Titel: | Ueber das Verhältniß von Indicator- und Brems-Pferdekräften einer Dampfmaschine; von Prof. Rühlmann. |
Fundstelle: | Band 200, Jahrgang 1871, Nr. CXV., S. 426 |
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CXV.
Ueber das Verhältniß von
Indicator- und Brems-Pferdekräften einer
Dampfmaschine; von Prof. Rühlmann.
Rühlmann, über das Verhältniß von
Indicator- und Bremspferdekräften.
In den „Mittheilungen des Gewerbevereines für
Hannover,“ 1671 S. 38, erörtert Professor Dr. Rühlmann die Frage, in welchem Verhältniß die durch
einen Indicator ermittelte mechanische Arbeit einer
Dampfmaschine mit der effectiven Leistung derselben oder mit der
Arbeit steht, welche von der Maschine auf die Schwungradwelle
übertragen wird. Von diesen beiden Leistungen einer
Dampfmaschine ist eigentlich die erstere (die durch
den Indicator gemessene Arbeit) nur für den Constructeur und
Maschinenbauer von Wichtigkeit, die letztere aber ganz besonders
für den Industriellen, Gewerbetreibenden, Verkehrsbeamten, kurz
für Den, welcher mittelst einer Betriebsdampfmaschine nützliche
(productive) Arbeiten verrichten und damit erwerben (verdienen)
will. Der Constructeur hat jedoch mit den gewonnenen
Indicator-Diagrammen nicht nur das einzig zuverlässige
Mittel zum Messen des Dampfdruckes im Cylinder und zur
Ermittelung der vom Kolben geleisteten mechanischen Arbeit,
sondern das Diagramm gibt Auskunft, ob die Dimensionen der
Dampfcanäle angemessen sind oder nicht, ob die Anordnung der
Steuerung eine richtige oder falsche ist, und wie groß die
summarischen Reibungen am Kolben, an der Kolbenstange, am
Kreuzkopf (wenn solcher vorhanden), der Steuerung etc. sind. Dem
Käufer einer Betriebsdampfmaschine sind, wenigstens direct, alle
diese Umstände gleichgültig, ihm kommt es lediglich darauf an,
welches Quantum nützlicher Arbeit auf die Schwungradwelle
übergetragen wird oder, was dasselbe ist, welche Nutzleistung
die Dampfmaschine liefert, weil er mit dieser allein
Form- oder Ortsveränderungen der Körper bewirken, d.h.
erwerben oder Geld verdienen kann. Beim Verkauf von
Dampfmaschinen seitens der Maschinenbauer, oder bei Aufstellung
betreffender Contracte zwischen Verkäufer und Abnehmer kann
daher nur von der Nutzleistung der Maschine die Rede seyn,
welche man allerdings auf dreierlei Weise ermitteln könnte,
nämlich erstens durch Rechnung, zweitens durch Messen mittelst
eines Bremsdynamometers (Prony'schen
Zaumes, den man womöglich direct auf der Schwungradwelle
aufbringt und damit die erwähnten Bremspferdekräfte ermittelt),
und drittens, indem man mittelst der Indicatordiagramme die
Indicatorpferdekräfte bestimmt und daraus die Nutzleistung oder
die reellen Pferdekräfte, d.h. die Bremspferdekräfte ableitet.
Der Rechnungsweg setzt brauchbare mathematische Formeln voraus,
wie u.a. solche zuerst Redtenbacher
in seinen bekannten „Resultaten etc.“ und
nachher besonders Völckers in seinem
Wertchen „Der Indicator“ aufstellte;
indessen lassen diese auch noch viel zu wünschen übrig, da sie
doch nicht alle vorhandenen passiven Widerstände richtig
bemessen und insbesondere manche hierbei bis jetzt aus Versuchen
gewonnene Zahlencoefficienten noch sehr der Berichtigung
bedürfen, die mehr oder weniger gute Ausführung (Arbeit) der
Maschine noch ganz unbeachtet gelassen. Der directen Ermittelung
der Bremspferdekräfte setzen sich sehr oft örtliche Umstände,
der Mangel an Platz zum geeigneten Anbringen der Bremse, das
zeitraubende und mühsame dieser Messungsmethode, und bei sehr
großen Maschinen die Möglichkeit des Eintrittes gefährlicher
Zustände, die Sorge für Gesundheit und Leben der
bei der Operation erforderlichen Menschen entgegen.
