Titel: | Miscellen. |
Fundstelle: | Band 200, Jahrgang 1871, Nr. , S. 414 |
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Miscellen.
Miscellen.
Allgemeine polizeiliche Bestimmungen über
die Anlage von Dampfkesseln für das Gebiet des Norddeutschen
Bundes.
Bekanntlich befindet sich im §. 24 der
Gewerbe-Ordnung für den Norddeutschen Bund, welcher sich
auf die Anlegung von Dampfkesseln bezieht, die Bemerkung:
„Bis zum Erlaß allgemeiner Bestimmungen durch den
Bundesrath kommen die in den einzelnen Bundesstaaten
bestehenden Vorschriften zur Anwendung.“
Zu letzterem Zwecke hat im Juni 1870 in Berlin eine vom
Bundesrathe berufene technische Commission das auch jetzt noch
in der Provinz Hannover gültige Regulativ vom 31. August 1861
einer gründlichen Revision unterworfen und einen betreffenden
Entwurf unterbreitet, der im Nachstehenden abgedruckt ist.
Dieser Entwurf wird von allen verständigen Betheiligten recht
willkommen geheißen werden, da er sich durch Kürze und Präcision
auszeichnet und ganz besonders alle jene Paragraphen des
gedachten Regulatives von 1861 gestrichen hat, welche Beamten
wie Kesselbesitzern zuweilen nicht geringe Unannehmlichkeiten
bereiteten.
Wenn es uns in ganz unmaßgeblicher, bescheidener Weise gestattet
ist, zum Entwurfe einige Wünsche auszusprechen, so wären dieß
folgende zwei:
Erstens daß im §. 14 des
(nachstehenden) revidirten Entwurfes auch auf das im Kessel
befindliche Wasserquantum, sowie auf
die Größe des Aufstellungsraumes des
Kessels Bedacht genommen werde.
Zweitens daß diese allgemeinen
polizeilichen Bestimmungen Gültigkeit für das gesammte deutsche Reich und nicht
bloß (ausschließlich) für den Norddeutschen Bund erhalten
möchten!
Rühlmann.
Revidirter Entwurf.
Auf Grund der Bestimmung in §. 24 der
Gewerbe-Ordnung für den Norddeutschen Bund vom 21.
Juni v. J. hat der Bundesrath die nachstehenden
allgemeinen polizeilichen Bestimmungen über
die Anlegung von Dampfkesseln
erlassen.
I. Bau der Dampfkessel.
§. 1.
Kesselwandungen. Die vom Feuer
berührten Wandungen der Dampfkessel, der Feuerröhren und der
Siederöhren dürfen nicht aus Gußeisen hergestellt werden,
sofern deren lichte Weite bei cylindrischer Gestalt 25
Centimeter, bei Kuppelgestalt 30 Centimeter übersteigt.
Die Verwendung von Messingblech ist nur für Feuerröhren,
deren lichte Weite 10 Centimeter nicht übersteigt,
gestattet.
§. 2.
Feuerzüge. Die um oder durch
einen Dampfkessel gehenden Feuerzüge müssen an ihrer
höchsten Stelle in einem Abstand von mindestens 10
Centimetern unter dem festgesetzten niedrigsten
Wasserspiegel des Kessels liegen. Bei Dampfschiffskesseln
von 1 bis 2 Meter Breite muß der Abstand mindestens 15
Centimeter, bei solchen von größerer Breite mindestens 25
Centimeter betragen.
Diese Bestimmungen finden keine Anwendung auf Dampfkessel,
welche aus Siederöhren von weniger als 10 Centimeter Weite
bestehen, sowie auf solche Feuerzüge, in welchen ein
Erglühen des mit dem Dampfraum in Berührung stehenden
Theiles der Wandungen nicht zu befürchten ist. Die Gefahr
des Erglühens ist in der Regel als ausgeschlossen zu
betrachten, wenn die vom Wasser bespülte Kesselfläche,
welche vom Feuer vor Erreichung der vom Dampf bespülten
Kesselfläche bestrichen wird, bei natürlichem Luftzug
mindestens zwanzigmal, bei künstlichem Luftzug mindestens
vierzigmal so groß ist, als die Fläche des Feuerrostes.
II. Ausrüstung der Dampfkessel.
§. 3.
Speisung. An jedem Dampfkessel
muß ein Speiseventil angebracht seyn, welches bei Abstellung
der Speisevorrichtung durch den Druck des Kesselwassers
geschlossen wird.
§. 4.
Jeder Dampfkessel muß mit zwei zuverlässigen Vorrichtungen
zur Speisung versehen seyn, welche nicht von derselben
Betriebsvorrichtung abhängig sind, und von denen jede für
sich im Stande ist, dem Kessel die zur Speisung
erforderliche Wassermenge zuzuführen. Mehrere zu einem
Betriebe vereinigte Dampfkessel werden hierbei als ein
Kessel angesehen.
§. 5.
Wasserstandszeiger. Jeder
Dampfkessel muß mit einem Wasserstandsglase und mit einer
zweiten geeigneten Vorrichtung zur Erkennung seines
Wasserstandes versehen seyn. Jede dieser Vorrichtungen muß
eine gesonderte Verbindung mit dem Inneren des Kessels
haben, es sey denn, daß die gemeinschaftliche Verbindung
durch ein Rohr von mindestens 60 Quadratcentimeter lichtem
Querschnitt hergestellt ist.
§. 6.
Werden Probirhähne zur Anwendung gebracht, so ist der
unterste derselben in der Ebene des festgesetzten
niedrigsten Wasserstandes anzubringen. Alle Probirhähne
müssen so eingerichtet seyn, daß man behufs Entfernung von
Kesselstein in gerader Richtung hindurchstoßen kann.
§. 7.
Wasserstandsmarke. Der für den
Dampfkessel festgesetzte niedrigste Wasserstand ist an dem
Wasserstandsglase, sowie an der Kesselwandung oder dem
Kesselmauerwerk durch eine in die Augen fallende Marke zu
bezeichnen.
§. 8.
Sicherheitsventil. Jeder
Dampfkessel muß mit wenigstens einem Sicherheitsventil
versehen seyn.
Wenn mehrere Kessel einen gemeinsamen Dampfsammler haben, von
welchem sie nicht einzeln abgesperrt werden können, so
genügen für dieselben zwei Sicherheitsventile.
