Titel: | Paget's mechanischer Kulirstuhl. |
Fundstelle: | Band 200, Jahrgang 1871, Nr. XXIV., S. 93 |
Download: | XML |
XXIV.
Paget's mechanischer Kulirstuhl.
Mit Abbildungen auf Tab. II.
Paget's mechanischer Kulirstuhl.
Unter den flachen (sogen. breiten) mechanischen Kulirstühlen hat bis
jetzt wohl der mechanische Stuhl von Paget zu Loughborough in England die größte
Verbreitung erlangt. Derselbe ist in Figur
1–5 im
theilweisen Querdurchschnitt mit Seitenansicht, sowie in Theilen
der Vorder- und Rückansicht dargestellt, und nachstehend
beschrieben.Wir entnehmen diese Beschreibung einer im Jahrgang 1870
der deutschen Industriezeitung von G. Willkomm, Director der
Wirkerschule in Limbach bei Chemnitz, erschienenen
Abhandlung über die mechanischen Wirkerstühle.A. d. Red.
Das ganze Werk des nur für ein Waarenstück eingerichteten Stuhles
wird von zwei Wänden A getragen,
welche unten durch eine Querplatte verbunden sind und auf Einem
Gestell stehen, in solcher Höhe, daß der Arbeiter die Nadelreihe
bequem übersehen kann. Die Nadeln a
(Fig. 1
und 2)
sind in der horizontal beweglichen Nadelbarre B befestigt, welche vorn mit den
Nadeln in den Schlitzführungen des festen Gestellriegels B₁ aufliegt und am hinteren
Ende durch zwei Winkelhebel C,
C₁ getragen wird. Die Platinen c sind fallende, ohne Schwingen; sie
stehen in den Führungen von b, d und
d₁, werden durch Federn
e einzeln in ihrer oberen Lage
erhalten und durch das an der horizontalen Traverse D (Fig. 1
und 2)
über ihnen hinweggeführte Rößchen i
direct abwärts gedrückt. Die Nadelpresse b ist vorn gezahnt und reicht mit ihren Zähnen zwischen die Platinen; sie ruht auf zwei Stäben b, welche von Hebeln bewegt werden,
so daß während des Rückganges der Nadeln deren Haken durch die
Zähne von b zugedrückt werden. Die
Schlitzführungen B₁ halten
dabei die vor ihnen hängende alte Waare zurück und die Maschen
der letzten Reihe werden auf die zugepreßten Haken und endlich
ganz von den Nadeln abgeschoben (Abschlagen). Mit b ist die Querstange f verbunden, welche die Platinen für
das Einschließen der Waare herabdrückt; die hintere Stange o dagegen bildet die Platinenpresse,
sie drückt die Platinen nach erfolgtem Kuliren wieder aufwärts,
wird von den Stangen o₁
getragen und durch Hebel und Excenter bewegt. Dabei vertritt o eigentlich gleichzeitig die Stelle
des Mühleisens und sollte in der Regel so stehen, daß die
Platinen beim Kuliren darauf fallen; für die Mühleisenstellung
sind dann die Stangen o₁ zu
verlängern oder zu kürzen und das Rößchen i ist höher oder tiefer zu rücken, indem man mit den
Schrauben i₁ die Traverse D hebt oder senkt.
Alle Bewegungen werden durch Hubscheiben hervorgebracht, welche
auf der Antriebwelle E mit
gemeinschaftlicher langer Nabe E₁ (Fig.
3) lose sitzen und durch die Kuppelung F, G umgedreht werden. E erhält seine Bewegungen durch
Schnur und Schnurenscheibe von der Transmission oder durch eine
Kurbel von Menschenhand. Die Hebel aller zu bewegenden Theile
werden durch Federn an die Hubscheiben angedrückt. Die
Regulirung des Fadenführerweges geschieht in folgender Weise:
Der Sattel g (Fig. 1
und 2), an
welchem das Rößchen i befestigt ist,
wird durch zwei Schnuren (Fig.
2) nach links und rechts gezogen, welche in zwei Rinnen
einer auf E festsitzenden Scheibe
H liegen und durch Anlegen der
an ihren Enden befestigten Eisenknöpfe H an die Kante eines Ausschnittes von H (Fig.
