Titel: | Appreturmittel und Harzproducte auf der Wiener Weltausstellung 1873; von Prof. Dr. W. F. Gintl in Prag. |
Fundstelle: | Band 214, Jahrgang 1874, Nr. LVII., S. 222 |
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LVII.
Appreturmittel und Harzproducte auf der Wiener
Weltausstellung 1873; von Prof. Dr. W. F. Gintl in Prag.Mit besonderer Genehmigung des Hrn. Verfassers auszugsweise entnommen aus dem
officiellen Ausstellungsbericht über „Appreturmittel und
Harzproducte“ (Stärke- und Stärkeproducte, Albumin,
Caseïn, Leim, Hausenblase, dann Lacke, Firnisse, Siegellacke etc.) von
Dr. Wilh. Friedr. Gintl, Professor am deutschen
polytechn. Institute in Prag; Druck und Verlag der k. k. Hof- und
Staatsdruckerei, Wien 1874. (79. Heft. 59 S. in 8. Preis 60 Neukreuzer.)Die Red.
Gintl, über Appreturmittel und Harzproducte etc.
A. Stärkefabrikation und Verwerthung der Nebenproducte derselben.
Als in dem Organismus der Pflanze fertig gebildetes Product des Vegetationsprocesses
kann die Stärke nur insoferne als ein Product der chemischen Industrie angesehen
werden, als ihre Abscheidung und Gewinnung aus Pflanzentheilen unter Umständen auf
die Mitwirkung chemischer Proceduren basirt ist, und man sich doch bei der
Herstellung derselben in
handelsgerechter Form des Chemismus nicht ganz entschlagen kann. Für die
fabriksmäßige Gewinnung der Stärke, deren Vorkommen im Pflanzenreiche ein sehr
allgemeines ist, kommen, wiewohl viele namentlich tropische Pflanzen einen sehr
erheblichen Stärkemehl-Reichthum aufzuweisen haben, gegenwärtig nur wenige in
Betracht. Vornehmlich sind es die Knollen der Kartoffel, dann die Weizen-,
Reis- und Maisfrucht, weiters aber auch die Wurzel von Maranta arundinacea (Pfeilwurz), dann die Knollen der Batate, von Jatropha Manihot, sowie von Helianthus tuberosus, das Mark der verschiedenen Sagusarten, endlich die
Früchte der Eiche und der Roßkastanie, welche in größeren Massen zur Stärkegewinnung
herangezogen werden. Für technische Zwecke haben indeß blos die Stärkemehle aus
Kartoffeln, dann aus Weizen, Mais und Reis, sowie die Bataten und Maniocstärke,
denen sich etwa noch die aus Eicheln und Castanien gewonnene Stärke anreiht,
Bedeutung, während alle anderen Stärkemehl-Sorten fast ausschließlich als
Nahrungsmittel Verwendung finden, oder doch nur ausnahmsweise technischen Zwecken
dienen.
In den Gewinnungsmethoden der technisch wichtigen Stärkesorten hat sich seit der
Pariser Ausstellung 1867 nur wenig geändert. Zumal ist die Methode der Kartoffelstärke-Gewinnung, die auch heute noch
vornehmlich in Deutschland und Oesterreich geübt wird, die alte geblieben, und nur
sehr langsam finden die Fortschritte, welche die jüngsten Jahre auf dem Gebiete der
Maschinentechnik gesehen haben, in diesem Zweige der landwirthschaftlichen Industrie
allgemeinen Eingang. So finden wir noch manche Kartoffelstärke-Fabriken,
zumal Oesterreichs, in welchen die alte, nach dem Thierry'schen Principe construirte Reibe neben Rüttelsieben oder wohl gar
Handsieben in Verwendung steht, und nur einzelne Fabrikanten haben den alten
Schlendrian verlassen und durch Einführung rationeller Vorrichtungen gewiß nur sich
selbst den besten Dienst geleistet.