Dampfschiffs-, Locomobil- und Locomotivkessel
müssen immer mindestens zwei Sicherheitsventile haben. Bei
Dampfschiffskesseln ist dem einen Ventil eine solche
Stellung zu geben, daß die vorgeschriebene Belastung vom
Verdeck aus mit Leichtigkeit untersucht werden kann.
Die Sicherheitsventile müssen jederzeit gelüftet werden
können. Sie sind höchstens so zu belasten, daß sie bei
Eintritt der für den Kessel festgesetzten Dampfspannung den
Dampf entweichen lassen.
§. 9.
Manometer. An jedem Dampfkessel
muß ein zuverlässiges Manometer angebracht seyn, an welchem
die festgesetzte höchste Dampfspannung durch eine in die
Augen fallende Marke zu bezeichnen ist.
An Dampfschiffskesseln müssen zwei dergleichen Manometer
angebracht werden, von denen sich das eine im Gesichtskreise
des Kesselwärters, das andere auf dem Verdeck an einer für
die Beobachtung bequemen Stelle befindet. Sind auf einem
Dampfschiffe mehrere Kessel vorhanden, deren Dampfräume mit
einander in Verbindung stehen, so genügt es, wenn außer den
an den einzelnen Kesseln befindlichen Manometern auf dem
Verdeck ein Manometer angebracht ist.
§. 10.
Kesselmarke. An jedem Dampfkessel
muß die festgesetzte höchste Dampfspannung, der Name des
Fabrikanten, die laufende Fabriknummer und das Jahr der
Anfertigung in leicht erkennbarer und dauerhafter Weise
angegeben seyn.
III. Prüfung der Dampfkessel.
§. 11.
Druckprobe. Jeder neu
aufzustellende Dampfkessel muß nach seiner letzten
Zusammensetzung vor der Einmauerung oder Ummantelung unter
Verschluß sämmtlicher Oeffnungen mit Wasserdruck geprüft
werden.
Die Prüfung erfolgt bei Dampfkesseln, welche für eine
Dampfspannung von nicht mehr als 5 Atmosphären Ueberdruck
bestimmt sind, mit dem zweifachen Betrage des beabsichtigten
Ueberdruckes, bei allen übrigen Dampfkesseln mit einem
Drucke welcher den beabsichtigten Ueberdruck um 5
Atmosphären übersteigt. Unter Atmosphärendruck wird ein
Druck von einem Kilogramm auf den Quadratcentimeter
verstanden.
Die Kesselwandungen müssen dem Probedruck widerstehen, ohne
eine bleibende Veränderung ihrer Form zu zeigen und ohne
undicht zu werden. Sie sind für undicht zu erachten, wenn
das Wasser bei dem höchsten Drucke in anderer Form als der
von Nebel oder feinen Perlen durch die Fugen dringt.
§. 12.
Wenn Dampfkessel eine Ausbesserung in der Kesselfabrik
erfahren haben, oder wenn sie behufs der Ausbesserung an der
Betriebsstätte ganz bloß gelegt worden sind, so müssen sie
in gleicher Weise, wie neu aufzustellende Kessel, der
Prüfung mittelst Wasserdruckes unterworfen werden.
Wenn bei Kesseln mit innerem Feuerrohr ein solches Rohr und
bei den nach Art der Locomotivkessel gebauten Kesseln die
Feuerbüchse behufs Ausbesserung oder Erneuerung
herausgenommen, oder wenn bei cylindrischen und
Sieder-Kesseln eine oder mehrere Platten neu
eingezogen werden, so ist nach der Ausbesserung oder
Erneuerung ebenfalls die Prüfung mittelst Wasserdruckes
vorzunehmen. Der völligen Bloßlegung des Kessels bedarf es
hier nicht.
§. 13.
Prüfungsmanometer. Der bei der
Prüfung ausgeübte Druck darf nur durch ein genügend hohes
offenes Quecksilbermanometer oder durch das von dem
prüfenden Beamten geführte amtliche Manometer festgestellt
werden.
An jedem Dampfkessel muß sich eine Einrichtung befinden,
welche dem prüfenden Beamten die Anbringung des amtlichen
Manometers gestattet.
IV. Aufstellung der
Dampfkessel.
§. 14.
Aufstellungsort. Dampfkessel
welche für mehr als vier Atmosphären Ueberdruck bestimmt
sind, und solche bei welchen das Product aus der
feuerberührten Fläche in Quadratmetern und der Dampfspannung
in Atmosphären-Ueberdruck mehr als 20 beträgt, dürfen
unter Räumen, in welchen Menschen sich aufzuhalten Pflegen,
nicht aufgestellt werden. Innerhalb solcher Räume ist ihre
Aufstellung unzulässig, wenn dieselben überwölbt oder mit
fester Balkendecke versehen sind.
An jedem Dampfkessel welcher unter Räumen, in welchen
Menschen sich aufzuhalten Pflegen, aufgestellt wird, muß die
Feuerung so eingerichtet seyn, daß die Einwirkung des Feuers
auf den Kessel sofort gehemmt werden kann.
Dampfkessel welche aus Siederöhren von weniger als zehn
Centimeter Weite bestehen, und solche welche in Bergwerken
unterirdisch aufgestellt werden, unterliegen diesen
Bestimmungen nicht.
§. 15.
Kesselmauerung. Zwischen dem
Mauerwerk welches den Feuerraum und die Feuerzüge
feststehender Dampfkessel einschließt, und den dasselbe
umgebenden Wänden muß ein Zwischenraum von mindestens acht
Centimetern verbleiben, welcher oben abgedeckt und an den
Enden verschlossen werden darf.
V. Allgemeine Bestimmungen.
§ 16.
Wenn Dampfkesselanlagen, die sich zur Zeit bereits im Betrieb
befinden, den vorstehenden Bestimmungen aber nicht
entsprechen, eine Veränderung der Betriebsstätte erfahren
sollen, so kann bei deren Genehmigung eine Abänderung in dem
Bau der Kessel nach Maaßgabe der §§. 1 und 2
nicht gefordert werden. Dagegen finden im Uebrigen die
vorstehenden Bestimmungen auch für solche Fälle
Anwendung.
§. 17.
Die Centralbehörden der einzelnen Bundesstaaten sind befugt,
in einzelnen Fällen von der Beachtung der vorstehenden
Bestimmungen zu entbinden.
§. 18.