1) mit fortgezogen werden. Einer Umdrehung von E entspricht immer eine
Maschenreihe, also ein Hingang des Sattels g (Fig.
2) von g nach g₁; ist dieser Weg
zurückgelegt, so hat sich H₁
bis in die Gegend von I (Fig. 1) gedreht, dann stößt der Zapfen K an die Knagge I, er wird nach außen gehoben, also
die Platte k, k₁ um k₁ gedreht, sie schiebt H, von der Kante ab und löst damit
die Zugschnur. Der Sattel g ist nun
zugleich der Mitnehmer des Fadenführers h (Fig. 1
und 2),
welcher, von einer Kapsel h₁,
getragen, auf der Stange k seitlich
verschiebbar ist. Den Weg von h₁ begrenzen zu beiden Seiten zwei Muffstücke l, l; die an g drehbar befestigten Klingen m, m legen sich beim Verschieben an die Nasen n, n der Kapsel h₁ an und nehmen sie mit
fort, sobald aber h₁ an l anstößt, ist auch die Klinke auf
der Erhöhung n₁ soweit
gestiegen, daß sie nicht mehr in n
eingreift; es geht dann g mit dem
Rößchen i leer weiter. Die Stücke
l stemmen sich mit den Klinken
r gegen die Zahnstangen k₁ (Fig.
2); die Bolzen r₁
liegen in der Nuth eines Stabes p
(Fig. 1
und 2).
Ist nun einmal durch Decken die Waarenbreite vermindert worden,
so wird der Stab p gehoben, dabei
hebt sich r₁ und r rückt um einen Zahn weiter nach
innen; wenn p wieder sinkt, so
stemmt sich r einen Zahn weiter
innen ein und schiebt l nach innen,
der Fadenführerweg wird also damit früher begrenzt, um soviel,
als das Decken der Randmaschen beträgt. Zur Bildung fester
Randmaschen wird der Fadenführer am Ende des Hubes durch das
schräge Mittelstück von g (Fig. 2) herabgedrückt, er spannt dann den Faden; ein
Querstab l, welcher an den Arm m₁ (Fig.
1) anstößt, hebt ihn wieder.
Der Deckapparat besteht aus der Nadelbarre L, welche in zwei verschiebbaren Sätteln M die Decknadeln q trägt und drehbar in zwei Arme L₁ eingelagert ist. Der
Rahmen, welchen die Arme L₁
mit der Querstange M₁ bilden,
liegt, um N drehbar, im Gestell A, kann mit dem Arme N, N₁ fest verbunden und
durch Hubscheiben so bewegt werden, daß die Decknadeln nach den
Stuhlnadeln sich hinneigen. Hierauf wird durch den Stab X die Nadelbarre L gewendet, so daß die Decknadeln
q fest auf den Nadeln a aufliegen und die Randmaschen
abnehmen. Behufs des Hereinrückens dieser Randmaschen hebt sich
nun der obengenannte Stab p und
senkt sich wieder, wobei die nach innen geschobenen Muffstücke
l mittelst der Arme q₁ auch die Decker M einwärts schieben. Die
rechtzeitige Ein- und Ausrückung des Deckapparates
regulirt folgender Zählapparat: An einer Seitenwand des Werkes
liegt auf einer schiefen Ebene eine Kette O, welche durch zwei Klinken s mittelst eines Excenter von der Welle E nach oben gezogen wird, bei jeder
Umdrehung von E oder jeder
Maschenreihe um ein Glied. Ein Hebe P, Q,
R, S (Fig. 1
und 3),
welcher um Q drehbar ist und mit P lose auf der Kette aufliegt, wird
für diejenige Umdrehung von E,
während welcher nicht eine Reihe gebildet, sondern die letzte
gemindert werden soll, durch eine Erhöhung u (Fig.