Bei den entschiedenen Vorzügen, welche die neueren besonders durch Fesca
Auch Völkner und in neuerer Zeit Director Markel haben recht brauchbare
Extractionsmaschinen construirt. eingeführten Maschinen für Stärkefabrikation bieten, ist die verhältnißmäßig
geringe Verbreitung derselben schwer begreiflich, und wohl nur theilweise durch den
Umstand erklärlich, daß für die so glimpflich besteuerte Stärkeindustrie der Sporn
fehlt, welcher zur Erhöhung des Ertrages durch Vervollkommnung des Betriebes
aufmuntern würde, und daß insbesondere durch die verhältnißmäßig so schwere
Belastung der Branntweinindustrie eine solche Fülle von Rohmaterial der
Stärkefabrikation zur Verfügung bleibt, daß der weniger streng calculirende
Fabrikant keinen
directen Anlaß findet, an eine vollkommenere Ausbeutung seines Rohmateriales zu
denken. Indeß sollte das Auskommen des Fabrikanten hier nicht allein maßgebend sein,
und es möchte namentlich nicht vergessen werden, daß gewisse Fortschritte im
Betriebe nicht nur die Ausbeute erhöhen helfen, sondern, wie das namentlich von der
Benützung guter Extractionsmaschinen und etwa der Anwendung von Centrifugen –
unter ihnen besonders der Fesca'schen
Raffinirungscentrifuge – gilt, neben der gewiß nicht nebensächlichen
Ersparniß an Zeit und Arbeitskraft, sowie endlich an Räumlichkeiten auch eine nicht
zu läugnende Verbesserung des Productes in seiner Qualität erreichen lassen, die
schon in Hinsicht auf die Erhöhung der Concurrenzfähigkeit des Erzeugnisses nicht
unterschätzt werden sollte. In rationell eingerichteten
Kartoffelstärke-Fabriken ist gegenwärtig fast allgemein das mechanische
Verfahren, unter Anwendung von Waschmaschinen, Reiben und Bürstmaschinen (meist Fesca'scher Construction)Die Völkner'schen Extractionsmaschinen erfreuen
sich insbesondere in Oesterreich einer gleichfalls ziemlich allgemeinen
Anwendung. in Uebung und hie und da, zumal in größeren Betriebsstätten, haben mit gutem
Erfolge auch die Centrifugen Eingang gefunden. Die von der Pariser Ausstellung her
bekannte Kartoffelreibe von Champonnois scheint trotz der
Vortheile, die sie wenigstens der Thierry'schen Reibe
gegenüber bietet, sich wenigstens in Deutschland und Oesterreich nicht eingebürgert
zu haben. Das Völkner'sche Verrottungsverfahren ist nur
vereinzelt in Anwendung und wird mit Vortheil wohl nur für die Ausbeutung des
Stärkerückhaltes der Pulpa dort verwendet, wo man für diese als Futtermittel keine
genügende Verwendung hat.
Auf dem Gebiete der Fabrikation von Weizenstärke, welche
neben der Kartoffelstärke in Deutschland, Oesterreich und Frankreich eine
hervorragende Rolle spieltObwohl sie neuestens durch die sich billiger stellende Reis- und
Maisstärke gewaltige Concurrenz bekommen hat., hat in den letzten Jahren das ältere Säuerungsverfahren ziemlich allgemein
dem rationelleren Martin'schen VerfahrenBeschrieben in diesem Journal, 1861 Bd. CLXII S. 439. Platz gemacht, und nur sehr vereinzelt, fast nur in kleineren
Betriebsstätten, trifft man die auch in sanitärer Hinsicht nicht ganz vorwurfsfreie
Gährungsmethode noch an. In der Praxis des Martin'schen
Verfahrens selbst hat sich nichts Nennenswerthes geändert, und ließe sich in Bezug
auf die in Anwendung stehenden mechanischen Vorrichtungen kaum ein nennenswerther
Fortschritt bezeichnen, ausgenommen etwa die auch hie und da mit Vortheil
eingeführte Centrifugirung des zu raffinirenden und endlich zur Trocknung
vorzubereitenden Productes. Hand in Hand mit der Verallgemeinerung des Martin'schen Verfahrens geht die rationelle Verwerthung
des als Nebenproduct fallenden Klebers, und fast alle größeren
Weizenstärke-Fabriken haben es vorgezogen, diesen früher wenig geschätzten
Abfall der Weizenstärke-Fabrikation in eine Form zu bringen, in welcher er
nicht nur für den allgemeinen Handelsverkehr geeignet, sondern auch besser
verwerthbar ist, als dies vordem der Fall war.
Neben der Weizenstärke haben in der jüngsten Zeit auch die Reis- und ferner die Maisstärke eine
besondere Bedeutung erlangt. Erstere, schon zur Zeit der Pariser Ausstellung
namentlich in England in bedeutender Ausdehnung erzeugt, hat sich seither auch auf
dem Continente eingebürgert und wird namentlich in Belgien, dann aber auch in
Deutschland, Frankreich und Oesterreich, sowie in Italien in größerem Maßstabe
erzeugt. Für die Gewinnung derselben bildet der Bruchreis ein vortrefflich
geeignetes Rohmaterial, und die Schwierigkeiten, welche der fabrikmäßigen Erzeugung
derselben anfänglich im Wege standen, scheinen durch die ziemlich allgemein
gewordene Anwendung des Macerationsverfahrens mit Alkalien ziemlich beseitigt.
