Titel: | Der Kettenschriftgeber, der Dosenschriftgeber und der Schnelldrucktelegraph von Siemens und Halske in Berlin. |
Fundstelle: | Band 221, Jahrgang 1876, S. 529 |
Download: | XML |
Der Kettenschriftgeber, der Dosenschriftgeber und
der Schnelldrucktelegraph von Siemens und Halske in Berlin.
Mit Abbildungen auf Taf.
XI [a.c/4].
Siemens und Halske's automatische Stromsender für telegraphische
Schnellschrift.
Die Telegraphenbauanstalt Siemens und Halske in Berlin hatte 1873 in Wien drei (zuerst in der
Zeitschrift für Mathematik und Physik, 1873 S. 427 beschriebene) automatische
Stromsender für telegraphische Schnellschrift ausgestellt, welche sich von den
ältern automatischen Telegraphen sehr wesentlich dadurch unterscheiden, daß bei
ihnen eine Vorbereitung des Telegrammes in einem vom Stromsender
abzutelegraphirenden gelochten Papierstreifen oder durch Zusammensetzung des
Telegrammes aus besondern einzelnen Typen ganz überflüssig ist. Alle drei verbinden
nämlich den eine Claviatur enthaltenden Vorbereitungsapparat aufs engste mit dem
eigentlichen Schriftgeber, ohne daß jedoch der telegraphirende Theil des Apparates
irgendwie von dem vorbereitenden abhängig wäreEine solche Abhängigkeit findet sich z.B. bei Meyer's vierfachem Apparate
(*1875 215 310)., und der in die Telegraphenleitung eingeschaltete Apparat läßt dann das
Abtelegraphiren unmittelbar auf das Vorbereiten folgen; auch ist die Länge des
Telegrammes nicht durch die Länge des vorzubereitenden Streifens oder eines andern
TheilesWie z.B. der Kette in Girarbon's Automaten für den Hughes-Telegraphen
(*1876 220 411) und bei der Scheibe des altern
Bain'schen Automaten (*1847 105 331), welche
sonst mit v. Hefner's Dose eine gewisse Verwandtschaft besitzt. –
Uebrigens kann die Einrichtung und Verwendung dieser Dose für Hughesschrift
im Princip keine besondern Schwierigkeiten haben. im Empfangsapparate beschränkt. Auf allen dreien wird durch jeden
Tastendruck in ähnlicher Weise wie bei dem Siemens'schen Tastenschriftlocher ein
ganzer Buchstabe, eine Zahl oder sonst ein Schriftzeichen nebst dem hinter demselben
erforderlichen Zwischenraume vorbereitet, und zwar durch Verschiebung von Stiften,
bei dem Kettenschriftgeber in einer endlosen Kette, bei dem Dosenschriftgeber und
dem Schnelldrucker am Rande einer Büchse oder Dose. Der Telegraphist kann dabei
zwischen dem Greifen der einzelnen Tasten längere oder kürzere Zeit verstreichen
lassen, ohne Rücksicht auf die Länge der einzelnen telegraphischen Zeichen; denn der
Apparat bereitet jedes
Zeichen in der nämlichen Zeit vor, läßt auch den vorgeschriebenen Zwischenraum
zwischen den einzelnen Zeichen in stets gleicher Größe entstehen, während die
größern Zwischenräume am Ende eines Wortes durch Niederdrücken einer besondern
weißen Taste erzeugt werden. Der Telegraphist kann ferner eine gewisse Anzahl von
Tasten in Vorrath niederdrücken, welche der Apparat dann nach und nach
abtelegraphirt; nur darf die mittlere Geschwindigkeit, mit welcher die Tasten
gegriffen werden, die dem jedesmaligen Leitungszustande anzupassende
Telegraphirgeschwindigkeit nicht überschreiten, auf welche der Apparat eingestellt
ist. Diese Vorzüge bieten reichlichen Ersatz dafür, daß bei diesen drei
Schriftgebern das einmal vorbereitete Telegramm nicht mehrmals nach einander (z.B.
in verschiedene Linien) abtelegraphirt werden kann, wie dies bei Benützung eines
gelochten Streifens möglich ist.
