Titel: | Ueber Abscheidung des Phosphors aus dem Roheisen nach Henderson's Verfahren; von P. Tunner. |
Fundstelle: | Band 200, Jahrgang 1871, Nr. LVIII., S. 211 |
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LVIII.
Ueber Abscheidung des
Phosphors aus dem Roheisen nach Henderson's Verfahren; von
P.
Tunner.
Aus der österreichischen
Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen, 1871,
Nr. 15.
Tunner, über Abscheidung des Phosphors aus dem
Roheisen.
Die Abscheidung des Phosphors aus dem Roheisen hat seit der
Einführung des Bessemerns ein erhöhtes Interesse erlangt, indem
gerade der Phosphorgehalt am öftesten für die
Tauglichkeit einer fraglichen Roheisenqualität zum Bessemern
entscheidend ist. Die Abscheidung des Phosphors ist, ganz
abgesehen vom Bessemerproceß, um so wichtiger, weil es
bekanntlich bei dem Hohofenproceß bisher nicht gelungen ist,
einen erklecklichen Antheil desselben in die Schlacke zu
bringen. Selbst bei den verschiedenen Raffinirprocessen des
Roheisens ist es kaum möglich, eine genügende Menge des
Phosphors in die Schlacke zu schaffen, zu beseitigen. Am
ausgiebigsten erfolgt die Abscheidung des Phosphors in Gegenwart
einer sehr basischen, sehr eisenreichen Schlacke, welche zur
Aufnahme und zum Festhalten der Phosphorsäure am meisten
geeignet ist. Daher wird aus phosphorhaltigen Eisenerzen bei der
directen Verwendung zur Stabeisenbereitung in Wolfsöfen oder
Rennherden ein weniger phosphorhaltiges Eisen erlangt, als bei
dem Verschmelzen derselben auf Roheisen. Ingleichen wird bei dem
Verfrischen des phosphorhaltigen Roheisens, nach neueren
Erfahrungen erst in den letzteren Stadien, bei dem Vorhanden
seyn sehr eisenreicher Schlacken, am meisten Phosphor
abgeschieden. Selbstverständlich kann von dieser Abscheidung des
Phosphors füglich keine Anwendung gemacht werden, wenn es sich
um die Darstellung eines zum Bessemern tauglichen Roheisens
handelt; aber auch das Ziel der Gewinnung einer vorzüglichen
Stabeisenqualität, noch weniger das der Erzeugung einer
ausgezeichneten Stahlqualität, ist auf diesem Wege nicht zu
erreichen.
Vor Kurzem ist mir aus den Vereinigten Staaten von Nordamerika
mitgetheilt worden, daß Hr. Henderson
ein daselbst patentirtes,Die ausführliche Beschreibung des von James Henderson in New-York
erfundenen und demselben patentirten Verfahrens
„zum Raffiniren von Roheisen, und zur
Erzeugung von Stahl und Stabeisen“
enthält der Engineer vom 17.
Februar 1871. S. 110.A. d. Red. höchst einfaches und wenig kostspieliges Verfahren
erfunden habe, wodurch nebst dem Silicium der größte Theil des
Phosphors ohne Verlust an Eisen rasch abgeschieden werde. Da
dieses Verfahren so einfach und ohne viele Kosten ausführbar
ist, dünkt mir dasselbe eines Versuches werth, und gebe ich zu
dem Ende hiermit eine Notiz davon.
Die dabei wirksamen Reagentien sind Fluor und Sauerstoff.
Ersteres wird am besten aus Flußspath, letzterer aus reinen,
reichen Eisenerzen dadurch erlangt, daß diese beiden Mineralien
feingepulvert und innigst gemengt in einer Lage über den Boden
der gußeisernen Schalen gebettet werden, in welche das Roheisen
aus dem Hohofen abgestochen wird. Durch die Hitze des darüber
laufenden Eisens und die hierbei thätig werdenden chemischen
Verwandtschaften soll die Abscheidung des Siliciums und des Phosphors unter Aufkochen in Dampfform erfolgen, und die ganze
Reaction in ungefähr 5 Minuten beendet seyn.
Das Verhältniß, in welchem die gepulverten und durch ein
Drahtsieb von mindestens 400 Maschen per Quadratzoll passirten, innigst gemengten
Reagentien zur Anwendung gebracht werden, wird mit 1
Gewichtstheil Flußspath gegen 2 Theile Eisenerz (Rotheisenstein
oder gerösteter Spatheisenstein) angegeben, und soll das Gemenge
eine ca. 1/4 – 3/8 Zoll dicke
Lage über dem Boden der Gußschalen bilden, während das darüber
geleitete Roheisenquantum schließlich eine Platte von beiläufig
1 Zoll Stärke erreicht.
Gewöhnliches Kohksroheisen, welches in der Nähe von Pittsburg aus
einer Gattirung von Hämatiterzen (Brauneisenstein) und
Walzhütten-Schlacke erblasen und nach diesem Verfahren
behandelt worden ist, wurde sodann verpuddelt und mit einer Schweißhitze zu Mercantileisen
ausgewalzt. Ein analytischer Chemiker der genannten Stadt hat
das Roheisen vor und nach dieser Reinigung, sowie das
schließlich daraus erhaltene Stabeisen untersucht und folgende
Resultate erhalten:
Das
Kohksroheisenvom Hohofen
Das
raffinirte
Roheisen
Das erhalteneStabeisen
Gebundener Kohlenstoff
0,2040
0,3613
nicht bestimmt.
Graphit
2,7685
2,5066
„ „
Silicium
2,3096
Nichts
Nichts.
Schlacke (eingemengt)
0,3623
0,2983
nicht bestimmt.
Phosphor
0,4196
0,1029
0,0087
Schwefel
0,1298
0,1296
0,0438
Obgleich ich für den Erfolg, für den praktischen Werth dieser
Abscheidungsmethode des Phosphors vom Eisen durchaus nicht
einstehen kann, so möchte ich in Anbetracht einerseits der
Wichtigkeit des Gegenstandes und andererseits der wenigen damit
verbundenen Kosten, namentlich den böhmischen, mährischen und
schlesischen Hohöfen, dießbezügliche Versuche empfehlen. Für die
innerösterreichischen Hütten ist die Sache von geringerer
Bedeutung, weil man daselbst mit der Abscheidung des Phosphors
ohnehin keine Noth hat.
Leoben, 12. März 1871.