Titel: | Weitere Mittheilungen über das Schröder-Weinrich'sche Schleuderverfahren und die von Alb. Fesca & Comp. in Berlin zu diesem Verfahren gelieferten Zucker-Centrifugen; von Dr. Alfred Marschall. |
Fundstelle: | Band 203, Jahrgang 1872, Nr. XCVIII., S. 396 |
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XCVIII.
Weitere Mittheilungen über das Schröder-Weinrich'sche
Schleuderverfahren und die von Alb. Fesca & Comp. in Berlin zu diesem Verfahren gelieferten
Zucker-Centrifugen; von Dr. Alfred Marschall.
Marschall, über das Schröder'sche
Zuckergewinnungsverfahren.
Die vor 20 Jahren erfolgte Einführung der Centrifuge in die Zuckerindustrie wurde mit
Recht als ein großer Fortschritt begrüßt, da mit derselben eine schnelle und scharfe
Trennung des krystallisirten Zuckers von dem ihm anhängenden Syrup ermöglicht
wurde.
Anfänglich diente die Centrifuge vorzüglich zur Gewinnung der Rohproducte, bald aber
wandte man sie auch zur Gewinnung von Krystallzuckern, hochpolarisirenden ersten
Producten und Farmen an. Es ist daher wohl kein Zweifel darüber, daß die Benutzung
der Centrifuge in der Zuckerfabrication eine neue Epoche derselben bezeichnet. Den
eigentlichen Höhepunkt scheint diese Epoche jedoch erst jetzt finden zu sollen,
durch das neue von Hrn. Schröder erfundene und von Hrn.
Weinrich in Deutschland eingeführte Verfahren der
Anwendung der Zucker-Centrifuge, welche für diese Anwendung durch Hrn. Fesca eine äußerst sinnreiche Vervollkommnung erfahren
hat. Die zu dem neuen VerfahrenMan sehe über dieses Verfahren den Bericht von Dr. O. Kohlrausch in diesem Bande des polytechn. Journals S. 133 (zweites Januarheft
1872). dienende Centrifuge ist mit zwei originellen Einrichtungen versehen worden,
nämlich mit einem eigenthümlichen Deckapparat und mit dem Fesca'schen Gleichgewichts-Regulator. Ohne letzteren würde es für
die Dauer nur schwer möglich seyn, nach dem Schröder-Weinrich'schen Verfahren zu arbeiten, da, wie unten noch
erwähnt wird, die Belastung der Centrifuge nur mit großer Mühe annähernd gleichmäßig
herzustellen ist. Der von den Erfindern des Verfahrens angegebene und durch die Fesca'sche Lufthaube vervollkommnete Deckapparat
gestattet mit Hülfe eines warmen Nebels von 40 bis 50° R. in circa 30 bis 40 Minuten einen weißen harten Zucker
direct aus der Füllmasse zu schleudern.
Das Schröder-Weinrich'sche Verfahren unterscheidet
sich nun von dem bis jetzt üblichen Schleuderverfahren vor Allem dadurch, daß die zu
schleudernde Füllmasse nicht eingemaischt, sondern in compacter für die Centrifuge
geeigneter Form in die Schleuder eingesetzt wird. Der dadurch erwachsende Vortheil
liegt auf der Hand, da selbstverständlich die beim Maischen stattfindende Zerstörung
von Krystallen von vorn herein ausgeschlossen ist, somit aller in der Füllmasse
enthaltene krystallisirte Zucker als solcher auch sofort gewonnen wird.
Man kann sich von der scharfen Trennung der Krystalle vom Syrup deutlich überzeugen,
wenn man sich einmal die Mühe gibt, den abfließenden Syrup genau mit dem Auge, wie
den Fingern zu prüfen; wohl selten wird es gelingen, namhafte Mengen von Krystallen
darin zu entdecken.
Die Mescheriner Zuckerfabrik schleudert heute (Montag den 30. October 1871) bereits
den 77sten Sud Rohzucker auf diesen Schröder-Weinrich-Centrifugen. Ich beabsichtige jedoch noch
nicht, den Zuckerfabrikanten absolute Zahlen zu geben, da
die gewonnene Ausbeute je nach der angewandten Füllmasse sich verschieden gestaltet;
das aber kann ich mit größter Ueberzeugung aussprechen, daß auf noch keine andere
Art eine so bedeutende Ausbeute aus der Füllmasse erzielt wurde. Hierbei darf aber
nicht unerwähnt bleiben, daß man verstehen muß, sich für dieses Verfahren einmal
eine geeignete Füllmasse zu bereiten, dann aber dieselbe bis zum Tage des
Schleuderns, was mit Vortheil schon nach 24 Stunden geschehen kann, zu behandeln.
Eine Fabrik, welche im Stande ist, gut laufende, stramme Brode zu kochen, wird in
der Darstellung einer geeigneten Füllmasse für das Schröder-Weinrich'sche Verfahren keine Schwierigkeiten finden. Wie
beim Kochen auf Brode es keine seltene Erscheinung ist, daß die Brode ohne sofort in
die Augen fallende äußere Veranlassung plötzlich aufhören zu laufen, so wird es auch
bei dem neuen Schleuderverfahren zeitweise vorkommen, daß der Syrup sich nicht so
bereitwillig von den Krystallen trennt; es gibt dann aber verschiedene leicht
auszuführende Handgriffe, um diesen Uebelstand zu beseitigen und einen verkäuflichen
Zucker zu erzielen. Es ist mir gerade gelungen, aus solchen schlecht laufenden
Füllmassen mit Hülfe einer kleinen Decke recht hoch polarisirende Zucker zu
gewinnen, ohne daß die Ausbeute dadurch erheblich geschmälert worden wäre. Hr. Fesca ist in diesem Augenblick damit beschäftigt, der
Centrifuge noch eine einfache Einrichtung zuzufügen, um eine derartige Decke mit
aller Leichtigkeit geben zu können, und sollen hier schon in den nächsten Tagen
Versuche damit angestellt werden.