Friedrich v. Hefner-Alteneck, Vorstand des
Constructionsbureau's von Siemens und Halske, versuchte zuerst ein solches gleichzeitiges Vorbereiten und Abtelegraphiren des
Telegrammes durch die Benützung von KugelnAuch Laloy (1875 220
268) benützt in seinem Abstimmungstelegraphen Kugeln. zu ermöglichen, welche in einem Sammelbehälter reihenweise aufgespeichert
waren und aus demselben mittels eines geeigneten Tastenwerkes in der zur
Schriftbildung erforderlichen Weise herausgestoßen werden sollten, worauf sie in
einem geneigten, flachen und allseitig geschlossenen Canal gelangten und in diesem
nach dem eigentlichen Schriftgeber hinliefen. Die Breite des Canals war etwas
geringer als der doppelte Durchmesser zweier Kugeln, auf seinem Boden aber besaß der
Canal seiner ganzen Länge nach in seiner Mitte einen etwas vorstehenden Rücken; die
Kugeln mußten daher in den durch den Rücken gebildeten beiden Rinnen genau in
derselben Ordnung hinabrollen, in welcher sie eingeführt worden waren; indem sie
aber in einer den Morsezeichen entsprechenden Gruppirung und Vertheilung auf die
beiden Rinnen einer geeigneten Contactvorrichtung zugeführt wurden, vermochten sie
mittels derselben die Morseschrift abzutelegraphiren, worauf die Kugeln mechanisch
wieder in den Sammelbehälter zurückgebracht wurden. Die an diesem Schriftgeber sich
herausstellenden Schwierigkeiten veranlaßten v. Hefner,
anstatt der Kugeln zu Metallstiften zu greifen, welche in einer endlosen automatischen Kette verschiebbar eingelegt waren. Dr. Werner Siemens führte
diesen Gedanken in der Weise durch, daß er einen sogen. Kettenschriftgeber für Steinheilschrift anfertigen ließ, während v. Hefner im J. 1872 die Erfindung des Dosenschriftgebers machte, des ersten derartigen Senders, welcher in der Praxis
zur Verwendung gelangte. Der Ketten- und Dosen-Schnellschriftgeber
(und der Schnelldrucker) wurden am 12. December (12. Juni) 1873 für Dr. Werner Siemens und
Friedr. v. Hefner-Alteneck in England patentirt.
Im J. 1873 erfand Dr. Werner Siemens weiter den Schnelldrucker, welcher das
Telegramm in Typenschrift wiedergibt und als Sender einen dem entsprechend
abgeänderten Dosenschriftgeber besitzt. Darauf wurde bei Siemens und Halske der in dasselbe System
gehörige, ebenfalls Typenschrift liefernde Börsendrucker
und ein anderer vereinfachter Typendrucker ausgeführt, welche beide nur mit einer Leitung arbeiten. Der Börsendrucker enthält eine
Claviatur mit nur 28 Tasten in 4 Reihen, jedoch zwei Typenräder mit je 28 Typen, von
denen das eine die Buchstaben, das andere die Ziffern und sonstigen Schriftzeichen
druckt, und zwar erfolgt das Drucken durch einen rein mechanischen (nicht
elektrischen) Vorgang während des kurzen Stillstehens der Typenräder nach deren
Einstellung.
1) Der Dosenschriftgeber ist in Figur 14 [b/2] perspectivisch abgebildet. Die Tastatur desselben
enthält 49 Tasten in 7 treppenförmig über einander liegenden Reihen, und zwar sind
die Buchstaben auf die Tasten so vertheilt, daß der Telegraphist bei ungezwungener
Lage seiner beiden Hände, deren kleine Finger in die Löcher B₁ und B₂ zu legen sind, die am
häufigsten vorkommenden Buchstaben am bequemsten zu greifen vermag. Der ganze
Apparat (ohne das auf den Stab N aufgesteckte Lesepult
LL) ist nur 21cm breit, 33cm lang und 29cm hoch, die Tastatur je 20cm lang und breit. Er läßt sich ebensowohl
für gleichgerichtete Ströme wie für Wechselströme, mit oder ohne Entladung der
Leitung zur Erde, einrichten, je nachdem die Beschaffenheit der Linie, für welche er
bestimmt ist, das eine oder das andere wünschen läßt. Im ersten Falle ist als
Empfänger jeder gute Farbschreiber verwendbar, und ließe sich der Dosenschriftgeber
in einer damit besetzten Linie ohne weiteres an Stelle des Morsetasters einschalten.
