Titel: | Zur Frage der Riementriebe. |
Autor: | Gustav Schmidt, Weiſs |
Fundstelle: | Band 236, Jahrgang 1880, S. 433 |
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Zur Frage der Riementriebe.
G. Schmidt und Th. Weiſs, zur Frage der Riementriebe.
Die Ausführungen des Hrn. Prof. Dr. Th. Weiſs, S. 177 d.
Bd., in welchen er auch meinen Artikel über den Riementrieb in Bd. 231 S. 406
bespricht, lassen erkennen, daſs Prof. Weiſs meinen
Zusatz in Bd. 231 S. 550 übersehen hat.
Vollkommen anerkennend, daſs die von Weiſs erfolgte
Einführung der Biegungsspannung und der Fliehkraft theoretisch ganz berechtigt sei,
und den von Weiſs versprochenen weiteren Entwicklungen
entgegen sehend, erachte ich die Riemenfrage heute noch durchaus nicht als erledigt
und glaube mich berechtigt, vor der Hand noch immer die von mir empfohlenen drei
praktischen Regeln aufrecht halten zu dürfen, nach welchen die Riemenbreite in
erster Linie davon abhängig gemacht wird, ob der Constructeur sich den bei uns
üblichen groſsen Lagerdruck gefallen lassen will, oder ob die Umstände es
zweckmäſsig erscheinen lassen, den Riementrieb lieber theurer, aber mit geringerem
Lagerdruck herzustellen.
Von diesem Gesichtspunkte ausgehend, habe ich der Constante C in der Roper'schen Formel bl = CP drei verschiedene Werthe:
C=31,67,\ \ 25,35,\ \ 17,20
beigelegt, welche den drei Annahmen entsprechen, die Spannung
im activen Riemenstück sei:
T=1,4\,P,\ \ 5/3\,P,\ \ 2\,P,
und habe den sich hiermit ergebenden Werth von b in die für den praktischen Gebrauch bequemste Form
gekleidet:
b=\lambda\left(\frac{1900}{D}\right)^2\
\frac{N}{n}, \lambda\,\left(\frac{1700}{D}\right)^2\,\frac{N}{n}, \lambda\left(\frac{1400}{D}\right)^2\,\frac{N}{n},
worin D=2\,r der Durchmesser der kleineren
Scheibe in Centimeter ist, und l einen von der
Entfernung der Achsen und dem Unterschied r_1-r der Radien
abhängigen Factor bedeutet, der am angegebenen Orte in eine kleine Tabelle gebracht
ist, von 1,6 bis 0,8 variirt und = 1 ist, wenn 0,8 der halben Peripherie der kleinen
Scheibe belegt ist.
Diesen 3 Annahmen des Verhältnisses T : P entsprechen die 3 Formeln:
T=b\,\delta\,\frakfamily{S}=0,0442\,b\,l,\ \ 0,0657\,b\,l,\ \
0,1163\,b\,l,
oder, wenn l=0,8\,\pi\,r angenommen
wird:
\delta\,\frakfamily{S}=0,111\,r,\ \ 0,165\,r,\ \ 0,292\,r.
Für constante Riemendicke
\delta=0^{\mbox{cm}},4 folgt:
\frakfamily{S}=0,28\,r,\ \ 0,41\,r,\ \ 0,73\,r,
also z.B. für r=40^{\mbox{cm}}:
\frakfamily{S}=11,2,\ \ 16,4,\ \ 29,2\,\mbox{k/qc}
und für P=100^\mbox{k},\ l=100^{\mbox{cm}}
wird dann beziehungsweise:
b=31,67,\ \ 25,35,\ \ 17^{\mbox{cm}},20\ \ \mbox{bei}\ \
T=140,\ \ 166,7,\ \ 200^\mbox{k}.
Weiſs will dagegen \frakfamily{S} als
constant betrachten, die Riemendicke δ proportional r annehmen und von dem praktisch wichtigen Verhaltniſs
T\,:\,P ganz absehen. Aus der Weiſs'schen Tabelle S. 181 d. Bd. folgt z.B. für
\frac{\delta}{r}=0,01,\ \frakfamily{S}=\frac{300}{10}=30, und
für v = 10m sein
Werth \frakfamily{S}_2=23, sein C
(verschieden von dem Oder Roper'schen Formel) = 18, daher:
b=18\,\frac{P}{D}=9\,\frac{P}{r} und
b\,\delta=9\,P\,\frac{\delta}{r}, folglich gemäſs der letzten
Zeile S. 180 d. Bd. T=16,8\,b\,\delta=1,512\,P, welche Beziehung
von ihm nicht beachtet wird.
Die Weiſs'sche Annahme m =
2 erachte ich nicht für zulässig, weil dieselbe nur für α = 0,8 π gilt, während gerade das
Charakteristische der amerikanischen Formel darin liegt, daſs auf den wahren Werth
des belegten Umfanges l die durchaus nothwendige
Rücksicht genommen wird.
