Titel: | Ueber die Fundirung der großen Drahtseil-Hängebrücke über den East-River bei New-York. |
Fundstelle: | Band 200, Jahrgang 1871, Nr. XCVIII., S. 351 |
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XCVIII.
Ueber die Fundirung der
großen Drahtseil-Hängebrücke über den East-River bei
New-York.
Mit einer Abbildung auf Tab. VII.
Ueber die Fundirung der
Drahtseil-Hängebrücke bei New-York.
Eines der kühnsten Brückenwerke der Welt ist gegenwärtig in
Amerika in Ausführung begriffen; es ist dieß eine Brücke über
den East-River, jenem mächtigen Strom, der die alte Stadt
New-York von der am jenseitigen Ufer gelegenen Stadt
Brooklyn trennt.
Obgleich verschiedene Namen und verschiedene
City-Gouvernements besitzend, sind New-York und
Brooklyn eigentlich doch nur Eine Stadt und wäre es bis heute
gelungen, zwischen beiden Ufern eine stabile Communication
herzustellen, so würde der im Uebrigen bereits colossale Verkehr
über den Strom bald zu einer Höhe angewachsen seyn, welche auch
die freilich nur mehr äußerlich bestehende Trennung rasch zum
Falle gebracht hätte.
Eine Anzahl von kleinen Fahrzeugen nebst dreiunddreißig an acht
verschiedenen Punkten der Ufer befindlichen Dampffähren, die
wöchentlich von mehr als einer Million Menschen benutzt werden,
vermitteln gegenwärtig den Verkehr zwischen beiden Städten, doch
haben sich alle diese Communicationen, so gut sie der
Yankeegeist auch organisirt und geregelt haben mag,
nichtsdestoweniger aus zwei Ursachen für unzulänglich erwiesen;
einestheils war es der sehr bedeutende Verkehr von riesigen
Seedampfern, der sich von der offenen See her durch den
East-River nach den großen Docks und Magazinen
New-Yorks hinzieht und da den Verkehr der Dampffähren
über den Strom vielfältig beirrte und gefährdete, andererseits
war es das in den amerikanischen Zuständen begründete Verlangen
nach entsprechender Raschheit der Communication, das mit den bis
heute verfügbaren Mitteln nicht ganz befriedigt werden
konnte.
Kein Wunder also, daß Regierung wie Bevölkerung der beiden
Schwesterstädte das Project einer definitiven Verbindung der
beiden Ufer seit Langem mit besonderer Sorgfalt pflegten und daß
von den Fachmännern der westlichen Hemisphäre eine Legion von
Projecten, oft abenteuerlicher Art, hierfür zu Tage gefördert
wurde. Während die Einen die Absperrung des Flusses für die
Schifffahrt befürworteten und für den Einbau eines Systemes von
Dämmen in den Strom behufs Einrichtung von großen Docks und
Bassins plaidirten, glaubten die Anderen in kühnster Weise eine
vollständige Ableitung des Stromes in ein neues Bett
projectiren zu sollen; eine dritte Gruppe brachte endlich den
Durchbruch eines Tunnels unter der Flußsohle, wie solche in
London und Chicago bereits bestehen, oder die Legung eines
eisernen Communicationsrohres im Flußbett in Vorschlag. Der Bau
einer stabilen Brücke aber fand im Hinblick auf die bekannte
colossale Wassertiefe, die große Stromgeschwindigkeit und den
bedeutenden Schiffsverkehr, der eine Einengung der Wasserstraße
in keiner Weise duldete, nur einen einzigen Anwalt, den
bekannten deutschen Ingenieur J. Roebling, der durch die Ausführung der bisher größten
Brücken der Welt, über den Niagara und über den Cincinnati, als
wirklicher Begründer der Drahtseilbrücken angesehen werden muß
und durch das in Rede stehende neueste Werk über den
East-River seine früheren Leistungen noch übertroffen
hat.
Um einen Begriff von den wahrhaft colossalen Dimensionen dieser
Brücke zu geben, diene die Angabe, daß die über eine englische
Meile lange Fahrbahn sich in einer den Bedürfnissen der
Schifffahrt entsprechenden Höhe von 130 Fuß über dem
Hochwasserspiegel des Stromes befindet.
Die ganze Hängebrücke hat nur drei Oeffnungen, deren mittlere
1620 Fuß weit ist; an sie schließen sich zwei Seitenöffnungen
von 1337 und 837 Fuß Spannung an. Die zwei Pfeiler sind so
angebracht, daß die Stromschifffahrt durch sie in keinerlei
Weise beirrt werde; sie sind 150 Fuß über der Fahrbahn, im
Ganzen also 280 Fuß über dem Hochwasserspiegel des Flusses hoch
und überragen weit die höchste Kirchthurmspitze
New-Yorks, jene der Dreieinigkeitskirche.