Auch zum Gegensprechen läßt sich der Dosenschriftgeber verwenden, was Siemens und Halske seit dem
Herbste 1874 unter Benützung von Wechselströmen versuchten.
Wie die Tastatur zur Vorbereitung des abzusendenden Telegrammes benützt wird, läßt
sich am deutlichsten aus dem Durchschnitte Figur 15 sehen. Der
Haupttheil, eine auf eine horizontale Achse m
aufgesteckte cylindrische Dose D, ist an seinem ganzen
Umfange mit dicht neben einander liegenden Stiften s
besetzt, welche sich mit einiger Reibung in ihrer Längsrichtung, d.h. parallel zur
Dosenachse m ein wenig verschieben lassen. Aus diesen
Stiften s werden nun die zur automatischen Beförderung nöthigen Typen
dadurch gebildet, daß beim Niederdrücken irgend einer Taste T eine bestimmte Anzahl der Stifte s, in der
entsprechenden Weise gruppirt, verschoben werden. Beim Telegraphiren mit
gleichgerichteten Strömen (worauf der 1873 in Wien ausgestellte Schriftgeber
berechnet war) stehen dann die verschobenen Stifte auf einer und derselben Seite der
Dose vor, und zwar liefert 1 verschobener Stift (zwischen 2 nicht verschobenen)
einen Morsepunkt, 3 verschobene (zwischen 2 nicht verschobenen) einen Morsestrich;
die unverschobenen dagegen geben die Zwischenräume zwischen den einzelnen Punkten
und Strichen, sowie zwischen den ganzen Buchstaben und den Worten; so sind z.B. die
einzelnen Punkte oder Striche desselben Schriftzeichens durch je einem Stifte
entsprechende Zwischenräume von einander getrennt. Das Vorstoßen der Stifte besorgen
19 Stößer n, welche mit den Tasten T nach der zuerst von Siemens
bei seinem Tastenschriftlocher zum Vorlochen der Papierstreifen benützten Weise
verbunden sind. Es steht nämlich jede der 49 Tasten T
der Claviatur mit je einem von 49 verticalen, dicht neben einander stehenden
Blechstreifen S in der Art in Verbindung, daß letzterer
beim Niederdrücken der Tafte T, mit der einen verticalen
Kante voran, in horizontaler Richtung ein Stück vorgeschoben wird. Quer vor den
vorangehenden Kanten dieser 49 Blechstreifen S liegen
ferner 19 dünne horizontale Bleche Q über einander,
deren jedes, wenn es von einem der verticalen Bleche S
vorwärts geschoben wird, auf den untern Arm eines verticalen Hebels H wirkt, dessen oberer Arm dann mittels des an ihm
befestigten Stößers n den gerade vor diesem Stößer
liegenden Stift s der Dose D
ein Stück aus dieser heraustreten macht. Damit nun die verticalen Streifen S nicht stets alle horizontalen Bleche vorwärts
schieben, sind in den erstern an der den Blechen Q
zugewendeten Kante verschieden lange und verschieden vertheilte Lücken eingefeilt,
so daß nur die zwischen den Lücken stehen gebliebenen zahnartigen Vorsprünge gerade
diejenigen horizontalen Bleche Q treffen und vorwärts
schieben, deren Verschiebung zur Bildung des auf der eben niedergedrückten Taste T geschriebenen Schriftzeichens erforderlich ist.