Noch glaube ich bemerken zu sollen, daſs unsere alte europäische Formel schon bei
Vernachlässigung der Fliehkraft gar keine Sicherheit
gegen das Gleiten nachweist, die Riementriebe aber dennoch entsprochen haben, weil
eben der Luftdruck die erforderliche Sicherheit herstellte, oder, wenn die Breite zu
knapp bemessen war, der Riemen so stark gespannt wurde, daſs T noch viel mehr als 2P betrug.
Gustav Schmidt.
––––––––––
Zu der vorstehenden Entgegnung des Hrn. Prof. Gust.
Schmidt habe ich zu bemerken, daſs die amerikanische Formel allgemein
gültig, wenn auch mit anderen Bezeichnungen, so geschrieben wird, wie ich sie in
meinem ersten Artikel S. 177 d. Bd. als Formel (3) angegeben habe, und daſs sie auch
ausgedrückt werden kann durch:
b=\frac{2,P}{\alpha\,D\,k}=\lambda\,\frac{2\,P}{0,8\,\pi\,D\,k}=\lambda\,C\,\frac{P}{D},
so fern gemäſs Prof. Schmidt's
Bezeichnung λ einen Coefficienten bedeutet, welcher von
der besonderen Gröſse des vom Riemen umschlungenen Bogens α oder von der besonderen Gröſse der Scheibenhalbmesser und der Entfernung
e der Riemenmittel abhängig ist.
Zur Vermeidung von unnöthigen Verwicklungen habe ich meine Erörterungen einstweilen
auf die aus der allgemeinen Formel mit der für mittlere Verhältnisse der Anordnung
üblich gewordenen Annahme λ = 1, also α = 0,8 π, hergeleitete
Formel (1) meines Artikels ausdrücklich eingeschränkt und durfte daher in meinen
vergleichenden Berechnungen auch nur α = 0,8 π annehmen, was ich auf der ersten Seite (nämlich S. 177) meines
ersten Artikels über Riementriebe ausdrücklich angegeben habe, und weshalb sich dann
der Ausdruck m=\frac{e^{\mu\,\alpha}}{e^{\mu\,\alpha}-1} mit dem
üblichermassen ein für alle Mal zu μ = 0,28
angenommenen Reibungscoefficienten gleich 2 ergab. Es beruht mithin wohl auf einem
Miſsverständnisse, daſs Schmidt in einem vermeintlichen
meinerseitigen übersehen seines Zusatzartikels, in welchem jener Coefficient λ vorkommt, und in meiner Specialisirung des Ausdrucks
m, welcher übrigens rücksichtlich der
Unbestimmtheit des Reibungscoefficienten μ überhaupt
nicht als mathematisch genaue Gröſse aufgefaſst werden kann, einen Fehler oder eine
Unzulässigkeit erblickt.
Die von Schmidt im letztgenannten Zusatzartikel, dessen
Inhalt übrigens ein Auszug aus einem anderen, von mir sehr wohl citirten Schmidt'schen Artikel ist, nach Maſsgabe der
amerikanischen Formel aufgestellten Formeln, welche auch in obiger Entgegnung
besprochen werden, halte ich in ganz gleichem Grade, wie jene, der Begründung
bedürftig. Ohne schon jetzt ein abfälliges Urtheil über deren praktischen Werth
auszusprechen, erachte ich es doch als einen Irrthum, daſs bei ihrer Ableitung von
den 3 Formeln, welche ich zur Bestimmung der 3 Unbekannten T, t und b in meinem ersten Artikel benutzte,
nämlich:
T-t=P,\ T=b\,\delta\,\frakfamily{S} und
T+k\,b\,r=(t+k\,b\,r)\,e^{\mu\,\alpha}
die zweite, welche sowohl aus sachlichen, als aus
mathematischen Gründen nicht ignorirt werden darf, völlig unbeachtet blieb und durch
eine willkürliche oder durch eine die Richtigkeit des amerikanischen Coefficienten
C von vorn herein anerkennende Annahme ersetzt
wurde.
Bei Vermeidung jenes Irrthums ergeben sich höchst einfach, ungezwungen und nothwendig
die von mir abgeleiteten Formeln (12) und (13) S. 178 d. Bd., welche alles das in
sich schlieſsen, was Schmidt willkürlich angenommen
wissen will, und dessen Nichtbeachtung derselbe als eine Mangelhaftigkeit meiner
Erörterungen bezeichnet.
Eine gesetzmäſsige Veränderlichkeit des Festigkeitscoefficienten
\frakfamily{S} mit der Dicke δ
des Riemens, wie sie wohl in unsern Nachschlagebüchern hypothetisch, jedoch
keineswegs den thatsächlich bestehenden, beträchtlichen Schwankungen einigermaſsen
Rechnung tragend angenommen wird, habe ich um so weniger der Berechnung zu Grunde
gelegt, als bei der höchst zweifelhaften Genauigkeit der etwa vorausgesetzten
mathematischen Beziehung die Verwicklung fast erdrückend geworden sein würde,
während sehr leicht nachträglich entsprechende Modifikationen angebracht werden
können und auch werden angebracht werden. Ich verweise diesbezüglich, ebenso wie
betreffs noch einiger anderer Punkte, auf meine bereits angekündigten, demnächst
folgenden Artikel.
Dr. Weiſs.