Titel: | Die Einwirkung der Kälte auf Eisen und Stahl. |
Fundstelle: | Band 200, Jahrgang 1871, Nr. CII., S. 366 |
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CII.
Die Einwirkung der Kälte auf
Eisen und Stahl.
Aus dem polytechnischen
Centralblatt, 1871 S. 476.
Ueber Einwirkung der Kälte auf Eisen und
Stahl.
Nachstehend soll in Kürze der Inhalt mehrerer Abhandlungen über
diesen Gegenstand wiedergegeben werden, welche in einer
Versammlung der Manchester Literary and
Scientific Society vorgelesen wurden, und worüber die
englische Zeitschrift Engineering,
Februar 1871, S. 82 ausführlich berichtet. In der ersten dieser
Abhandlungen berichtete William Brockbank zunächst über eine Anzahl von Versuchen
hinsichtlich der Biegungsfestigkeit von Gußeisen, welche von ihm
selbst auf den Werken von P. R. Jackson und Comp. zu
Salford am 3. Januar 1871 angestellt worden waren. Zum Gusse der
Versuchsstäbe waren folgende Eisensorten gemischt worden:
Cleator Hämatit-, kalt erblasenes Pontypool-, kalt
erblasenes Blaenavon- und heiß erblasenes
Glengarnock-Eisen (lauter vorzügliche
Sorten) und etwas gutes Brucheisen. Alle Stäbe wurden aus
derselben Gießpfanne gegossen, nach demselben Modelle, und waren
bemerkenswerth gleichmäßig in der Qualität. Die Resultate der
Versuche zeigten eine fortschreitende und bedeutende Abnahme der
Tragkraft der Stäbe mit der Erniedrigung der Temperatur unter
den Gefrierpunkt. In ähnlichem Maaße verloren die Stäbe auch
ihre Elasticität. Weiterhin führt der Vortragende an, daß in
Walzwerken, und zwar speciell in solchen welche Hartwalzen
verwenden, bei frostigem Wetter besonders dafür Sorge getragen
werden müsse, die Walzen vor der Benutzung zu erwärmen, und
während des Gebrauches gegen die kalte Luft geschützt zu halten,
indem dieselben sonst zu Brüchen sehr geneigt seyen. Als ein
eclatantes Beispiel der Schwächung des Gußeisens durch die Kälte
dient folgender Vorfall: In den Werkstätten von Peel, Williams und Peel wurde ein hydraulischer
Preßcylinder über eine hohle Kernstange gegossen, welche bei 7
Zoll Durchmesser 1 1/4 Zoll Wandstärke besaß, und 1 1/2 Zoll
dick mit Lehm und Heu bedeckt war. Derselbe wurde nach dem Gusse
zum Abkühlen bei starkem Froste in's Freie gelegt; als nun die
Kernstange heraus gezogen werden sollte, brach sie durch die
bloße Torsion ab, und erwies sich als völlig spröde. Die
niedrigste Temperatur an diesem Tage war – 7 1/2°
C.; das Gußstück war derselben mehrere Stunden lang ausgesetzt.
Nachdem ein Stück der gebrochenen Kernstange erwärmt worden war,
zeigte es sich als vollkommen fest und dicht. Aehnliche Fälle
können in großer Zahl nachgewiesen werden, so daß also kaum ein
Zweifel bestehen kann, daß die Festigkeit des Gußeisens durch
starke Kälte wesentlich beeinträchtigt wird.
Was das Schmiedeeisen anbelangt, so erwähnt der Vortragende, daß
alle Versuche, mittelst einfacher Belastung oder Torsion die
Festigkeit desselben bei großer Kälte festzustellen, resultatlos
geblieben seyen, indem die Stäbe sich unter dem Einfluß der
Belastung sofort erwärmen. Ja es ergaben sogar in diesen Fällen
Versuche, welche mit Drahtstücken von einem Yard Länge, Nr. 5
1/2 der Birminghamer Drahtlehre, von Hrn. William Johnson zu Bradford vorgenommen
wurden, im Mittel etwas höhere Festigkeit für die kalt geprüften
Stücke, als für die warmen. Es betrug nämlich die Festigkeit der
24 geprüften Stücke, von welchen je 6 auf Zug und auf Torsion
untersucht wurden:
Zugversuche.
bei 20° F. (– 6 2/3° C.)
bei 80° F. (26 2/3° C.)