Das einfachste Verfahren ist unstreitig die dritte erwähnte
Weise, nämlich aus der mittelst Indicatordiagramme berechneten
Pferdekraftzahl (Ni), die Anzahl der wirklich geleisteten
Pferdekräfte, die Bremspferdekräfte (Nb) dadurch abzuleiten, daß
man erstere mit einem Coefficienten multiplicirt, der aus einer
großen Zahl sorgfältig und mit den verschiedenartigsten
Maschinen angestellter und vertrauenswerther Versuche entnommen
ist. Allerdings kann dieser Weg nur zu einem angenäherten
Resultat führen und ist eigentlich bloß dazu dienlich, die
Grenzen zu bezeichnen, innerhalb welcher Leistungen und
Anforderung liegen müssen. Von letzterem Standpunkt aus
genommen, hat Prof. Rühlmann es für
zweckmäßig gehalten, die Resultate aller ihm bis jetzt bekannt
gewordenen und einiger von ihm selbst angestellten
gleichzeitigen Dampfmaschinen-Brems- und
Indicator-Versuche in chronologischer Ordnung
zusammenzustellen.
Die ältesten derartigen Leistungsbestimmungen und vergleichenden
Versuche wurden gemeinschaftlich vom Maschinenmeister (jetzigen
Bergrath) Jordan und dem Ingenieur
Völckers mit einer zur
Wasserhaltung bestimmten Woolf'schen
Balancier-Dampfmaschine in Clausthal im Spätherbst des
Jahres 1856 angestellt. Der kleine Cylinder hatte 9 1/2 Zoll
rheinl. Durchmesser und der Kolben 1 3/4 Fuß Hub; der große
Cylinder hatte 15 1/4 Zoll Durchmesser und der Kolben 2 1/2 Fuß
Hub.
Die Versuchsresultate lieferten Folgendes (Nb und Ni haben die
oben angegebene Bedeutung):
Nr. desVersuches
Dampfspannung imKessel in
Pfdn. proQuardatzoll
Schwungradumläufepro Minute
Nb
Ni
Nb/Ni
12
48,043,4
36,036,87
14,5612,104
23,6015,40
0,6170,786
Mittel
0,710
Im Jahre 1860 hatte Prof. Rühlmann
selbst für gutachtliche Zwecke Brems- und
Indicatorversuche mit einer kleinen horizontalliegenden
Dampfmaschine anzustellen. Letztere lieferte einen Theil der für
die Ernst'sche Papierfabrik in
Wiedelah erforderlichen Betriebskraft und war von der Luther und Peters'schen Maschinenfabrik in Wolfenbüttel bezogen.
Dabei betrug der Cylinderdurchmesser 10,25 Zoll engl. und der
Kolbenhub 21,85 Zoll. Die zuverlässigsten Versuchsresultate
ergaben Nachstehendes:
Nr.desVersuches
MittlereDampfspannung in
engl.Pfdn. pro
Quardatzollengl. aus
demIndicator-Diagrammberechnet
Kolbengeschwindigkeitin
engl. Fußenpro
Secunde
Nb
Ni
Nb/Ni
Bemerkungen
12345
30,3130,4635,1333,6332,25
4,0753,9622,7174,0753,056
13,6013,8611,2314,909,50
15,9115,5412,2917,6511,55
0,850,890,910,840,82
VolldampfHalbe Füllung
Mittel
0,86
Einen Versuch mit einer großen 80pferdigen
Balancier-Dampfmaschine (System Woolf) theilt der französische Ingenieur Burel im Jahrgang 1862 der Mémoires etc. de la
Société des Ingén. Civils p. 158
und 177 mit. Leider fehlt die Angabe der Maschinendimensionen
und die Anzahl der Schwungradumdrehungen, indem die Bremse (der
Prony'sche Zaum) auf einer
Vorgelegewelle angebracht werden mußte und nur deren Umläufe
notirt wurden. Die Indicatordiagramme ergaben hier eine Arbeit
von 93,30 Maschinenpferden und die Bremse 80,312 solcher Pferde,
so daß man erhält:
Nb/Ni = 80312/93300 = 0,86.