Namentlich für die Zwecke der Appretur ist Reisstärke vortrefflich geeignet und ist
in dieser Hinsicht, wie schon Fesca nachgewiesen hatVergl. dies Journal, 1871 Bd. CXCIX S. 245., trotz des höheren PreisesDer Preis der Reisstärke, der vor wenig Jahren noch 25 fl. und darüber
betrug, stellt sich heute im Durchschnitte kaum höher als 18 fl. österr.
Währung pro Centner, so daß sie gegenwärtig auch
in Hinsicht auf den Kostenpunkt der Weizenstärke vorzuziehen ist. der Weizenstärke entschieden vorzuziehen. Besonders für die Appretur
feinerer Waaren hat sie vor der Weizenstärke den Vorzug geringerer Klebrigkeit und
überdies insbesondere das voraus, daß sie, weil fast ausschließlich mittels eines
Schlemmprocesses gewonnen, frei von Sand und anderen Verunreinigungen ist, die
selbst in hochfeinen Weizenstärke-Sorten nicht immer fehlen.
In gleichem Maße wie die Reisstärke beginnt auch die Maisstärke unseren heimischen
Stärkesorten immer mehr Concurrenz zu machen, und ist die
Maisstärke-Fabrikation, die vor wenig Jahren fast nur in Nordamerika und
Brasilien, wo sie sich vor etwa 30 Jahren eingebürgert und dort seither die
Fabrikation von anderen Stärkesorten völlig verdrängt hat, dann aber auch in
Australien heimisch war, neuestens auch am Continente in Aufnahme gekommen, obwohl
sie da noch lange nicht jene Bedeutung gewonnen hat, welche sie für gewisse
maisbauende Länder, namentlich für Ungarn, haben könnte.
Bei dem Umstande, daß, wie J. Wiesner
Vergl. Wiesner: die Rohstoffe des Pflanzenreiches.
(Verlag von Wilhelm Engelmann. Leipzig 1873.)D. Red. durch seine bemerkenswerten Untersuchungen nachgewiesen hat, der Maisstärke
ein größeres Steifungsvermögen zukommt als der Weizenstärke, ist sie für
Appreturzwecke besonders schätzenswerth, und wäre es gewiß der Erwägung werth, ob
unsere maisproducirenden Länder ihr Bodenerträgniß durch die Verwerthung der
Maisfrucht für Stärkefabrikation nicht wesentlich zu erhöhen vermöchten.
–
An die Besprechung der Stärke schließt sich naturgemäß jene der Verwerthung der Nebenproducte der Stärkefabrikation an. Es ist eigentlich
blos der bei der Darstellung der Stärke aus Körnerfrüchten abfallende Kleber, welcher uns unter diesen interessirt, da die
Schlamm- und Schabestärke für die Herstellung geringerer Qualitäten von
Leiogomme sehr gut verwendbar ist, und also als Nebenproduct eigentlich nicht mehr
in Frage kommt.Die Verwerthung der bei der Stärkefabrikation resultirenden Wässer, die
bekanntlich wegen der Leichtigkeit, mit welcher sie der Fäulniß
anheimfallen, nicht selten wesentliche Uebelstände für die Nachbarschaft
solcher Fabriken im Gefolge haben, ist neuerlich durch Markl in der Weise versucht worden, daß er dieselben in
Sammelbassins mit Kalkmilch fällt, wobei ein Niederschlag resultirt, der für
Dungzwecke ganz geeignet ist, während das überstehende Wasser als weniger
schädlich abgelassen werden kann. Wie bereits oben erwähnt, wird es mit der Einführung des Martin'schen Verfahrens für die Production der
Getreidenamentlich der Weizenstärke möglich, den Kleber in einer weit brauchbareren
Form zu gewinnen, als das bei irgend einem Gährungsverfahren thunlich ist. So hat
man sich denn auch ziemlich allgemein gewöhnt, den Kleber in Blättern oder Scheiben
getrocknet in einer des allgemeinen Verkehres fähigen Form in den Handel zu bringen,
und beschränkt sich nicht mehr auf den nur localen Absatz desselben als Klebemittel
für Lederarbeiter, welches neben der Verfütterung oder gar der Anwendung zu
Dungzwecken früher die fast allein übliche Verwendung dieses Nebenproductes der
Stärke-Industrie war. In solcher Gestalt, in welcher er nicht mehr das
eckelhafte, vor jedem Versuche einer anderen Verwendung abschreckende Wesen der
Schusterpappe hat, findet er auch mehr und mehr in anderen Industriezweigen
Anwendung. So ist namentlich für die Zeugdruckerei der Kleber unter dem Namen Lucin schon längst als in manchen Fällen anwendbares
Surrogat für Albumin empfohlen worden und hat erst in jüngerer Zeit in Thom und Rosenstiel, sowie in
G. Schäffer warme Fürsprecher gefunden. Wenigstens für
geringere Waaren wird sich hier für ihn gewiß Verwendung finden lassen. Als
Nahrungsmittel für Menschen, als welches ihn Lichtenstein, dann die Gebrüder Veron und endlich Grünsberg in Gestalt von mit Mehlzusatz hergestelltem
Klebergries, Klebergraupen und Klebermehl einzuführen sich Mühe gaben, hat er noch
nicht viel Anklang gefunden, wiewohl er seines relativ hohen Stickstoffgehaltes
wegen entschieden einen bedeutenden Nährwerth repräsentirt.