1)
2142 Pfund
2142
Pfund
2)
2114 „
2058 „
3)
2114 „
2086 „
4)
2142 „
2086 „
5)
2114 „
2128 „
6)
2114 „
2086 „
–––––––––––––––––
–––––––––––––––
Mittel 2123,3 Pfund
2097,6 Pfund
Torsionsversuche.
bei 20° F. (– 6 2/3° C.)
bei 80° F. (26 2/3° C.)
1) 16
1/2°
14
1/2°
2) 15
1/2°
14
1/2°
3)
9°
13
1/2°
4) 14
1/2°
14
1/2°
5)
16°
12
1/2°
6) 18
1/2°
14°
––––––––––––
–––––––
Mittel 15°
13,9°
Aehnliche Resultate erhielt auch Hr. F. Monks auf den Whitecroß Drahtwerken zu Warrington bei
Versuchen mit Draht. Da diese Resultate als ungenügend angesehen
werden müssen, veranstaltete der Vortragende eine Reihe von
Versuchen nach anderer Richtung; wenn nämlich die Kälte das
Eisen schwächer und spröder macht, so muß der richtige Weg,
dieses zu prüfen, der einer plötzlichen Inanspruchnahme durch
Stoß seyn. Der einfachste, freilich auch roheste Weg hierzu
waren Hammerschläge, und nach dieser Methode wurden die
nachstehenden Versuche durchgeführt. Hierbei wurde stets darauf
Bedacht genommen, die einzelnen Hammerschläge so genau gleich
stark als möglich zu führen; die ganzen Versuche wurden auf das
Sorgfältigste überwacht. 1) William Bouch, Ingenieur der Stockton- und
Darlington-Eisenbahn, ließ am 29. December 1870, bei
– 4 1/2° C. eine Stange 1 1/2zölliges Rundeisen
bester Qualität von dem offenen Hofe nehmen, auf welchem sie
eine Woche lang hartem Froste ausgesetzt war. Die Stange war mit
Eis bedeckt. Dieselbe wurde über die Kante eines Ambosses
gehalten, und mit einem einzigen Schlage eines 12pfündigen
Hammers brach ein Zuschläger ein Stück von 4 Zoll Länge kurz
weg, so daß es 12 Yards weit davon flog. Nachdem dieselbe Stange
nur so weit erwärmt worden war, daß man sie noch mit der Hand
anfassen konnte, und sich wieder auf die Temperatur der
Werkstätte abgekühlt hatte, hielt sie ohne das geringste
Anzeichen von Bruch 14 Schläge desselben Zuschlägers mit
demselben Hammer aus, wobei sie sich über 2 Zoll zur Seite bog.