Neben der Dose D befindet sich weiter ein kleiner
Sperrkegel a (Fig. 15 und 16), welcher
sich in seiner Ruhelage in einen an der Dose D
befestigten, mit schrägen Zähnen versehenen Zahnkranz cc einlegt und so verhindert, daß die Dose dem Zuge eines durch ein
Räderpaar V und M, von denen
das letztere auf der Dosenachse m sitzt, auf sie
wirkenden Gewichtes P (oder einer Feder) folgt und sich
umdreht; das kleinere Gewicht p dient blos zum Spannen
der sonst schlaff hängenden Kettenschleife. Beim Niederdrücken einer Taste T trifft stets der erste der verschobenen Stifte s auf die geneigte Fläche f
jenes Sperrkegels a und hebt diesen Sperrkegel aus den
Zähnen des Zahnkranzes cc aus; dadurch wird die Dose D frei, dreht sich sprungweise gerade um die Länge des
eben mittels der Stifte s vorbereiteten Schriftzeichens
nebst dem hinter dem Zeichen nöthigen Zwischenraume und bringt so zugleich wieder
frische, noch unverschobene Stifte vor die Stößer n. Zu
diesem Zwecke ist die erwähnte geneigte Fläche f des
Sperrkegels a etwas breiter, als die innerhalb eines
Schriftzeichens vorkommenden, an der Dose D durch nicht
verschobene Stifte s wiedergegebenen Zwischenräume; der
Sperrkegel a kann daher der Wirkung einer ihn gegen den
Zahnkranz drückenden kleinen Feder nicht früher nachgeben und sich nicht früher
wieder in die Zähne c einlegen, als bis sämmtliche
verschobene Stifte s, d.h. das ganze eben vorbereitete
Schriftzeichen, an seiner geneigten Fläche f vorüber
gegangen sind. Eine weitere Verbreiterung dieser Fläche f sorgt endlich noch für die Zugabe des vorgeschriebenen Zwischenraumes
hinter dem eben vorbereiteten Schriftzeichen. Hält der Telegraphist eine Taste T niedergedrückt, so hindern die zur Verschiebung der
Stifte s in die Dose D hineingetretenen Stößer n die Umdrehung der Dose D
doch nicht, weil diese Stößer n etwas beweglich gemacht
und an ihrem vordern Ende so geführt sind, daß sie schräg seitlich etwas ausweichen
können.
Beim Niederdrücken der in der Claviatur zwischen den Tasten c und m liegenden
„weißen“ Taste, welche blos die Zwischenräume zwischen je
zwei Schriftzeichen oder Wörtern erzeugen soll und deshalb keine Stifte verschieben
darf, wird die Drehung der Dose D auf andere, rein
mechanische Weise durch die Taste T selbst
hervorgebracht.
Zum Abtelegraphiren der so vorbereiteten Morseschrift dient ein zwischen zwei
Contactschrauben b und d
(Fig. 15)
hin und her gehender, dem gewöhnlichen Morsetaster ganz entsprechender zweiarmiger
Contacthebel C. Eine Spannfeder q strebt beständig den Hebel C mit seinem
obern, federnden Arme an die Ruhecontactschraube b
heranzudrücken. Vor der Dose, an derjenigen Seite derselben, auf welcher die Stifte
s vorstehen, läuft ferner ein Arm oder Zeiger i um, welcher mit seiner nachgiebig gemachten, schräg
abgestumpften Spitze die verschobenen Stifte s in ihrer
nach innen liegenden Rundung überstreicht; so oft nun der Arm i auf einen verschobenen Stift s trifft und
später denselben wieder verläßt, geht er in radialer Richtung in seiner Führung v ein wenig hin und her und überträgt diese Schwingungen
zugleich auf einen kleinen, in der (auf ein und dieselbe Achse mit der Dose D aufgesteckten) Nabe des Zeigers i eingelagerten Winkelhebel r, welcher seinerseits durch einen
Spalt in die hier hohle Zeiger- und Dosenachse hineingreift, durch einen in
derselben liegenden Stift auf den vor dem Ende dieser Achse liegenden untern Arm des
Contacthebels C wirkt und letztern von der
Ruhecontactschraube b an die Arbeitscontactschraube d hin bewegt. Jeder einzelne vorgeschobene Stift s legt also den Hebel C auf
kurze Zeit an den Batteriecontact d und sendet hierdurch
von der Achse des Hebels C aus einen kurzen Strom in die
Leitung; je drei hinter einander liegende Stifte legen den Hebel C auf eine dreimal so lange Zeit an den Arbeitscontact
d, um einen langen Strom abzusenden. Der kürzere
Strom macht den Empfangsapparat einen Punkt, der längere einen Strich schreiben.
Dazu ist aber noch nöthig, daß jener Zeiger i über die
Stiftenreihe s, welche sich ja mit der ganzen Dose D beim Niederdrücken der Tasten T selbst sprungweise bewegt, mit relativ gleicher Geschwindigkeit
hinläuft. Deshalb ist die Dose D nebst dem an ihr
befestigten, sie treibenden Rade M nur lose auf ihre im Gestell gelagerte Achse m aufgesteckt, während der Zeiger i, ein innerhalb der Dose D gelegenes Zahnrad K (das durch mehrere in den Seitenwänden der Dose gelagerte Räder und
Triebe, Fig.