Die vorstehenden Bestimmungen finden keine Anwendung:
1) auf Kochgefäße, in welchen mittelst
Dampfes, der einem anderweitigen Dampfentwickler entnommen
ist, gekocht wird;
2) auf Dampfüberhitzer oder Behälter,
in welchen Dampf, der einem anderweitigen Dampfentwickler
entnommen ist, durch Einwirkung von Feuer besonders erhitzt
wird;
3) auf Kochkessel, in welchen Dampf aus
Wasser durch Einwirkung von Feuer erzeugt wird, wofern
dieselben mit der Atmosphäre durch ein unverschließbares, in
den Wasserraum hinabreichendes Standrohr von nicht über fünf
Meter Höhe und mindestens acht Centimeter Weite verbunden
sind. (Mittheilungen des Gewerbevereines für Hannover, 1871
S. 97.)
Neue Stopfbüchsenpackung.
Zur Packung von Stopfbüchsen stellt Girwood (Barking road,
Bromley bei London) Ringe aus Kupferdrahtgeflecht her. Das
Drahtgewebe wird zusammengewickelt, bis die genügende Dicke
erreicht ist, dann viereckig oder in irgend eine andere Form
gepreßt und ringförmig zusammengebogen. Diese Dichtung besitzt
beträchtliche Elasticität, und läßt sich auch bei überhitztem
Dampfe und hoher Dampfspannung verwenden. (Deutsche
Industriezeitung, 1871, Nr. 14.)
Ueber Whitworth's Methode des Stahlgusses unter hydraulischem
Druck.
In einem Vortrage über die Fortschritte in der Eisen- und
Stahlindustrie im Iron and steel
Institute zu London bezeichnete Henry Bessemer Joseph Whitworth's Methode des Gusses unter hydraulischem
Druck als eine der wichtigsten Neuerungen in der Stahltechnik;
er bemerkte darüber: „Das Gießen großer Stahlmassen
ohne Blasen hat lange Schwierigkeiten gemacht, namentlich
weil bei der außerordentlich hohen Temperatur des
geschmolzenen Stahles eine gewisse Menge Sauerstoff
absorbirt wird, welche von dem Stahle so lange
zurückgehalten wird, als die hohe Temperatur erhalten wird,
bei Beginn der Erstarrung aber wieder abgegeben wird und den
Guß häufig porös macht. Ein anderer Uebelstand bei
Stahlgüssen rührt von der krystallinischen Structur her,
welche der Stahl beim Erstarren annimmt. So lange diese
Krystalle in ihrem ursprünglichen Zustand bleiben, ist die
Masse nur wenig cohärent; ihre Zugfestigkeit ist kaum halb
so groß wie nach dem Hämmern oder Walzen. Sie läßt sich nur
um wenig biegen, ohne zu brechen, und besitzt zugleich eine
höchst beschränkte Ausdehnungsfähigkeit. Wird dagegen der
Stahl beim Uebergang aus dem flüssigen in den festen Zustand
einem starken Druck unterworfen, so werden die Krystalle,
die sonst fast unabhängig von einander bleiben würden, bei
der hohen Temperatur so innig miteinander verbunden oder
zusammengeschweißt, daß eine höchst vollständige Cohärenz
des Ganzen eintritt, wahrscheinlich eine vollständigere, als
sich durch nachträgliches Hämmern irgend erreichen ließe.
Schon im Jahr 1856 beschrieb ich selbst (Bessemer) eine Methode, Stahl
unter hydraulischem Druck in eisernen Formen zu gießen,
wobei ein Kolben durch den hydraulischen Druck, der auf
seine Rückseite wirkte, auf der einen Seite der Form in den
halbflüssigen Stahl eingepreßt wurde. Etwa gleichzeitig kam
ich auf den Gedanken, die Entwicklung von Gasen aus
geschmolzenem Stahl durch den Druck comprimirter Luft oder
von Gasen zu vermeiden, welche in einen starken
geschlossenen, die Form und das Gußstück enthaltenden
Behälter eingepreßt würden; durch andere Beschäftigung wurde
ich aber von weiteren Versuchen in dieser Richtung
abgehalten. Vor wenigen Jahren kam nun auch Whitworth, dem die Darstellung
von blasenfreiem, genügend festem Stahl für seine Kanonen
und Geschosse viel Schwierigkeit machte, ganz unabhängig von
mir auf den Gedanken, auf den noch flüssigen Stahl einen
durch Wasserdruck in die Form eingetriebenen Kolben wirken
zu lassen. Seine Versuche sind ms zu einem gewissen Grad
vollständig gelungen; das nach diesem Verfahren erzeugte
sogenannte Whitworth-Metall zeigt auch in großen
Gußstücken nicht die geringste Blase. Die große Wichtigkeit
eines Verfahrens, aus einem schmiedbaren Metall, das fester
als Schmiedeeisen ist, durch Guß leicht beliebige Formen
herzustellen, liegt auf der Hand; aber die Herstellung
beliebiger Formen macht jetzt eben noch Schwierigkeiten. Bei
complicirteren Formen, z.B. doppelt gekröpften
Locomotivkurbelachsen, würde es höchst schwierig seyn,
das Abreißen der zwischen den Kröpfungen befindlichen
Formtheile durch den hohen, auf das eine Ende der Form
ausgeübten Druck zu verhindern und unmöglich würde es seyn,
den Druck des Kolbens durch die Biegungen während des
Festwerdens des Stahles zu übertragen; bei flüssigem Zustand
des Stahles würde dieß allerdings keine Schwierigkeit haben,
die Pressung würde aber dann auch ohne die gewünschte
Wirkung seyn. Auch in anderen Beziehungen bietet die
Anwendung des Verfahrens große Schwierigkeiten; die Formen
müssen außerordentlich fest hergestellt werden und dürfen
auf der Innenseite nur mit sehr dünnen Schichten von Lehm
oder Masse überzogen seyn, wenn letztere nicht durch den
Druck zerrissen und somit die Gestalt des Gußstückes
beschädigt werden sollen; andererseits wird eine eiserne,
nur mit dünnen Schichten eines nachgiebigen Materiales
überzogene Form die Zusammenziehung des Gusses
beeinträchtigen, der dann selbst dem Reißen ausgesetzt wäre.
