 193, S. 493
6. Ein zweiter massiver Cylinder von Gußeisen von der in der beistehenden
Figur gezeichneten Form und den eingeschriebenen Maaßen, hatte in der Mitte
ein 19,5 Centimeter tiefes und 24 Millimeter weites Bohrloch. Dasselbe wurde
7,5 Centimeter hoch mit Dynamit gefüllt. – Wasserbesatz. – Bei
der Explosion wurde das Wasser ausgeworfen, gleichwohl erhielt der Cylinder
einige Risse. Beim Abschießen einer zweiten, der ersteren gleichen Ladung
wurde derselbe in zwei große und mehrere kleine Stücke getrennt. Das
Bohrloch war auch hier unten auf 35 Millimeter Durchmesser erweitert und um
5 Millimeter vertieft.
D. Sprengen von Schmiedeeisen.
7. Ein Stück eines großen schmiedeeisernen Ambosses, etwa 200 Kilogr. schwer,
hatte ein 18 Centimeter tiefes und 21 1/2 Millimeter weites Bohrloch. Die Ladung
wurde 6 Centimeter hoch genommen, mit Wasserbesatz. Der Eisenblock zersprang
beim Abschießen in zwei Stücke.
E. Sprengen unter Wasser.
8. Eine Patrone mit einem Zünder an ein Bret befestigt und in den Fluß (die Aare)
gelegt. Durch das Bret wurde die Patrone unter Wasser schwimmend erhalten. Nach
Anbrennen der Zündschnur erfolgte Explosion unter Wasser, in Folge dessen
dasselbe in einem dicken Strahl in bedeutende Höhe geworfen wurde. Auf einer
größeren Fläche erfolgte ein Herabregnen von Wasser, welches mehrere Secunden
anhielt.
Die Gesammtheit der vorstehenden Versuche beweist, daß das Dynamit dem
Schießpulver und anderen Sprengmitteln an Kraft bedeutend überlegen ist und die
Wirkungen desselben nur mit denen des Nitroglycerins zu vergleichen sind. Die
allgemeine Einführung des Dynamits für Sprengungen in Steinbrüchen, Bergwerken
und bei Tunnelbohrungen wäre demnach, wenn man von den Gefahren, die
möglicherweise der Transport und die Lagerung des Sprengmittels bedingen können,
zunächst absieht, als ein Fortschritt zu betrachten, durch den in bedeutendem
Maaße Zeit und Geld gespart wird.
II. Versuche zur Ermittelung der
Explosionsgefahr des Dynamits.
Es wurde zunächst eine chemische Untersuchung der
Dynamitpatronen und Zünder ausgeführt.
Von dem Material, welches in den von Nobel in Hamburg
verfertigten Patronen unter dem Namen Dynamit enthalten ist, wurde eine Quantität
mit starkem Alkohol ausgezogen. Aus 100 Gewichtstheilen ließen sich 76,6 ausziehen;
23,4 Proc. betrug der nicht gelöste, getrocknete und geglühte Rückstand. Die 76,6
Proc. ausgezogene Substanzen sind anscheinend nur Nitroglycerin; der feste Theil
erwies sich als röthlich-weiße erdige Masse, aus der durch Salzsäure etwas
Eisenoxyd, Kalkerde und Thonerde ausgezogen werden konnte, während der Rückstand
sich als wesentlich aus Kieselsäure bestehend erwies. Die mikroskopische
Untersuchung ergab, daß die ganze mineralische Beimengung eine Art Kieselguhr ist,
in welcher die Kieselpanzer von Algenarten, namentlich von Süßwasseralgen die
Hauptmasse bilden.
Der Zündsatz in den kupfernen Zündkapseln des Hrn. Nobel
ist Knallquecksilber. Da somit, wie auch Nobel angibt,
der für die Explosion wirksame Theil des Dynamits Nitroglycerin ist, und die übrigen
Bestandtheile nur die leichte Explosionsfähigkeit des Nitroglycerins verhindern
sollen, so war für die folgenden Versuche darauf hingewiesen, diejenigen Umstände
besonders in Betracht zu ziehen, unter denen das reine Nitroglycerin explodiren
kann.