16, mit einem ebenfalls fest an der Dose gelagerten, verstellbaren
Windflügel W in Eingriff steht) und das eine Ende einer
genügend gespannten Feder F mit der Dosenachse m fest verbunden sind. In der Ruhelage hält diese Feder
F, deren anderes Ende, wie Figur 15 sehen läßt, am
Gestell befestigt ist, den Zeiger i gegen einen Anschlag
A fest, welcher dicht hinter der Stelle liegt, wo
die Verschiebung der Stifte s beim Niederdrücken einer
Taste T bewirkt wird. Die sprungweise Drehung der Dose
D beim Niederdrücken der Tasten T entfernt den Zeiger i von
diesem Anschlage A und spannt so die Feder F, welche dann in verhältnißmäßig langsamer,
gleichförmiger Bewegung den Zeiger i an den
vorgeschobenen Stiften s vorbei gegen den erwähnten
Anschlag A zurückführt, wobei sie durch jenes auf der
Dosenachse m festsitzende Zahnrad K den Windflügel W in Umdrehung versetzt; die
Geschwindigkeit der Zurückführung des Zeigers i an den
Anschlag A wird somit durch die Stellung des Windflügels
W bedingt und regulirt. Kurz bevor die verschobenen
Stifte s der Dose D bei
deren fortgesetzter sprungweiser Drehung wieder an die Stelle kommen, wo sie den
Stößern n gegenüber stehen, streifen sie an eine schräge
Fläche R (Fig. 16) des Gestelles an
und werden durch diese in ihre Ruhelage zurückgeführt. Wächst der durch ein sehr
rasches Greifen der Tasten T erzielte Vorrath an
vorbereiteten Schriftzeichen so sehr an, daß er fast die ganze Dose D erfüllt und der Zeiger i
sich der zuletzt erwähnten schrägen Fläche nähert, so mahnt eine ertönende
Warnglocke k (Fig. 14) den
Telegraphisten daran, eine Pause im Greifen zu machen.
Ein geübter Telegraphist wird leicht 5 Tasten in der Secunde greifen können; dies
gäbe bei entsprechender Einstellung des gebenden Apparates und unter Einrechnung der
erforderlichen Zwischenräume 300 Zeichen in 1 Minute. Wären nun zur vollständigen
Erledigung eines Telegrammes durchschnittlich 200 Buchstaben (33 Worte) auf der
Leitung hin und her zu befördern, so könnte man in der Stunde 90 Telegramme
befördern, d.h. etwa das Doppelte der Mittlern Leistung des Typendrucktelegraphen
von Hughes. Als größte, mittels automatischer Telegraphen
erreichte Geschwindigkeit nennt man 14 Alphabete in der Secunde. Zu Anfange des J.
1875 war der Dosenschriftgeber auf der Linie Berlin-Breslau in Thätigkeit; er
arbeitete ganz befriedigend und blieb in seiner Leistung hinter dem Hughes nicht
zurück. Ueber die ersten in Belgien angestellten Versuche mit dem Dosenschriftgeber
hat die Direction der belgischen Staatstelegraphen einen ausführlichem Bericht
veröffentlicht (vgl. Annales
télégraphiques, 1875 Bd. 2 S. 199), aus welchem die folgenden
Resultate entlehnt sind.
An jedem Ende der Linie arbeiteten bei den Versuchen im August
1874 zwei Beamte; sie tauschten die Telegramme in Gruppen zu je fünf aus, und die
Collationirung gab nach jedem Telegramme der gebende Beamte. Man konnte die Dose nur
mit der Mittlern Geschwindigkeit laufen lassen, weil in den Morseschreibern der
Papierstreifen nicht so schnell ablief, daß die Schrift bei der größten
Geschwindigkeit der Dose deutlich geworden wäre, und weil die Beamten in den
Provincialstationen die Morseschrift noch nicht schnell genug vom Streifen
abzuschreiben vermochten. Ein geübter Beamter hat indessen auch bei größerer
Dosengeschwindigkeit Zeit genug zum Abschreiben, da er, wenn er in 5 Minuten 5
Telegramme empfängt, außer diesen 5 Minuten auch noch die 5 Minuten verfügbar hat,
während welchen dann sein College seine 5 Telegramme gibt. Bei den Versuchen stand
nur eine Dose zur Verfügung, und die zweite Station mußte daher mit dem gewöhnlichen
Morsetaster arbeiten. Mit letzterm brauchte ein geübter Telgraphist zu 3 Telegrammen
3 Min. 47 Sec., während dieselben 3 Telegramme bei mittlerer Geschwindigkeit der
Dose 2 Min. 45 Sec., bei einer zwischen der Mittlern und höchsten gelegenen
Geschwindigkeit nur 2 Min. 13 Sec. erforderten. Am 8. und 10. August wechselten
Brüssel (Nord) und Brüssel (Süd) 40 Telegramme in der Stunde, ebensoviel am 22.