Alle diese Schwierigkeiten würden sich aber wohl vermeiden
lassen, wenn man unter Anwendung eines gewöhnlichen
Formkastens ganz in gewöhnlicher Weise formte und dann die
ganze Form in ein starkes Gefäß einsetzte; die Oeffnung,
durch welche der Stahl in dieses eingegossen wird, müßte
durch eine Schraube verschließbar seyn. In diesem Gefäß wäre
nun allmählich durch Verbrennung eines Gemisches von
gepulvertem Anthracit und Natronsalpeter eine künstliche
Atmosphäre von beliebiger Pressung zu erzeugen, welche nach
allen Richtungen auf das Gußstück einwirkte, ohne einen
nachtheiligen einseitigen Druck auf die Form
auszuüben.“ (Engineering, April 1871, S. 247.)
Gasretorten aus hämmerbarem
Gußeisen.
Solche werden neuerdings von dem Eisenwerk Kaiserslautern
angefertigt. Dieselben zeichnen sich durch große Haltbarkeit bei
geringem Gewicht aus, und sind bereits in der neuen Frankfurter
Gasfabrik, sowie in vielen anderen namhaften Gasanstalten
eingeführt. (Deutsche Industriezeitung, 1871, Nr. 14.)
Ueber sprödes Gold.
Die merkwürdige Erscheinung, daß das Krystallisiren von
Substanzen durch die Gegenwart von kleinen Kernen befördert
wird, ist längst bekannt; neuere, von Chandler Roberts, Chemiker der Münze der
Vereinigten Staaten, angestellte Versuche haben aber dem
Gegenstande ein erhöhtes Interesse verliehen. Kleine Spuren von
Blei, Antimon, Wismuth oder Arsen ertheilen der gesetzlichen
Normallegirung von Gold und Kupfer ein krystallinisches Gefüge
und einen außerordentlichen Grad von Sprödigkeit, und machen
dieselbe für die Vermünzung ganz ungeeignet. Diese auffallende
Wirkung findet selbst dann statt, wenn die Menge des schädlichen
Metalles nicht über 1/1900 Theil der Goldlegirung beträgt. Durch
das kürzlich in der Münze der Vereinigten Staaten eingeführte
Verfahren zum Geschmeidigmachen von sprödem Golde mittelst
ChlorgasDieses von Miller in Sydney
herrührende Verfahren ist im polytechn. Journal, 1870,
Bd. CXCVII S. 43 ausführlich beschrieben. ist nun aber eine Frage von bedeutender Wichtigkeit für
die Münzkunst in befriedigender Weise gelöst worden. (Scientific American, April 1871, S.
240.)
Neue Krystallfarbe
(Stahl-Bronze).
Der Farbenfabrik von Friedr. Rotter in
Amberg bei Nürnberg ist es gelungen, ihre Mineralbrocate um eine
Stahl-Bronze zu,
vermehren. Bei dem brillanten Lüster dieser Novität, ihrer
neutralen Farbe, und dem Umstande daß dieselbe behufs ihrer
Befestigung wegen ihrer metallischen Schwere ganz die
Eigenschaft der sonstigen Bronzen theilt, dürfte solche zur
Verwendung als effectvolle Decoration für vorübergehende wie
bleibende Zwecke um so mehr zu empfehlen seyn, als der Producent
bis zur natürlichen Grenze Garantie für ihre Unveränderlichkeit
übernehmen kann. D.
Verfahren zur Darstellung von Alaun, von
P. Spence in Newton-Heath
(England).
Spence verwendet bei seinem Verfahren
(patentirt am 9. Juni 1870) als Grundmaterial ein in Westindien
sich vorfindendes Mineral, das unter dem Namen Rondondo Phosphat bekannt ist, und
aus Thonerde und Phosphorsäure mit etwas Eisen besteht. Das
Mineral wird klein gepocht, mit Kohle in Kalköfen bis zur
Rothgluth erhitzt und sodann in bleiernen Pfannen mit
Schwefelsäure von 1,6 Dichte übergossen. Um das Auflösen zu
beschleunigen, wird Dampf in die Mischung geleitet. Die Menge
der Schwefelsäure hängt von dem Thonerdegehalte des Minerals ab.
Nach stattgehabter Auflösung wird die Flüssigkeit mit Wasser bis
auf 1,45 Dichte verdünnt und nun in geschlossene Bleigefäße
gebracht, in welche ein Strom von Ammoniakgas geleitet wird. Das
Ammoniak wird durch Destillation von bei der Gasfabrication
gewonnenen ammoniakalischen Flüssigkeiten dargestellt. Auf eine
Tonne Mineral werden, je nach dem Thonerdegehalte, 600 bis 900
Gallons dieser Gaswässer verwendet. Nachdem die erforderliche
Menge Ammoniaks in die mineralische Lösung destillirt worden,
wird diese absetzen gelassen, darauf in Bleipfannen abgezogen
und hier krystallisirt. Die Mutterlaugen, welche nunmehr
Phosphorsäure mit kleinen Mengen von schwefelsaurer Thonerde,
Eisenvitriol und schwefelsaurem oder phosphorsaurem Ammon
enthalten, können nach Eindampfen oder sonst geeigneter
Behandlung für Düngerzwecke verwendet werden. (Berichte der
deutschen chemischen Gesellschaft zu Berlin, 1871, Nr. 2.)
Verfahren zur Concentration der
Schwefelsäure durch Abdampfen bei niedriger Temperatur.
Zum Concentriren der Schwefelsäure durch Eindampfen derselben bei
einer unter ihrem Siedepunkte liegenden Temperatur empfiehlt J.
Stoddard (Uphall Mineral Oil Works, N. B.) aus eigener
Erfahrung, die zu concentrirende Säure auf die gewöhnliche Weise
in einer Bleipfanne zu erhitzen und, sobald sie die Temperatur
von 149° bis 150° C. erreicht hat, einen Strom
atmosphärischer Luft durch sie hindurchzublasen, während ihre
Temperatur mit Hülfe der Pfannenfeuerung auf der angegebenen
Höhe erhalten wird. Mittelst dieses Verfahrens läßt sich, ohne
die Temperatur viel über 150° C. steigern zu müssen,
leicht braune Schwefelsäure (brown
vitriol) von 1,700 spec. Gew. herstellen, ebenso kann
man durch dasselbe Verfahren concentrirte Schwefelsäure in einer
Bleipfanne bei Anwendung einer Temperatur von ungefähr
260° C. gewinnen. (Chemical News,
vol. XXIII p. 167; April
1871.)
Verunreinigung des Chlorbaryums mit
unterschwefligsaurem Baryt.