2) Eine ähnliche Probe mit Kesselblech auf den Werken von Peel, Williams und Peel zu Manchester gab ähnliche
Resultate, namentlich brach ein Stück Low Moor Kesselblech
bester Qualität auf den ersten Schlag eines 14pfündigen Hammers,
wobei der Bruch zwar noch sehniges, aber doch im Allgemeinen
„kurzes“ Ansehen, mit eingestreuten
krystallinischen Stellen zeigte; nach Erwärmung bis auf die
Temperatur der bewohnten Räume waren 6 Hammerschläge,
abwechselnd auf die entgegengesetzten Seiten des Bleches,
erforderlich, um den Bruch herbeizuführen, bei welchem jedoch
die beiden Theile noch mit einer dünnen Haut zusammenhängend
blieben. Diese Bruchstelle zeigt eine vortreffliche Qualität mit
nach beiden Richtungen hin und her gebogenen Fasern in Folge des
Hin- und Herbiegens durch die Hammerschläge. 3)
Eisenstäbe von 1 1/4 Zoll im Quadrat, zur Anfertigung von Draht
bestimmt, von ganz vorzüglicher Qualität, welche 22 Schläge
eines 15pfündigen Hammers ausgehalten hatten, ohne zu brechen,
wurden mit einem Schrotmeißel ein wenig eingehauen, und brachen
nun (bei 10 bis 30° F. = – 12 bis –
1/2° C.) auf den ersten Schlag; nach vorhergegangenem
Erwärmen waren bei drei Versuchen beziehungsweise 11, 10 und 6
Schläge zum Zerbrechen erforderlich. Die kalten Stäbe zeigten
sich krystallinisch, ohne Anzeichen von Faser; die anderen Stäbe
dagegen erwiesen sich gehörig sehnig, und nur in den
Bruchstellen etwas krystallinisch.
Auf den Werken der Darlington Eisen-Compagnie wurden am
30. November 1869 zehn Schienen aus einem Posten von 1000 Stück
ausgewählt, um zur Prüfung verwendet zu werden. Diese Schienen
waren für die ostindischen Eisenbahnen bestimmt, und von sehr
guter Qualität: bereits hatten viele derselben die
vorschriftsmäßige Probe bei kaltem Wetter nicht ausgehalten,
während bei gewöhnlichen Temperaturen ein Nichtbestehen der
Probe nur sehr selten vorkam. Die vorerwähnten zehn Schienen
sollten zur Entscheidung der Frage dienen, ob niedrige oder
höhere Temperatur die Festigkeit derselben beeinträchtige. Vier
derselben wurden auf 120° F. (50° C.) erwärmt, die
sechs anderen kalt geprüft; die Lufttemperatur war 26° F.
(– 3 1/3° C.). Alle erwärmten Schienen hielten
zwei Schläge von 5 Fuß Fallhöhe, und einen von 7 Fuß aus;
während von den kalten Schienen zwei die beiden Schläge von 5
Fuß Höhe aushielten, drei Stück beim zweiten 5fußigen Schlage,
und eine beim ersten zerbrach. Bei 60° F. (15° C.)
würden wohl alle die Probe ausgehalten haben, wie bereits viele
Tausende derselben Schienenlieferung vorher gethan hatten.
Aus allen diesen Thatsachen schließt der Vortragende, daß
intensive Kälte das Eisen sehr wesentlich schwäche, es
insbesondere spröde gegen stoßweise Einwirkungen mache, und die
Structur desselben aus der sehnigen in eine krystallinische
verwandle.
Diesen Ausführungen gegenüber behauptet Sir W. Fairbairn in einer Abhandlung
„über die Eigenschaften von Eisen und Stahl in
ihrer Anwendung beim Betriebsmaterial der
Eisenbahnen,“ daß, seinen Erfahrungen zu Folge,
die Temperatur wenig oder nichts mit der Veränderung des Gefüges
von Eisen und Stahl zu thun habe, wie sehr auch die Meinung im
Publicum verbreitet seyn möge, daß starke Kälte diese Metalle
spröde mache. Seit langen Jahren habe er sich bemüht, durch
fortgesetzte Reihen sorgfältiger Versuche diese Frage zu lösen,
und daraus das Resultat erhalten, daß die Widerstandsfähigkeit
des Eisens gegen Zug eben so groß bei 0° F. (–
18° C.) sey, wie bei 60° (15° C.) und
höher, bis das Metall eine kaum sichtbare Rothglühhitze
