Titel: | Ueber farbige Photographie; von Dr. Schultz-Sellack. |
Autor: | Schultz‐Sellack |
Fundstelle: | Band 200, Jahrgang 1871, Nr. CXXXVII., S. 488 |
Download: | XML |
CXXXVII.
Ueber farbige Photographie;
von Dr. Schultz-Sellack.
Schultz, über farbige Photographie.
In einem früheren AufsatzIm vorhergehenden Heft dieses Journals S. 386. habe ich ein Verfahren angegeben, durch verschiedene
Stärke und Zeit der Belichtung verschiedene Farben auf einer
präparirten Jodsilberschicht zu erzeugen. Durch passendes
Belichten unter einem etwas harten Negativ kann man auf der
goldgelb präparirten Jodsilbercollodiumschicht schöne
Farbeneffecte von Metallreliefs und dergleichen erzielen, in
Gelb, Braun, Purpur, Lila, Grün, Blau bis Grauweiß. Die so
erhaltenen Farben erscheinen besonders prächtig, wenn die Platte
aus einem dunklen Zimmer gegen ein kleines Fenster hin
betrachtet wird.
Wenn man die Jodcollodiumschicht vor dem Eintauchen in das
Silberbad nicht zu stark eintrocknen läßt, so kann man eine
Jodsilbercollodiumschicht erhalten, welche auch im gespiegelten
Lichte prächtige Farben zeigt, die sich durch Lichtwirkung
verändern.
Die Farben erscheinen in Folge der durch das Licht bewirkten
Pulverung des Jodsilbers; sie sind als Farben eines trüben
Mittels zu bezeichnen und entstehen durch Beugung des Lichtes in
der Schicht des durch Lichtwirkung immer feiner werdenden
Pulvers. Daß das Jodsilber bei dem Proceß chemisch unverändert
bleibt, folgt daraus, daß dasselbe, je nach der Art der Fällung,
auch ohne alle Lichtwirkung diese Farben zeigt. Da die
verschiedenen Farben im weißen Licht entstehen durch
verschiedene Stärke und Zeit der Belichtung, so hat man es hier,
obgleich Farben durch Lichtwirkung entstehen, nicht mit
eigentlicher farbiger Photographie oder Photochromie zu thun,
bei welcher Roth ausschließlich durch Roth, Blau ausschließlich
durch Blau u.s.w. sich abbilden soll.
Wahrscheinlich entstehen die Farben bei dem photochromischen
Proceß auf gebräuntem Chlorsilber von Becquerel und von Poitevin
auf dieselbe Weise wie beim Jodsilber; ich habe wenigstens für
Chlorsilber und Bromsilber, ebenso wie für Jodsilber eine
mechanische Zertheilung im Licht beobachtet. Nach der
geistvollen Theorie, welche Dr. Zenker für das Verfahren von Becquerel und von Poitevin gegeben hat, findet dabei
eine chemische Zersetzung und die Bildung von Silberschichten in
Abständen halber Lichtwellenlängen statt. In der
ungleichförmigen Schicht des gefällten Chlorsilbers scheint mir
die Bildung regelmäßiger stehender Lichtwellen wenig
wahrscheinlich; überdieß ist eine chemische Reduction,
wenigstens bei dem Proceß von Poitevin nicht zu erwarten, da derselbe ausdrücklich
die Gegenwart von oxydirenden Substanzen erfordert, es kann
vielmehr bei Gegenwart von Chromsäure und Chlorkalium eine
Oxydation und Entfärbung des gebräunten Chlorsilbers eintreten,
wie auch Poitevin andeutet. Wenn aber
eine chemische Veränderung nicht stattfindet, so bleibt nur die
mechanische übrig, deren Vorhandenseyn ich nachgewiesen
habe.
Die Abbildung der gleichartigen Farben kann übrigens scheinbar
auch mittelst der Jodsilberschicht erhalten werden, welche in
der That nur für Indigblau und Violett des Spectrums empfindlich
ist, vermöge der verschiedenen Intensität des violetten Lichtes,
welches durch rothes, grünes und blaues Glas hindurchgeht. Je
nach Stärke und Dauer der Belichtung erhält man nämlich die
Farben des Jodsilbers in der Durchsicht annähernd in dieser
Reihenfolge, und zwar, wie bei dem Becquerel'schen Verfahren, am besten bei nicht zu
großer absoluter Lichtstärke; bei großer Lichtstärke tritt in
beiden Fällen schließlich eine grauweiße Färbung auf. Die
Jodsilberschicht zeigt meistens nur einzelne, zuweilen eine
Farbe der Reihenfolge in genügender Reinheit, bevor sie in
Grauweiß übergeht; ebenso ist die photochromische
Chlorsilberschicht, je nach der Bereitungsweise, vorzüglich zur
Darstellung einzelner oder einer Farbe tauglich (Nièpce de St. Victor). Wenn
aber die photochromische Schicht hiernach auch andere Farben als
die gleichartigen geben kann, so ist anzunehmen, daß die
scheinbare specifische Wirkung der Farben in der That Intensitätswirkung des in den Farben enthaltenen, auf
Chlorsilber allein wirksamen Violetts des Spectrums ist. Die
Erzeugung gleichartiger Farben ist hiernach zufällig, das
Problem durchaus ungelöst.