Dr. G. C. Wittstein hat in dem Chlorbaryum, welches in seinem
Laboratorium benutzt wird, Spuren von unterschwefligsaurem Baryt
gefunden. Diese Verunreinigung erklärt sich daraus, daß, wenn
bei der Bereitung des Chlorbaryums das Schwefelbaryum nicht
vollständig durch die Salzsäure zerstört wird, der übrig
gebliebene Rest von Schwefelbaryum nach und nach in
unterschwefligsauren Baryt übergeht, und dieser dann, sofern
nicht umkrystallisirt wird, dem Chlorbaryum anhaften bleibt.
(Vierteljahresschrift für praktische Pharmacie, Bd. XX S.
250.)
Reinigung des Wassers durch
schwammförmiges Eisen.
In der Niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und
Heilkunde machte G. Bischof
jun. auf die energisch zersetzende
Wirkung des schwammförmigen Eisens auf im Wasser gelöste
organische Substanzen aufmerksam. Durch ein in angemessener
Welse aus Eisenschwamm gebildetes Filter läßt sich unreines
Wasser mit bedeutender Geschwindigkeit filtriren und dabei so
vollkommen reinigen, daß es ohne Gefahr zum Trinken benutzt
werden kann. Das Wasser verliert nicht an Schmackhaftigkeit und
bleibt Monate lang klar. Sehr übelriechende
und dunkelbraune Flüssigkeiten waren nach der Filtration
wasserhell und geruchlos. (Archiv der Pharmacie, Bd. CXCV S.
273.)
Man sehe Runge's Versuche über
Anwendbarkeit des Eisens als Mittel gegen Fäulniß des Wassers,
im polytechn. Journal, 1870, Bd. CXCVI S. 171.
Neue Sorte von Glasplatten für
photographische Zwecke.
Eine neue Sorte von Glasplatten, die für photographische Zwecke
ganz besonders gut geeignet seyn sollen, wird – nach den
photographischen Mittheilungen – seit einiger Zeit auf
der Glashütte von Jorrest in
Liverpool erzeugt. Gewöhnliches Glas besitzt nämlich eine
natürliche Haut, welche sich dadurch bildet, daß sich die
Außenfläche rascher abkühlt als das Innere. Diese Haut ist
außerordentlich hart und undurchdringlich. Das gewöhnliche Glas
besitzt diese Haut, und Die, welche mit seiner Anwendung für
kleine Photographien vertraut sind, wissen, daß es in Bezug auf
Reinheit bessere Resultate gibt als das Spiegelglas. Letzteres
wird aus Glasscheiden hergestellt, welche man schleift, glättet
und polirt, um ihnen Ebenheit und eine scheinbare Vollkommenheit
der Oberfläche zu geben. Doch gerade dieses ist nur Täuschung.
Durch das Schleifen und Reiben wird die unschätzbare harte Haut,
welche das Glas besitzt, zerstört; das weiche Innere des Glases
wird bloßgelegt und dieses ist verhältnißmäßig empfindlich. Legt
man bedrucktes Papier zwischen solche Glasplatten, so dringt der
fettige Theil der Druckerschwärze in die Poren des Glases ein,
und läßt sich nicht wieder daraus entfernen. Ebenso absorbirt
eine Platte, auf der man schon einmal ein Negativ entwickelt
hat, einen Theil des ausgeschiedenen Silbers, und es ist vielen
Photographen gewiß schon vorgekommen, daß, wenn sie auf
derselben Platte ein zweites Negativ entwickelten, das erste
Bild sich zugleich mit dem neuen auf der vorher anscheinend
reinen Platte mit wunderbarer Schärfe entwickelte. Tritt auch
nicht jedesmal die Störung in solch' entschiedener Gestalt auf,
so ist doch der poröse Charakter des Spiegelglases die Ursache
von vielen Fehlern. Jorrest stellt
nun gewöhnliches Scheibenglas dar, welches durch geeignete
Maschinen sorgfältig polirt wird. Bei dieser Behandlung wird die
harte Haut nicht fortgeschafft und man erhält ein Glas, das frei
ist von allen Unregelmäßigkeiten, dunkeln Stellen, Unebenheiten
etc., so daß es die Vortheile des Spiegelglases mit denen des
rheinischen verbindet.
Ueber das Verhalten der mit Rosanilin
gefärbten Zeuge gegen Reagentien; von Philipp Holland.
Der Verf. stellte eine Reihe von Versuchen an, um zu entscheiden,
ob man auch in dem auf der Faser fixirten Fuchsin die
vertretbaren Wasserstoffatome durch Radicale ersetzen und somit
das Roth in andere Farben verwandeln könne.
Es gelang dem Verf. roth gefärbte Seide in violett gefärbte zu
verwandeln, als er dieselbe in verschlossenen Gefäßen etwa 2
Stunden lang mit Jodäthyl auf 100 bis 110° C. erhitzte.
Das Jodäthyl muß jedoch, wenn der Versuch gelingen soll,
vollkommen trocken seyn, da bei Gegenwart von Feuchtigkeit die
Seide in Folge der Bildung von Jodwasserstoffsäure angegriffen
wird. Uebrigens ist es zweckmäßig, das Jodäthyl mit wenigstens
dem sechsfachen Volumen trockenen Benzols zu verdünnen. Das so
hergestellte Violett vertrug das Waschen besser, als das in
gewöhnlicher Weise mit Triäthylrosanilin gefärbte.
Daß es gelingen werde, das auf der Faser fixirte Fuchsin durch
Substituirung von Phenyl in Blau zu verwandeln, ist wenig
wahrscheinlich, da diese Umwandlung eine Temperatur von circa 180° C. voraussetzt bei
welcher die Seidenfaser leidet. Wohl aber gelingt die
Ueberführung in Rothviolett durch Behandlung mit Aldehyd. Mit
Fuchsin gefärbte Seide ändert sofort die Farbe, wenn man sie in
mit Schwefelsäure angesäuerten rohen Aldehyd einlegt. Nach
Verlauf einer halben Stunde ist die Reaction beendigt. Auch kann
man so verfahren, daß man 1 Theil zweifachchromsauren Kalis in 6
Theilen Wasser löst, 1 Theil Schwefelsäure zufügt, gut kühlt, in
kleinen Portionen unter stetem Umrühren etwa 1 Theil Alkohol
zufügt und nach gehöriger Abkühlung die roth gefärbte
Seide einlegt. Das so hergestellte Rothviolett ist bei
Tageslicht außerordentlich lebhaft, bei künstlichem Licht etwas
stumpfer. Man bezeichnet das Aldehydviolett in der Regel als
wenig beständig; das in der angegebenen Weise auf Seide fixirte
soll indessen beständig seyn, und der Verf. ist der Ansicht, daß
auf diesem Wege Seide violett zu färben im Großen billiger
auszuführen seyn werde, als die Fixirung anderer Violetts. Bei
Anwendung einer concentrirten Aldehydlösung soll eine mehr blaue
Nuance resultiren, welche selbst kochender Seifenlösung sehr gut
widersteht.