Das Publicum hat sich eben noch nicht gewöhnt, dem theoretischen Werthe seiner
Nahrungsmittel eine besondere Beachtung zu schenken und findet in der ungewohnten
Form oder der Fremdartigkeit der Eigenschaften nur allzu leicht Anstoß, sich an ein
Nahrungsmittel zu gewöhnen, selbst wenn der Nahrungseffect desselben noch so sehr zu
dessen Gunsten spricht. So wird sich denn wohl die Verwendung des Klebers als
Nahrungsmittel auch noch ferner auf die Mitbenützung desselben für die Fabrikation
von Macaroni und Suppenspeisen beschränken, in welcher er bekanntlich seit Langem
ein ganz brauchbares Surrogat für die kostspielige Eisubstanz abgibt und sich in
dieser Verkleidung selbst in die Küchen unserer Gourmands eingeschlichen hat. Wenn
sich also für die Verallgemeinerung des Klebers als Nahrungsmittel schwer Propaganda
machen läßt, so könnte dieser dem Leim theilweise verwandte Körper wenigstens in der
Industrie immerhin noch manche Verwendung finden, und wäre namentlich die Frage
seiner Verwendbarkeit für die Zwecke der Papierindustrie (Animalisiren) immerhin
einer Erwägung werth.
B. Albuminfabrikation und Verwerthung der Nebenproducte derselben.
Die umfassenden Fortschritte und Neuerungen, welche sich auf dem Gebiete der
Zeugdruckerei in den letzten zwanzig Jahren ergeben haben, gaben den Impuls zur
Entwickelung jener Industrie, welche sich die Aufgabe setzt, den für die Zwecke der
bestimmten Gewerbe erforderlichen Bedarf an Eiweißstoffen in einer Form
darzustellen, welche die Einführung und den Versandt dieser so wichtig gewordenen
Hilfsstoffe als eigentlichen Handelsartikel möglich macht, und so nicht nur die
Unabhängigkeit des Consumenten von dem Maße der Ergiebigkeit localer Quellen für die
Deckung des jeweiligen Bedarfes herbeigeführt, sondern auch all die
Unannehmlichkeiten beseitigt hat, denen der Consument größerer Massen von solchen
thierischen Eiweißkörpern, bei der leichten Zersetzbarkeit derselben im frischen
Zustande, stets ausgesetzt war. Die Albuminfabrikation ist demnach ein
verhältnißmäßig sehr junger Industriezweig, der, wenn wir nicht irren, ursprünglich
in Frankreich aufgenommen, alsbald weitere Verbreitung gefunden hat und heute in
fast allen civilisirten Ländern in ziemlichem Umfange betrieben wird.
Das Rohmaterial für die Albuminfabrikation bilden einerseits Eier (vornehmlich
Hühnereier), andererseits der frische Blutabfall der Schlächtereien, und zwar wird
diesfalls das Hauptcontingent von dem Rinderblute gebildet, während Schweineblut,
Hammel- und Lammblut in wie begreiflich geringerem Maße zur Verwendung
kommen.
In Bezug auf die Heranziehung des Blutabfalles der Schlächtereien zur
Albuminfabrikation bedeutet dieser Industriezweig in einem gewissen Sinne auch eine
Abfallverwertung, deren Werth nicht unterschätzt werden möchte, wenn man bedenkt,
welche Massen von Thierblut, die andernfalls unbenützt verloren gegeben würden, auf
diesem Wege einer rationellen Verwendung zugeführt werden – abgesehen davon,
daß durch die Einführung einer sorgfältigen Aufsammlung des Blutes ein sanitärer
Vortheil erreicht wird, der darin begründet ist, daß durch die Sammlung und
Verarbeitung des Blutes auf Albumin die sanitären Uebelstände, welche der Betrieb
größerer Schlachthäuser unläugbar im Gefolge hat, entschieden verringert erscheinen.
