Titel: | Ueber die vermeintliche Unfähigkeit des Kalis zur Ultramarinbildung; von Prof. W. Stein. |
Fundstelle: | Band 200, Jahrgang 1871, Nr. LXXXII., S. 308 |
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LXXXII.
Ueber die vermeintliche
Unfähigkeit des Kalis zur Ultramarinbildung; von Prof. W.
Stein.
Stein, über die vermeintliche Unfähigkeit des
Kalis zur Ultramarinbildung.
C. G. Gmelin erwähnt zuerst, daß es
ihm nicht gelungen sey, Ultramarin zu erhalten, wenn er statt
Natron Kali zur Darstellung verwendete. Ritter hat später die Angabe Gmelin's bestätigt. Für diese somit außer Zweifel
gestellte Thatsache würden sich auf Grund des von mir (im
Vorstehenden) über die Constitution des Ultramarins
Mitgetheilten mehrere Erklärungen a
priori geben lassen; ich habe es jedoch vorgezogen,
durch Versuche die richtige zu finden.
Zuerst wurde aus 1 Th. Meißner Thon und 1,4 Th. kohlensaurem Kali
(als dem Aequivalent für die gewöhnlich angewendete Natronmenge)
eine Fritte bereitet. Dieselbe war milchweiß und stimmte im
Aeußeren mit der Natronfritte überein, ließ also voraussetzen,
daß ihr optisches Verhalten das Entstehen der blauen Farbe nicht
verhindern werde.
Es kam nun darauf an, zu untersuchen, ob das Schwefelkalium unter
den gleichen Bedingungen, wie das Schwefelnatrium, im Stande
sey, aus der Thonerde Schwefelaluminium zu bilden. Zu dem Ende
wurde 1 Th. eisenfreie Thonerde mit 6 Th. eisenfreiem
kohlensauren Kali und eben so viel Schwefel über Kohlenfeuer
sowohl als über dem Gasgebläse erhitzt. Die orangefarbige Fritte
wurde, mit warmem Wasser aufgeweicht, auf ein Filter gebracht,
und der blaugrüne Rückstand kalt ausgewaschen, bis das Wasser
nicht mehr alkalisch reagirte. Ein Theil desselben wurde dann im
Vacuum getrocknet, ein anderer Theil mit Wasser übergossen und
in dem verstopften Trichter stehen gelassen. Nach 12 Stunden war
der erstere an der am schnellsten getrockneten Oberfläche noch
grünlich gefärbt, im Inneren farblos. Der letztere war
gleichfalls farblos, und ein über den Trichter gelegtes mit
Bleilösung betupftes Papier ließ erkennen, daß sich
Schwefelwasserstoff entwickelt hatte. Dieser Versuch wurde
mehrmals u.a. auch mit Anwendung von oxalsaurem Kali anstatt des
kohlensauren (um Eisen sicherer auszuschließen), mit gleichem
Erfolge wiederholt. Die beobachtete Farbe muß demnach derselben
Ursache, welche bei Anwendung von Natron wirksam ist, nämlich
der Bildung von Schwefelaluminium zugeschrieben werden.
Der folgende Versuch läßt darüber keinen Zweifel übrig. In einer
Porzellanröhre wurden zwei Schiffchen von Porzellan auf
Kohlenunterlage, wovon das eine mit der oben erwähnten
milchweißen Kalifritte, das andere mit
einer ebenso beschaffenen Natronfritte gefüllt war, bis zur
hellen Rothgluth 2 Stunden lang im Schwefelkohlenstoffdampf
erhitzt und zuletzt bei Abschluß der Luft erkalten gelassen.
Nach Beendigung des Versuches zeigten beide Proben ein sehr
ähnliches Aussehen; sie waren sehr stark zusammengebacken, durch
und durch schwarz, äußerlich glänzend und mit abgelagertem
Kohlenstoff bedeckt. So ähnlich indessen ihr Aussehen, so
verschieden war ihr Verhalten gegen Wasser. Die Natronfritte
färbte letzteres weder kalt, noch beim Erwärmen, wobei nur
Spuren von Schwefelwasserstoff entwickelt wurden. Die Kalifritte
dagegen färbte das Wasser schnell gelb und entwickelte beim
Erwärmen lebhaft Schwefelwasserstoff. Es war also
Schwefelaluminium und zwar in solcher Menge gebildet worden, daß
es die Masse schwarz färbte. Sie erweichte dabei schneller und
vollständiger, als die Natronfritte, und hinterließ endlich
einen stellenweise farblosen, in der Hauptmasse aber schmutzig
grünlichen Rückstand, während die Natronfritte ihre
ursprüngliche Farbe unverändert behielt.
Dieser Versuch beweist nicht bloß, daß das Kali gegenüber der
Thonerde sich dem Natron gleich verhält; er zeigt auch, was für
den vorliegenden Fall noch viel wichtiger ist, daß das
Kali-Thonerde-Silicat vom Wasser stark angegriffen
wird und darum nicht fähig ist, das von ihm eingeschlossene
Schwefelaluminium vor der Zersetzung zu schützen. Da er indessen
nicht unter den bei der Ultramarin-Bereitung obwaltenden
Umständen angestellt war, so wurde auch noch 1 Th. Meißner Thon
mit 2 Th. Schwefelkalium innig gemengt und wie ein gewöhnlicher
Ultramarinsatz erhitzt. Die an einzelnen Stellen deutlich grün
gefärbte Fritte wurde zur Hälfte mit Wasser, zur Hälfte mit
Weingeist von 80 Procent warm ausgewaschen. Von ersterer
verblieb ein schon im feuchten Zustande ungefärbter Rückstand;
der von der zweiten Hälfte war feucht blaugrün, verlor jedoch
seine Farbe beim Trocknen in mäßiger Wärme. Der Weingeist war
aus dem Grunde angewendet worden, weil er das Schwefelaluminium
weniger rasch zersetzt, und es auf diese Weise möglich wurde, zu
constatiren, ob Ultramarin sich überhaupt gebildet hatte.
Das Verhalten des Kali-Thonerde-Silicates im
vorliegenden Falle stimmt mit den Erfahrungen überein, welche
über die Hygroskopicität des Kaliwasserglases, sowie kalireicher
Gläser überhaupt bekannt sind, und es erklärt sich daraus das
abweichende Verhalten des Kalis bei der
Ultramarin-Bereitung auf eine einfache Weise.
(Polytechnisches Centralblatt, 1871 S. 515.)