Ein Versuch, das auf Seide fixirte Fuchsin in Grün zu verwandeln, gab ein negatives
Resultat, da unter den Bedingungen, welche das Grün
hervorbringen, die Seide leidet.
Die mitgetheilten Versuche wurden sämmtlich unter Verwendung von
mit Fuchsin gefärbter Wolle
wiederholt und ergaben dabei ähnliche Resultate. Auch auf Baumwolle mittelst Albumin fixirtes
Fuchsin konnte in Aldehydviolett verwandelt werden. (Chemical News, December 1870;
polytechnisches Centralblatt, 1871 S. 598.)
Verfälschung der rothen Anilinfarben,
Fuchsin, Rubin etc.
Hr. Joly, Assistent an der Universität
zu Brüssel, hat gefunden, daß viele rothe Anilinfarben, Fuchsin,
Rubin etc., mit bedeutenden Quantitäten Zucker verfälscht sind.
Analysen haben ihm bewiesen, daß genannte Farbstoffe bis zu 50
Proc. Zucker enthielten. Das beste Verfahren zur Entdeckung des
Zuckers besteht darin, daß man eine Probe des verdächtigen
Farbstoffes mit absolutem Alkohol oder besser mit einer Mischung
von Alkohol und Aether behandelt. Der Alkohol löst die
Farbstoffe auf, indem er den Zucker ungelöst zurück läßt.
(Musterzeitung, Zeitschrift für Färberei etc., 1871, Nr.
13.)
Man vergl. die Mittheilung von A. Ungerer im vorhergehenden Heft S. 339.
Ueber das künstliche Alizarin von Gebrüder Gessert in Elberfeld: von
Dr. H. Grothe.
Das künstliche Alizarin aus Anthracen wird von der Firma Gebr. Gessert in Elberfeld bereits seit dem vorigen
Jahre im größeren Maaßstabe dargestellt. Es ist dieses Product
bereits in sämmtlichen Kattundruckereien Deutschlands, des
Elsaß, Oesterreichs und Rußlands eingeführt und hat überall eine
gleichmäßig günstige Beurtheilung gefunden.
Das künstliche Alizarin wird von den Gebr.
Gessert in den Handel gebracht in Form eines Teiges,
welcher 10 Proc. trockenen, reinen Farbstoff und keine weiteren
fremden Substanzen enthält. Es ist diese Form die geeignetste
für die Anwendung im Druck, weil in ihr das Alizarin in
möglichst feiner Vertheilung sich findet, also geeignet ist,
möglichst große Flächen zu bedecken. Färbeversuche mit
getrocknetem Alizarin und entsprechender Menge Teig, welche
dieselbe Menge trockenes Alizarin enthielt, angestellt, zeigten
eine bedeutend geringere Ergiebigkeit des getrockneten
Productes.
Das Alizarin von Gebr. Bessert ist auf einer Stufe der Reinheit
angelangt, welche nichts zu wünschen übrig läßt. Es ist ca. 25 Proc. stärker als
Krappextract von demselben Gehalte an Trockensubstanz und seine
Farben sind viel schöner, lebhafter und ächter als die des
Krappextractes.
Das Alizarin ist zunächst berufen, als Farbe für die
Dampfapplication zu dienen, und zwar erlaubt es, die mit Krapp
oder Garancin bisher gefärbten Artikel der Kattundruckereien
jetzt als Dampffarben zu drucken. Da es schöner ist als das
bisher zu diesem Zwecke benutzte Krappextract, so wird es diesen
Artikel verdrängen.
Besonders lebhaft und schön ist das mit Alizarin erzeugte Roth.
Als passendes Verhältniß für den Roth druck hat sich folgendes
bewährt:
25
Theile
Alizarinteig von 10 Proc. trockenem Farbstoff,
10
„
Essigsäure von 8° Baumé,
10
„
Baumöl
werden mit einander gerührt, bis die Masse
gleichmäßig ist; dann werden zugefügt:
3 Theile essigsaure
Kalklösung,
bestehend aus 25 Theilen essigsaurem Kalk
in 100 Th. Wasser, und
45 Theile concentrirte Gummilösung.
Kurz vor dem Drucken gibt man hinzu:
7 Theile essigsaure Thonerde
von 8° Baumé,
welche bereitet wird, indem man aus 10
Pfd. Alaun die basisch-schwefelsaure Thonerde durch Soda
fällt und in Essigsäure auflöst zu 15 Liter Lösung.
Die Stücke werden nach dem Druck getrocknet, dann zwei Stunden
gedämpft, gewaschen und geseift.
Es eignet sich diese Vorschrift auch für den Garndruck.
Eine nicht weniger wichtige Verwendung hat das Alizarin als
Ersatz der fleurs de Garance
(Krappblumen) in der Lilafärberei. 1
Pfd. Alizarinteig ersetzt 7 bis 8 Pfd. fleurs de Garance.
Das Garancin, mit dem das Türkischroth
bisher gefärbt wird, enthält außer dem reinen Alizarin noch
bedeutende Mengen brauner und gelber Farbstoffe, welche alle auf
das gebeizte Garn auffärben, so daß dieses nach der Färbung
schmutzig braunroth aussieht. Durch langwierige Avivagen in
Alkalien, Seifen und Chlor werden die unächten Farbstoffe wieder
vom Garn entfernt, bis endlich die reine rothe Farbe übrig
bleibt. Es ist dieß eine Reihe mühsamer und kostspieliger
Operationen und sind dieselben auch mit Verlusten verknüpft, da
bei dem Abziehen des unächten Farbstoffes unvermeidlich auch
gewisse Quantitäten ächten guten Farbstoffes mechanisch mit
fortgenommen werden.