Die Fabrikationsmethode, welche ja bekanntlich nur darauf ausgeht, das von dem
Eigelb sorgsam gesonderte Weiß der Eier nach erfolgter Klärung zur Trocknung zu
bringen, oder, wo es die Erzeugung von Blutalbumin gilt, die Gewinnung eines
möglichst klaren und schwach gefärbten Serums bezweckt, das im Weiteren gleich dem
Eieralbumin zur Trockenheit gebracht wird, ist heute allenthalben noch dieselbe, wie
sie bereits im Jahre 1865 von Hirzel beschrieben wurde,
und hat die von Kuhnheim in Anregung gebrachte Methode
der Serumgewinnung durch Schlagen des Blutes und Centrifugiren der coagulirten
Massen unseres Wissens nirgends Eingang gefunden, ebensowenig wie sein Vorschlag,
die Trocknung durch Verdampfen im Vacuum zu beschleunigen, sich in der Praxis
eingebürgert hat.
Ueberall gewinnt man ein für bessere Sorten Blutalbumin brauchbares Serum durch
freiwilliges Abträufelnlassen des durch ungestörte Coagulation des Blutes erhaltenen
Blutkuchens, der behufs möglichster Ausbeutung meist geschnitten wird. Es hat die
Erfahrung gelehrt, daß alle Mittel, welche bisher angewendet wurden, die
Serumsausbeuten durch Kunstgriffe, wie Pressen, Abnutschen oder gar Centrifugiren
des Blutkuchens, zu erhöhen, ein für Prima- oder selbst
Secunda-Albumin völlig unbrauchbares Serum liefern, da die Menge des sich dem
Serum beimengenden Blutfarbstoffes auf solchem Wege wesentlich gesteigert wird. Das
Trocknen des Eiweißes oder des Serums geschieht, wie dies wohl ursprünglich der Fall
war, auch heute noch auf Tellern, Tassen u. dergl., welche in Trockenräumen, deren
Temperatur gut regulirt werden kann und die selbstverständlich gut ventilirbar sind,
aufgestellt werden, und es bestehen wohl nur in Hinsicht auf das Material dieser
Tassen, deren Herstellung aus Porzellan (obwohl dies das beste Material wäre)
selbstverständlich für den Großbetrieb viel zu kostspielig wäre, gewisse
Verschiedenheiten, die nicht selten auch in der Qualität des erzielten Albumins zum
Ausdrucke kommen.
Es fehlt auch heute noch an jedweder brauchbaren Methode, um aus einem stärker
gefärbten Serum ein blasses Albumin zu gewinnen, ebenso wie bisher ein dem
Eieralbumin im Ansehen völlig gleichkommendes Blutalbumin in größerem Maßstabe noch
nicht dargestellt zu werden vermochte.
Auch die von Köchlin bereits vor Jahren besprochene
Methode des Bleichens von Albumin durch Peitschen mit Terpentinöl (etwa 1/4
Procent), obwohl diese für schwach gefärbte Serumsorten immerhin mit gutem Resultate
verwendet werden kann, ist bei stärker farbigem Rohmateriale ziemlich erfolglos
– abgesehen davon, daß sie nicht ohne Nachtheil für die Qualität des
erzeugten Productes ist. Daß dieser Vorwurf selbstverständlich in noch höherem Maße
von der Anwendung von Säuren (Schwefel-Essigsäure) und anderen zum Zwecke des
Bleichens (Herstellung von Patentalbumin) vorgeschlagenen und nicht selten auch
verwendeten Mitteln gilt, ist klar; denn es wird trotz der Neutralisation mit Ammon,
die natürlich bei Verwendung von Säuren nicht unterlassen werden darf, die Gegenwart
eines fremdartigen Salzes im Albumin nicht für alle Fälle der Verwendung desselben
gleichgiltig sein.
Die Praxis hat sich daher der Verwendung von reinem Eieralbumin, namentlich für die
Zwecke des Kattundruckes, sowie auch für die Herstellung photographischer Papiere
und Platten, nicht entschlagen können, und wird dieser Artikel in immer noch ganz
kolossalen Massen fabricirt, wiewohl sein Preis selbstverständlich ein nicht nur
bedeutend höherer als jener des Blutalbumins ist, sondern auch einem stetigen, nicht
selten bedeutenden Schwanken unterworfen ist. So kostete der Centner Eieralbumin im
J. 1860 und 1861 500 fl. ö. W., der Centner Blutalbumin im selben Jahre 250 fl.;
kurz nach Beginn des amerikanischen Krieges fielen in Folge der für die
Kattunindustrie hereingebrochenen Krise die Preise auf 200 fl. für Eieralbumin und
circa 90 fl. für Blutalbumin, um im J. 1868 und 1869
wieder die enorme Höhe von 900 fl. für Eieralbumin und 450 fl. für Blutalbumin zu
erreichen. Als Mittelpreise lassen sich für Eieralbumin 400 fl. und für
Prima-Blutalbumin 200 fl. ö. W. per Centner
ansetzen.