Brüssel (Nord) und Charleroi; doch war nicht immer die zu ununterbrochenem Betriebe
nöthige Zahl von Telegrammen vorhanden. Man wechselte
zwischen
9
und
10
Uhr
26
Telegramme;
Stillstand
20
Min.
„
10
„
11
„
37
„
„
5
„
„
11
„
12
„
32
„
„
12
„
„
12
„
1
„
35
„
„
5
„
„
3 1/2
„
4
„
23
„
„
0
„
Auch am 21. und 22. August wurden zwischen Brüssel und Charleroi
oder Antwerpen (Börse) im Mittel 40 Telegramme gewechselt. Um die Ungeübtheit derProvincialtelegraphisten
außer Spiel zu lassen, arbeitete man in Brüssel (Nord) aus einem Saale in den
andern, an dem einen Ende mit der Dose und einem Siemens'schen Morse, an dem andern
Ende mit gewöhnlichem Morsetaster und einem Digney'schen Empfänger, beiderseits mit
geübten Beamten; zwischen 2 Uhr 30 Min. bis 4 Uhr 50 Min. wurden, ohne
Zwischenpause, 125 Telegramme, o. h. 53 in der Stunde gewechselt, die man aufs
Gerathewohl aus den Privattelegrammen herausgriff. Hätte man also von beiden Seiten
mit dem Dosenschriftgeber arbeiten und die Dose mit der größten Geschwindigkeit
laufen lassen können, so wäre man leicht über 60 Telegramme in der Stunde gekommen.
Man muß jedoch voraussetzen, daß unter den gewöhnlichen Betriebsverhältnissen diese
Leistung nicht immer erreicht werden wird. Bei Versuchen zwischen Brüssel und Berlin
oder Paris, ohne Translation in einer Zwischenstation, nahm Berlin bei großer und
Paris bei voller Laufgeschwindigkeit der Dose ohne Anstand auf.
In Paris wurde dabei von einem geübten Beamten auf dem von Ailhaud angegebenen automatischen Telegraphen, über
dessen Einrichtung sich in den Annales
télégraphiques, 1874 Bd. 1 S. 333 einige Andeutungen finden,
gearbeitet, und zwar wurden
am
27.
Juli
1874
54
Telegramme
in
1
St.
20
Min.,
mit
Collationirung
in
1
St.
48
Min.
„
28.
„
„
45
„
„
0
„
54
„
„
„
„
1
„
12
„
„
31.
„
„
40
„
„
0
„
50
„
„
„
„
1
„
12
„
gewechselt.
Die Ergebnisse der vorstehenden Versuche führten zur versuchsweisen Einführung des
Dosenschriftgebers in Belgien.