Jeder Pfeiler hat in der Nullwasserhöhe des Stromes eine Länge
von 134 Fuß und eine Breite von 56 Fuß; er ist ganz aus
Granitquadern erbaut und setzt sich über der Fahrbahn in zwei
portalähnlichen Bogen fort, deren jeder 32 Fuß breit und 120 Fuß
hoch, zur Aufnahme eines Bahngeleises, eines gewöhnlichen
Fahrweges und eines Trottoirs bestimmt ist.
Jeder Pfeiler enthält nach diesen Dimensionen ungefähr 900,000
Kubikfuß Stein und wiegt mehr als 70,000 Tonnen; das
Eigengewicht der Brückenconstruction, sammt Fahrbahn mit circa 3600 Tonnen und die größte
vorübergehende Belastung mit Eisenbahnzügen, Straßenfuhrwerk und
Fußgängern mit 1400 Tonnen angenommen, würde dieß auf die
ungefähr 5000 Quadratfuß umfassende Grundfläche eines jeden
Pfeilers den sehr bedeutenden Druck von circa 17 Tonnen pro
Quadratfuß ergeben; man hat dem entsprechend den unteren Theil
des Pfeilerfundamentes auf die Ausdehnung von 17,000 Quadratfuß
erweitert und dadurch den Druck auf den Quadratfuß Grundfläche
auf etwas mehr als 4 Tonnen reducirt, was im Hinblick auf
die beträchtliche Tiefe der Fundamente, sowie die compacte Natur
des Schotters auf der Brooklyner Seite und die Härte des
Felsens, den man vermuthlich auf der New-Yorker Seite
antreffen wird, vollkommen zulässig erschien.
Die Fahrbahn wird von vier je einen Fuß starken und aus
parallelen Stahldrähten angefertigten Drahtseilen getragen, die
beiderseits in solidem Mauerwerk und zwar 1337 Fuß vom
Brooklyner und 837 Fuß vom New-Yorker Pfeiler
landeinwärts verankert sind.
Jedes dieser Kabel kann einem Zug von circa 60,000 Tonnen Widerstand leisten, wird aber kaum
je auf den zehnten Theil dieser Festigkeit in Anspruch genommen
werden.
Die Auffahrt zur Brücke geschieht beiderseits mittelst
gemauerten, mit 3 1/2 Proc. Steigung aufsteigenden Viaducten,
bis zu der 90 Fuß betragenden Höhe der Verankerungsmauern, von
wo an die Fahrbahn sich noch eine Strecke lang über den Häusern
der beiden Städte auf den Seilen hängend frei hinzieht bis zu
den beiden im Strome befindlichen Pfeilern.
Indem wir noch erwähnen, daß sich der Aufhängepunkt der Seile auf
den Pfeilern in einer Höhe von 130 Fuß über der Fahrbahn
befindet, lassen wir im Uebrigen die Construction der Fahrbahn,
insofern sie von den bekannten Roebling'schen Drahtseilbrücken nicht abweicht,
unberührt, und wollen im Kurzen der höchst schwierigen und in
der bisherigen Bauführung sehr gelungenen Fundirungsweise der
Brückenpfeiler Erwähnung thun.
Bei der großen Tiefe, der bedeutenden Wassermächtigkeit und der
namhaften Frequenz des Stromes, war von vorn herein jede
Fundirungsmethode, die den Einbau fester Körper in den Strom,
wie Scheidewände, Fangdämme etc. voraussetzte, ausgeschlossen
und man entschied sich daher für die Fundirung auf Caissons, die
mittelst gepreßter Luft zu versenken waren. Das System selbst,
sowie der bei Anwendung desselben beobachtete Vorgang ist in
Fachkreisen bekannt, jedoch unterscheiden sich die bei der in
Rede stehenden Brücke verwendeten Caissons von den sonst
gebräuchlichen dadurch, daß sie ganz aus Holz angefertigt sind.
Jeder der zwei Caissons ist von Außen vollkommen prismatisch,
168 Fuß lang, 102 Fuß breit und 15 Fuß hoch; die Decke derselben
ist 5 Fuß stark, die vier Seitenwände, nach unten keilförmig
zulaufend, an der Basis 8 Zoll, an der Decke aber 8 Fuß 3 Zoll
stark, so daß für die eigentliche Arbeitskammer im Inneren des
Caisson ein freier Raum in Form einer abgestutzten Pyramide von
166 Fuß langer, 90 Fuß breiter Grundfläche und circa 9 Fuß Höhe bleibt. Aus 1 Fuß
im Quadrat starken Fichtenstämmen zusammengesetzt, ist
der ganze Holzkörper von Außen mit einer dichten Theerschichte,
die ihn für das Wasser undurchdringlich macht, überzogen und von
Innen sind die Stoßfugen der einzelnen Hölzer außerdem mittelst
Filz und Metallplatten gegen das Entweichen der gepreßten Luft
genügend verdichtet.
