Titel: | Das Centrifugiren des Rohzuckers; mitgetheilt von Dr. Ottokar Čech, Docent der technischen Chemie am Prager Polytechnicum. |
Autor: | Carl Otokar Cech [GND] |
Fundstelle: | Band 198, Jahrgang 1870, Nr. CIII., S. 428 |
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CIII.
Das Centrifugiren des Rohzuckers; mitgetheilt von
Dr. Ottokar Čech, Docent
der technischen Chemie am Prager Polytechnicum.
Cech, über das Centrifugiren des Rohzuckers.
In einigen böhmischen Zuckerfabriken pflegen oft Jahre lang Neuerungen zu existiren,
über deren Vorhandenseyn Nichts in die Oeffentlichkeit dringt und doch sollten im
Interesse der Industrie oft erfolgreiche Experimente sogleich in den betreffenden
Fachjournalen veröffentlicht werden, um deren Resultate den weitesten Kreisen
zugänglich zu machen.
Das Centrifugiren des Rohzuckers wurde schon mehrmals von diesem und jenem
Zuckerfabrikanten probirt, ohne allgemein, auf günstige Resultate gestützt,
eingeführt worden zu seyn.
Gewöhnlich wurden nur abgebrochene Versuche gemacht und man hat sich nie die Mühe
genommen, so zu kochen wie es das Centrifugiren der Füllmasse erfordert. Meines
Erachtens wäre es von nicht zu unterschätzendem Vortheile für die Zuckerfabrication,
wenn man den breitgetretenen Weg der „Formkocherei“ verlassen
und sich der schnellen, sauberen, billigen und eleganten Manipulation mit
Centrifugen zuwenden würde.
Der Fabrikbesitzer Hr. Johann
Szalatnay hat in der Zuckerfabrik Ovcáry durch mehrere Jahre
Versuche mit dem Centrifugiren angestellt und ist jetzt mit fertigen Resultaten
aufgetreten, welche das Interesse der Zuckerfabrikanten in weitesten Kreisen
verdienen.
Es dürfte nicht zu den Unmöglichkeiten gehören, daß man den alten Usus der
„Formkocherei“ bald zu Grabe tragen wird, denn es handelt
sich ja bei der Rohzuckerfabrication darum, mit dem einfachsten Apparate den Zucker aus der Rübe baldigst, auf die billigste Art und im reinsten Zustande zu erhalten.
Wenn man in einer Campagne über 400 Sudresultate verfügen
kann, so wird das Urtheil über ein in so großartigem Maaßstabe consequent
durchgeführtes Centrifugiren wohl als ein entscheidendes zu betrachten seyn.
Um mit Vortheil die Füllmasse centrifugiren zu können, ist vor Allem ein äußerst
vorsichtiges, viel Aufmerksamkeit erforderndes Kochen unbedingt nöthig.
Der Sud muß bei wenigstens 65° R. gekörnt und bei 55° R. so stramm
abgelassen werden, daß die aus dem Vacuum kommende Füllmasse sich fast ballen läßt;
ein Festwerden des Sudes (das sogenannte „Aussitzen“ ) ist bei
richtigem Kochen nicht zu befürchten. Mancher Sud braucht – wenn er stramm
gekocht ist – bis 20 Minuten zum Ablaufen.
Anstatt in den Kühler wurde der Sud in ein flaches, 15 Zoll hohes viereckiges
Reservoir abgelassen, wo jeder Sud nach dem Kubikinhalt genau abgemessen und so
dessen Gewicht ermittelt wurde. In diesem Reservoir blieb der Sud so lange ruhig
stehen, bis der nächstfolgende Sud abgelassen werden sollte; jetzt wurde der alte
Sud in eine daneben stehende Pfanne übergeschaufelt und sofort ohne Decke
centrifugirt. Der gewonnene Rohzucker wurde von einem jeden Sude separat gewogen,
und die Ausbeute an I. Product aus der Füllmasse nach jedem Sude ermittelt.
Die Ausbeute an I. Product, welche anfangs 55–59 Proc. betrug, erreichte bald 60–63
Proc. der Füllmasse; später waren die Kochungen bereits so sicher, daß kein Sud
weniger als 60 Proc. ergab. Der von den Centrifugen ablaufende Syrup, welcher
64–66 polarisirte, wurde entweder sogleich wieder eingekocht, oder erst
filtrirt und dann eingekocht; das Filtriren hat sich als nicht nothwendig erwiesen,
jedoch ist es nöthig daß der Syrup vor dem Einziehen in das Vacuum auf 60° R.
auf gewärmt wird, weil er zu consistent ist, und daher ohne vorheriges Aufwärmen
schwer kocht und ein zu feinkörniges II. Product liefert. Die Ausbeute an II.
Product ergab zuweilen selbst über 40 Proc. Rohzucker, ja wenn der Syrup in Lumpen
gekocht wurde, sogar 50 Proc. Rohzucker, doch in diesem Falle natürlich auf Kosten
der Qualität. Das abgelaufene II. Product polarisirte etwa 89 Proc., das
centrifugirte aber 94–95 Proc.
Aus dem Vorstehenden kann leicht die Rentabilität dieses Verfahrens beurtheilt
werden; auf eine sehr einfache und schnelle Weise erhält man an I. und II. Product
75 Proc. von der Füllmasse und dabei das I. Product in einer Qualität wie sie der
Zuckerfabrikant auf anderem Wege vergeblich zu erreichen strebt, dabei aber so
schnell, daß der heute gekochte Zucker bereits morgen auf den Markt gebracht werden
kann. Daß man also an Zeit, Arbeitern, Bodenraum und Formen erspart, ist
einleuchtend. Was die Leistungsfähigkeit der nothwendigen Centrifugen anbelangt, so
genügen 2 Schleudermaschinen für 5–10 Schnellpressen vollständig.
Erwägt man schließlich, daß die Raffinerien den centrifugirten Zucker jedem anderen
Rohzucker vorziehen und jener auch 1/2 fl. per Ctr.
besser bezahlt wird – nebenbei auch noch die Vergütung für das Plus der Polarisation in Anschlag zu bringen ist
–, so dürften wir zu dem Schlusse kommen, daß das ausschließliche
Centrifugiren mit einer Reserve-Batterie von etwa 500 Melisformen die besten
Resultate zu geben verspricht.
Prag, im August 1870.