Titel: | Ueber die Reduction des Chlorsilbers auf nassem Wege; von Dr. Gräger in Halle a. d. S. |
Fundstelle: | Band 200, Jahrgang 1871, Nr. XXXII., S. 105 |
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XXXII.
Ueber die Reduction des
Chlorsilbers auf nassem Wege; von Dr. Gräger in Halle a. d.
S.
Gräger, über Reduction des Chlorsilbers auf
nassem Wege.
Bekanntlich hat man sehr viele Methoden zur Reduction des
Chlorsilbers; denn fast alle sind von Schwierigkeiten und
Unvollkommenheiten umgeben, indem sie entweder das Silber nicht
vollkommen rein liefern, oder mit sonst unvermeidlichen
Verlusten verbunden sind, oder endlich auch nicht alles
Chlorsilber in einer Operation reduciren. Da jedoch die Aufgabe,
Chlorsilber reduciren zu müssen, so häufig an uns herantritt, so
würde ein Verfahren, dem diese Unvollkommenheiten nicht
anhaften, gewiß sehr willkommen seyn. Gelegentlich der
Verarbeitung von Silberabfällen, unter sehr verschiedenen Formen
und Zuständen, habe ich die Mängel der seitherigen Methoden tief
genug empfunden, um nicht den Versuch zu machen, sie durch eine
bessere zu ersetzen. Ich habe hierbei vorzugsweise die Reduction
des Chlorsilbers auf nassem Wege im Auge gehabt, theils weil sie
die leichteste, theils aber auch, weil sie voraussichtlich von
den geringsten Verlusten begleitet seyn würde. Die Reduction des
Chlorsilbers mittelst Eisen, Zink oder Kupfer innerhalb saurer
Flüssigkeit führt bekanntlich nicht zum Ziele, indem in allen
diesen Fällen das reducirte Silber bald mehr, bald weniger durch
die genannten Metalle verunreinigt erscheint; ebenso verhält es
sich, wenn man das Chlorsilber in ammoniakalischer Lösung durch
Kupfer reducirt. Dagegen finde ich nirgends erwähnt, daß man
sich auch des Zinkes bedient habe, um
das Chlorsilber aus einer ammoniakalischen Lösung zu reduciren,
ein Versuch, den man vielleicht deßhalb nicht angestellt hat,
weil man aus Analogien glaubte schließen zu dürfen, daß er kein
besseres Resultat liefern werde. Gleichwohl verhält sich die
Sache anders, und es läßt sich auf diese Weise vollkommen reines
Silber in metallischem Zustande erhalten.
In der That befinden sich auch die beiden Körper, die auf
einander einwirken sollen, Chlorsilber und metallisches Zink,
hier unter ganz anderen Umständen als da, wo das Chlorsilber im
festen Zustande mit dem ebenfalls starren Zink, in der Gegenwart
einer freien Säure in Berührung gesetzt wird. Da die beiden
Körper in verdichtetem Zustande auf einander einwirken, so wird
auch das Silber in einem verdichteten Zustande abgeschieden, und
es ist bekannt, daß geschmolzenes Chlorsilber, durch Zink
reducirt, einen zusammenhängenden Kuchen von metallischem Silber
liefert. Während dem wird von der freien Säure fortwährend Zink
aufgelöst, und es erscheint uns nicht unmöglich, daß dieser
zweite chemische Proceß, der neben dem ersten hergeht, mit dazu
beiträgt, daß sich im Silber zugleich auch wieder Zink reducirt,
welches sich mit jenem gleichsam legirt und in diesem Zustande
von der Säure, die freies Zink vorfindet, nicht angegriffen
wird. Befindet sich dagegen das Chlorsilber in ammoniakalischer
Lösung, also ohne alle Cohäsion seiner kleinsten Theile, so
scheidet sich auch das Silber in einer äußerst lockeren
Beschaffenheit ab, und erscheint geradezu wie ein äußerst zarter
Schwamm, und andererseits wird vom Zink aber nur so viel
aufgelöst, als das Silber Chlor an dasselbe abgibt. Doch ist
thatsächlich dieser Vorgang nicht ganz so einfach, denn man
sieht auf der einen Seite das Zink während der Reduction sich
mit einem weißen Pulver (Zinkoxyd) umgeben, welches sich beim
Schütteln in dem Ammoniak auflöst, auf der anderen nimmt das
reducirte Silber in Berührung mit dem Zink eine schwarze Farbe
an, die sich beim Umschütteln ebenfalls wieder verliert und
einer hellgrauen Platz macht; neben diesen Erscheinungen stellt
sich in der Ruhe zuweilen, nicht jedesmal, eine ziemlich
lebhafte Gasentwickelung ein. Ob dieses Gas Stickgas oder
Wasserstoffgas sey, habe ich bis jetzt nicht näher
untersucht.