Wir glauben nichts Wesentliches unberücksichtigt gelassen zu haben, wenn untersucht
wurde, ob das Dynamit explodiren kann:
a) durch bedeutende
Temperaturänderungen;
b) durch Wirkung intensiven
Lichtes;
c) durch Stoß;
d) durch Elektricität.
Eine letzte Möglichkeit der Explosion nämlich:
e) durch Selbstzersetzung des Dynamits,
ist wohl in Betracht zu zu ziehen, kann aber natürlich experimentell nicht
ermittelt werden.
A. Temperaturänderungen.
Temperaturänderungen können entweder indirect oder direct eine Explosion
herbeiführen. Da nämlich das Nitroglycerin nur mechanisch an der festen
beigemischten Substanz haftet, so könnte dasselbe bei Temperaturerhöhung
abtropfen und das Abgetropfte alsdann als reines Nitroglycerin durch Stoß oder
dergleichen explodiren. Es wurden daher 4 Gramme Dynamit eine Stunde lang in
geschlossenem Gefäß der Hitze des Wasserdampfes ausgesetzt. Es schied sich dabei
nichts Tropfbares ab und konnte auch keine Aenderung in der Consistenz der
Substanz bemerkt werden. Die angedeutete indirecte Gefahr bei Temperaturerhöhung
ist also nicht vorhanden und es konnten daher die weiter folgenden Versuche,
z.B. die Entzündung durch Stoß, auf Beobachtungen bei gewöhnlicher Temperatur
beschränkt werden. Durch Erniedrigung der Temperatur erhält das Dynamit
ebenfalls keine neuen gefährlichen Eigenschaften; es wird bei niederer
Temperatur, wie constatirt wurde, hart, und soll alsdann nach anderen Angaben,
welche bei der jetzigen Sommertemperatur nicht wohl geprüft werden konnten,
seine Explosionsfähigkeit ganz verlieren.
Um festzustellen, ob Dynamit direct durch bedeutende Temperaturerhöhung
explodirt, wurde eine halbe der gewöhnlichen Nobel'schen Patronen in ein auf einem Eisenblech sich befindendes
Kohlenfeuer gelegt. Das Dynamit brannte, wie schon mehrfach von Anderen
nachgewiesen, langsam ohne jede Explosion ab.
Textabbildung Bd. 193, S. 495
Es wurde sodann eine kleine Messinghülse, die etwa 50 Millimeter lang und 11
Millimeter weit war (s. die beistehende Figur), mit Dynamit gefüllt und nach
der Füllung mit einer Schraube aus Messing fest verschraubt. In das
Kohlenfeuer geworfen, explodirte dieselbe nach etwa einer Minute mit starkem
Knall; sämmtliche Kohlen waren fortgeschleudert. Eine gleiche Messingpatrone
wurde mit Dynamit gefüllt, aber statt mit einer Schraube mit einem Kork
verschlossen. Es erfolgte, als dieselbe auf ein Kohlenfeuer gelegt war,
ebenfalls Explosion, welche aber weniger heftig war als im ersten Fall.
Hieraus ergibt sich:
Offenes, nicht fest eingeschlossenes Dynamit explodirt im Feuer nicht, sondern
brennt langsam ab, so daß selbst bei einer Feuersbrunst in Räumen in denen
Dynamit lagert, eine Explosion nicht zu fürchten ist.
Dynamit dagegen, welches in einem Gefäße mit einiger Widerstandsfähigkeit
eingeschlossen ist, kann im Feuer mit Kraft explodiren.
B. Wirkung des Lichtes.
Nach den angestellten Versuchen übt das Sonnenlicht einen Einfluß auf das Dynamit
nur in Folge der wärmenden Strahlen der Sonne aus. Es gilt daher für die Wirkung
intensiver Sonnenstrahlen dasselbe, was oben über directe Erwärmung angegeben
ist. – Als eine Quantität Dynamit in dem Brennpunkt eines größeren
Hohlspiegels oder einer Linse den Sonnenstrahlen ausgesetzt wurde, brannte es
ohne merkliche Explosion mit schwachem Puffen ab. Nach den Versuchen unter A wäre fest eingeschlossenes Dynamit jedenfalls in
dem Brennpunkt des Spiegels zur Explosion gekommen. In der Praxis, beim
Transport oder Lagern des Dynamits kann indessen eine so energische
Concentration und Intensität der Sonnenstrahlen, wie die oben benutzte, kaum je
vorkommen und es ist daher eine Explosion durch die Sonnenwärme veranlaßt nicht
zu befürchten.