Der Verbrauch an Blutalbumin, das bei gleicher Tauglichkeit zum Zwecke der
Farbenfixirung nur in Hinsicht auf seine Färbung mit zarteren Farben unverträglich ist,
erweist sich geringer als jener des Eieralbumins, und namentlich wird für dunkle
Nüancen Blutalbumin selbst in Secunda-Qualität noch mit ganz vorzüglichem
Erfolge verwendet. Die Verwendung der Tertia-Qualität des Blutalbumins
beschränkt sich im Allgemeinen auf jene für Zwecke der Zuckerraffinerie, und nur
vereinzelt pflegt eine bessere Tertiawaare noch für den Druck von Schwarzfarben
verwendet zu werden.
Daß sich bei dem hohen Mittelpreise des Albumins, der selbst das Blutalbumin immerhin
noch als ein ziemlich kostspieliges Material erscheinen läßt, allenthalben
Bemühungen geltend machten, das Albumin wenigstens in der Kattundruckerei durch
andere billigere Mittel von gleicher Wirkungsweise zu ersetzen, ist leicht
einzusehen; doch hat trotz des hohen Preises, den die Société industrielle zu Mülhausen auf die Beischaffung eines
solchen Ersatzes ausgesetzt hat, sich bisher kein wirkliches Substitut des Albumins
gefunden, und alle diesfalls vorgeschlagenen Mittel haben sich nur mehr oder weniger
einseitig bewährt. Am meisten hatte dem Albumin noch das bereits im J. 1854 von Grüne empfohlene Caseïn, wenigstens für den
Ultramarindruck, Concurrenz gemacht, wiewohl es jenem gegenüber den entschiedenen
Nachtheil hat, trübe Farben zu geben.
Man hat dasselbe bekanntlich in alkalischen Lösungen angewendet und der Trübung der
damit fixirten Farben durch Zusatz von Oel abzuhelfen gesucht. Das für solche Zwecke
in den Handel gebrachte trockene Caseïn (Lactarin oder Lactrin) einfach durch
Trocknen von gut ausgewaschenem Topfen (Quark) gewonnen, sowie ein mit einem
Alkalizusatz bereitetes Lactarinextract hat lange Jahre hindurch einen bedeutenden
Handelsartikel gebildet, der indeß gegenwärtig nur sehr wenig gesucht ist. Es
scheint, daß auch das schon 1850 von Wagner empfohlene
Magnesiumcaseïnat, selbst in der durch Schlumberger 1871 verbesserten Form der Anwendung mit BaritwasserVergl. dies Journal, 1871 Bd. CCII S. 94.D. Red., sich nicht allgemein eingebürgert hat, wiewohl dieses letztere Verfahren
unstreitig ein sehr rationelles genannt werden darf. Vornehmlich dürfte die nur
bedingt mögliche Verwendung der Caseïnfixage für Anilinfarben die Schuld
daran tragen, daß bei dem gegenwärtigen Herrschen der Anilincouleurs dieses
Fixirungsmittel nur beschränkte Anwendung findet.
Noch weit weniger Verwendung haben die diversen Albuminsurrogate aus Kleber gefunden,
und wenn es sich auch nicht läugnen läßt, daß dem bereits 1855 von Martin für den Kattundruck empfohlenen Kleber ein gewisses
Fixirungsvermögen zukommt, so ist doch die bindende Kraft dieses Körpers dem Albumin
gegenüber eine relativ nur geringe, und dürfte derselbe wenigstens für feinere
Waaren wohl nie besonders in Betracht kommen. Ebenso sind auch die durch
verschiedene Proceduren aus dem Kleber gewonnenen Albuminsurrogate, wie der von Messager und Perdrix im J.
1860 empfohlene Kleberleim, dann der im selben Jahre von Hanon in Vorschlag gebrachte Eiweißleim (gefaulter Kleber), sowie das
schon früher von Scheurer-Rott anempfohlene
Albuminsurrogat (Kleber, durch Einwirkung schwacher Säuren verändert), nur ephemere
Erscheinungen geblieben, von denen sich keine recht Bahn gebrochen hat, oder doch
wie das beispielsweise von dem bereits früher erwähnten Lucin gesagt werden kann,
nur für die Fabrikation geringerer Waaren Anwendung gefunden haben.