Alle diese Uebelstände sind hingegen vermieden bei der Anwendung
des Alizarinteiges. Derselbe liefert, da er lediglich reinen und
ächten Farbstoff enthält, direct eine reine Farbe, welche nur
einer leichten Seifung bedarf, um einen Glanz zu zeigen, der den
der Garancinfarbe bei weitem übertrifft. Ebenso sind die mit
Alizarinteig erhaltenen Farben ächter wie die mit Garancin
gefärbten, besonders gegen Chlor, was auch einfach in der
größeren Reinheit des Farbstoffes begründet ist.
In der Türkischrothgarn-Färberei werden 3 1/2 Theile
Garancin durch 1 Theil Alizarinteig vertreten, ein Verhältniß,
das den resp. Preisen ziemlich proportional ist.
In der Färberei des Hrn. J. C. Dunkelnberg in Elberfeld
wird das hellere Rosa mit
6 Pfund
Alizarinteig oder
300 Grm. trockenem Alizarin
auf 100 Pfund Garn gefärbt; das dunklere
mit
9 Pfund
Alizarinteig oder
450 Grm. trockenem Alizarin
auf 100 Pfd. Garn.
Das Alizarin kann also den Hoffnungen entsprechen, welche man bei
Bekanntwerden der Liebermann-Graebe'schen Mittheilungen über die
Auffindung desselben allseitig hegte. Es wird dereinst den Krapp
verdrängen! Diese Aussicht steht unwandelbar fest. Wann dieser
Zeitpunkt eintritt, ist natürlich nicht zu bestimmen, doch läßt
sich erwarten, daß bei dem regen Eifer, welcher von Seiten der
wissenschaftlichen und technischen Chemiker und Industriellen
der Untersuchung und Nutzbarmachung dieses Stoffes gewidmet
wird, der Zeitpunkt nicht fern ist. Ist doch bei dem Alizarin
nach Gessert's Methode bereits
erreicht, daß das künstliche Alizarin mit Krappextract und mit
fleurs de Garance und Garancin
in allen Artikeln, wo es sich um ächte Färbungen handelt,
erfolgreich concurriren kann. Allerdings kann es bei ordinären
Farben, wo Garancin mit Rothholz, Quercitron etc. gleichzeitig
zur Anwendung kommen und auch die unächten Farbstoffe desselben
mit benutzt werden, noch nicht gegen dieses Krapppräparat in
Concurrenz treten. – Wir bringen diese Mittheilung, um
zugleich die Strebsamkeit der Gebr.
Gessert voll anzuerkennen, da sie die einzigen von
allen Fabriken, welche künstliches Alizarin zu fabriciren
unternommen haben, sind, welche über Production von Proben
hinausgekommen sind, und ein gleichmäßiges Product in größeren
Mengen geliefert haben. (Musterzeitung, Zeitschrift für Färberei
etc., 1871, Nr. 21.)
Ein neues brillantes Hellgrün auf
Wolle.
Es ist noch Niemand auf die Idee gekommen, aus rothem
Blutlaugensalz hellgrün zu färben, weßhalb meine Mittheilung bei
der brillanten Schönheit, Aechtheit besonders in Walke, woran es
bisher bei Hellgrün so sehr mangelte, und Billigkeit, sowie
Einfachheit des Verfahrens gewiß den Betheiligten willkommen
seyn wird.
Ich nehme auf 20 Pfd. Waare (Tuch, Flanell, Garn):
1/2 Pfd. rothes Blutlaugensalz.
1 „ englische
Schwefelsäure,
gehe dann mit der Waare in kaltem Kessel
ein, lasse den Kessel rasch bis zur Kochhitze treiben und die
Waare 1 Stunde lang kochen. Sodann wird die Waare (Tuch,
Flanell) aufgedreht, die Garne ausgehoben, und in dieselbe
Flotte (Bad) 3 Loth (nach gelber Nuance mehr, blauer Nuance
weniger) Pikrinsäure gegeben, worauf nach nochmaligem
viertelstündigen Kochen die Waare fertig ist. Wolle bedarf
natürlich dessen etwas mehr. Ein Grün mit diesem Verhältniß wird
in der Dunkelheit des sogenannten
„Sächsisch-Grün,“ nur bedeutend
schöner, als dieses aus Indigo-Composition oder Carmin
erzeugt ist.
Will man nun ganz hellgrüne Nuancen, Wassergrün, Erbsgrün etc.
herstellen, so muß man selbstverständlich die Quantität des
Kalisalzes verringern, z.B. 20 Pfund Waare: 5, 8, dunkler 10
Loth rothes Blutlaugensalz, 1 Pfd. Schwefelsäure, Behandlung wie
oben, sodann 1/2, 1 bis 2 Loth Pikrinsäure.
Am schönsten fallen die Grün aus, wenn man den Kessel, nachdem
kalt eingegangen wurde, rasch in die Hitze trieb, also am
Grellsten und Lebhaftesten in Holzkufe und Dampfheizung; werden
dieselben jedoch im Kupferkessel und mit Unterfeuer gemacht, so
übertreffen sie selbst da die bisherigen Indigogrün und sind
ganz walk- und ziemlich luftächt, wenigstens luftächter
als die bisherigen.
Das Eingehen der Waare kalt in den Kessel ist unbedingt
nothwendig und zwar aus folgendem Grunde: Wird der Kessel, in
welchem das rothe Blutlaugensalz und die englische Schwefelsäure
sich befinden, angeheizt, bevor die Maare in demselben, so
bildet sich ein Niederschlag (das Berlinerblau), welcher
theilweise im Kessel, am Kesselrand, Haspel (Lummel), Stöcken
etc. sich ansetzt. Würde also auf diese Weise manipulirt, so
wäre das fast doppelte Quantum rothes Blutlaugensalz
erforderlich, um nur kaum die Nuance so dunkel zu bringen als es
so auf die einzig richtige Art mit dem einfachen Quantum erzielt
wird. Außerdem wird die Farbe bedeutend trüber, und schmutzt die
Waare.
Es hat mir diese Färbeweise bisher, seitdem ich das richtige
Verhältniß ermittelt habe, noch nie mißglückt und färbe ich mit
der größeren Sicherheit. – Ein tieferes Grün jedoch als
mit höchstens 1 Pfd. Kalisalz auf 20 Pfd. Waare ist nicht gut zu
erzeugen, da mehr Kalisalz auch mehr Schwefelsäure erfordern
würde und dieselbe der Waare nicht von Nutzen ist. Carl Pfundheller.
(Wollengewerbeblatt.)
Anwendung des neutralen Wasserglases zur
Wollwäsche.
Eine höchst wichtige Mittheilung für die Woll-Industrie
ist die Anwendung des neutralen Wasserglases zur Wollwäsche.