Zur Reduction des Chlorsilbers mittelst Zink bringt man dasselbe,
in Ammoniak gelöst, in eine verschließbare Flasche und setzt das
reine Zink in immer kleinerem Ueberschusse und in nicht zu
kleinen Stücken, damit es nach erfolgter Reduction leicht von
dem reducirten Silber getrennt werden kann, hinzu. Die
Zersetzung beginnt sofort, und verläuft, besonders wenn man
häufig umschüttelt, sehr schnell, so daß man binnen drei Stunden
recht gut 1/4 Pfd. Chlorsilber reduciren kann;
selbstverständlich ist die Dauer der Operation auch noch von dem
größeren oder kleineren Ueberschusse an Zink abhängig; ebenso
scheint auch ein gewisser Ueberschuß von Ammoniak auf den
schnelleren Verlauf günstig einzuwirken. Eine zeitlang besitzt
das abgeschiedene Silber eine hellgraue oder schmutzig weiße
Farbe, gegen das Ende wird diese aber dunkelgrau oder beinahe schwarz. Von Zeit zu Zeit läßt man einen Tropfen der
ammoniakalischen Flüssigkeit in ein Reagensglas mit Salzsäure
fallen; der Proceß ist beendigt, wenn hierdurch keine Trübung
mehr erfolgt. Man läßt absetzen und gießt die klare Flüssigkeit
möglichst vollständig ab: das Silber behandelt man in der
Flasche immer wieder von Neuem mit klarem Wasser, bis aller
Ammoniakgeruch verschwunden ist, und bringt es mittelst eines
Trichters, dessen Röhre man mit Glasstückchen so weit verstopft
hat, daß das Silberpulver, nicht aber die Zinkstücke durchgehen
können, in eine andere Flasche. Man decantirt so viel wie
möglich das überstehende Wasser, übergießt das Silber mit
concentrirter Salzsäure und digerirt es hernach so lange, bis es
seine dunkelgraue Farbe verloren und eine schmutzig weiße Farbe
angenommen hat. Wenn das Silber viel Wasser enthält, so kommt es
wohl vor, daß es bei einer ersten Behandlung mit Salzsäure nicht
weiß wird. Man muß alsdann die Flüssigkeit abgießen, und eine
neue Portion concentrirter Salzsäure aufgießen, und
nöthigenfalls damit zum Sieden bringen. Hierdurch wird das Silber jedesmal weiß. Ist dieser
Punkt eingetreten, so füllt man die Flasche mit Wasser,
decantirt, und wiederholt dieß, bis die Flüssigkeit nur noch
schwach sauer reagirt. Dann nimmt man das Silber auf ein Filter,
auf welchem man es vollständig mit destillirtem Wasser
auswäscht. Zum Beschluß übergießt man dasselbe auf dem Filter
mit verdünntem Ammoniak und spült dann noch einigemal mit Wasser
nach. Es entsteht nämlich bei der Behandlung mit concentrirter
Salzsäure, entweder weil diese, wie es bei der rohen Salzsäure
zuweilen vorkommt, etwas Chlor enthält, oder weil sie selbst das
Silber etwas angreift, eine kleine Menge von Chlorsilber, die
durch das Ammoniak fortgenommen wird.