C. Wirkung des Stoßes.
Einer der Hauptvorzüge des Dynamits vor dem Nitroglycerin soll darin bestehen,
daß dasselbe viel weniger leicht oder überhaupt nicht durch Stoß explodirt. Zum
Beweise hierfür sind mehrfach Versuche angestellt (s. polytechn. Journal Bd.
CXCII S. 174). Man ließ z.B. Kisten mit Dynamit gefüllt aus großer Höhe auf den
Boden fallen; dieselben zerbrachen, ohne daß eine Explosion eintrat.
Wir haben zu ermitteln gesucht, ob Dynamit überhaupt durch Stoß explodiren kann,
wie stark etwa der zur Explosion nöthige Stoß seyn muß, und welche Umstände eine
Explosion durch Stoß begünstigen oder hindern.
I. Stoß des Dynamits, wenn
dasselbe fest in einer Kapsel eingeschlossen war.
Da voraussichtlich fest eingeschlossenes Dynamit am leichtesten durch Stoß
zur Explosion zu bringen war, so wurde eine Anzahl Patronen von Messingrohr
angefertigt, von der Form, wie dieselbe bereits oben bei den Versuchen unter
A gezeichnet ist. Die Länge betrug
durchschnittlich 50 Millimet., der Durchmesser 11 Millimet.; dieselben
faßten etwa 3 – 3 1/2 Gramme Dynamit. Ein Theil der Patronen hatte
eine Wandstärke von 1 Millimet., der andere von nur 0,5 Millimet. Der
Verschluß der
gefüllten Patronen geschah entweder durch Einschrauben einer Schraube von
Messing, oder durch Zustöpseln mit einem Kork.
Um die Patronen einem energischen Stoß auszusetzen, wurden dieselben mittelst
einer Windbüchse gegen eine senkrechte Felswand im Steinbruch in Dänikon
geschossen. Die auf einem Block befestigte Windbüchse wurde mittelst einer
Schnur abgezogen. Die Entfernung ihrer Mündung von der Felswand war 13,2
Meter und die Anfangsgeschwindigkeit des Geschosses, welche in Zürich mit
einem Hipp'schen Chronoskop bestimmt wurde,
betrug im Mittel 40 Meter.
Es wurden folgende fünf Versuche gemacht:
1. Eine dickwandige Patrone mit Dynamit gefüllt und mit einem Messingstöpsel
verschraubt, wurde abgeschossen. Beim Anschlagen an den Felsen fand keine
Explosion statt. Die wieder aufgefundene Patrone war verstaucht und zeigte
mehrere starke Eindrücke.
2. Eine gleiche dickwandige Patrone mit Dynamit und mit einer Nobel'schen Zündkapsel gefüllt, explodirte beim
Anschlagen an den Felsen.
3. Eine dünnwandige Patrone mit Dynamit gefüllt und mit einem Kork
zugestöpselt, explodirte beim Anschlagen an den Fels. Ein zerrissenes Stück
der Patronenwandung wurde aufgefunden.
4. Derselbe Versuch nochmals wiederholt, gab gleichfalls Explosion.
5. Eine dickwandige Patrone mit Messingstöpsel verschraubt, traf zweimal den
Fels nicht, sondern einen darunter befindlichen Schutthaufen. Beim dritten
Schuß mit der gleichen Patrone wurde der Fels getroffen, ohne daß Explosion
erfolgte.
Die Schußkraft der Windbüchse, welche während der Versuche nicht ausgeladen
war, war bei den letzten Versuchen wesentlich geringer als bei den
ersten.
Der Versuch Nr. 2 ließ mit Bestimmtheit eine Explosion erwarten und war für
die Untersuchung eigentlich unnöthig; es sollte durch denselben auch nur
constatirt werden, daß der Stoß gegen den Felsen stark genug war, um beim
Knallquecksilber, welches sich in den Zündkapseln befindet, Explosion
hervorzurufen.