Zu den ausgezeichnetsten und sorgfältigsten der bisher
angestellten Versuche dieser Art scheinen die zu gehören, welche
im Februar 1867 von den Ingenieuren Grosseteste und Hallauer
ebenfalls mit einer gekuppelten Woolf'schen (je zweicylindrigen)
Balancier-Dampfmaschine aus der A. Köchlin'schen Maschinenfabrik in der Zwirnerei von Dollfus-Mieg und Comp. in Mülhausen (Elsaß) angestellt
wurden (Bulletin de la
Société industrielle de Mulhouse, t. XXXIX
p. 483).
Die wesentlichsten Dimensionen waren
folgende:
Kleiner Kolben
DurchmesserHub
0,501,524
Meter „
Großer Kolben
DurchmesserHub
1,102,10
„
„
Die Umdrehungszahl der Schwungradwelle variirte von 21,333 bis
21,494 pro Minute, die Dampfspannung
im sogen. Dampfhemde des kleinen Cylinders änderte sich von
4,843 bis 4,935. Messungen über verdampftes Wasser und
verbrannte Steinkohlen wurden ebenfalls sehr sorgfältig
angestellt. Bei den Versuchen wurde auf jedem Dampfcylinder ein
Watt'scher Indicator angebracht.
Die Versuche dauerten volle fünf Tage. Die für vorliegenden
Zweck erforderlichen Endresultate waren nachstehende:
Tag derArbeitsperiode
Nb
Ni
Nb/Ni
3.4.5.
189,802190,856193,668
210,047212,846217,799
0,9030,8960,889
Mittel
0,896
Ein fünfter Fall zur Arbeitsermittelung einer Dampfmaschine aus
gleichzeitigen Brems- und Indicatorversuchen lag wieder
Prof. Rühlmann selbst im Jahr 1869
vor, wo eine Differenz zwischen einem Maschinenfabrikanten und
einem Käufer zu entscheiden war. Die Dampfmaschine hatte einen
horizontalliegenden Cylinder von 13 1/4 Zoll engl. Durchmesser
und einen Kolben, dessen Hub 34 3/4 Zoll betrug. Sie war mit Farcot'scher Steuerung ausgestattet.
Aus den völlig zuverlässigen, in jeder Beziehung gelungenen
Versuchen ergaben sich nachstehende Resultate:
Nr. desVersuches
Admissiondes
Dampfes
Mittlerer Dampfdruckaus den
Indicator-Diagrammen berechnet(Pfd. pro Quardatzoll)
Zahl
derSchwungradumläufepro Minute
Nb
Ni
Nb/Ni
1234
0,3410,3600,1550,157
29,233,217,118,6
56555755
36,9040,8020,7122,40
49,5055,3029,5331,00
0,7450,7380,7020,723
Mittel
0,727
Den sechsten Fall bilden Versuche mit einer zweicylindrigen
Locomobile aus der Knoevenagel'schen
Maschinenfabrik in Hannover, bei welcher jeder Dampfcylinder 6
1/2 Zoll engl. Durchmesser und der Kolben 10 Zoll engl. Hub
hatte. Die Resultate der Versuche sind folgende:
Nr. desVersuches
Umdrehzahlder
Schwungradwellepro
Minute
Mittlerer Dampfdruckaus den
Indicator-Diagrammen berechnet(Pfd. pro Quardatzoll)
Nb
Ni
Nb/Ni
12345
105116120140120
27,7030,8029,3731,6034,16
7,8710,35 9,6312,4912,42
9,74 11,97611,8114,8313,74
0,8080,8640,8150,8420,909
Mittel
0,847
Nach den sechs aufgezählten Versuchsreihen dürfte wenigstens die
Annahme zu machen seyn, daß man bei Dampfmaschinen kein
kleineres Verhältniß zwischen Brems- und
Indicator-Pferdekräften zulassen darf, als das von 0,70,
aber auch nicht mehr als höchstens 0,90 würde beanspruchen
können, wobei natürlich die Größe der Maschine und der
Expansionsgrad noch in Betracht zu ziehen seyn dürfte. (Deutsche
Industriezeitung, 1871, Nr. 23.)