Die Unterkante des Caisson, welche das Eindringen des letzteren
in das Erdreich erleichtern soll, ist selbstverständlich
entsprechend armirt. Zu diesem Zwecke wurde für den untersten
Holzkranz nur Eichenholz verwendet; der daran befestigte
gußeiserne Ring von keilförmigem Querschnitt hat 3 Zoll
Fleischdicke und reicht bis auf eine Höhe von 3 Fuß über die
Basis der Caissons.
Das gesammte Holzwerk ist überdieß nach allen Richtungen
horizontal, vertical und diagonal mit 5/4 Zoll starken,
schmiedeeisernen Bolzen verschraubt und wurden Kopf und Mutter
dieser Eisen-Bestandtheile stets mittelst Kautschuk
verdichtet.
Nachdem dieser colossale Körper mittelst der Schiffe in der
gewünschten Lage in den Strom gebracht und auf ungefähr 30 Fuß
unter das Nullwasser des letzteren herabgelassen war, setzte man
auf dessen Decke noch eine weitere Holzschlichtung von circa 15 Fuß Höhe, deren
Zwischenräume mit Congretmasse ausgefüllt wurden, auf, und ließ
die ganze Masse dann bis auf die Flußsohle sinken. Nun erst
begann die eigentliche Versenkung in das Erdreich mit
Zuhülfenahme der comprimirten Luft.
Sechs aus 1/2 Zoll starkem Gußblech angefertigte geradlinige
Schächte reichen aus der Arbeitskammer der Caissons durch das 20
Fuß starke Deckengehölz bis über den Wasserspiegel des Stromes.
Die zwei äußeren Schächte sind rechteckigen Querschnittes von 6
Fuß 6 Zoll und 7 Fuß Seitenlänge und dienen zur Entfernung des
Grundwassers, das sich am Boden des Caisson sammelt und durch
den Druck der in den Caisson eingeführten gepreßten Luft bis zur
äußeren Wasserhöhe gehoben wird, sowie zum Wegschaffen des
Aushubes beim Eindringen des Caisson in das Erdreich, zu welchem
Behufe mehrere Baggermaschinen in beständiger Thätigkeit sind.
Zunächst diesen Schächten sind die zwei kreisrunden
Einsteigschächte angebracht, durch welche die in der
Arbeitskammer beschäftigten Arbeiter in den Caisson und aus
demselben gelangen. Das dritte Paar sind die ebenfalls
kreisrunden und 42 Zoll im Durchmesser besitzenden Luftschächte.
Diese stehen außen mit Luftpumpen in Verbindung, durch welche
gepreßte Luft in den Arbeitsraum eingetrieben wird.
Aus Rücksicht für den ununterbrochenen Fortschritt der Arbeiten
und für die persönliche Sicherheit der Arbeiter hat man geglaubt,
alle diese Schächte paarweise anlegen zu sollen.
Zur Beleuchtung der Arbeitskammer, in welcher beständig
70–80 Arbeiter beschäftigt sind, wird Leuchtgas
verwendet.
Die Lieferung der zwei Caissons war dem bekannten Etablissement
Webb und Bell anvertraut, die Versenkung derselben, sowie den
Aufbau der Pfeiler besorgt die Brückenbau-Compagnie unter
der Direction des Colonel W. Paine,
während die Brücken-Construction selbst durch den Sohn
des verstorbenen deutschen Ingenieurs Roebling hergestellt wird.
Figur 20 versinnlicht den Querschnitt des 3000 Tonnen
wiegenden Caisson mit den oben angegebenen Dimensionen. Die
dabei verwendete Holzmasse beträgt 1,500,000 Kubikfuß, zu deren
Verbindung unter einander circa 100
Tonnen Schmiedeeisen verwendet wurden. Das für Keile und
Schnittholz verwendete Material beträgt weitere 127,000
Kubikfuß.
Der Pfeiler auf der Brooklyner Seite wurde im verflossenen Jahre
fundirt und auch bis auf die nöthige Höhe (280 Fuß über dem
Wasserspiegel des Stromes) aufgemauert.
Die dabei gemachten Erfahrungen haben den gehegten Erwartungen in
Allem entsprochen und es ist zu hoffen, daß auch der zweite
Pfeiler, dessen Fundirung im letzten Herbste begonnen wurde,
trotzdem man daselbst bereits auf Felsen gestoßen ist, doch auch
ohne weitere Störung heuer noch seiner Vollendung zugeführt
werden wird. (The Manufacturer and
Builder, 1870; Zeitschrift des österreichischen
Ingenieur- und Architektenvereines, 1871 S. 129.)