erreicht. Es beträgt beispielsweise die mittlere Bruchfestigkeit
per Quadratzoll bei 0°
21,879 Tonnen, bei 60° 19,930 Tonnen, also ist die
Festigkeit bei 0° im Verhältnisse von 1,098 zu 1 größer
als bei 60°. Die Versuche mit Schmiedeeisenplatten,
welche in Oel- und Wasserbädern, resp. in einem auf
0° reducirten Schneebade vorgenommen wurden, sind völlig
entscheidender Natur für alle Temperaturgrade bis zu beginnender
Rothglühhitze. Bei dieser Temperatur verliert das Eisen nahezu
seine halbe Festigkeit; es wird außerordentlich dehnbar, und
läßt sich in der Richtung der Fasern sehr beträchtlich
ausdehnen, ehe es zerreißt. Eine zweite Versuchsreihe mit
Stabeisen ergab etwas verschiedene Resultate. Hierbei erreichten
die Versuchsstäbe (von dem gleichen Werke) die größte Festigkeit
von 39,072 Tonnen per Quadratzoll
bei 415° (213° C.); bei 0 und 60° war wenig
oder gar kein Unterschied, indem die Festigkeit hierbei 28,419
Tonnen betrug. Die bedeutende Erhöhung der Festigkeit bei
415° mag auf Rechnung der Ausbildung der Faser durch das
viele Auswalzen nach derselben Richtung zu setzen seyn. Mit
Stahl sind bisher keine Versuche gemacht worden; doch läßt sich
annehmen, daß derselbe ein ähnliches Verhalten zeigt.
Sir W. Fairbairn hält in Bezug auf das
Verhalten von Radreifen die Versuche mit Blech für die
entscheidenderen, weil die Structur desselben der der Reifen
(aus homogenem Eisen, ohne Schweißung) am nächsten komme. Er
bezweifelt die Richtigkeit der allgemeinen Ansicht, daß im
Winter durch Springen von Reifen die meisten Unglücksfälle
geschehen, indem eine große Zahl hiervon auch im Sommer und
Frühling stattfinde, freilich ohne daß dann die öffentliche
Meinung die Ursache hiervon in der Kälte suchen könnte. Weit
mehr scheint ihm die in England sehr allgemein befolgte, sehr
rohe Praxis des Reifenaufziehens die Schuld zu
tragen, durch welche die Reifen von Anfang an sehr ungleichen,
und in vielen Fällen bei weitem zu großen Spannungen ausgesetzt
werden. Die Mehrzahl, wenn nicht alle Radreifen, mit Ausnahme
der für Maschinen und Tender, werden nämlich nicht ausgedreht,
sondern nur ungefähr passend ausgewählt, erhitzt und aufgezogen,
mit irgend einem Grade von Spannung, wie es gerade den Arbeitern
paßt. Beträgt diese Spannung vielleicht die Hälfte oder 3/4 von
der Bruchspannung, so muß sie schließlich in Folge der
unregelmäßigen Bewegung auf den Schienen, sowie der wiederholten
Vergrößerung und Verringerung der Last zum Bruche führen, dessen
Eintreten dann nur eine Frage der Zeit ist. Das einzige Mittel,
diese Uebelstände zu vermeiden, besteht darin, sowohl den
Radumfang als die Innenseite des Reifens auf ein genau
berechnetes Maaß abzudrehen, so daß das nöthige Festsitzen des
Reifens innerhalb genügender Sicherheitsgrenzen für die Spannung
erreicht wird.
Weiterhin gelangte eine Abhandlung von J. P. Joule zum Vortrage. Dieselbe ist
betitelt „über die angebliche Wirkung der Kälte, Eisen
und Stahl spröde zu machen.“
„Wie gewöhnlich,“ sagt der gelehrte
Verfasser derselben, „haben wir kürzlich von
verschiedenen schweren Unglücksfällen gehört, welche durch
Bruch von Eisenbahnwagen-Radreifen entstanden sind,
und deren Grund der allgemeinen Ansicht nach in der starken
Kälte zu suchen seyn soll. Diese Ansicht, obwohl durch Alles
widerlegt, was wir über die Eigenschaften der Materialien
kennen, sowie durch die Erfahrung des täglichen Lebens, ist
doch so weit verbreitet, daß es zweckmäßig seyn mag,
dieselbe durch einfache Versuche zu prüfen.