Aus den übrigen Versuchen aber, bei denen sich nur Dynamit in den Patronen
befand, muß der Schluß gezogen werden:
Daß völlig fest eingeschlossenes Dynamit durch einen hinreichend starken Stoß
explodiren kann. Die Intensität des Stoßes muß aber eine ziemlich bedeutende
seyn, wie daraus folgt, daß die dickwandigen Patronen, welche in Folge ihres
Gewichtes eine geringere Fluggeschwindigkeit hatten, nicht
explodirten, trotzdem daß dieselben durch den Stoß stark beschädigt
wurden.
II. Wirkung des Stoßes, wenn das
Dynamit nicht fest eingeschlossen ist.
8 Gramme Dynamit wurden in Olten auf dem Hofe einer Maschinenbauanstalt auf
eine Platte von Gußeisen gelegt; auf dasselbe ließ man einen Eisencylinder
von 550 Kilogr. Gewicht aus 1 Meter Höhe fallen. Es erfolgte Explosion mit
starkem Knall. Aehnliche Versuche in kleinerem Maaßstabe wurden in Zürich in
folgender Weise angestellt. Ein cylindrischer Klotz von Schmiedeeisen 11,5
Kilogr. schwer, hieng vertical an einer über eine Rolle laufenden Schnur.
Durch Aufziehen zu bestimmter Höhe und Loslassen der Schnur konnten durch
den Klotz auf verschiedene Unterlagen Stöße von verschiedener Intensität
ausgeübt werden.
Als Unterlagen wurden eine Gußeisenplatte, eine Sandsteinplatte und ein
starkes Bret von Buchenholz benutzt.
Die Resultate waren die folgenden:
a. Gußeisenplatte als Unterlage.
1) I Grm. Dynamit wurde auf die Platte gelegt.
Fallhöhe des Eisencylinders 1 Meter. Es fand Explosion statt.
2) 2 Grm. Dynamit. Fallhöhe 50 Centimet. Explosion
mit starkem Knall.
3) 2 Grm. Dynamit. Fallhöhe 50 Centimet. Keine
Explosion.
4) Dasselbe Material, welches durch den Stoß stark
zusammengequetscht war, wurde mit einem Messer wieder aufgelockert.
Fallhöhe 20 Centimet. Explosion.
5) 2 Grm. Dynamit. Fallhöhe 12 1/2 Centimet.
Explosion.
6) „ „
„
6 Centimet. Keine Explosion.
7) „ „
„
7 „
„
„
8) Dasselbe Material aufgelockert. Fallhöhe 7
Centimet. Keine Explosion.
9) Dasselbe Material aufgelockert. Fallhöhe 8
Centimet. Explosion.
b. Sandsteinplatte als Unterlage.
In jedem der folgenden Versuche wurden etwa 2 Grm. Dynamit benutzt.
10) Fallhöhe 1,20 Meter. Explosion.
11) „
50 Centimet. Keine Explosion.
12) Dasselbe Material. Fallhöhe 50 Centimet. Keine
Explosion.
13) Dasselbe Material. Fallhöhe 1 Meter. Keine
Explosion.
14) Dasselbe Material aufgelockert. Fallhöhe 1 Meter.
Keine Explosion.
c. Bret von Buchenholz (40 Millimeter dick) als
Unterlage.
15) 1 Grm. Dynamit. Fallhöhe 1 Meter. Keine
Explosion.
16) Dasselbe Material aufgelockert. Fallhöhe 1 Met.
Keine Explosion.
17) 1 1/2 Grm. schon gequetschtes Material. Fallhöhe
1 Met. Keine Explosion.
18) Dasselbe Material mit 25 Centimet. Fallhöhe;
wiederholt geklopft. Keine Explosion.
19) Deßgleichen mit 50 Centimet. Fallhöhe; wiederholt
geklopft. Keine Explosion.
Aus den sämmtlichen Stoßversuchen folgt:
Offenes Dynamit kann durch Stoß explodiren, wenn es sich beim Stoß
zwischen zwei sehr harten Körpern, wie Eisen, befindet; für die
Explosion ist aber nothwendig, daß die Intensität des Stoßes nicht unter
eine gewisse Grenze sinkt. Erfolgt der Stoß zwischen Stein und Eisen, so
gelingt es nur in den seltensten Fällen eine Explosion hervorzurufen,
und erfolgt der Stoß zwischen Holz und Eisen, so tritt überhaupt,
wenigstens in den Grenzen der Versuche, keine Explosion ein.