Ueber die Arbeit auf weiße Waare kann ich bis heute noch kein sicheres Urtheil
fällen, da nur dann und wann einige Centrifugen ausgedeckt wurden. Die wenigen
Versuche aber, welche angestellt wurden, waren in den meisten Fällen
zufriedenstellend, da stets 58 bis 60 Proc. Zucker von 99 Proc. Polarisation aus der
Füllmasse resultirten. Ich bin aber bis heute noch nicht in der Lage die Bedingungen
anzugeben, unter denen sich eine Rohzuckerfüllmasse besonders gut zur Deckarbeit eignet. Diese Frage wird
ihre Lösung in einer Fabrik finden müssen, welche vorwiegend auf weihe Waare
arbeitet; Mescherin arbeitet nur kleine Posten davon. Nur das Eine läßt sich als
sicher hinstellen, daß die Deckvorrichtung es gestattet, einen vollkommen weißen und
harten Zucker zu schleudern, und daß eine bei weitem größere Ausbeute hierbei
erreicht wird, als dieses auf gewöhnlichen Centrifugen mit Hülfe einer
Wasser- oder Saftdecke der Fall ist. – Aber nicht nur um vollkommen
weiße Waare herzustellen, ist die neue Deckeinrichtung von so großem Werth, sondern
auch um hochpolarisirende Rohzucker zu erzielen. Läßt man nämlich die Dampfdecke
einige Minuten auf die in der Schleuder befindliche Füllmasse wirken, so gelingt es
dadurch eine theilweise Deckung des Zuckers hervorzubringen. Zermahlt man dann die
erhaltenen Zuckerstücke mit Hülfe der Zuckermühle zu einem gleichmäßigen Gemisch, so
resultirt ein schön Heller hochpolarisirender Rohzucker. Ja man kann durch
Innehaltung einer bestimmten Zeit und Temperatur der Decke, mit Leichtigkeit einen
Zucker von gewünschter und gleichmäßiger Polarisation aus der Füllmasse schleudern.
Das Schröder-Weinrich'sche Verfahren ist ferner
noch deßhalb als ein großer Fortschritt zu begrüßen, als wir dadurch aller
Abhängigkeit von dem mit dem Schleudern betrauten Arbeiter vollkommen überhoben
sind. Was überhaupt aus einer Füllmasse zu erreichen ist, das wird sicher nach
diesem Verfahren erreicht werden, wenn man die Füllmasse selbst nur, wie schon oben
gesagt, für das Verfahren herzustellen versteht. Dieses ist aber nicht schwierig,
und ein guter Bodenmeister wird bald den Schwerpunkt des Verfahrens herausfühlen.
– Vor allen Dingen lasse man sich nicht durch die kleinen Schwierigkeiten
zurückschrecken, die sicherlich bald nach wenigen Tagen verschwinden werden.
Die Herren Fesca und Weinrich
haben sich in Mescherin selbst überzeugt, daß die Arbeiter, wenn sie einige Tage mit
den neuen Schleudern gearbeitet hatten, nur mit Unlust an die alten zurückgingen.
Schließlich will ich noch bemerken, daß mir mehrere Briefe von Fabrikanten
vorliegen, welche eine oder mehrere ihrer alten Schleudern für das Schröder-Weinrich'sche Verfahren haben umarbeiten
lassen, nun aber mit dem Gange derselben im höchsten Grade unzufrieden sind. Daran
trägt meiner Vermuthung nach nur das Fehlen des Gleichgewichtsregulators die Schuld.
Dieser ist nämlich völlig unentbehrlich, da bei einer aus 5, im Gewicht nicht selten
um 1 bis 2 Pfd. von einander abweichenden Broden bestehenden Ladung eine
gleichmäßige Beschickung der Centrifuge nicht möglich ist. Was aber der Gang einer
ungleich beschickten Schleuder zu bedeuten hat, weiß jeder Fabrikant aus eigener
Erfahrung. Die von
Albert Fesca und Comp. der Mescheriner Fabrik gelieferten
Centrifugen haben in Folge des so vorzüglich functionirenden Regulators einen allen
Anforderungen entsprechenden Gang, und kann ich daher allen Fabrikanten, welche zum
Schröder-Weinrich'schen Verfahren übergehen
wollen, die aus der Fesca'schen Werkstatt hervorgehenden
Schleudern auf's Wärmste empfehlen. Zu bedauern bleibt nur, daß durch mangelhafte
Einrichtungen, wie sie vorhin erwähnt wurden, ein neues vortreffliches Verfahren
vorübergehend in unverdienten Mißcredit gebracht wird, und daß dadurch Mancher von
einer Einrichtung zurückgehalten wird, zu der er sich sicher entschlossen hätte,
wenn ihm Gelegenheit geworden wäre, Versuchen mit einer vollkommenen Centrifuge
beizuwohnen. (Zeitschrift des Vereines für die Rübenzucker-Industrie im
Zollverein, 1871.)