Erster Versuch. Auf einen Tisch wurde
ein Gefäß mit einer Kältemischung aus Schnee und Kochsalz
gesetzt, und nun Stahl- und Eisendrähte in der Weise
Zugversuchen unterworfen, daß ein Theil derselben in die
Kältemischung eingetaucht, der andere außerhalb derselben war.
In jedem einzelnen Falls zerrissen die Drähte an einer außerhalb
der Kältemischung befindlichen Stelle. – Zweiter Versuch. Hierzu dienten zwölf
Stopfnadeln von guter Qualität, 3 Zoll lang, 1/24 Zoll dick,
deren Enden gegen Stahlstifte, 2 1/8 Zoll von einander entfernt,
angelegt wurden. Bei Abführung eines Versuches wurde ein Draht
in der Mitte der Nadel befestigt, dessen anderes Ende an einer
Federwaage befestigt war. Diese wurde sodann angespannt, bis die
Nadel brach. Sechs von den Nadeln, aufs Gerathewohl heraus
genommen, wurden bei 55° F. (13° C.) geprüft, die
übrigen sechs in einer Kältemischung, welche ihre Temperatur auf
12° F. (– 11° C.) erniedrigte. Das Resultat
war, daß die kalten Nadeln im Mittel bei 59 5/6 Unzen, die
warmen bei 58 1/3 Unzen Belastung brachen.
Irgendein Unterschied in der Elasticität der warmen und kalten
Nadeln war nicht bemerkbar. – Dritter Versuch. Da man behaupten kann, daß
die Beanspruchung von Eisenbahnwagenrädern mehr einem Stoße, als
einem stetigen Zuge ähnlich erfolge, und da insbesondere die
behauptete Sprödigkeit mehr beim Gußeisen, als an anderen
Eisenarten auftreten soll, so wurde noch eine Reihe von
Versuchen an gußeisernen Gartennägeln, 1 1/4 Zoll lang und 1/8
Zoll in der Mitte stark, angestellt. Dieselben wurden in
Abtheilungen von je acht kalten und gleich viel warmen Stücken
in der Weise geprüft, daß die stumpfe Kante eines Stahlmeißels,
der mit einem Gewichte von 4 Pfd. 2 Unzen verbunden war, aus
einer gewissen Höhe auf die Mitte der an den Enden, 1 1/16 Zoll
von einander, unterstützten Nägel niederfallen gelassen wurde.
Zu jeder einzelnen Versuchsreihe dienten diejenigen Nägel
wieder, welche bei der vorhergehenden unzerbrochen geblieben
waren, nebst so viel neuen, um die Zahl 16 zu ergänzen. Die
Temperatur der warmen Nägel betrug 36 bis 40° F. (2 1/2
bis 5° C.), die der kalten Nägel 14 bis 20° F.
(– 10 bis – 17° C.) und die Fallhöhe des
Gewichtes wurde von 2 Zoll bis zu 10 Zoll gesteigert. Das
Resultat war, daß im Ganzen 21 kalte und 20 warme Nägel
zerbrachen, so daß also auch in Bezug auf die
Widerstandsfähigkeit gegen Stoß eine schädliche Einwirkung der
Kälte sich nicht nachweisen läßt.
Aus den gesammten erwähnten Versuchen sowohl, wie auch aus den
Arbeiten von Lavoisier und Laplace, Smeaton, Dulong und Petit, sowie von Troughton geht hervor, daß weder
Guß- noch Schmiedeeisen, noch Stahl durch Kälte spröde
gemacht wird, und daß die Ursache der Eisenbahnunfälle darin zu
suchen sey, daß die Compagnien vernachlässigen, Räder, Achsen
etc. zweckmäßigen und ausreichenden Proben vor der
Inbetriebsetzung zu unterwerfen.