Die seinerzeit von der Société industrielle
in etwas vorschneller Weise belohnte, mit großen Erwartungen begrüßte Idee, welche
G. Leuchs
Vergl. dies Journal, 1862 Bd. CLXV S. 317.D. R. bezüglich der Verwendbarkeit des an den nordischen Fischschlächtereien so
massenhaft resultirenden Fischrogens für die Gewinnung eines dem Albumin völlig
gleichkommenden Proteïnates faßte, ist bisher Idee gebliebenDie durch längere Zeit im Betriebe gestandene Fabrik von Sahlström in Jönköping, welche die
Albuminfabrikation aus Fischrogen betrieb, scheint neuestens aufgelassen
worden zu sein., und scheint Dollfus Recht gehabt zu haben, wenn
er derselben eine besondere Bedeutung absprach. Tatsächlich hat das Fischalbumin,
das wiederholt versuchsweise zu Markte gebracht wurde, bisher dem Eier- oder
Blutalbumin gar keine Concurrenz gemacht. Es schließt dies indeß die Möglichkeit
keineswegs aus, daß durch ein geeigneteres Verfahren sich die Mängel des bisher aus
Fischrogen erzielten Productes beseitigen lassen und dieses Material denn doch zu
Ehren gebracht werden könnte. Wenigstens dürften heute noch nicht alle Hoffnungen in
dieser Hinsicht aufzugeben sein.
Eine besonders wichtige Frage bildet für den Albuminfabrikanten die Verwerthung der Nebenproducte
seiner Industrie. Es sind dies bei der Fabrikation des Eieralbumins die Eidotter,
bei jener des Blutalbumins die vom Serum befreiten Blutkuchen. Wie groß die
Wichtigkeit der Lösung dieser Frage ist, erhellt, wenn man erwägt, daß für die
Erzeugung von 1 Pfund Eieralbumin durchschnittlich 180 bis 200 Stück Eier verwendet
werden müssen, daß somit eine gleich große Anzahl von Eidottern resultiren, die bei
irgend größerem Fabriksbetriebe nicht leicht preiswürdig an Mann gebracht werden
könnten, wenn, wie es
bei der leichten Zersetzbarkeit der Substanz des Eigelbs Erforderniß ist, der
Vertrieb dieses Nebenproductes rasch von Statten gehen muß.
Die erste Verwendung, welche das bei der Albuminfabrikation abfallende Eigelb
gefunden hat, war jene, welche Sacc in Wesserling (Elsaß)
(der, wenn ich nicht irre, überhaupt der Erste war, welcher mit der Fabrikation von
trockenem Albumin sich befaßte) einführte, indem er dasselbe auf eine ziemlich
weiche Seife, Eierseife, verarbeiten ließ. Eine derartige Verwerthung konnte aber
offenbar auf die Dauer nicht rentiren, und so versuchte man zunächst das Eigelb
durch passende Zusätze auf längere Zeit zu conserviren. Solcher
Conservirungsmethoden sind ziemlich viele, mit mehr oder weniger Erfolg, in
Anwendung gekommen. Von den bekannten Mitteln, welche diesfalls angewendet werden,
sind die ältesten das 1856 von Mosselmann vorgeschlagene
Versetzen mit neutralem Natriumsulfit (etwa 5 Procent) oder ein Zusatz von
Chlornatrium (bis 12 Procent), während das neuestens von Jakobsen zu gleichem Zwecke für Albumin empfohlene Chloralhydrat sich
ebenfalls für Eigelb verwenden läßt. Weniger empfehlenswerth dürften die in erster
Linie für die Conservirung des Albumins vorgeschlagenen, aber selbstverständlich in
gleichem Sinne auch für Eigelb brauchbaren Zusätze von chlorsaurem Ammoniak (G. Schäffer) oder arsensaurem Natron (C. Köchlin) sein.
Solchergestalt in flüssiger Form conservirtes Eigelb ist indeß in der Regel doch nur
für die Zwecke der Handschuhledergerberei brauchbar, denn wiewohl namentlich das
gesalzene Eigelb sich recht gut conservirt und auch der höhere Kochsalzgehalt kein
Hinderniß einer Verwendung desselben als Nahrungsmittel bilden würde, so hat das
große Publicum doch eine gewisse Scheu vor der Verwendung eines derartigen
Präparates und kauft dasselbe nicht gern, so lange der Bezug von frischen Eiern noch
möglich ist. Daß mit anderen Mitteln conservirtes Eigelb als Nahrungsmittel
überhaupt gar nicht verwendbar ist, ist klar, und so kommt es, daß die Verwerthung
dieses einen erheblichen Werth repräsentirenden Nebenproductes der
Albuminfabrikation auf solchem Wege keineswegs eine völlig entsprechende ist.