Zu ganz dem gleichen Resultate führten Versuche mit kleinen Quantitäten
Dynamit, auf welche kräftige Hammerschläge geführt wurden. Kleine Mengen
Dynamit, deren Volumen zwischen der Größe eines Stecknadelknopfes und
einer Erbse variirte, konnten auf einem eisernen Amboß mit einem
Hammerschlage sicher zur Explosion gebracht werden. Auf einem
Sandstein-, Cement- oder Holzboden gelang es nie mit einem
Hammerschlage Explosion hervorzurufen. Es konnte auf einem Stein-
und Holzboden sogar eine Quantität Dynamit anhaltend mit einem Hammer
geschlagen, oder unter energischem Drucke mit demselben oder einem
anderen eisernen Instrumente gerieben werden, ohne daß Explosion
erfolgte.
D. Wirkung der Elektricität auf Dynamit.
Um festzustellen, ob Dynamit bei einem Gewitter und wenn dasselbe vom Blitz
getroffen wird, besondere Gefahr bedingt, ließ man durch Dynamit elektrische
Funken schlagen.
Textabbildung Bd. 193, S. 500
Ein Glasrohr, etwa 60 Millimet. lang und 18 Millimet. im Durchmesser, wurde
an einem Ende mit einem Kork fest verschlossen, durch den zwei einander nahe
stehende Kupferdrähte isolirt geführt wurden. Nachdem die Röhre dann etwa 25
Millimet. hoch mit Dynamit gefüllt war, wurde das andere Ende ebenfalls mit
einem Kork fest verschlossen. Eine große Leydner Flasche wurde dann durch
die Patrone hindurch entladen, so daß der Funke zwischen den beiden Drähten
durch das Dynamit gehen mußte. Es erfolgte keine Explosion und es war
überhaupt keine Aenderung an der Patrone nach der Entladung sichtbar.
Derselbe Versuch wurde noch zweimal mit dem gleichen Erfolg wiederholt.
Durch eine gleiche Patrone ließ man sodann die Entladungsfunken eines
Inductionsapparates gehen. Nachdem mehrere Funken durch das Dynamit gegangen
waren, wurde ein schwaches Puffen vernommen. Es zeigte sich, daß der vordere
Kork aus der Glasröhre, welche selbst unbeschädigt geblieben, herausgeschleudert
war; ein Theil des Dynamits war außerdem abgebrannt, der größere Theil befand
sich noch unverändert in der Glasröhre.
Dasselbe Resultat ergab sich bei einem zweiten Versuch. Starke elektrische Funken
rufen also keine explosive Zersetzung des Dynamits hervor; nur wenn durch
mehrere Funken eine starke Erwärmung eintritt, geht eine langsame theilweise
Verbrennung vor sich. Daß der starke Entladungsfunke einer Leydner Flasche
durchaus keine Wirkung hatte, dürfte seinen Grund darin haben, daß das Dynamit
Elektricität von großer Spannung hinreichend leitet, so daß ein continuirlicher
Uebergang der Elektricität ohne Funken stattfindet.
Es wurde schließlich auch noch versucht, ob eine Explosion einträte, wenn durch
das Dynamit ein dünner Draht gezogen ist, der durch einen elektrischen Strom zum
Glühen gebracht wird. In einer der oben angewandten ähnlichen Glaspatrone wurden
zwischen die beiden Kupferdrähte ein dünner Eisendraht gezogen, der sich also
innerhalb des Dynamits befand. Beim Glühen desselben durch einen hinreichend
starken Strom, wurde dasselbe beobachtet, wie bei Benutzung der
Inductionsfunken. Der eine Kork wurde mit schwachem Puffen aus der Glasröhre
herausgeworfen, ein Theil des Dynamits war verbrannt, der größere Theil
unversehrt. Der Strom war hinreichend stark gewesen um den Eisendraht
durchzubrennen.
Schlußfolgerungen aus den gesammten
Versuchen.