Das so dargestellte Silber ist vollkommen rein, wenigstens habe
ich ein anderes Metall nicht darin erkennen können. In
Salpetersäure gelöst, die Lösung durch einen Ueberschuß von
Salzsäure zersetzt, liefert es eine Flüssigkeit, die durch
kohlensaures Natron neutralisirt, weder durch kohlensaure
Alkalien noch durch Kaliumeisencyanür getrübt wird;
Schwefelammon färbt dieselbe, in Folge von etwas aufgelöstem
Chlorsilber, bräunlich, ohne daß ein Niederschlag entsteht. 10,8
Grm. dieses Silbers in Salpetersäure gelöst und zu 1000 K. C.
mit Wasser verdünnt, repräsentirten genau 1/10
Normalsilberlösung.
Der Aufwand an Ammoniak ist freilich nicht ganz unbedeutend; da
jedoch dasselbe durch Destillation größtentheils wieder gewonnen
werden kann, so kommt der wirkliche Verbrauch an Ammoniak kaum
in Betracht. Wenn man mit sehr großen Mengen Chlorsilber
arbeitet, so kann man wohl an Ammoniak dadurch ersparen, daß
man die Reduction portionsweise bewirkt, indem die von Silber
befreite oder größtentheils befreite ammoniakalische
Chlorzinklösung für Chlorsilber wieder Auflösungsvermögen zeigt.
Dieß erscheint zwar sonderbar und rührt auch wohl zum Theil von
freiem Ammoniak her, welches jedoch seine Wirkung auf das
Chlorsilber erst dann wieder geltend macht, nachdem das Silber
ausgefällt ist. Offenbar beruht also diese Erscheinung auf den
Auflöslichkeits-Verhältnissen des
Silberchlorid-Ammoniaks, so daß man von vornherein eine
sehr große Menge Wasser anwenden müßte, um alles Chlorsilber im
Ammoniak auf einmal zu lösen, ein Verfahren welches sich nicht
wohl empfehlen läßt. Diese Bemerkungen beziehen sich jedoch nur
auf die Fälle, wenn man mit wirklich großen Mengen Chlorsilber
arbeitet, denn bei kleinen Mengen kann man leicht die zur
Auflösung des Chlorsilbers nöthige Menge Wasser zufügen.
Wenn die Versuche, das Chlorsilber in ammoniakalischer Lösung
durch metallisches Kupfer zu reduciren, keine günstigen
Resultate geliefert haben, so erklärt sich das einfach daraus,
daß das Kupfer das Wasser nicht zersetzt und also auch von
Salzsäure nicht aufgelöst wird.
Auf dieselbe Weise wie das Chlorsilber, läßt sich auch das
salpetersaure Silberoxyd in ammoniakalischer Lösung durch Zink
reduciren, und man erhält wie dort, so auch hier vollkommen
reines Silber. Dieß findet selbst dann statt, wenn die
salpetersaure Lösung neben dem Silber noch Kupfer enthält, wie
es sehr häufig der Fall ist. Das Kupfer wird in ammoniakalischer
Lösung durch Zink zwar reducirt, allein im Vergleich zum
Silbersalze äußerst langsam, und beinahe gar nicht, so lange
noch eine gewisse Menge Silber in der Auflösung vorhanden ist.
Auf diesem Wege habe ich aus alten Münzen, die oft nur 25 Proc.
Silber enthalten, das Silber vollkommen rein abgeschieden. Nur
darf man nicht alles Silber ausfällen, oder was dasselbe ist,
nicht die zur Ausfüllung des Silbers nothwendige Menge Zink
einlegen. Hiermit ist der wesentliche Vortheil verbunden, daß
man das salpetersaure Silber, um es vom Kupfer zu trennen, nicht
in Chlorsilber zu verwandeln braucht, welches dann wieder
reducirt werden muß. Auch hier muß das Silber, um es von dem
niedergefallenen Zink zu befreien, mit concentrirter Salzsäure
behandelt und alsdann vollständig ausgewaschen werden. Das
Verfahren empfiehlt sich besonders zur Darstellung von reinem
salpetersaurem Silberoxyd, und man ist hierdurch des Auswaschens
des Chlorsilbers, was, wenn man es mit Mengen zu thun hat, immer
sehr lästig ist, sowie auch der späteren Reduction im Tiegel
überhoben. (Aus der photographischen Zeitschrift
„Licht,“ Februar 1871, S. 308.)