Neuestens ist in Bezug auf die Lösung dieser Frage ein erheblicher Fortschritt
gethan worden.
Jul. Hofmeier (bekanntlich der eigentliche Begründer der
Albuminindustrie) hat, nachdem er zunächst mit gutem Erfolge den Eierausschlag auf
allen größeren Marktplätzen eingeführt und also die Eierhändler veranlaßt hat,
frische Eidotter allein abzugeben, während er das Eiweiß von denselben abnimmt, eine
bisher geheim gehaltene Methode ermittelt, das Eigelb in Form eines lockeren, leicht
und vollkommen löslichen Pulvers darzustellen, welches dem Geruche und Geschmacke
nach einem frischen
Eigelb völlig gleichkommt. Da dieses trockene Eigelb ohne Zusatz irgend eines
fremdartigen Körpers hergestellt ist, und auch im Verhalten kaum eine
Verschiedenheit von frischem Eigelb zeigt, vor dem es jedoch den großen Vortheil der
vollkommensten Haltbarkeit voraus hat, so obwaltet kein Anstand, dieses Präparat als
Nahrungsmittel zu verwenden. In der That findet dieses Erzeugniß allenthalben einen
nicht geringen Anklang und wird namentlich von deutschen und englischen
Cakesbäckereien in bedeutenden Massen consumirt. In dieser Form kann Eigelb mit
Vortheil als Nahrungsmittel verwendet und also in einer seinem Werthe
entsprechenderen Weise an Mann gebracht werden. Ueberdies hat Hofmeier auch eine besondere, von den bisher bekannten Methoden angeblich
verschiedene Art der Conservirung des Eigelbs in Anwendung gebracht, die sich
insbesondere durch die Ausgiebigkeit und Nachhaltigkeit des angewendeten
Conservirungsmittels auszeichnet und ein weithin versendbares, für die Zwecke der
Handschuhgerberei gut verwendbares Product liefert.
In Betreff der Verwerthung der bei der Fabrikation von Blutalbumin abfallenden
Blutkuchen, die früher nach einer keineswegs völlig rationellen Gepflogenheit
einfach auf Composthaufen verführt, und da einer die Gegend weit und breit
verpestenden, allmäligen Zersetzung anheimfallen gelassen wurden, hat sich jetzt
fast durchwegs die jedenfalls rationellere Praxis eingebürgert, welche die vom Serum
befreiten Blutkuchen möglichst rasch trocknet und so ein haltbares Product liefert,
das unter dem Namen „getrockneter Blutkuchen“ theils für
Dungzwecke, theils für die Zwecke der Blutlaugensalz-Fabrikation in den
Handel gebracht wird. Bei dem relativ ziemlich hohen Stickstoffgehalte dieses
Materiales (derselbe beträgt 12 bis 14 Procent) hat dasselbe für beide
Verwendungsweisen einen nicht unerheblichen Werth und wird ohne Schwierigkeit um den
die Trocknungskosten sattsam deckenden Preis von 5 bis 8 fl. pro Centner abgesetzt. Eine besondere Verwendungsweise dieses
Nebenproductes hat Campe in Brünn in Anwendung gebracht,
und besteht dieselbe darin, daß er die trockenen Blutkuchen vermahlen mit festen
menschlichen Excrementen und Knoppernmehl vermengt auf ein
„Blutpoudrette“ genanntes Düngermaterial verarbeitet. Ein
ähnliches Verfahren scheint auch von der „Oesterreichischen
Actiengesellschaft zur Erzeugung künstlichen Phosphatdüngers“ für die
Herstellung ihres Blutdüngers in Anwendung gebracht zu werden.
Die Vertretung, welche die Albuminindustrie auf der Ausstellung aufzuweisen hatte,
war eine durchaus befriedigende. In erster Linie stand unstreitig die Firma Jul. Hofmeier in Prag, deren Erzeugnisse als die weitaus besten
bezeichnet werden dürfen. Hofmeier kann mit Recht als der
Begründer der Albuminindustrie angesehen werden, denn seiner Intelligenz und seinem
regen Bemühen ist es zu danken, daß die ursprünglich auf französischem Boden in
Ausführung gebrachte Idee, Albumin in trockener Form in den Handel zu bringen, zur
Grundlage einer eigenen, in ihrer Art großartigen Industrie wurde, deren
Entwickelung für die Kattundruckerei von größtem Vortheile war.
(Schluß folgt.)