2) Der Kettenschriftgeber enthielt anstatt der Dose eine
Gliederkette K ohne Ende (Fig. 17 [a/3]) mit 180 Gliedern von 2mm,5 Länge und in jedem derselben ebenfalls
einen metallenen Stift s, welcher sich seiner Länge nach
in dem Gliede mit einiger Reibung verschieben ließ, und zwar blos nach links, wenn
der Kettenschriftgeber Morseschrift liefern sollte, dagegen nach links oder rechts,
wenn der Kettenschriftgeber zur Erzeugung von Punkten in zwei Zeilen
(Steinheilschrift) bestimmt war. Die Verschiebung der Stifte wurde übrigens im
erstern Falle beim Niederdrücken der Tasten in ganz ähnlicher Weise wie beim
Dosenschriftgeber, im letztem Falle aber ähnlich wie beim Schnelldrucker (Fig. 19) und
zwar durch eine Art von Scheren bewirkt, und natürlich waren dabei zwei Contacthebel
C (Fig. 18) vorhanden, von
denen der eine durch die rechts vorstehenden Stifte positive, der andere durch die
links vorstehenden Stifte negative Ströme in die Leitung sendete. Diese Ströme von
verschiedener Richtung schrieben dann in einem polarisirten Doppelschreiber die
Zeichen des Steinheil-Alphabets. Die Vorbereitung der abzutelegraphirenden
Schriftzeichen erfolgte an einer Stelle, wo die Kette K
über ein Rad U₁ lief, das Abtelegraphiren an
einer andern Stelle, wo die Kette über ein zweites, mit einem Windflügel verbundenes
Rad g lief; gleich hinter dieser Stelle wurden die
abtelegraphirten Stifte durch zwei an den beiden Seiten der Kette anstreifende Rollen R wieder in ihre Ruhelage zurückversetzt. Zwischen den
Rädern U₁ und g
bildete die Kette K eine Schleife, welche durch eine
Feder F oder ein Gewicht gespannt erhalten wurde und um
so größer war, einen je größern Vorrath von Schriftzeichen der Telegraphist
vorbereitet hatte, welcher noch des Abtelegraphirens harrte. Dieser
Kettenschriftgeber wurde weder durch ein Gewicht, noch durch eine Feder getrieben,
sondern es wurde beim Niederdrücken einer Taste zugleich mittels eines besondern
Hebels der erforderliche Anstoß zur Bewegung gegeben.
3) Der Schnelldrucker ist, wie schon erwähnt wurde, ein
Typendrucktelegraph; sein Zeichengeber, welchen die Figur 19 [c/2] im Durchschnitte zeigt, hat die nämliche
Einrichtung wie der Dosenschriftgeber. Das auf der Claviatur abgespielte Telegramm
wird bei ihm auf einer der oben beim Dosenschriftgeber beschriebenen Dose übrigens
ganz ähnlichen Dose D, jedoch mittels zweier Gruppen von
Hebeln H₁ und H₂ in links oder rechts aus der Dose hervorgestoßenen Stiften ss vorbereitet und dann mittels zweier, ebenfalls
zugleich mit der Dosenachse umlaufenden Arme oder Zeiger i₁ und i₂ und zweier von jenen
Armen bewegten Contacthebel C₁ und C₂ automatisch abtelegraphirt. Beides geschieht
ganz so wie beim Dosenschriftgeber und auch mittels ganz ähnlicher Theile, welche in
Figur 19
mit denselben Buchstaben bezeichnet sind, wie in Figur 15. Das Einstellen
des Typenrades, welches den zu telegraphirenden Buchstaben an die Stelle bringt, wo
er auf den Papierstreifen aufgedruckt werden kann, wird durch positive und negative
Ströme von gleicher Länge bewirkt, von denen die einen durch die rechts aus der Dose
vorstehenden, die andern durch die links vorstehenden Stifte in die Leitung gesendet
werden. Dabei ist aber ein doppeltes Echappement an dem Typenrade angebracht, und
zwar dreht das durch die Ströme der einen Richtung bewegte Echappement das Typenrad
sprungweise um je vier Buchstaben auf einmal fort, das durch die entgegengesetzt
gerichteten Ströme bewegte Echappement läßt es nur Schritte von je einem Buchstaben machen. Da nun die Ziffern und sonstigen
Zeichen gar nicht mit in die Claviatur aufgenommen worden sind, sondern durch
Buchstaben ausgedrückt werden sollen, welche in ein im voraus bestimmtes
Einschlußzeichen eingeschlossen werden, so ist es möglich geworden, das Typenrad
durch höchstens acht Ströme auf jedes Schriftzeichen einzustellen. Dabei mußte aber
das 27. Feld des Typenrades leer bleiben, weil in der gewählten Weise 27 Schritte
durch acht Ströme nicht gemacht werden können, sondern erst durch neun (sechs
