Titel: | E. Brauer's Lamellenräder. |
Fundstelle: | Band 228, Jahrgang 1878, S. 15 |
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E. Brauer's Lamellenräder.
Mit Abbildungen auf Tafel
1.
Brauer's Lamellenräder.
Unter dem Namen „Lamellenräder“ wurden in Preuſsen die in Fig. 1 und 2 Taf. 1 in Ansicht und
Durchschnitt dargestellten Reibungsräder patentirt, deren Erfinder E. Brauer, Assistent an der kgl.
Gewerbe-Akademie zu Berlin, darüber im
Vereine zur Beförderung des Gewerbefleiſses (Verhandlungen, 1877 S. 295) sowie in den Annalen für Gewerbe und Bauwesen, 1877 S. 8
ausführliche Mittheilungen machte. Danach haben die Lamellenräder den Zweck, die
bekannten Mängel der Keilräder zu beseitigen – nämlich die kostspielige Herstellung,
welche dadurch bedingt ist, daſs die Profile sehr genau ausgedreht sein müssen, um
eine gleichmäſsige Druckvertheilung zu ermöglichen, ferner die nothwendige
Verschiebbarkeit der einen Achse zur Erzeugung des zur Erzielung der Reibung
erforderlichen Druckes. Bei denselben sind die Keilringe nicht mit dem Radkörper in
einem Stücke hergestellt, sondern die Radkörper sind cylindrisch abgedreht und
erhalten eine Anzahl schmiedeiserner oder stählerner Ringe (Lamellen) aufgeschoben,
welche mit den Radkörpern, durch Feder und Nuth verbunden, gegen einander seitlich
verschiebbar sind. Auf der Welle des Getriebes ist eine Mutter angebracht, welche
durch einen zwischen gelegten Kautschukring auf eine in der Achsenrichtung des
Getriebes verschiebbare Scheibe drückt, die sich mit ihrem Rande an die äuſserste
Lamelle anlegt. Dadurch werden sämmtliche Lamellen beider Räder an den
Berührungsstellen mit gleicher Kraft an einander gedrückt, indem die letzte Lamelle
des Getriebes durch einen dahinter am Radkörper liegenden Kautschukring am
Ausweichen verhindert ist. In Folge dieses Druckes entsteht Reibung zwischen je zwei
Lamellen, und da die Anzahl der Lamellen beliebig groſs gemacht werden kann, die der
Kraftübertragung dienliche totale Reibung aber gleich ist dem Producte aus der
Reibung zwischen zwei Lamellen und der Anzahl derselben, so ist es möglich, durch
Lamellenräder, mit entsprechend geringem Abnutzungsdrucke zwischen den Lamellen,
sehr bedeutende Kräfte zu übertragen. Die Lamellen des Getriebes sind im
Querschnitte schwach keilförmig, die des groſsen Rades dagegen rechteckig. Beim
Betriebe nützen sich zunächst die Kanten der Lamellen des groſsen Rades nach den
Kanten der aus härterem Materiale hergestellten Lamellen des Getriebes ab und passen
sich diesen an, so daſs schlieſslich allmälig eine Berührungslinie von einigen
Millimeter Länge entsteht. Uebrigens können auch von Anfang an beide Lamellensysteme
conisch an einander gepaſst sein. Durch die Anwendung der conischen Profile soll die
schädliche Reibung möglichst vermindert werden.
Die durch die Reibung verlorne Arbeit (Ar) ist im Verhältnisse zu der
übertragenen Arbeit (A)
\frac{A_r}{A}=\frac{b}{4}\,\left(\frac{1}{R_1}+\frac{1}{R_2}\right),
wenn R1, und R2 die Radien der mittleren Berührungskreise und b die Länge der Berührungslinie bezeichnen. Für
b=4^{mm}, R_1=500^{mm},
R_2=50^{mm} wird also
\frac{A_r}{A}=0,022.
Ermittelt man zum Vergleiche den Verlust durch Reibung bei
Zahnrädern von 8 und 80 Zähnen mit Cycloidenverzahnung, so erhält man
\frac{A_r}{A}=\pi\,f\left(\frac{1}{8}+\frac{1}{80}\right)=0,0863,
wobei der Reibungscoefficient f=0,2
angenommen ist. In diesem Falle ist also der Reibungsverlust bei den Zahnrädern
ungefähr 4 mal so groſs als bei den Lamellenrädern, und es könnte bei letzteren die
Länge der Berührungslinie bis b=16^{mm} wachsen, ehe der Verlust
durch Reibung jenem bei den Zahnrädern gleich kommt.
Bezüglich der Gröſse der übertragbaren Kraft wird angegeben, daſs
man bei sehr schnell laufenden Wellen und schmiedeisernen Lamellen für jede Lamelle
3 bis 4k, also mit 15 Lamellen 45 bis 60k übertragen könne. Bei Stahllamellen wird für
jede Lamelle 6k angenommen, was bei 50 Lamellen
und 10m Umfangsgeschwindigkeit in der Secunde
40e ergibt.
Als Vortheile der Lamellenräder werden folgende angeführt: 1)
Vollkommen geräuschloser Gang; 2) Zulässigkeit eines sehr groſsen
Uebersetzungsverhältnisses (z.B. 1 : 20); 3) Bruchsicherheit durch die Möglichkeit
eintretenden Gleitens; 4) geringer Effectverlust durch Reibung; 5) leichte Aus- und
Einrückbarkeit; 6) Materialersparniſs durch statthafte leichtere Ausführung
gegenüber den mitunter Stoſsen ausgesetzten Zahnrädern; 7) geringe Abnutzung wegen
des relativ geringen Druckes auf die Flächeneinheit an der Berührungsstelle.
Die Lamellenräder können auch in Form von Zahnstange und Getriebe ausgeführt werden,
in welchem Falle die Lamellen der Zahnstange in einen Rahmen einzuspannen sind.
Lamellenräder wurden zuerst an Dreschmaschinen von der Actiengesellschaft für den Bau landwirthschaftlicher Maschinen und Geräthe und
für Waggonfabrikation, H. F. Eckert in Berlin ausgeführt. Nach einer
Preisliste von F. C. Glaser, Civilingenieur in Berlin
(Lindenstraſse 92) ist in Fig. 3 Taf. 1 der
Querschnitt der Lamellen in n. G. dargestellt. Es ist daraus deutlich ersichtlich,
wie der Eingriff der Lamellen beider Räder stattfindet.