Schließlich las noch Hr. Peter Spence
eine Abhandlung „über die Einwirkung der Kälte auf die
Festigkeit des Eisens,“ in welcher derselbe über
Biegungsversuche mit genau bearbeiteten gußeisernen Stäben von
1/2 Quadratzoll Stärke berichtete, welche theilweise bei
60° F. (15° C.), theilweise bei 0° F.
(– 17 2/3° C.) angestellt wurden. Die kalt zu
prüfenden Stäbe wurden eine Zeit lang in eine passende
Kältemischung eingetaucht, und während des Versuches auf ihrer
Oberseite mit derselben bedeckt gehalten. Es ergab sich, daß die
kalten Stäbe mit größerer Regelmäßigkeit brachen, als die
warmen; außerdem zeigten sie, entgegen der allgemeinen Ansicht,
daß Kälte das Eisen spröde mache, eine höhere Festigkeit als die
warmen Stäbe. Bei den Versuchen lagen die Stäbe auf zwei 9 Zoll
von einander abstehenden Schneiden auf, und es betrug die
Bruchbelastung für die warmen Stäbe (60° F.) 4 Ctr. 4
Pfd., im Mittel, für die kalten Stäbe dagegen 4 Ctr. 20 Pfd, was
einer Erhöhung der Festigkeit durch die Erniedrigung der
Temperatur um 3 1/2 Procent entspricht.
Ueber diese Abhandlungen bemerkt die Zeitschrift Engineering, Februar 1871, S. 103,
ungefähr Folgendes: Es ist schwer, ein Lächeln zu unterdrücken,
wenn man die lilliputanischen Experimente mit Stopfnadeln und
Gartennägeln liest, und man kann kaum begreifen, wie ein Mann
von Dr. Joule's großer und wohlverdienter Berühmtheit solch'
triviale Versuche vor ein wissenschaftliches Publicum als Beweis
dafür bringen kann, daß die Festigkeit von Eisen und Stahl gegen
Stoß nicht durch die Kälte beeinträchtigt werde.
Wenn Hr. Brockbank beim Beginne seiner
Abhandlung sein Erstaunen ausdrückte, daß die Wirkung der Kälte
auf die Festigkeit des Eisens die Aufmerksamkeit der
Schriftsteller über Eisen so wenig auf sich gezogen habe, daß
sie entweder ganz ignorirt oder mit ein paar Bemerkungen oder
unentscheidenden Versuchen abgethan worden sey, so ist dieß
keineswegs richtig, derselbe vielmehr auf die ausführlichen
Versuche hinzuweisen, welche Knut
Styffe zu Stockholm im Auftrage der schwedischen
Regierung ausgeführt hat (deutsch von Freiherrn v. Weber). Es ist wunderbar, daß Sir W.
Fairbairn sich nicht hierauf
bezogen hat, da ihm das Buch Styffe's
jedenfalls bekannt seyn mußte. Styffe's Resultate über den fraglichen Gegenstand
gehen dahin, daß weder die Zugfestigkeit, die
Biegungsfestigkeit, noch die Elasticität von Eisen und Stahl
durch die stärksten Kältegrade beeinflußt werden, welchen diese
Materialien beim praktischen Gebrauche ausgesetzt werden; zu
ähnlichen Resultaten sind auch Sir W. Fairbairn und David Kirkaldy, sowie der verstorbene John Röbling gelangt. Diese Resultate sind
jedoch nur durch Versuche mit allmählich aufgelegter Belastung
gezogen, und werden keineswegs durch die Resultate von Versuchen
unterstützt, in welchen Eisen von gewöhnlicher Handelsqualität
Stößen ausgesetzt wurde. Hrn. Brockbank's Versuche, obschon etwas roher Art, sind
dagegen sehr geeignet, zu zeigen, daß Schmiedeeisen, mag es nun
von Lowmoor oder Darlington seyn, und in Form von Blech oder
Schienen, Stößen weniger gut widersteht, sobald es sehr kalt
ist, oder, wie der Arbeiter sagt, „wenn der Frost
darin steckt,“ als bei gewöhnlicher
Temperatur.
