Titel: | Ueber die Werthbestimmung der Oelsamen; von Dr. Herm. Vohl in Cöln. |
Autor: | Hermann Vohl |
Fundstelle: | Band 200, Jahrgang 1871, Nr. LXVI., S. 236 |
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LXVI.
Ueber die Werthbestimmung der
Oelsamen; von Dr. Herm.
Vohl in Cöln.
Vohl, über Werthbestimmung der
Oelsamen.
Der Preis einer Waare, resp. eines Rohproductes richtet sich in
den meisten Fällen nach dem Gehalt eines oder mehrerer ihrer
Bestandtheile, und es ist deßhalb eine genaue quantitative
Bestimmung der werthgebenden Substanzen in den meisten Fällen
von der größten Wichtigkeit.
Bei den Rohproducten des Mineralreiches, z.B. bei den Erzen etc.
ist die Werthbestimmung durch eine genaue quantitative chemische
Analyse überall eingeführt. Auch bei dem Verkauf der künstlichen
Düngemittel ist die chemische Analyse
allein maaßgebend für die Werthbestimmung, resp. den
Kaufpreis.
Bei vielen Producten aus dem Pflanzenreiche, z.B. bei den
Samen-, resp. Körnerfrüchten, sowie auch bei den
Knollengewächsen (Kartoffeln, Runkelrüben etc.), hat man auch
eine Werthbestimmung durch die chemische Analyse angestrebt,
leider jedoch diese Methode als zu umständlich in den meisten
Fällen von der Hand gewiesen, so daß nur die Jahresergiebigkeit,
das Bedürfniß und die momentane Zufuhr die Höhe des Preises
dieser Naturproducte bestimmen, ohne daß dem eigentlichen Werth mehr wie durch
bloße äußere Anschauung Rechnung getragen wird. Es ist leicht
ersichtlich, daß gerade in den
Jahren wo eine Mißernte stattfand und auch die Qualität
der Frucht häufig eine geringere, dagegen durch diesen
Minderertrag und eine beschränkte Zufuhr der Preis ein hoher
ist, die Werthbestimmung der Frucht alsdann um so mehr angezeigt
und erheischt wird. Bei Nichtbeachtung, resp. bei
Nichtbestimmung des eigentlichen Werthes der Waare läuft man in
diesen Jahren Gefahr, trotz des enorm hohen Preises eine Waare
zu erstehen, welche den gewünschten Effect bei ihrer Verwendung
nicht erzielt.
Besonders findet das Ebengesagte seine volle Gültigkeit bei den
ölgebenden Samen der Brassica-Arten: Brassica
napus oleifera (Winterrübsen), Brassica praecox oleifera. (Sommerrübsen), Brassica campestris oleifera
(Kohlraps).
Bekanntlich influiren Klima, Standort und Düngung bedeutend
bezüglich der Bildung von Zucker, Säuren, Stärkemehl u.s.w. bei
den Pflanzen. Wie sehr diese Einflüsse zu beachten sind, erkennt
man z.B. bei der Wein- und Runkelrübencultur; aber nicht
minder sind die ölgebenden Gewächse und besonders die Brassica-Arten auch bezüglich
der Oelproduction den klimatischen und sonstigen Einflüssen
unterworfen und der Oelgehalt der betreffenden Samen kann
bedeutenden Schwankungen in den verschiedenen Jahrgängen, sogar
bis zu 10 Proc., unterliegen.
Seit dem Jahre 1865 bis jetzt habe ich eine große Anzahl von
Oelsamenproben untersucht und dadurch die so bedeutenden
Schwankungen im Oelgehalte derselben erkannt. Leider waren nicht
mit Bestimmtheit der Jahrgang, die klimatischen Verhältnisse des
Standortes, sowie die Düngeweise zu ermitteln, um dadurch die
Wirkung eines jeden dieser Einflüsse auf die Oelproduction der
Pflanzen festzustellen. Aus dieser großen Anzahl der
Versuchsergebnisse will ich nur nachfolgende mittheilen, weil
sie eben diese bedeutenden Schwankungen im Oelgehalt der
Oelsamen constatiren. Hundert Gewichtstheile der unten
bezeichneten verschiedenen Oelsamen ergaben mit dem Oleometer
nachfolgenden Oelgehalt.
Brassica
praecox:
31,4 – 33,5 – 34,8 –
35,5 – 36,7 – 38,1 – 38,7 – 39,5
– 40,0 – 41,5.
Brassica
napus:
32,4 – 33,4 – 34,7 –
34,9 – 35,2 – 36,1 – 37,8 – 38,3
– 39,5 – 42,6.
Brassica
campestris:
37,9 – 38,6 – 39,5 –
40,6 – 42,7 – 43,1 – 44,0 – 44,4
– 44,6 – 45,1.
Der Oelgehalt der Brassica praecox
variirt demnach zwischen 31,4 und 41,5, also um 10,1 Proc., und
man kann aus diesen zehn Bestimmungen im Mittel 36,97 Proc. Oel
bei einem guten Samen dieser Gattung annehmen. Bei Brassica napus war der niedrigste
Gehalt 32,4 und der höchste 42,6 Proc. an Oel. Der
Gehalt variirt also um 10,2 Proc.; im Mittel wird folglich ein
guter Same dieser Gattung 36,49 Proc. Oel enthalten.
Der Same von Brassica campestris
enthält zwischen 37,9 und 45,1 Proc. Oel. Der Unterschied
beträgt also 7,2 Proc.; ein guter Kohlrapssamen wird demnach
durchschnittlich 42,06 Proc. Oel enthalten.