Die mitgetheilten Versuche gewähren einen ziemlich klaren Einblick, so weit sich ein
solcher durch Versuche überall gewinnen läßt, über die Explosionsgefahren, denen das
Dynamit im Allgemeinen und speciell beim Transport ausgesetzt ist, und berechtigen
zu den folgenden Schlüssen:
Temperaturänderungen, starke Hitze, selbst directes Feuer bedingen keine
Explosionsgefahr des Dynamits, wenn letzteres sich nicht in Räumen von bedeutender
Widerstandsfähigkeit fest eingeschlossen befindet. Auf Bahnen oder in Lagerräumen
kann dasselbe daher ohne Gefahr von Funken getroffen werden oder dem Feuer
ausgesetzt seyn, wenn nur die Vorschrift inne gehalten wird, daß das Material nicht
in metallenen oder sonst sehr festen Behältern hermetisch eingeschlossen ist.
Ebensowenig wie Feuer, rufen intensive concentrirte Sonnenstrahlen bei nicht fest
eingeschlossenem Dynamit eine Explosion hervor.
Gefahr der Explosion durch Stoß ist entschieden vorhanden, wenn das Dynamit mit
starker Intensität zwischen zwei metallenen Körpern gestoßen wird. Ob ein solcher
Stoß beim Transport vorkommen kann, muß dahingestellt bleiben. Die einmaligen oder
wiederholten Stöße, denen in Kisten verpacktes Dynamit beim Ein- und Umladen,
bei der Fahrt auf Bahnen oder Rollwagen unter gewöhnlichen Umständen ausgesetzt ist,
dürften kaum je im Stande seyn eine Explosion zu erzeugen. Zu bemerken ist dabei
nur, daß natürlich die kupfernen Zünder, welche durch Stoß explodiren können, aber
in Folge der geringen Menge Zündsatz keine große Gefahr bedingen, nie mit dem
Dynamit in einer Kiste zusammen transportirt werden dürfen; eine Vorsicht, die wohl
immer eingehalten wird.
Gewitter und Blitzschläge endlich bringen keine besondere und wesentliche Gefahr für
das Dynamit. Soweit man aus den Versuchen im Kleinen auf die großen elektrischen
Entladungen bei Gewittern schließen kann, wird nicht fest eingeschlossenes Dynamit,
wenn dasselbe von einem Blitz getroffen wird, ohne Explosion abbrennen. Befindet
sich das Dynamit in einem festen, völlig verschlossenen Behälter, und tritt durch
den Blitz eine hinreichende Temperaturerhöhung ein, so kann natürlich auch Explosion
erfolgen.
Außer den durch Versuche zu ermittelnden Explosionsgefahren bleibt schließlich noch
diejenige zu berücksichtigen, welche oben unter e
angeführt wurde, nämlich die Selbstzersetzung mit Explosion. Wie bei manchem anderen
Körper tritt beim Nitroglycerin zuweilen eine plötzliche Selbstzersetzung ein, d.h.
eine Explosion ohne nachweisbare Ursache. Da der Hauptbestandtheil des Dynamits
Nitroglycerin ist, so liegt die Besorgniß nahe, daß auch das Dynamit der Gefahr der
Selbstzersetzung unterliegt. Es ist indessen den Unterzeichneten nicht bekannt, daß
seit der Anwendung des Dynamits ein Fall von spontaner Explosion vorgekommen sey. Es
scheint demnach, als ob der Umstand, daß im Dynamit das Nitroglycerin mit einer
festen Substanz gemischt ist, eine explosive Selbstzersetzung verhindere, und wenn
eine spontane Zersetzung überhaupt erfolgt, dieselbe langsam und allmählich vor sich
geht. Jedenfalls darf ebensowenig wie eine explosive Selbstzersetzung des Dynamits
bestritten werden kann, dieselbe behauptet, und als Explosionsgefahr beim Transport
hingestellt werden, so lange keine entschiedenen derartigen Fälle beobachtet
sind.
Indem die Unterzeichneten ihr Gutachten über die Explosionsgefahr des Dynamits beim
Transport auf die vorstehenden Schlußfolgerungen beschränken, glauben sie nach
denselben doch mit Bestimmtheit aussprechen zu dürfen, daß beim Transport unter
geeigneten, oben angedeuteten Vorsichtsmaßregeln, das Dynamit in jeder Hinsicht viel
weniger der Gefahr einer Explosion ausgesetzt ist, als das früher an Stelle
desselben benutzte und versandte Nitroglycerin.
Zürich, den 27. Juni 1869.
Dr. P. Bolley, Prof.,Carl Pestalozzi,Dr. A. Kundt,
Prof.