In einem werthvollen Anhange zu Knut
Styffe's erwähntem Buche gibt der englische Uebersetzer
desselben, C. P. Sandberg, die
Resultate einer Reihe von ihm im Jahre 1867 angestellter
Versuche über die Festigkeit von Eisenbahnschienen bei
Temperaturen von 10 bis 84° F. (– 12
bis + 29° C.). Diese Versuche wurden mittelst eines auf
die Schienen fallenden Gewichtes ausgeführt, und zeigten, daß
die Sprödigkeit des Eisens in einem sehr bedeutenden Grade durch
die Kälte gesteigert wurde. Bei Sandberg's Versuchen lagen die Schienen auf zwei
Granitträgern, die ihrerseits wieder auf einem anstehenden
horizontal bearbeiteten Granitblocke aufsaßen, so daß die
Elasticität der Unterlagen bei verschiedenen Temperaturen nicht
wesentlich differiren, und keinen Einfluß auf die erzielten
Resultate ausüben konnte. Uebrigens kam Sandberg zu dem Schlusse, daß die Steigerung der
Sprödigkeit der von ihm geprüften Schienen bei niedriger
Temperatur wahrscheinlich in hohem Grade deren bedeutendem
Phosphorgehalte zuzuschreiben sey, und glaubte daß etwas andere
Resultate mit reinerem Eisen oder Stahl zu erlangen seyn
dürften.
Faßt man die Resultate Sandberg's,
sowie die Erfahrungen beim Eisenbahnbetriebe in Canada, den
Vereinigten Staaten, Rußland und anderen Ländern mit sehr
strengen Wintern zusammen, so kann wenig Zweifel bestehen, daß
die Kälte eine Verminderung der Widerstandsfähigkeit gegen Stoß
und Erschütterung bewirkt, insbesondere bei solchen Eisensorten,
wie sie gewöhnlich zur Schienenfabrication benutzt werden, und
vornehmlich bei Eisen, in welchem Phosphor in irgend einem
beträchtlichen Grade anwesend ist. Stahl hingegen scheint
weniger in dieser Hinsicht beeinflußt zu werden, und gewinnt in
Folge dessen täglich Boden als Ersatz des Eisens in kalten
Klimaten. Was die Einwirkung der Kälte auf die Zugfestigkeit von
Eisen und Stahl betrifft, so stimmen wir den Versuchsresultaten
von Styffe und Anderen völlig bei,
daß die Fähigkeit dieser Materialien, todtes Gewicht zu tragen,
eher durch Kälte vermehrt als vermindert werde; allein es ist
schwierig, irgend eine bestimmte Beziehung zwischen
Zugfestigkeit und Widerstand gegen Stoß aufzustellen, und
insbesondere gegen die Wirkung zahlreicher kleiner
Erschütterungen.
Weiterhin kann wenig Zweifel bestehen, daß Temperaturwechsel auf
Eisen und Stahl bedeutenden Einfluß ausübt, und daß dieser
Einfluß um so größer ist, je stärker diese Wechsel und je
plötzlicher sie eintreten. Allein die Qualität des Eisens
variirt sehr bedeutend, und diese Unterschiede modificiren in
beträchtlichem Grade die Fähigkeit des Materiales, bestimmten
Beanspruchungen zu widerstehen, und es ist daher Pflicht des
Eisenbahningenieurs, sowohl die mechanischen Eigenschaften, wie
die chemische Zusammensetzung des von ihm angewendeten Eisens zu
studiren, und jene Gattungen auszuwählen, welche sich am besten
für die von ihnen verlangten Leistungen eignen. So ist z.B.