Die Behandlung ist so einfach und billig, daß man nach einem
kleinen Versuche bald die Ueberzeugung gewinnt, daß das
Wasserglas wohl das beste und billigste bis jetzt bekannte
Waschmittel, besonders für Wolle ist.
Man nimmt auf 40 Theile 40–45 Grad Réaumur warmes
Wasser, 1 Theil von unserem zu diesem Zwecke bereiteten
neutralen Wasserglas, legt die Wolle einige Minuten lang hinein
und verarbeitet sie ein wenig mit der Hand; alsdann spult man
dieselbe mit kaltem oder lauem Wasser aus, und erhält eine Wolle
so vollständig rein weiß und so total geruchlos, daß man das
Resultat dieser Manipulation kaum glauben würde, wenn man die
Probe nicht selbst gemacht hätte. Die Wolle bleibt auch nach
dieser Wäsche vollständig weich, leidet überhaupt durch dieselbe
nicht im Geringsten an Qualität, selbst wenn sie mehrere Tage in
der Wasserglaslösung liegen bleibt und dann erst mit warmem
Wasser ausgespült wird.
Man kann auf diese Weise nicht allein die Wolle sehr rasch
waschen, indem man sie in Körben oder Netzen einigemal in einer
wie oben bereiteten 40–49 R. warmen
Wasserglas-Lösung auf und ab läßt und alsdann mit klarem
Wasser wieder abspült, sondern auch die Schafe
werden sehr leicht und schnell schneeweiß, wenn man sie, nachdem
man ihnen die Augen durch Verbindung geschützt, in einem
Behälter mit obiger Lösung von 40–45° R. Wärme
eine Minute wäscht und dann mit reinem Wasser abspült.
In Kammgarnspinnereien müßte die Wolle erst in ein Bad von 40
Theilen 40–45° R. warmem Wasser und 1 Th.
Wasserglas 10 Minuten eingeweicht und dann in ein zweites Bad
von 80 Theilen circa 30°
warmem Wasser und 1 Theil, Wasserglas gebracht werden.
Man erhält auf diese Art eine sehr schöne und gewiß billige
Wäsche ohne Anwendung von Seife und Soda; die Wolle wird
mindestens ebenso weiß, rein und weich, wie nach allen bis jetzt
bekannten Waschmethoden.
Auch bei der gewöhnlichen Hauswäsche leistet das Wasserglas
Unglaubliches.
In eine Mischung von 20–30 Th. 40–50° R.
warmem Wasser mit 1 Th. unseres Wasserglases legt man die Wäsche
Abends hinein und bearbeitet sie des Morgens mit einem Stock,
nachdem man die Brühe vorher mit etwas warmem Wasser wieder
aufgewärmt hat, dann legt man die Wäsche zum Abträufeln über ein
Bret oder über ein paar Stöcke und findet an der schmutzigen
Brühe, die zurückbleibt und abläuft, daß der größte Schmutz
bereits aus der Wäsche entfernt ist; was davon noch in der
Wäsche sitzt, läßt sich mit wenig Seife rasch entfernen. Es ist
nun rathsam, die Wäsche nochmals mit einer schwachen
Wasserglaslösung (auf 50 Theile Wasser, 36–40° R.
warm, nimmt man 1 Th. Wasserglas) zu behandeln und dann mit
reinem warmem Wasser auszubrühen. (Noch einfacher geschieht dieß
in der Waschmaschine.)
Die auf diese Weise erhaltene Wäsche ist blendend weiß und bedarf
der Bleiche nicht, dazu stellt sich dieß Verfahren wesentlich
billiger und läßt sich viel rascher bewerkstelligen, als das
bisher gewohnte mit Soda und Seife.
Farbige Wollstoffe werden in einer schwachen
Wasserglas-Lösung von 50 Th. 30–40° R.
warmem Wasser und 1 Th. Wasserglas gewaschen.
Wir belassen das Wasserglas ab Worms und Filiale in Berlin,
Hermsdorfer Straße Nr. 4 und 5, à 1 2/3 Thlr. per
50 Kil. in Petroleumfässern und bemerken, daß dasselbe auch von
unserem Zweiggeschäft Firma „K. K. p.
Wasserglasfarben- und chemische
Producten-Fabrik in Wien“ (Wieden),
Wielandgasse Nr. 3, zu beziehen ist.
v. Baerle und Comp. in Worms.
(Gewerbeblatt für das Großherzogthum Hessen,
1871, Nr. 15.)
Das Tannin in der Bierbrauerei.
Das Tannin ist bekanntlich der reine Gerbstoff der Galläpfel und
besitzt alle Eigenschaften des Hopfengerbstoffes, von welchen
wir wissen, daß auf seiner Anwesenheit in den Blättern der
Hopfendolde wesentlich die klärenden und conservirenden
Eigenschaften des Hopfens beruhen. Ein Zusatz von 15 Grammen
Tannin, welches einen Werth von 1 1/2 Sgr. besitzt, wirkt eben
so klärend und läuternd auf das Bier, wie 1 Pfund bester Hopfen.
Es liefert das Tannin, welches vor seiner Anwendung in der
acht- bis zehnfachen Menge warmen Wassers gelöst und dann
der Würze zugesetzt wird, während des Kochens eine vollständige
Klärung und auf dem Kühlschiffe einen schnell sich
abscheidenden, festen Kühlschlamm. Der Hopfen kann demzufolge in
allen den Fällen, in welchen man, auf dessen Aroma und
Bitterstoff verzichtend, ein süßes, weiniges Bier herstellen
will, vollständig und mit Vortheil durch Tannin ersetzt werden,
und die Anwendung dieses neuen Klärungsmittels bahnt die
Fabrication ganz neuer, hopfenfreier Biersorten an, und überhebt
den Brauer der Anwendung der (ebenfalls durch ihren Gehalt an
Gerbstoff wirkenden) Späne und aller sonstigen Klärstoffe.
Mit der Anwendung des Tannins wird aber in der Bierbrauerei eine
ganz neue Epoche hervorgerufen, die als Zielpunkt die
Darstellung der sogenannten Lusacbiere besitzt, auf welche wir später zurückkommen
werden, und mit deren Bereitung die deutsche Bierbrauerei sich
an die Spitze der Reorganisation des deutschen Brauverfahrens
überhaupt zu stellen berufen ist. (Der Bierbrauer, 1871, Nr.
1)