Mit Zugrundelegung des eben angeführten Durchschnittsgehaltes der
Samen an Oel und dem Tagespreise welcher als ein normaler für
diesen Oelgehalt angenommen werden muß, läßt sich mit
Leichtigkeit der Werth eines Oelsamens bestimmen, mag er nun
höher oder niedriger als der angenommene Normalgehalt seyn.
Nehmen wir an, daß hundert Pfund Zollgewicht von Brassica praecox bei einem
Durchschnittsgehalt von 36,97 Proc. Oel 5 Thaler kosten, so wird
ein Same der nur 31,4 Proc. Oelgehalt hat, weniger und zwar
(31,4 × 5)/36,97 = 4 Thlr. 7 Sgr. 4–5 Pf. werth
seyn, oder einen Minderwerth haben von 22 Sgr. 8 Pf.
Selbstverständlich ist hier nur der Oelgehalt und nicht der
Futterwerth des Samenrückstandes in Betracht gezogen; die
Werthbestimmung des letzteren wird bekanntlich schon durch eine
chemische Analyse festgestellt.
Cöln, im April 1871.
Beschreibung und
Anwendung von Dr. Vohl's
Oleometer zur Werthbestimmung der Oelsamen.
Der ganze Apparat, in nachstehender Figur im dritten Theile der
natürlichen Größe dargestellt, ist aus Glas angefertigt und
besteht aus vier Haupttheilen, nämlich
A dem Extractor,
B dem Siedkolben,
C dem Helm, und
D dem Kühler.
Der Extractor besteht aus der weiten Röhre c, c, in welcher die engere Röhre b eingeblasen ist. Letztere steht
vermittelst der Röhre e mit dem
Siedkolben B in Verbindung. Die
Röhre c, c ist seitlich am unteren
Ende mit einem Tubulus d versehen,
in welchem vermittelst eines Korkes die Röhre o eingefügt ist. Letztere mündet am
Boden des Kolbens B, so daß sie
stets mit Flüssigkeit gesperrt ist.
Die weite Röhre c, c hat oben
seitlich einen Tubulus f, an welchem
sich die zu einer feinen Oeffnung ausgezogene Röhre g befindet.
Der Helm C steht vermittelst der
Röhre h mit der Röhre b und durch die Röhre i mit dem Tubulus f resp. mit der weiten Röhre c, c des Extractors in
Verbindung.
Textabbildung Bd. 200, S. 239
Der Helm steht ferner durch die Röhre k mit der Röhre I des
Kühlapparates D in Verbindung;
m, m ist oben offen.
Die Röhre I ist bei n auf ein Drittel ihres lichten
Durchmessers verjüngt.
Der Apparat wird in folgender Weise in Anwendung
gebracht.
Der Extractor A wird bei d mit einem Pfropfen reiner
Baumwolle lose verschlossen, und alsdann die Röhre o vermittelst eines Korkes
eingefügt. Alsdann bringt man den abgewogenen und gemahlenen
resp. geknirschten Samen durch den Tubulus f in die weite Röhre c, c.
Die Substanz muß gleichförmig in dem Spatium vertheilt werden
und darf nur 7/8 desselben ausfüllen.
So gefüllt, wird der Extractor vermittelst der Röhren e und o mit dem Siedkolben B
verbunden.
Man gießt nun durch den Tubulus f
so lange Canadol auf die
Substanz, bis sich in B eine
Flüssigkeitsschicht von circa
3/4 Zoll angesammelt hat, setzt dann den Helm C mit dem Kühler D auf, und füllt die Röhre m, m mit kaltem Wasser oder,
wenn es zu haben ist, mit Eis.
Der Apparat wird vermittelst eines kräftigen Retortenhalters
aufgestellt; zweckmäßig benutzt man den Retortenhalter mit
doppelter Klemme, um sowohl A, wie
auch D zu befestigen. So
vorgerichtet, erhitzt man die Flüssigkeit in B zum Sieden. Die Dämpfe steigen
durch die Röhre e nach b und fließen condensirt so lange
nach B zurück, bis der Inhalt in c, c die Temperatur des siedenden
Canadols erlangt hat. Ist dieses geschehen, so steigen die
Dämpfe durch h nach dem Helm C und werden hier anfangs
vollständig condensirt, später jedoch, wenn der Helm sich stark erhitzt hat, treten die Dämpfe durch k nach I, wo sie vollständig durch das kalte Wasser resp. Eis
verdichtet werden und durch die seitlich gebogene Röhre k nach dem Helme zurückfließen. Die
verdichteten Canadoldämpfe fließen durch i und den Tubulus f nach
A, und gelangen zuletzt durch
die Röhre o nach B zurück. Die Röhre g dient zum Aus- und
Einlassen der atmosphärischen Luft beim Temperaturwechsel. Auf
diese Weise ist es möglich, mit verhältnißmäßig geringen Mengen
Canadol ziemlich erhebliche Quantitäten Samen zu entölen. Wenn
bei o die Flüssigkeit farblos und
klar abfließt, kann man annehmen daß der Same vollständig entölt
ist.
Das mit den fetten Oelen geschwängerte Canadol wird nun durch
Destillation von dem fetten Oele getrennt und letzteres gewogen.
Das Canadol, welches man zum Ausziehen anwendet, darf nur ein
spec. Gewicht von 0,66 bis 0,68 und einen Siedepunkt von 50 bis
80° C. haben.
Eine derartige Bestimmung kann bei einiger Uebung bequem in 1 1/2
bis 2 Stunden gemacht werden.
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Anmerkung. Die Glasbläserei für
chemische und physikalische Geräthschaften von Ph. Goldfinger in Cöln liefert das Oleometer nebst Stativ etc.
preiswürdig.