dargethan, daß Phosphor die Widerstandsfähigkeit des Eisens
gegen Stoß bei niedrigen Temperaturen vermindert, während er bei
gleicher Temperatur keinen derartigen Einfluß auf den Widerstand
gegen ruhige Belastung ausübt; wir sind deßhalb zu dem Schusse
berechtigt, daß sich derartiges Eisen nicht für Anwendungen
eignet, in welchen es dem vereinigten Einflusse der Kälte und
der Erschütterung ausgesetzt ist, wie bei Eisenbahnen. Es sollte
nun bedacht werden, daß alle Eisenbahnanlagen Erschütterungen
von mehr oder weniger heftiger Art unterliegen, und daß diese
Erschütterungen um so größer und heftiger werden, je bedeutender
die Fahrgeschwindigkeit und je unvollkommener der Zustand von
Bahn- und Betriebsmaterial sind. So finden wir, daß in
Rußland die Erfahrung beim Eisenbahnbetriebe bewiesen hat, daß
die schärferen Stöße in Folge vermehrter Fahrgeschwindigkeit
eine erhöhte Anzahl von Brüchen im Gefolge hatten.
Was den Unterschied zwischen Schmiedeeisen und Stahl in Bezug auf
Ausdauer in kalten Klimaten betrifft, so kann kaum ein Zweifel
obwalten, daß ein weicher Stahl von 1/3 bis 1/2 Procent
Kohlegehalt entschieden den Vorzug verdient. In der That
beweisen die Resultate des ausgedehnten Gebrauches von
Stahlreifen, Achsen und Schienen in kalten Klimaten, wie in
Canada, Rußland und Schweden, praktisch dasjenige, was aus
theoretischen Gründen im Voraus anzunehmen ist, nämlich die
Vortheile der Anwendung von Radkränzen aus weichem Stahl (man
vergleiche auch den Aufsatz „über Verwendung des
Bessemerstahles zu Seraing, im polytechn. Journal Bd. CXCIX S. 476, zweites
Märzheft 1871). Da in diesen Ländern häufig, wenn nicht jedes
Jahr, die Winterkälte bis zu – 30° F. (–
35° C.) geht, wobei doch die Sicherheit des Betriebes
nicht gefährdet werden darf, so mögen wir von dorther Lehre
annehmen, wenn wir uns auch Glück wünschen, selbst unter
günstigeren Verhältnissen zu existiren.
Schließlich mögen noch ein paar Worte über die Methode der
Prüfung von Eisen und Stahl Platz finden. Wir wünschen sehr, daß
ganz allgemein die Materialien für Eisenbahnanlagen Prüfungen
unterzogen werden möchten, welche hinreichend genau den wirklich
davon verlangten Leistungen entsprechen, und so viel als möglich
unter denselben Umständen angestellt werden. Eisen und Stahl für
Eisenbahnanlagen sollten auf Härte, Gleichartigkeit und
Widerstandsfähigkeit gegen Stoß geprüft werden; wird die
Zugfestigkeit ermittelt, so müßte gleichzeitig die
Elasticitätsgrenze und die Verlängerung vor dem Bruche
aufgezeichnet werden. Für Brücken sollten die Materialien auf
Zugfestigkeit, Ausdehnung und gleichzeitig auf Widerstand gegen
Stoß erprobt werden, während für Dächer oder Gebäude, die nur
statische Beanspruchungen auszuhalten haben,
Zugfestigkeit und Steifigkeit vielleicht jene Eigenschaften
sind, deren genaue Bestimmung am wünschenswerthesten ist. Außer
der mechanischen Probe sollte aber noch eine sorgfältige
chemische Untersuchung stattfinden, um den Gehalt an
Kohlenstoff, Silicium, Phosphor, Schwefel etc. genau
festzustellen; und schließlich sollten die mechanischen Proben
bei Temperaturen stattfinden, welche ungefähr denen
gleichkommen, unter welchen die Materialien beim wirklichen
Gebrauche auszuhalten haben. Würden diese Vorsichtsmaßregeln
allgemeiner beobachtet, so würde am rechten Platze auch das
rechte Material zur Verwendung kommen, und zahlreiche Brüche von
häufig kostspieliger und unheilvoller Art würden vermieden
werden.