1) auf dem ankommenden Kettenglieds bei P gehoben, er senkt sich also bei
R und S. Hierdurch drückt S
(Fig. 1
und 3) den
Winkelhebel T herab und zieht
mittelst S₁, T₁, die Platte U (Fig. 1
und 3) an
die Scheibe H heran, so daß der eben
in der Richtung des Pfeiles ankommende Zapfen K schon durch die Platte U herausgedrängt, also K, K₁ nach außen an die Kante
H₁ gedreht wird, welche
letztere in Folge dessen den Schnurenknopf H₁ nicht fassen, folglich
Rößchen und Fadenführer für diese Umdrehung nicht fortziehen
kann. Ferner aber stößt an den herabgedrückten Arm R, welcher am Ende abgeschrägt ist
(Fig.
3), der Kuppelungsarm G von
der Nabe E₁ und verschiebt
sich an dem schrägen Arme R um ein Stück zur Seite, nimmt also dabei die ganze
Nabe E₁ mit zur Seite und ein
Haken V an der anderen Gestellwand
greift dann sogleich in eine Nuth v
von E₁, so daß letztere
während der folgenden Umdrehung um das Stück u₁ (Fig.
3) zur Seite gerückt bleibt. In dieser Lage von E₁ treffen aber nicht die
Hubscheiben und Hebel zusammen, welche bisher zur Maschenbildung
thätig waren, sondern andere dergleichen, welche den Deckapparat
und die Nadeln a und Platinen c zum Mindern bewegen. Ist dieß
geschehen, also die betreffende Umdrehung beendet, so ist die
Kette um ein Glied weiter gerückt, damit u unter P entfernt, die
Hebel R und S heben sich also wieder und die schräge Kante von S, an welche nun G anstößt, schiebt die Nabe wieder
in ihre ursprüngliche Lage zurück, auch Haken V tritt aus v heraus. Je nach der Vertheilung der Erhöhungen u auf der Kette O wird also der Stuhl selbstthätig
noch je 2 oder 4 Reihen abnehmen. Es sind zwei Klinken s angebracht, damit, wenn eine
derselben auf ein mit u besetztes
Glied trifft und nicht anfassen kann, dann doch die andere die
Kette fortzieht. Durch Einschieben des Keilstückes w kann man die Klinken heben und den
Zählapparat außer Wirksamkeit setzen.
Für die sogen. französische Minderung an Fußspitzen der Strümpfe,
bei welcher nicht die Randmaschen, sondern etwa 4 bis 6, im
vierten Theil der Fußbreite liegende Maschen weiter
hereingesetzt werden, benutzt man auf der Nadelbarre L an jeder Seite zwei Decker M und W
(Fig.
4), von denen der schmale, M,
frei auf L verschiebbar ist, der
breite, W, aber durch eine Schraube
Z (Fig. 5
und 1)
verrückt wird, in deren Gang die Zähne x von W eingreifen (wie in
Fig. 1
für einen Decker M angedeutet ist).
Die beiden Schrauben Z, welche die
zwei Decker W bewegen, haben
entgegengesetzt gerichteten Gang, so daß bei Umdrehung ihrer
Welle z durch Klinkrad und Klinke
Y (Fig.
1) die Decker W beide nach
innen rücken. Der Gang von Z ist
ferner so eingerichtet, daß für jede Drehung um einen Zahn Y jeder Decker W anfangs um zwei Nadeltheilungen
nach innen geschoben (1 bis 2 in Fig.
5), darauf aber um eine Theilung nach außen gezogen wird
(2 bis 3 in Fig.
5), so daß er von dem Decker M
immer um eine Nadel entfernt steht und diesen bei jeder
Verrückung um eine Nadel nur fortschiebt. Das Mittelstück der
Fußspitze wird dadurch bei jeder Minderung auf jeder Seite um
eine Nadel schmäler und jedes Randstück rückt nicht nur um diese
Nadel mit nach innen, sondern wird noch außerdem um eine Nadel
schmäler.
Die hohe Vollendung in der Construction dieses Stuhles hat ihm
schnell weite Verbreitung verschafft; trotzdem sind neuerdings
mehrere Erfindungen regulärer Stühle bekannt
geworden, welche theils wegen größerer Einfachheit, theils wegen
erhöhter Production noch vortheilhafter als der Paget-Stuhl arbeiten
sollen.