Schritte zu je 4 und drei Schritte zu je 1 Buchstaben). Es bleiben demnach 31 Felder
des Typenrades zum Geben
von 29 Buchstaben und Zeichen verfügbar, weil das 30. Feld für das erwähnte
Einschlußzeichen der Ziffern, das 31. Feld aber für den durch die
„weiße“ Taste zu telegraphirenden Zwischenraum aufgespart
werden müssen. Das Typenrad wird nach jedem Abdruck des eingestellten Buchstabens
auf dem Papierstreifen auf den Ausgangs- oder Nullpunkt zurückgeführt, und
deshalb können durch ein sich etwa einschleichendes falsches Zeichen die noch
nachfolgenden nicht ebenfalls falsch gemacht werden. Die Leistungsfähigkeit dieses
Schnelldruckers ist eine bedeutende, weil bei zweckmäßiger Aufeinanderfolge oder
Anordnung des Buchstabens auf dem Typenrade im Durchschnitte zur Einstellung des
Typenrades nur 3 bis 4 kurze StrömeNoch weniger Ströme zwar (nämlich höchstens 4), aber nicht weniger Schritte
braucht Régnard zur Einstellung des
Zeigers an seinen Zeigertelegraph (vgl. Du
Moncel: Exposé des Applications de
l'Electricité, 3. Aufl., Bd. 3 S. 70), dessen Zeiger über
die in 7 Reihen angeordneten 25 Buchstaben des Zifferblattes mittels zweier,
von zwei durch Elektromagnete beeinflußten Uhrwerken bewegter Kurbeln durch
positive Ströme in verticaler, durch negative in horizontaler Richtung
verschoben wird, und zwar um einen Schritt bei der Stromgebung und einen
Schritt bei der Stromunterbrechung. Eine ungerade Schrittzahl in der einen
oder andern Richtung kann dabei nur durch eine längere Dauer des letzten
Stromes erzielt, also nicht in beiden Richtungen zugleich ausgeführt werden.
Ein drittes Uhrwerk führt den Zeiger schließlich nach jedem Zeichen wieder
in die Ruhelage zurück. – Etwas Verwandtes findet sich in einem
englischen Patente vom 14. December 1846 (Repertory
of Patent Inventions, 1849 Bd. 13 S. 9. Vgl. auch D. p. J. 1849 112 130); es wird da vorgeschlagen, die
Buchstaben paarweise auf die Buchstabenscheibe zu stellen, damit man nur die
Hälfte Schritte zur Einstellung brauche; die Einströmung sollte dann durch
positive oder negative Ströme erfolgen, damit eine durch diese abgelenkte
Nadel entweder auf denjenigen Buchstaben des eingestellten Paares, welcher
gelten sollte, hinzeigte, oder durch ein Schirmchen aus Papier den andern
verdeckte. – Auch bei den Typendrucktelegraphen versuchte man durch
geeignete Einrichtung der Typenräder die zur Einstellung erforderliche
Anzahl von Strömen oder Schritten zu vermindern; so Dr. Schreder in Wien 1862 dadurch, daß
er die 54 Schriftzeichen auf einer Typenwalze in Dreiecksform anordnete und
die Typenwalze durch Ströme von der einen Richtung drehen, durch Ströme von
der andern Richtung achsial verschieben ließ; so ferner Mouilleron und Gossain
(Annales télégraphiques, 1861
S. 22) durch Vertheilung der 25 Buchstaben auf 5 parallele, auf dieselbe
hohle Welle aufgesteckte Typenräder, welche durch Ströme der einen Richtung
gedreht wurden, während Ströme der andern Richtung die hohle Welle auf ihrer
Achse verschoben. Schreder brauchte zu seinen 54
Zeichen 5 bis 13, Mouilleron und Gossain zu ihren 25 Zeichen höchstens 10 Ströme.
Auch in dem erwähnten Siemens-Hefner'schen Patente ist noch von
einigen andern Einrichtungen zu Erreichung des nämlichen Zweckes die
Rede. erforderlich sind, und weil das beim Stillstande des Typenrades durch einen
Klirrcontact mit Hilfe einer Localbatterie veranlaßte Drucken und die Zurückführung
des Typenrades auf den Nullpunkt fast augenblicklich erfolgt. Bei dem übrigens sehr
leistungsfähigen Typendrucktelegraphen von Hughes rechnet
man, daß das Typenrad bei seiner Einstellung auf den zu telegraphirenden Buchstaben
im Mittel 17 bis 18 Schritt machen muß, und dabei ist überdies noch vorausgesetzt,
daß der Telegraphirende im Fingersatze gehörig geübt sei. Außerdem braucht zwischen
dem Schnelldrucker und dem mit ihm arbeitenden automatischen Zeichengeber nicht Synchronismus in der
Bewegung erhalten zu werden, was doch bei zwei zusammenarbeitenden
Hughes-Apparaten unerläßlich ist.
E. Z.